Statut der Gerbergrabe-Gesellschaft zu Oschatz
§ 1 Gründung der Gesellschaft
Die Gerbergrabegesellschaft ist im Jahre 1576 durch den Zusammentritt mehrerer Innungen, als der Loh- und Weißgerber-, Riemer-, Sattler-, Beutler- und Täschner-Innung gegründet
und von dem Rathe zu Oschatz besage Urkunde vom Dienstage nach Trinitatis, den 19, Juni 1576 bestätigt worden,
§ 2
Zweck Der Zweck derselben
ist, verstorbene Gesellschaftsmitglieder oder deren noch nicht
selbstständige Angehörige zur Ruhestätte zu Bringen.
§ 3
Mitgliederzahl Die Zahl der
Gesellschaftsmitglieder ist unbeschränkt und kann jeder dem hiesigen
Kirchenbezirk angehörige Einwohner unbescholtenen Rufes als Mitglied der
Gesellschaft beitreten,
§ 4 Aufnahme Aufnahmegesuche
sind bei dem amtierenden Gesellschaftsvorsteher schriftlich anzubringen,
Ueber die Aufnahme selbst hat der Gesammtvorstand zu entscheiden, Die
Aufnahme von einzelstehenden Frauenspersonen als Gesellschaftsmitglieder
ist nicht gestattet. Witwen verstorbener Mitglieder bleiben Mitglieder
der Gesellschaft, Ueber 50 Jahre alte Personen werden nicht aufgenommen.
§ 5 Austritt Der Austritt aus der Gesellschaft kann jederzeit
erfolgen, er steht jedem Mitgliede frei, ist jedoch dem Vorsteher
schriftlich anzuzeigen, Durch den angezeigten Austritt begiebt sich das
betreffende Mitglied aller und jeder Ansorüche an das Vermögen der
Gesellschaft, sowie aller sonstigen Rechte ausdrücklich, Das austretende
Mitglied hat für die während der Mitgliedschaft und bis zu seinem
Austritt Seiten der Gesellschaft eingegngenen Verbindlichkeiten zu
haften.
§ 6 Ausschluß
Wer a)
b) c) oder wer d) |
mit Abführung der Eintritts- oder
Quartalgeldes sich säumig erweist und nach vorhergegangenen
Erinnerung seine Beiträge nicht entrichtet, durch entehrende
Handlungen der öffentlichen Achtung sich verlustig macht, ein
unanständiges Betragen in den Versammlungen zeigt
sonst
den Pflichten, welche ihm nach diesem Statut obliegen, nicht
oder nur zum Theil nachkommt, |
kann nach Beschluss des Gesammt-Vorstandes als Mittglied
ausgeschlossen werden. Der Ausschluss zieht den Verlust aller Rechte
und Ansprüche an die Gesellschaft und das Gesellschaftsvermögen nach
sich. Ueber die erfolgte Ausschließung von Mitgliedern ist der
nächsten Generalversammlung Kenntniß zu geben.
Pflichten der Mitglieder
§ 7
Eintrittsgeld jedes neu eintretende Mitglied hat bei
der Aufnahme in die Gesellschaft
Sechs Mark Eintrittsgeld und zwar: Drei Mark sofort und Drei
Mark nach und nach mit einer Mark jährlich zur Gesellschaftskasse zu
bezahlen. § 8
Quartalgeld Außerdem hat jedes männliche
Gesellschaftsmitglied in der jährlich am 3. Pfingstfeiertage stattfindenden Generalversammlung das
durch Gesellschaftasbeschluß nach Bedürfniß zu erhöhende oder zu
vermindernde Quartalgeld zu bezahlen. Diejenigen Personen, welche bei
der Aufnahme das 40. Altersjahr bereits überschritten haben, müssen die
Quartalgelder auf die Zeit vom überschrittenen 40 Altersjahren an
nachzahlen.
§ 9 Jeder, der in die Gesellschaft aufgenommen
wird, ist auch verpflichtet, der Begräbnisse beizutreten.
