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Am 1. Januar begann nicht nur das Jahr 2000, an diesem Tag wurde auch ein berühmter Sohn der Stadt 200 Jahre alt. Er führte die Homöopathie in Amerika ein.

Anlässlich der Einweihung der Ehrentafel, die noch heute in Oschatz zu sehen ist, erschien am 24. Juni 1928 ein Artikel über den Naturforscher, Arzt, Schriftsteller und Menschenfreund in der Zeitung.


 
Die Weihe der Ehrentafel für
Dr. Constantin Hering.

Am Sonntag, den 24. Juni 1928 in Oschatz

Dr. Constantin Hering.
Seinem Gedächtnis gewidmet von G. Vödisch.

Am Johannisfeste ist es in unserer Gegend Sitte, in liebevoller Weise die Gräber der Angehörigen prächtig mit Blumen zu schmücken, so dass der Friedhof einem herrlichen Garten gleicht. Auch am Geburtshause dieses Mannes, der alten Schule, wurde eine blumenumkränzte Bronzegedenktafel am Sonntage feierlich enthüllt, als ein Zeichen der Liebe und Verehrung seiner Söhne für ihren Vater. Sie trägt die Inschrift:

Dr. Constantin Hering
Begründer der Homöopathie
in Amerika
Naturforscher – Schriftsteller
und Menschenfreund
––
Geb. i. Oschatz 1.Jan. 1800
Gest. i. Philadelphia 23.Juli 1880

Von seinen Verwandten und Freunden ist alles Wissenswerte aus seinem Leben und Wirken eifrig gesammelt, aufgezeichnet und in Büchern veröffentlicht worden. Aus dem Buche „Festgruß“ zu Dr. Constantin Herings 80. Geburtstage von Oswald Seidensticker stammen die Gedichte „Eintritt“ und „Das alte Vaterland“. Folgender Aufsatz soll den Zweck haben, einen Einblick in die Erlebnisse und das Schaffen dieses echt deutschen Mannes zu bieten.

E i n t r i t t .

1. Januar 1800

Im lieben Sachsenlande, da gibt es eine Stadt,
Die schon seit alten Zeiten Oschatz geheißen hat.
Was dieses Wort bedeutet, ist wohl den Wenden kund,
Doch klingt's im Deutschen lieblich aus holder Frauen mund.

Im Jahre Achtzehnhundert, am ersten Januar,
Da brachte seltnen Wechsel das neugebor'ne Jahr.
Die Siebzehn schrieb man nimmer und gern war man sie los;
Was mag die Achtzehn bergen in ihrem dunklen Schoß?

Und aus dem Wechsel glimmert ein neuer Hoffnungsstrahl,
Und froher, lauter Jubel begrüßt die neue Zahl.
Ob es ein neu Jahrhundert, ob's noch das alte sei
Das ist im Freudenlärme und Jauchzen einerlei.

Und auch im Städtchen Oschatz ward tapfer losgekracht,
Nur schritt in einem Hause die Freude leis und sacht.
Ein neugeborenes Knäblein am ersten Januar
Das brachte dem Magister das „Glück zum neuen Jahr.“

Der war grad in der Kirche, die Orgel spielt er vor;
Da kam ein Freund gelaufen und flüstert ihm ins Ohr;
„Es ist ein Junge, Nachbar.“ Hei, wie es ihn da gepackt!
Wie jubiliert die Orgel aus Klein- und Großgedackt.

Aufzieht er die Register und voller schwillt der Ton,
Trompete und Posaune begrüßen ihm den Sohn.
Und nun die vox humana und rauschendes Fagott,
So braust es durch die Kirche: „Nun danket alle Gott.“

Doch nach dem Vaterunser da hält's ihn länger nicht,
Im Flug ist er daheime, wo's liebe Büblein liegt.
Als das die kleine Stimme trotzig erschallen läßt
Da will's ihm schier bedünken, der Schrei sein ein Protest.

Nun kommt auch der Gevatter glückwünschend in das Haus,
Nimmt lächelnd eine Prise und ruft bedächtig aus;
Mit dem Jahrhundert gehet Magister Herings Kind;
Was mag erlebt es haben, wenn's achtzig Jahre sind.

