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Unsere Stadt, in frühesten Zeiten Ozzec genannt, hat seit ihrer Erbauung durch Otto den Großen mannigfache traurige Schicksale erfahren. Schon in den frühesten Zeiten und die Jahre 985 - 999 litt sie durch Teuerung und Krankheiten, so wie später durch die ewigen Fehden der damaligen Machthaber, welchen dann wieder Misswachs, Hungersnot und ansteckende Krankheiten folgten. Am härtesten aber wurde sie im Hussitenkriege betroffen, der sich im Jahre 1429 auch über Sachsen verbreitete. Vergebens stellte sich der unter ihrem Anführer Procopius heranstürmenden fanatischen Scharen der Kurfürst von Brandenburg Friedrich, welcher dem Kurfürsten von Sachsen, Friedrich dem Sanftmütigen zur Hilfe eilte, am Collmberg bei Oschatz entgegen. Er wurde geschlagen und die siegestrunkenen Taboriten zerstörten um das Weihnachtsfest Oschatz nebst seinen Kirchen gänzlich im Feuer, verwüsteten die Umgegend, und seit jener Zeit ist es, wo die Dörfer Gorau, Blumenberg, Kummersdorf und Neußlitz, deren Fluren wir jetzt nur noch kennen, aus der Reihe unserer benachbarten Ortschaften verschwanden.
Nicht minder litt auch die Umgegend im Bruderkriege, den der ebengenannte sächsische Kurfürst und Herzog Wilhelm III. bald darauf miteinander führten, und wieder waren es die böhmischen Hilfsvölker des letzteren, welche unsere Stadt auf einem Streifzuge berührten und 100 Häuser derselben in Brand steckten. Ebenso hart wurde sie, nachdem im Jahre 1539 die Reformation hier eingeführt worden war im Schmalkaldischen Kriege und vorzüglich im Jahre 1547 mitgenommen, wo sie nach kurzer Belagerung und Beschießung den Kurfürstlichen sich ergeben musste. Dann wüteten in den Jahren 1552, 1555, 1566, 1575, 1581, 1583 wieder pestartige Krankheiten, denen im Jahr 1590 eine große Hungersnot folgte, die aber nicht aus Mangel an Korn, sondern an Mehl entstand, weil wegen der 3 Monate anhaltenden großen Hitze alle Wasser austrockneten und die Mühlen stehen blieben. Im Jahre 1598 raffte dann die Ruhr und nach ihr wieder die Pest eine Menge Menschen weg, was auch in den folgenden Jahren noch mehrmals der Fall war.
Das härteste Los traf jedoch unsere Stadt bei dem großen Brande im Jahre 1616, worüber unser Chronist folgendes mitteilt:
„Im Jahre 1616 am 4. Julius ereignete sich der große Brand, welcher, da er für unsere Stadt so verderblich war, dass noch jetzt 57 Hausstellen wüste liegen, billig eine nähere Beschreibung verdient. Johann Walter, ein hiesiger Bürger und Augenzeuge dieses Brandes hat denselben in Reimen beschrieben, wovon ich hier ein Auszug liefere. Das Feuer brach an dem Donnerstage nach dem Ablaß-Jahrmarkt nach 2 Uhr Nachmittag, als sich ein großer Teil der Einwohner auf dem Felde mit der Ernte beschäftigte, bei dem Schlosser Andreas Umhof auf der Döllnitzgasse, und zwar in dem Hause aus, das jetzt die Nummer 249 führt. Der Schlosser entwich unter den Sturmlauten zur Furcht aus der Stadt und kam nicht wieder zum Vorschein. Die Löschenden suchten zwar mit aller Anstrengung, den Flammen Einhalt zu tun, allein es konnte bei der großen Hitze nicht verhindert werden, dass das Feuer die gegenüberstehenden Häuser, die alle mit Schindeln gedeckt und noch überdies sehr aufgetrocknet waren, ergriff und die ganze Gasse einäscherte, in die man sich, da sie sehr enge war, nicht mehr wagen, auch zu dem Wasser in der durchfließenden Döllnitz nicht gelangen konnte. Während die Döllnitzgasse brannte, zündete