Rechte der Mitglieder
§
10 Jedem Gesellschaftsmitgliede stehen nach erfolgter Aufnahme
folgende Rechte und Vergünstigungen zu und werden bez. den
Hinterlassenen gewährt:
a)
b) c) d)
e) |
die unentgeltliche Benutzung der Begräbnißgeräthschaften bei Beerdigung
von Gesellschaftsmitgliedern und deren Kindern im Alter bis zu
14 Jahren einschließlich der Bespannung des Leichenwagens.
die unentgeltliche Dienstleistung des von der Gesellschaft
angestellten Grabebitters, sowie der Träger, die
unentgeltliche Benutzung der Begräbnißgeräthschaften bei
Beerdigung von Frauen der Gesellschaftsmitglieder, welche der
Begräbnißkasse nicht beigetreten sind. Beschwerden und
Anträge einbringen zu können |
Etwaige Beschwerden und Anträge sind entweder 14 Tage vor jeder Generalversammlung schriftlich bei dem Vorsteher, oder sofort in der Generalversammlung mündlich anzubringen, Im
letzteren Falle müssen dieselben von mindestens 19 Mitgliedern
unterstützt sein,§
11 Generalversammlung die Gesellschaft hält
alljährlich eine Generalversammlung und zwar jedesmal am dritten
Pfingstfeiertage abm wozu die Mitglieder mittelst Bekanntmachung in den
Lokalblättern eingeladen werden, Außerordentliche Versammlungen werden
vom Vorstande bestimmt, aber müssen auf schriftlichen Antrag von
mindestens 25 Mitgliedern stattfinden.
§ 12 Beschlüsse Die in der
Generalversammlung oder in jeder anderen außerordentlichen Versammlung
erschienenen Gesellschaftsmitglieder sind beschlußfähig, wenn außer den
Vorstandsmitgliedern noch mindestens fünf Gesellschaftsmitglieder
anwesend sind,
Rechte der Gesellschaft
§
13 Die Gesellschaft hat a) die Wahlen der Vorsteher und
Vorstandsmitglieder zu vollziehen, b) über rechtzeitig eingebrachte
Anträge zu beschließen c) die Erhöhung oder Ermäßigung des Quartal-
und Eintrittsgeldes zu bestimmen, d) Rechnungsrevisoren zu ernennen
e) die Rechnungsjustifikation auszusprechen, f) Beschlüsse zu fassen
über Veränderung des Vereinsvermögens g) die Höhe der von den
Vorstehern etwa zu bestellenden Kautionen zu bestimmen, h) über die
Höhe der Besoldungen der Gesellschaftsbeamten zu beschließen.
Gesammtvorstand
§
14 An der Spitze der Gesellschaft stehen zwei Vorsteher und zehn
Vorstandsmitglieder, welche den Gesammtvorstand bilden.
§ 15
Funktionsdauer desselben Die Funktion des Gesammtvorstandes dauert 6
Jahre und scheiden nach Ablauf von 3 Jahren 1. Vorsteher und 5
Vorstandsmitglieder aus.
§ 16 Pflichten des
Gesammtvorstandes Die zum Gesammtvorstande gehörigen Vorstandsmitglieder treten bei allen
wichtigen Gesellschaftsangelegenheiten zur Berathung und Beschlußfassung
zusammen, insbesondere haben dieselben in Gemeinschaft mit den
Vorstehern zu bestimmen: a) die Einberufung von Generalversammlungen,
b) die Feststellung der Tagesordnung zu derselben, c) Aufnahme neuer
Mitglieder, d) Aufstellung, Kündigung und Entlassung des Grabebitters
und der Träger e) die Ausschließung von Mitgliedern auf Grund § 6 und
f) die Wahl des Schriftführers bez. Stellvertreters.
Bei der Wahl
der Träger ist möglichst auf Gesellschaftsmitglieder Rücksicht zu
nehmen. Der Gesammtvorstand ist beschlußfähig, wenn mindestens acht
Vorstandsmitglieder anwesend sind,
§ 17 Pflichten der
Vorsteher Die Vorsteher haben a) das Recht, Sitzungen
des Gesammtvorstandes anzuberaumen, in solchen die Geschäftsführung zu
übernehmen, überhaupt aber, neben der allgemeinen Verwaltung, die
Gesellschaft in allen Angelegenheiten zu vertreten.
Kassen- und Rechnungsführung b) die
Verpflichtung, über die ihren anvertraute Gesellschaftskasse alljährlich
in der Generalversammlung am 3, Pfingstfeiertage Rechnung abzulegen,
dieselbe auch vier Wochen vorher behufs der Durchsicht und Prüfung an
die Rechnungsrevisoren gelangen zu lassen und c) auf
Beschwerden gegen den Grabebitter und die Träger Verweise zu erteilen,
Ein Vorsteher kann nicht beide Kassen gleichzeitig verwalten.