 Der reichbegabte Knabe erlebte eine fröhliche Kinderzeit im alten Schulhause, wo seine Eltern wohnten. Schon früh tummelte er sich mit seinen Spielgefährten in den Straßen des Städtchens. Wie schöne Verstecke gab es zwischen den schindelgedeckten Häuschen, den alten Toren, Mauern, Gräben und Schanzen. Wie lauschte er, wenn sein Vater zu Weihnachten wieder ein neues Lied komponierte oder die Sternsänger mit dem großen und kleinem Stern auch beim strengen Magister erschienen und ihn bei ihrem Umgang nicht verschonten. Gern nahm der Vater den wißbegierigen Constantin mit auf seinen Spaziergängen. Da zeigte sich schon die größte Vorliebe des Knaben für die Natur. Er sammelte schon früh Steine, Pflanzen und allerlei Insekten. Dabei lernte er fleißig in der schon im Mittelalter berühmten Oschatzer lateinischen Schule. Sein Vater hielt streng auf Zucht und Ordnung. Ein Erlebnis, das ihm noch als alten

   

Mann in Erinnerung blieb, war die Verwandlung der Raupe in Puppe und Schmetterling. Als er die Raupe eines Totenkopfschwärmers fand und sie erfreut dem Vater zeigte, erklärte ihm dieser die weitere Entwicklung. Wie es der Vater vorausgesagt hatte, bildete sich aus der Puppe ein schöner mächtiger Falter.   Regungslos und staunend beobachtete der Knabe den Vorgang. Die Entdeckungsreisen in der Umgebung von Oschatz fanden 1811 ein Ende, weil sein Vater einen Ruf an die Stadtschule nach Zittau erhielt, wo nun der Knabe das Gymnasium besuchte. Seine Vorliebe für die Natur blieb. Sein erstes Pflanzenbuch hatte den Titel Systematisches Verzeichnis der in der Oberlausitz wachsenden Pflanzen von Karl Christian Oettel 1709. Er widmete sich der Medizin und ging 1817 auf die chirurgische Akademie in Dresden und besuchte 7 Semester die Universität Leipzig. Unter seinen Kommilitonen hieß er wegen seiner Gestalt und seines Haarschopfes „Wisent“.
Nach dem Gehalt seiner Vaters richtete sich auch der Zuschuß des Studenten: er war karg bemessen. Er griff deshalb zur Feder. Da sollte er eine Abhandlung gegen die Homöopathie und deren Hauptvertreter Hahnemann schreiben. Er nahm den Auftrag an, und sein Buch näherte sich dem Schlusse. Doch führte ihm das gründliche Studium zu den Ansichten Hahnemanns. Er wollte sich (wie er selbst sagte) nicht zum Lumpen schreiben, und sein schönes Honorar war zum Henker- Bei der Sektion einer Leiche vergiftete er sich, der Arm sollte abgenommen werden. Da nahm er auf Zureden eines Freundes eine Dosis Arsenik. Die Wunde begann zu heilen, sein Arm wurde gerettet.
In seiner Doktordissertation: De Medicina Futura, „Über die Zukunft der Medizin“, stellt er teilweise Grundsätze gegen die herrschende Medizin auf und trat für die Homöopathie ein. Doch erlangte er am 23.März 1826 zu Würzburg die Würde eines Doktors der Medizin.