das Flugfeuer an zwei verschiedenen Orten, vor dem Strehlaischen und Hospitaltore, so dass es jetzt an drei, einen Büchsenschuß weit voneinander entfernt liegenden Orten brannte. Vor den angezeigten Toren verzehrte die Flamme sogleich an dem Steinwege 15 Häuser und 18 Scheunen, nebst dem Hospital zu St. Georg, das Posthaus, das Lazarett und 3 steinerne Vorwerk. In der Begräbniskirche brannte schon die Kirchentüre und die Fenster zersprangen an der Abendseite; die Flamme wurde aber hier bald gelöscht. In der Stadt kam das Feuer von der Döllnitzgasse in die Hospitalgasse von da auf den Hauptmarkt und sodann in die Webergasse, wo sich viele Einwohner, um dem Feuer zu entgehen, an die Stadtmauer geflüchtet hatten, welche aber, weil alle umherstehenden Häuser von den Flammen ergriffen wurden, die Glut so umschloss, dass ihnen die Kleider versengten. Auch das Gras auf den Mauern verbrannte, jedoch kam dabei niemand, weil der Wind dem Feuer entgegenstieß, um sein Leben. Als die Altoschatzer Gasse und der Markt eingeäschert worden waren ergriff das Feuer die Sporergasse auf beiden Seiten und in derselben 2 Kommungebäude, nämlich die Fleischbänke und Garküche, so dass niemand wegen der großen Hitze und einstürzenden Gebäude durchkommen konnte. Ebenso verhinderten die 2 abgebrannten Tore die Kommunikation mit der Vorstadt. Nun lag schon in einer Zeit von 3 bis 4 Stunden der halbe Teil der Stadt innerhalb der Ringmauern nebst 3 Wassermühlen mit allen Wasserrädern, elf Brauhäusern und fünf Malzhäusern, darin die tief in der Erde stehenden steinerne Tröge in kleine Stücken zersprungen waren, in der Asche. Das Elend hatte aber noch kein Ende. Das Feuer drang von der Sporergasse auf den Kirchhof und zündete die Rektoratwohnung und die Schule an, von da flog es gegenüber auf die Turmhaube, wo das Kindtaufglöckchen hängt, von da es das Kirchdach einnahm und dann die beiden Türme ergriff auf welchen 4 große und zwei kleine Glocken und eine Schlaguhrschelle hingen. Die Glocken stürzten herunter, zerschlugen einen Teil des Kirchengewölbes hinter der Ratsemporkirche und das zugleich nachfallende Feuer verzehrte den Schülerchor mit 200 Stück auf Pergament und Papier kostbar geschriebenen Büchern zum Singen, die Orgel, die Kirchenstühle, den Taufstein, den Altar, die kunstvolle Kanzel, die schönen Epitaphen und die Emporkirche. Die Pfeiler und die Kirchenfenster zersprangen vor großer Hitze. Von den Flammend er Kirche wurde die Turmhaube des Rathauses angezündet und die darauf befindlichen zwei Seigerschellen zerschmolzen, das künstliche Uhrwerk, die an dem Vordergiebel befindliche ausgehauenen Quadersteine, so fest sie auch waren, stürzten herab und das Rathaus brannte bis auf die Gewölbe ganz aus. Von der Schule ging das Feuer weiter fort und verheerte auch die Kirchnerwohnung. die Physikatswohnung, das Siegelhaus der Tuchmacher, die Archidiaconatwohnung, die Superintendentur, hernach die nicht lange vorher neuerbaute Stadtschreiberei, die Wohnung der Baccalaureen, die Nonnengasse und hörte erst bei dem Gasthofe zum weißen Roß auf. Nur 25 Häuser blieben stehen, dazu die Häuser auf der Mitternachtsseite des Marktes, die Diaconatwohnung, die Brüdergasse, 2 Scheunen, die Wohnung des Stadt- und Amtsfrohns, die Klosterkirche, das Kloster, der Marstall und das Brüdertorhaus gehörten. Bei diesem großen Feuer verunglückte kein Mensch, aber nachher wurden 3 Personen durch den Einsturz der Brandmauern erschlagen. In allen brannten 