§
18 Pflichten des Schriftführers Der Schriftführer
hat alle Protokolle in den Generalversammlungen und den Vorstandssitzungen zu
führen.
§ 19 Besoldungen Für die
Geschäftsführung bei der
Grabekasse wir der Vorsteher besonders honoriert, ebenso wird dem
Schriftführer die Protokollführung und den Rechnungsrevisoren die
Rechnungsprüfung vergütet.
§ 20 Die Obliegenheiten des
Grabebitters sind in dem selben auszuhändigenden Dienstinstruktion
geregelt,
§ 21 Wahlen Die Wahl der
Vorsteher und Vorstandsmitglieder erfolgt durch schriftliche Abstimmung
und absolute Stimmenmehrheit der in der Generalversammlung anwesenden
Mitglieder, Wird in dem ersten Wahlgange absolute Stimmenmehrheit nicht
erzielt, so entscheidet im Zweiten Wahlgange relative Stimmenmehrheit.
§ 22
Gebühren bei Beerdigungen Wegen Erhebung der
Gebühren bei Beerdigungen ist der diesem Statut beigefügte Tarif
maßgebend.
Begräbnißkasse
§
23 Was die Begräbnißkasse anlangt, so gelten bezüglich derselben
folgende Bestimmungen:
a. Aufnahme
die Aufnahme in die Gerbergrabegesellschaft bedingt zugleich auch den
Eintritt in die Begräbnißkasse, ebenso wie der Austritt oder der Ausschluß eines Mitglieder aus der Gerbergrabegesellschaft auch den
Austritt oder den Ausschluß bei der Begräbnißkasse zur Folge hat.
b. Eintrittsgeld und Begräbnißsteuer Jedes Mitglied
hat bis auf Weiteres Mk. 30 Pf. Einschreibegeld bei dem Eintritt und
Mk. 48 Pf. Steuer bei jedem innerhalb der Gesellschaft vorkommenden
Sterbefall zu bezahlen Jedes Mitglied, welches bei der Aufnahme
das 40. Lebensjahr überschritten hat, muß die Begräbnißkassengelder von
Zeit des 40. Altersjahres nachzahlen.
c. Verfahren
gegen Restanten Wer in Abführung der Steuerbeträge sich
säumig erweist und etwa verlangte Steuerreste auf vorherige Erinnerung
nicht sofort bezahlt, wird auf Beschluß des Gesammtvorstandes als
Mitglied ausgeschlossen. Von dieser Ausschließung ist der nächsten
Generalversammlung Kenntniß zu geben. Regreßansprüche an die
Gesellschaftskasse oder das Gesellschaftsvermögen stehen dem
Ausgeschlossenen nicht zu,
d. Unterstützungen
In Sterbefällen wird den Hinterlassenen eines verstorbenen Mitgliedes
eine Unterstützung gegen Quittung und Bescheinigung des Ablebens
ausgezahlt. Die Höhe dieser Unterstützung richtet sich nach der Zahl der
Mitglieder und beträgt: 1.) bis zum vollendeten 8. Jahre
nach dem Eintritt des Verstorbenen von je 10 Gesellschaftsmitgliedern –
Mk. 75 Pf; 2.) bis zum vollendeten 16. Jahr
der Mitgliedschaft des Verstorbenen von je 10 Gesellschaftsmitgliedern 1
Mk. 12 Pf., und 3.) vom vollendeten 16 Jahre der
Mitgliedschaft des Verstorbenen von je 10 Gesellschaftsmitgliedern 1 Mk.
50 Pf. Außerdem werden von den Zinsen des Vermögens der
Begräbnißkasse durch die Generalversammlung zu bestimmende Zuschüsse
gewährt.
e. Kassen- und Rechnungsführung
Die Kassenverwaltung bei der Begräbnißkasse hat derjenige von den beiden
Vorstehern zu führen, welcher das Jahr vorher die Verwaltung der
Grabekasse besorgte. Ueber die Kassenverwaltung ist vom Vorsteher
alljährlich und zwar auf die Zeit vom 1. April bis mit 31. März Rechnung
zu führen und letztere der Generalversammlung am 3. Pfingstfeiertage
vorzulegen, nachdem solche zuvor von den Rechnungsrevisoren geprüft
worden ist und unter den Vorstandsmitgliedern circulirt hat. Die
Rechnungsjustifikation erfolgt auf Vorschlag des Gesammtvorstandes in
der Generalversammlung durch die Gesellschaft.
f.