Auf kurze Zeit nahm er eine Stelle als Lehrer der Mathematik und Naturwissenschaften am Blochmannschen Institut in Dresden an. Bald aber trat er als Assistent bei einer wissenschaftlichen Expedition nach Surinam und Cayenne in Südamerika ein, die im Auftrage des Königs von Sachsen ausgesendet wurde. Nun sollt er die Wunder der tropischen Wasser- und Tierwelt kennenlernen. Seinem Freunde Weigel half er beim Präparieren und Ordnen der Pflanzen für das Herbarium. Da er aber seinem Drange als Schriftsteller für die Homöopathie zu wirken nicht folgen konnte, verließ er die Expedition und ließ sich in Paramaribo als praktischer Arzt nieder, wo er namentlich in der Herrenhuter Kolonie wirkte. Sechs Jahre verlebte er unter eifrigem Studium in Surinam. Für homöopathische Zwecke gewann er hier aus den Giftdrüsen einer Schlange, welche die Indianer Surukuku nannten, das Gift, dem er den Namen Lachesis gab und das heute noch in der Homöopathie als Heilmittel Verwendung findet.
Er schiffte sich nach Nordamerika ein und ging nach Philadelphia. Dort ließ er sich nach einem Besuch in Deutschland als homöopathischer Arzt nieder und hatte bald eine so gute Praxis, dass er sich einen Assistenten halten mußte.
Mit dem deutschen Homöopathen Wesselhöft und anderen Ärzten gründete er die Nordamerikanische Akademie der Homöopathischen Heilkunst in Allentown. Aus dieser Schule ging das Colleg zu Philadelphia hervor, an dem er 1846-69 als Professor der Arzneikunde tätig war. Durch seine bedeutenden Werke gehört er zu den hervorragenden Männern der medizinischen Wissenschaft. An seinem Hauptwerke arbeitete er unausgesetzt bis zum Tode. Es führt den Titel „Guiding Symptoms“, „Leitende Symptome“ und enthält die Hauptsachen der gesamten homöopathischen Heilmittellehre. Das Material hatte er gesammelt, geordnet und so vorbereitet, daß es später herausgegeben werden konnte. Er war mit der Durchsicht des 3. Bandes beschäftigt, als ihn der Tod durch Herzschlag überraschte. Das Werk ist jetzt bis Band 10 erschienen.
Den Verhältnissen entsprechend schrieb er in englischer Sprache. Uns Deutschen ist er nur durch sein Buch „Der homöopathische Hausarzt“ bekannt, das 1869 im Verlag von Frommann, Jena, schon in der 13.Auflage in deutscher Sprache erschien. Bald wurde das Buch auch ins Englische, Französische, Spanische und Italienische übersetzt. Der 14. Auflage dieses Buches setzte er die Worte voran: „Den Laienvereinen im Deutschen Reiche, unserer großen Sache größte Hoffnung, aus vollen Herzen gewidmet.“ Überhaupt stand er mit den deutschen Homöopathen in regem Verkehr.
Schon in Surinam hatte er sich verheiratet, doch war seine Frau bald gestorben. Seine zweite Frau, Marianne Hussmann, starb in Philadelphia. Als er 1846 nach Deutschland reiste und seinen Vater besuchte, nahm er sich eine Frau nach Amerika mit, Therese Buchheim, die Tochter des bekannten Arztes Dr. Buchmann in Bautzen. Bis zu seinem Lebensende war sie seine treue Gefährtin. Sein Haus war der Mittelpunkt des geistigen Lebens der Deutschen in Philadelphia. Dort trafen sich alle Männer der Kunst und Wissenschaft. Für jede Not hatte Dr. Hering stets eine offene Hand, christliche Gesinnung und strengste Ehrenhaftigkeit war sein Grundsatz. Es war ihn vergönnt, sein 50jähriges Doktorjubiläum und seinen 80jährigen Geburtstag in voller Rüstigkeit zu feiern. Die vielen Ehrungen zeigten das hohe Ansehen, das er sich nicht nur in Philadelphia und in Amerika, sondern in der ganzen Welt erworben hatte.   