444 Häuser (die freilich damals nicht so bedeutend als jetzt waren,) und Scheunen ab. Die unglücklichen Einwohner brachten die erste Nacht auf freiem Felde zu, kehrten dann zu den Schutthaufen zurück und sahen, wo sie ihr einstweiliges Unterkommen fanden. Die Umhofin wurde gefänglich eingezogen, saß 7 Wochen und wurde, da sie eingestand, dass das Feuer durch ihre und ihres Mannes Unachtsamkeit verwahrlost worden sei, den 24. August, nach geschworenem Urpheden von den Gerichten der Stadt auf ewig verwiesen. – Am 10. Dezember 1616 kam nach Oschatz die Nachricht, dass 3 Missetäter, die zu Altenburg verbrannt worden wären, bekannt hätten, dass das Feuer zu Oschatz von ihnen angelegt worden sei. Hierauf schrieb der Rat an den Amtsschösser daselbst um zu erfahren, was es mit jener Sage für eine Bewandtnis habe. Die Antwort ist mir nicht bekannt. Jenes Vorgeben kann aber schon durch die angeführte Aussage der Umhofin widerlegt werde.“ –
Das Elend der Stadt wurde übrigens durch die in dem selben Jahre eingetretene Teuerung noch vermehrt und die Totenlisten beurkunden, dass viele vor Kummer und Elend starben. Beinahe ganz Deutschland nahm damals Teil an dem unglücklichen Lose der Stadt und selbst aus Hamburg und Lübeck gingen ansehnliche Gaben ein. Auch der bald darauf ausgebrochene 30jährige Krieg blieb nicht ohne traurige Folgen für unsere Stadt und namentlich war es das Jahr 1637, in welchem 2.000 Menschen, Einheimische sowohl als Fremde, die sich in die Stadt geflüchtet hatten, durch Hunger, Elend und Pest hingerafft wurden. Letztere wütete dann noch einmal aber auch am schrecklichsten, 3 Jahre hindurch von 1680 - 1683 und die von der unseligen Krankheit Verschonten litten – da niemand der Stadt zu nahen wagte, – zugleich so großen Mangel an Lebensmittel, dass sie genötigt waren, auf dem Turm eine schwarze Totenfahne aufzustecken, worauf denn auch die benachbarten Ortschaften teilnehmend herbeieilten und an den vor den Toren befindlichen 3 Kreuzen Lebensmittel aller Art niederlegten. Auch der siebenjährige Krieg forderte mannigfache Opfer von der Stadt und merkwürdigerweise fand hier, wie im Jahr 1590, so auch 1790 wieder ein großer Wasser- und Futtermangel statt. Selbst der Freiheitsschwindel dieses Jahres und der Folgezeit steckte, in der Nachbarschaft wenigstens,  einige unruhige Köpfe an, und in mehreren benachbarten Dörfern sowie in Dahlen musste sogar das Tummultmandat verlesen werden. Der deutsche Reichskrieg endlich und die Freiheitskämpfe des Jahres 1813 sind nebst ihren Folgen noch in zu frischem Gedächtnis, als dass sie einer weiteren Erwähnung hier bedürften.
Wir fügen daher nur noch in Bezug auf die wichtigsten und jetzt abgebrannten Gebäude einige historische und statistische Notizen bei.
Am meisten hat derjenige Teil der Stadt gelitten, der gewöhnlich, nie aber in Schriften – den Namen Ägypten führt. Unser Chronist Hoffmann sucht den Ursprung dieser Benennung darin, dass dadurch die Abgelegenheit jenes Stadtteils (der allerdings von den übrigen beinahe abgeschnitten war,) habe bezeichnet werden sollen. Wir glauben aber, dass man durch diesen Namen mehr auf die Gewerbetätigkeit (wodurch sich bekanntlich die Ägypter im Altertum auszeichneten) jenes Stadtteils hindeuten wollte, der, wie bekannt, meist von Tuchmachern und Webern (daher auch die Webergassen) bewohnt war. Auch diesmal wurden dort sehr viele Tuchfabrikanten des größten Teils ihrer Habe und namentlich ihrer kostbaren Maschinen beraubt.