Fortsetzung Die Einhebung der Steuerbeträge erfolgt durch
Hinausgabe von Steuerquittungen, welche ein dem Vorsteher beigegebener
Einsammler an die Gesellschaftsmitglieder auträgt, Die empfangenen
Steuerbeträge hat der Einsammler unter gleichzeitiger Rückgabe der nicht
eingelösten Steuerquittungen an den betr. Vorsteher abzuliefern und ist
ihm zur Einsammlung eine Frist von 10 Tagen nachgelassen.
g.
Besoldung des Vorstehers Für die Geschäftsführung
bei der Begräbnißkasse wird der Vorsteher besonders honoriert und
erhält derselbe für das jedesnalige Ausschreiben neuer Steuern von je
100 Mitglieder-Nummern – Mk. 75 Pf.
h. Besoldung des
Einsammlers Derselbe erhält für das Einholen der
Steuerbeträge 8 Proz. von den baar abgelieferten Beträgem.
§ 24
Abänderung der Statuten Das gegenwärtige Statut kann
nur durch Beschluß der Generalversammlung abgeändert werden,
§ 25
Schluß Dieses in der Generalversammlung am 3.
Pfingstfeiertage 1892 abgeänderte und genehmigte Statut tritt mit dem 7.
Juni 1892 in Kraft
Oschatz, am 7. Juni 1892
Der Gesammt-Vorstand: H. Richter, H; Jretzschmar, C.
Bernhardt, T. Büchner, G. Dietrich, H, Hartmann, G. Kretzschmar, J.
Möbuß, H. Nitzsche, E Schütze, Cl. Schulze, H. Thürmer
Tarif über die
bei Verleihung der Begräbniß-Geräthschaften und sonst bei
Bedingungen zu erhebenden Gebühren
I.
Innerhalb des Kirchenbezirks Oschatz a) Bei Beerdigung 1, Klasse: 1. für den Galawagen und vier Pferdedecken
2. für die doppelte Bespannung 3. für die einfache Bespannung
4. für den Grabebitter 5. für jeden Träger
b) Bei
Beerdigung II. Klasse und abwärts 1. für den Galawagen 2.
für den zweiten Leichenwagen 3. für 4 Pferdedecken 4. für 2
Pferdedecken 5. für die doppelte Bespannung 6. für die
einfache Bespannung 7. für den Grabebitter 8. für jeden
Träger 9. für Benutzung der Leichentücher
c) Bei
Beerdigung von Kindern: 1. für den Kinderleichenwagen 2.
für die Bespannung 3. für die Grabebitter
d) für den
Transport eines Leichnams mittelst Leichenwagens von der
Behausung in die Leichenhalle
II. Bei Beerdigungen
außerhalb des Kirchenbezirks Oschatz, bis zu 6 Stunden
Außenbleiben 1. für den Galawagen und vier Pferdedecken 2.
für den zweiten Leichenwagen 3. für das Leichetuch 4. für
4 Pferdedecken 5. für 2 Pferdedecken 6. für den
Grabebitter 7.für den Träger 8. für die einfache
Bespannung bei 1 Stunde Wegeweite bei 2
Stunden Wegeweite bei 3 Stunden Wegeweite
9. für die doppelte Bespannung bei 1 Stunde Wegeweite
bei 2 Stunden Wegeweite bei 3 Stunden
Wegeweite |
Mk. 50,-- Mk. 12,-- Mk.
6,-- Mk. 9,-- Mk. 3,--
Mk. 30,-- Mk. 10,-- Mk 6,-- Mk. 3,--
Mk. 12,-- Mk. 6,-- Mk. 5,-- Mk. 1,50
Mk. 1,50 – 6
Mk. 3,50 Mk.
3,50 Mk. 2,--
Mk. 10,--
Mk. 50,-- Mk. 12,-- Mk. 6,-- Mk.
6,-- Mk. 3,-- Mk, 5,-- Mk.
3,-- Mk. 9,-- Mk. 12,-- Mk. 15,-- Mk.
18,-- Mk. 24,-- Mk. 30,-- |
Bei längerem Andauern des Gebrauchs der Utensilien und der Bespannung, sowie Inanspruchnahme der Bediensteten ist die zu zahlende Gebühr mit dem geschäftsleitenden Vorsteher zu vereinbaren.
|