Die Feier am Sonntag

Die Sommersonne lag den ganzen Sonntag über unserer Stadt. Selbst mit dem Kirchplatz an seiner Nordseite meinte sie es am Nachmittage noch gut. In gleißendes Licht getaucht lag die Front der alten Schule da. Die Schatten der blühenden Linden umgaukelten ein seltenes Bild.
Ein Rednerpult war unter der seit langem dort befindlichen Bronzegedenktafel, darauf der Magister Carl Gottlieb Hering und sein Sohn, der Komponist Karl Eduard Hering, für die Nachwelt im Bilde festgehalten sind, aufgestellt und festlich mit Lorbeerbäumen und Fahnentüchern in den Farben des Deutschen Reiches, des Landes Sachsen und der Stadt Oschatz geschmückt worden. Unter der mit einer Blumenranke umzogenen Erinnerungstafel Erinnerungstafel sollte eine nun neuangebrachte Ehrentafel  für den ebenfalls weltberühmt gewordenen Sohn des Magisters Constantin Hering, der 1800 hier geboren wurde, dem Schutze der Stadt Oschatz übergeben werden. Sie war noch mit einem Fahnentuch verhängt. In feierlicher Weise sollte die Enthüllung vor sich gehen. Es hatte sich denn nachmittags 3 Uhr ein kleiner Kreis von besonders Eingeladenen, aber auch eine stattliche Zahl von Einwohnern unserer Stadt auf dem sonst so ruhigen Kirchplatz eingefunden, um Zeuge zu sein, dieses schlichten und doch denkwürdigen Ereignisses.
Auf Stuhlreihen vor dem Rednerpult nahmen die erschienenen Mitglieder der Familie Hering Platz, sowie ein engerer Kreis der geladenen Gäste. Die Feier begann mit einem von K.E.Hering komponierten „Weihelied“, das Mitglieder des Gesangsvereins „Liederkranz“ unter Herrn Obl. Rosts Leitung von den Stufen des Nordeingangs der Aegidienkirche aus stimmungsvoll sangen. Danach betrat Herr Dr. med. Taube-Weißenfels das Rednerpult, um frei und vernehmlich die Festansorache zu halten.
Zunächst erbot er einen Gruß an die Stadt Oschatz, in deren Mauern die Wiege des zu Feiernden stand, im Namen der erschienen Mitglieder der Familie Hering, die zum Teil vom übern Meere hergekommen seinen, und im Namen der Freunde des Werkes Dr. Constantin Herings.
Wie über jedes Menschen Leben sein Stern stehe, ob Gutes oder Böses verheißend, wie ihm ein Charakter schicksalbestimmend mitgegeben werde, so war sich Constantin Hering vergönnt, bewusst zu leben nach den Linien seines Wesens und seiner Vorausbestimmung. Sein Lebenslauf und seine Bedeutung für Zeit und Nachwelt sind an anderer Stelle diese Blattes eingehend durch die Feder des Herrn Obl. G.Vödisch gewürdigt worden. Der Redner verstand es, anhand zahlreicher Einzelbelege und geistvoller Betrachtungen, das Bild, das wir uns von dem Gefeierten zu machen haben, lebendig, farbenfroh und gedankenreich auszugestalten.
Schon die Äußerlichkeiten und Zufälligkeiten brachten eine schicksalbindende Beziehung. So den Geburtstag schon des Gefeierten, der auf einen Sonntag fiel, den 1. Januar des Jahres 1800, der las Jahrhundertwende auch eine Kulturwende bedeutete, so den Namen des Gefeierten, der ihn als standhaften Feldherr im Kampfe des Lichte vorausbestimmte und ihn eingliederte in das H-Gestirn der Homöopathie: Hufeland, Hahnemann und Hering.
So wie Jesus einen Propheten in Johannes dem Täufer und einen Apostel in Paulus gehabt habe, sei Hufeland, der Leibarzt des Königs Friedrich Wilhelm III. und der Königin Luise, Vorläufer und Gönner Hahnemanns und Herings der Pionier der Praxis und der Träger der Idee in das ferne Amerika gewesen. Das gerade Wesen und die Wahrheitsliebe, die Constantin Hering bis in sein hohes Alter begleiteten, kennzeichnete der Redner trefflich an einigen Episoden. Als Knabe habe 1813 ein französischer Soldat auf dem Durchzug ihm um ein Stück Brot angesprochen, als Hering ihm Schwarzbrot brachte und der Soldat es höhnisch zurückwies, soll er gerufen haben: Was ihr wollt das Brot nicht essen, das meine Mutter gebacken hat? das strafe Euch Gott! – Derselbe Soldat sei beim Rückzug aus Rußland abermals durch Oschatz gekommen und habe wiederum den kleinen Constantin um Brot, und zwar um schwarzes, gebeten, da sei er hingegangen und habe dem französischem Soldaten in seinem jetzigen Zustand weißes Brot besorgt.
So habe er auch später durch seine Charakterfestigkeit gepaart mit Edelmut viele, auch einstige Gegner für seine Lehre gewonnen, u.a. den Verleger Baumgärtner, für den er anfangs eine Schmähschrift gegen Hahnmann ausarbeiten sollte, so sein Universitätsrektor, der ihn bei einer Stipendienzuteilung ermahnte, von der Ketzerlehre Hahnemanns abzulassen, der junge Hering aber auf Stipendium verzichtete und lieber Hunger leiden als gegen das eigene Bekenntnis handeln zu müssen.
Bei Herrnhuter Missionaren ließ er sich als Arzt nieder. Einer menschenfreundlichen Hilfe an einem Kranken, den er bei einer Reise am Wege fand, verdankt er seine erste Anstellung beim Statthalter von Surinam, dem der Geheilte ihn empfohlen hatte.