Der Neumarkt, von dem nur noch die Nordseite steht, ist 100 Schritt lang und 70 Schritt breit. Die schönste altertümliche Zierde desselben war das Rathaus, dessen Bau vor 300 Jahren 1538 begonnen und 1546 beendet wurde. Die Werkstücke dazu kamen aus den Pirnaischen Steinbrüchen, und der schöne östliche Giebel wurde von einem Steinarbeiter aus Pirna für 17 Schock 30 Gr. verfertigt. Die auf beiden Seiten desselben angebrachten 11 kupfernen und gut vergoldeten Knöpfe wogen 37 Pfund und kosteten  4 Schock 35 Gr. Das ebendaselbst angebrachte Uhrwerk aber war 1809 von dem hiesigen Huf- und Waffenschmied Joh. Gottfried Wagner, d. ält. für 250 Thaler gefertigt worden. Äußerlich ist an derselben Seite eine steinerne Treppe angebracht, die in das zweite Stockwerk führt. Über dem Eintritt derselben befand sich ein steinerner Bogen mit dem, jetzt ebenfalls herabgestürzten Stadtwappen von Bildhauerarbeit, und bei dem Austritte ein bedeckter Altan mit den Bildnissen Georg des Bärtigen und Heinrichs des Frommen. Darunter rechts war früher der Pranger und über demselben hingen zwei steinerne Flaschen, die 1526 verfertigt und sonst zänkischen Weibern zur Strafe an den Hals gehangen wurden. (Hört, hört!) Im zweiten Stockwerk befand sich die Wohnung des Kellerwirts mit der sogenannten oberen Trinkstube, deren kirchenförmige Gewölbe es beweist, dass sie ursprünglich zu einer Ratskapelle bestimmt war. Diese Stube ist noch gut erhalten und ebenso, größtenteils wenigstens, die darüberliegende Ratssessionsstube, von welcher aus der Eingang in das ebenfalls gerettete Archiv führt, das unter anderen 2 literarische Seltenheiten: eine der ältesten und schönsten Handschriften des Sachsenspiegels und ein Volumen eigenhändiger Briefe Luthers, Melanchthons, Jonas und Spalatins enthält, von denen die interessantesten sich in dem bereits erwähnten Schriftchen des Verfassers zum erstenmale abgedruckt befinden. Das große Tabulat, auf welchem früher der Ratsumtritt vollzogen wurde, ist ebenso wie die sogenannte Ritterstube und die, auf der nach der Altoschatzer Gasse zugehenden Seite gelegene Ratsexpedition, durch den Brand zerstört worden. Bei dem großen Brand am 4. Juli 1616 scheint dasselbe der Fall gewesen zu sein, denn am 23 Dez. 1617 wurde ein sogenannter Wolf auf die Brandmauern der Ratsstube gesetzt, bis den 4. April 1618 der Neubau begonnen und am 10. September das Dach gehoben wurde. An der Stelle der damals, am 10. Juli 1619, darauf gebauten italienischen Turmhaube hatte man vor mehreren Jahren einen dem Ganzen wenig angemessenen Turm in neuerem Stile gebracht, der nun ebenfalls wieder verschwunden ist. Die neben dem Archiv stehenden Häuser (Nr. 90 und 91) waren im Jahr 1532 erbaut worden, um den Markt vom Kirchhof abzugrenzen. In Nr. 90 wurde damals die Ratsapotheke gelegt.
Der Gasthof zum Stern (Nr. 292) hieß sonst der alte Gasthof und in ihm kehrten früher die landesherrlichen Kommissarien und im Jahre 1548 auch Philipp Melanchthon ein. Nach dem siebenjährigen Kriege wurde er lange Zeit bloß als Privathaus genutzt. Vielleicht wird ihm jetzt wieder ein ähnliches Schicksal.
Das Haus Nr. 295 führte den Namen des großen Christoph, weil daran die bekannte Sage abgebildet war, von welcher der 9. Art. der Apologie der Augsburgischen Konfession folgende Erklärung gibt: „St. Christophorum, welcher auf Deutsch heißt „Christträger“ hat etwa ein weiser Mann den Kinder in solcher großer Länge malen lassen, und hat wollen anzeigen, dass eine größere Stärke denn Menschenstärke ist, in denjenigen sein müsse, die Christum sollen tragen, die das Evangelium predigen und bekennen sollen, denn sie müssen durch das große Meer bei Nacht waden etc., d.i.  allerlei große Arbeit und Gefahr ausstehen;“ – und Thom. Brown bemerkt; „dass man das Bildnis Christophs gemeindlich an öffentlichen Straßen angemalt habe, um bei der Vorübergehenden gute erbauliche Gedanken zu erwecken.“ Dies mag auch einen ehemaligen Besitzer des gedachten Eckhauses bewogen haben, im Jahr 1572 das Bildnis Christophs angemalen zu lassen. Unter ihm standen die Worte:

Christophorus Christum, sed Christus sustulit orbem.
Constiterit pedibus, dic ubi Christophorus?

Als dieses Bildnis 1717 von dem Kunstmaler Christoph Richter erneuert wurde und er nur noch die Inschrift an dem Hauserker vollenden wollte, so stürzte er rückwärts 6 Ellen hoch herunter und starb nach neun Stunden. Im Jahr 1647 wurde das Haus von einem Blitzstrahl getroffen, der aber nicht zündete. Im Jahr 1616 gehörte noch das Haus daneben (Nr. 294) mit dazu.
Die Löwenapotheke (Nr. 339) wurde im Jahr 1510 von Hironymus Ortheim angelegt. Die verschiedenen Besitzer derselben sind in der Hoffmannschen Chronik angegeben.
Die Obermühle (Nr. 329) war von 1488 bis 1784 Kommuneneigentum, bis sie der Rat am 16. Mai des letzgedachten Jahres an einen gewissen Amende um 3000 Thaler Kaufgeld und einen jährlichen Erbzins von 100 Thalern vererbte. Nach dem Großen Brande 1616 war sie so schnell wieder hergestellt worden, dass bereits zu Ursula 1617 137 Schock 25 Gr. Einnahme berechnet wurden. Seit den 4. Januar 1785 gehörte noch die nach dem Brande 1616 nicht wieder aufgebaute Oberbaderei (früher Nr. 415, jetzt ohne Nr.) dazu, welche eine Zeit lang die Kalandsbrüderschaft besessen hatte.
Die jetzt stehengebliebenen Häuser der Hospitalgasse Nr. 303 - 317 brannten den 18. September 1738 früh um 2 Uhr völlig ab. Der Sup. D. Strohbach und der Bürgermeister Hoffmann waren damals die ersten bei der Spritze und fuhren sie mit eigener Hand zum Feuer.
Das Gähr- Malz- und Brauhaus (Nr. 356 und 357) ist seit dem Jahr 1514 Kommuneneigentum, wurde 1562 für 436 Schock neuerbaut und nach dem Brande am 4. Juli 1616 ebenfalls so schnell wieder hergestellt, dass vom September 1616 bis Ostern 1617 schon wieder 80 Biere darin gebraut wurden. Auch damals hatte sich, wie jetzt, die Braupfanne im Feuer erhalten. Diesmal wurde aber bereits 14 Tage nach dem Brande wieder gebraut.
Das erwähnte niedergerissenen Haus Nr. 286 war früher die Baderei, in welcher die Seelen der Verstorbenen gebadet wurden. Die Sache ist kein Scherz, denn durch diese Seelbäder sollte der Schmerz im Fegefeuer gemindert werden. Vermögende Leute die vielleicht dieses Mittels am meisten zu bedürfen glaubten bestellten daher oft 3 - 5 Bäder nach ihrem Tode und die Badereiinhaber standen sich gut dabei. Für Arme wurden zu diesem Zwecke sogar Stiftungen bestellt. Vergleiche Hoffmanns Chronik S. 69 und S. 141.
In der Nonnengasse waren die abgebrannten Häuser Nr. 122 und 123 (alte Nr. 191 und 192) früher Altaristenwohnungen, das
Archidiaconat (Nr. 115) aber, war 1513 ebenfalls von 2 Altaristen erbaut und 1596 erneuert und zur Wohnung des Archidiaconus bestimmt worden, wie sie es auch nach dem Brande 1616 blieb. Vorher stand kein Haus daselbst und auch jetzt dürfte es vielleicht wieder ein freier Platz werden.
So kommen wir den nun zur Stadtkirche, früher die Pfarrkirche zu St. Aegydii genannt, die jetzt zum drittenmal vom Feuer zerstört worden ist. Zu welcher Zeit das Mauerwerk und kunstvolle Gewölbe derselben, das sowohl bei der Verbrennung der Kirche durch die Hussiten im Jahre 1429, als in dem Brande 1616 unzerstört blieb und auch jetzt (1842) wieder größtenteils erhalten worden ist, erbaut wurde, kann nicht genau bestimmt werden. Aus der Gleichartigkeit der Bauart mit der Thomaskirche in Leipzig (Hoffmann gibt fälschlich die Nikolaikirche an) darf man jedoch schließen, dass es ungefähr um das Jahr 1200 erbaut und mithin jetzt ungefähr 600 Jahre alt sei, so dass also der Kirche aller 200 Jahre ein wichtiges Schicksal erfahren hat. Aus späterer Zeit rührt der Altarchor her, indem den älteren, nach dem Hussitenbrande 1443 hergestellten Teil (unter welchem man eine halb unterirdische gewölbte Kapelle mit 5 Bogentüren zur Aufnahme von Weihaltären anbrachte,) beigefügt wurde. An der Mitternachtswand des Altarplatzes befanden sich bis jetzt die Bildnisse der Superintendenten D. Garthius, D. Candisius, M. Jentzsch, D. Rehbold, D. Bosseck, D. Richter, D. Strohbach, M. Zandt von Brause und D. Steinert, sowie einige Epitaphen von Bildhauerarbeit. Der Altar, welcher 24 Ellen hoch und 14 Ellen breit und im Jahr 1684 von dem Bildhauer Johann Friedrich Richter zu Meißen für 750 Thaler ausgearbeitet worden war, stellte in seinem Hauptgemälde die Verfinsterung der Sonne bei dem Tode Jesu vor und war am 22. Juni 1684 von dem D. Rehbold eingeweiht worden. Die heiligen Gefäße und Kirchenbekleidungen, größtenteils Denkmäler des frommen Sinnes unserer Vorfahren sind jedoch, ebenso wie die bis aufs Jahr 1600 zurückgehenden Kirchenbücher, welche nebst der (jetzt von S. König. Hoheit dem Prinzen Johann um 259 Thalern erkauften) Klosterbibliotek in der Sakristei aufbewahrt wurden, noch zu rechter Zeit durch die aufopfernde Sorgfalt des Kirchners Herrn Täschner gerettet worden. In dem sogenannten Schiffe der Kirche befanden sich mehrere größtenteils schöne Epitaphen, darunter das Monument Johann Heinrich Höpners, dessen Büste nach der Amtsemporkirche, seinem ehemaligen Kirchensitze hinsah, mehrere Ölgemälde (die Geißelung Christi, die Erhöhung der ehernen Schlange in der Wüste, die Opferung Isaacs u.a.) und 2 Monumente, deren Inschriften wegen ihres echt römischen Lapidarstils von dem berühmten Ernesti öffentlich gelobt wurden. Der jetzt ebenfalls durch das Feuer ruinierte Taufstein war nach dem Brande 1616 im Jahr 1625 errichtet worden. Er bestand unten aus weißem, in der Mitte aus bunten und oben, wo das Taufbecken eingelassen war, aus schwarzem Marmor, und hatte eine glockenförmige Decke von Bildhauerarbeit, die einen auf Säulen ruhenden Tempel, in welchem Johannes Jesum tauft, vorstellte und an einer eisernen Stange auf- und niedergelassen werden konnte. Die Kanzel, der man nach dem Brande 1616 vergeblich einen zweckmäßigen Standpunkt zu geben versucht hatte, war von einem Bildhauer aus Leipzig für 350 fl. mit vieler Kunst verfertigt und 1622 kurz nach dem Michaelisfest, an welchem die Kirche wieder eingeweiht wurde, an Ort und Stelle gebracht worden. Die gleichfalls zerstörte lange, ganz steinerne Emporkirche an der Mittagsseite ruhte auf 11 steinernen, durch 9 Bogen verbundene Säulen und war 1621 einem Steinmetzer aus Pirna für 500 fl. verdungen, auf demselben aber im Jahr 1653 der Amtsstuhl, über welchem sich das Bild Kurfürst Johann Georg I. befand, angebracht worden. Ebenso wie das Gesellen- und Orgelchor, wurde auch die schöne Ratsemporkirche vernichtet. Sie hatte 19 Fenster, war heizbar und ruhte mit der Vorderseite auf 4 Säulen, deren jede 4 Ellen 15 Zoll hoch war; mit der Hinterwand aber auf Mauerwerk. Die Zimmerarbeit war von Zimmermeister Fritsch und die Tischlerarbeit von den Meistern Michael und Gottfried Stelzner zu Oschatz, die Bildhauerarbeit aber nebst dem, an der Vorderseite angebrachten Ratswappen von Johann Jacob Dersieb aus Dresden geliefert worden. Derselbe fertigte auch das schöne Gehäuse der jetzt verbrannten herrlichen Orgel, die von dem Königl. Hof- und Land- Orgelbaumeister Johann Ernst Hänel vor beinahe 100 Jahren für 3000 Thaler gebaut und nach vorheriger Prüfung durch 3 Organisten aus Dresden, Leipzig und Prima am 1. Advent durch den D. Strohbach eingeweiht worden war. Sie hatte 2 Manuale mit langer Oktave und 24 Register. Die ersterben waren von schwarzem Ebenholz und die Obertasten mit Elfenbein montiert. Jedes umfasste 4 volle Oktaven (vom tiefen c bis ins dreigestrichene d), das ahorne Pedal aber, gleichfalls mit langer Oktave, ging vom tiefem c bis ins eingestrichene d. Das ganze Pfeifender war von wohlproportionierten Dimensionen und hatte erst vor wenigen Jahren (1839) durch Herrn Orgelbauer Ahn in Dresden eine durchgreifende und wohlgelungene Reparatur (sie kam über 1000 Thaler) erfahren, bei welcher Gelegenheit auch eine Physharmonika eingesetzt und an die Stelle der früheren Bälge Zylindergebläse gebracht worden war. Übrigens war auf jeder Vorderseite der Orgel in der Höhe eine Pauke angebracht, die von der Statue eines Engels geschlagen zu werden schien, aber durch 4 Pedal-Klaves dirigiert wurde. Das jetzt gesprengte Gewölbe endlich, (dessen Last man auf 20.000 Zt.. berechnet) ruhte auf 12 starken, in 2 Reihen gestellten Pfeilern, von denen acht frei standen und auf ebenso vielen, äußerlich an der Mauer angebrachten Gegenpfeilern, zwischen welchen hohe Fenster den inneren Flächenraum der Kirche der 110 Ellen in der Länge 52 Ellen in der Breite und 27 Ellen in der Höhe beträgt, vollkommen beleuchten. Von den zwei Türmen, welche die Kirche vor 1616 hatte, war nur der eine wieder, und zwar durch freiwillige Beiträge so schnell aufgebaut worden, dass schon am 27. Februar 1617 die jetzt ebenfalls zertrümmerten Glocken aufgehangen werden konnten. Die größte derselben trug die (noch jetzt auf den einzelnen Stücken sichtbare) Inschrift:

Laudo deum verum, plebem voco, convoco clerum,
Defunctos ploro, Cor suscito, festa decoro
und auf der mittleren stand:
Me resonante, Deo resonant Tuba sacra, venite!

Den Bau des Achtecks und der Türmerwohnung aber übernahm freiwillig der Stadtrat und beendete ihn in einem Jahre (vom 3. März 1620 - 1621. Er umfasste 3 Stockwerke und die Haube, welche mit 570 Zt.. Schiefer aus Maxen gedeckt war. Die Spindel war 6 Ellen lang und die Fahne ( in welcher die Jahreszahl 1621 und eine Sirene stand, die den Kranz mit dem Stadtwappen hielt,) 1¾ Ellen lang 7/8 hoch und 51 Pfd. schwer, der vergoldete kupferne Knopf aber wog 3 Stein 17½ Pfund. Beides war durch Stürme und Blitzstrahle mehrmals herabgeworfen und zuletzt im Jahre 1808 herabgekommen, bei dieser Gelegenheit aber dem Stadtschreiber Atenstädt (jetzt Kreisamtmann in Meißen) eine lateinische Schilderung der damaligen Zeitverhältnisse nebst einigen Geldstücken hineingelegt worden, was leider jetzt auch mit verschwunden ist.
Die Summe, welche (wie gedacht) zum Turmbau am 13., 14 und 15 März 1621 von der Bürgerschaft freiwillig zusammengebracht worden war, betrug 1077 Thaler 10 Gr. 6 Pfg. (damals eine bedeutende Summe) und gereichte den Gebern zu um so größerer Ehre, als sie damals nicht nur ihre Häuser wieder aufbauen mussten (eine Brandkasse gab es noch nicht) sondern auch noch mit Hungersnot und dem Druck des dreißigjährigen Krieges zu kämpfen hatten.
Werden unsere, nach allen diesem weit weniger unglücklichen Mitbürger ihren Vorfahren nachstehen? Gewiss nicht! Darum Glaube nur und

Lieb' und Mut! die Hoffnung kommt mit Ihnen,
und neues Leben blüht aus den Ruinen!

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