   

 Trotz harter Schicksalsschläge – seine beiden ersten Frauen starben bald, einer seiner Beamten am ersten amerikanischen homöopathischen Institut in Allentown unterschlägt ihm bedeutende Summen, so daß die Anstalt fast eingeht, weil ihm niemand hilft, auch Hahnemann, der inzwischen in Paris ein reicher Mann geworden ist, trotz heftiger Angriffe seiner wissenschaftlichen Gegner, ohne staatliche Unterstützung, setzte er sein Werk durch. In Philadelphia und Chicago tragen die größten homöopathischen Krankenhäuser mit mehr als 2000 Betten seinen Namen, ihn zur Ehre. Gegen 150 andere homöopathische Heilanstalten, auch für Irre- und Lepra-Kranke, hat er zum Teil selbst mit gegründet. 50 Professoren vertreten an amerikanischen Hochschulen seine Lehre. Auch an vielen Zügen aus dem Familienleben gestaltet der Redner das Bild des Gefeierten zu einem originellen, charaktervollen, nachahmenswürdigen und edlen. Mit den Worten: „Dankbarkeit sei die Tugend der Nachwelt“ schloß der Redner.
Nach der Festansprache, die tiefen Eindruck bei aller Zuhörern hinterließ, nahm Herr Professor Hermann S. Hering, Boston, der jüngste Sohn des Gefeierten das Wort. Er begrüßte zunächst die Stadt Oschatz und ihre erschienenen Vertreter, die Anhänger der Homöopathie, die Presse, die Freunde und Bekannten. Gern sei er, wie alle Erschienenen, der Einladung gefolgt, wisse sie zu würdigen und dankte herzlich dafür. Er verlaß sodann die lange Liste der Familienmitglieder, in deren Namen er zu grüßen und zu danken habe. Es war eine selten reiche Zusammenstellung, die bezeugte, wie die Kraft und der Wille des Vaters nachwirkte im Aufwärts- und Vorwärtsstreben der Kinder und Kindeskinder zu höchsten Stellen im Staats- und Wirtschaftsleben, die aber auch jederzeit dankfertig dessen vorbildliche Wesensart zu schätzen wissen und ihr nacheiferten. Möchte aber vor allem der Geist dienender Menschenliebe, der in Constantin Hering so überaus stark war, auch in unseren Tagen an Kraft und Klarheit gewinnen. Mit bestem Wunsche für das Wohl und Gedeihen der Stadt Oschatz übergab Herr Professor Hermann S. Hering sodann die Tafel der Stadt. Seine Hand zog die Hülle von dem Bilde, das sich in seiner künstlerischen Schönheit dem Auge entfaltete. Das von langem Haar und Bart umwallte Antlitz eines Gelehrten, er seine Brille nach damaliger Sitte trägt, aus dessen Augen aber vornehmlich die Güte und Menschenfreundlichkeit, die „Macht des Milden“ zu uns spricht. Lorbeerumrankt sein Bild. Darunter stehen die im Lebensabriss von G.Bönisch eingangs angeführten Worte.
Die Bronzetafel wurde nach dem Entwurf von Adolf Heinrich, Riesa im Lauchhammerwerk gegossen. Sie paßt gut zu der bereits am Hause befindlichen Tafel des Vaters und des Bruders. Ihr äußeres Bild allein wird so manches Wanderers Schritt hemmen und zur Betrachtung auffordern – wieviel mehr wird sie uns Oschatzern sein können,  die wir ihren Sinn und ihre tiefe Bedeutung kennen.
Herr Erster Bürgermeister Dr. Sieblist übernahm im Anschluß an die Worte des Prof. H.S.Hering die Ehrentafel ungefähr mit folgenden Worten:
Voll Stolzes stehen wir Oschatzer heute an dieser Stelle, am Denkmal eines unserer größten Söhne, der den Namen unserer Stadt hinausgetragen hat in Weltweiten und der dennoch in der Ferne ein recht deutscher Mann geblieben sei, ein echter Oschatzer. Wie er, haben es auch seine Nachkommen gehalten. Wir sind stolz, diese heute bei uns begrüßen zu können. Wir fühlen uns mit der Familie Hering eng verbunden, deren großen Söhne diese Wand zieren. Jahrhundertelang sind die Herings in Oschatz bedeutende Männer gewesen, Generationen hindurch haben sie unserer Stadt Dienste geleistet. Und heute kommen ihre Nachfahren und bieten uns im Gedenken die Hand. Gerade jetzt, nach Jahren schwersten Zwistes und schweren Kampfes zwischen den zwei Völkern. Wir fassen diese Hand mit besonderer Freude und nehmen sie als Zeichen der Weltversöhnung. Wir wollen die Tafel in Ehren halten: der Mann, den sie darstelle, soll uns immerdar ein Vorbild sein. Eure Freundschaft soll uns heilig sein! Ich übernehme die Tafel und rufe: Auf Wiedersehen in Oschatz!
Die Liederkränzler sangen als Abschluss der Feier das von K.E.Hering komponierte Lied „Freie Kunst“, dessen Schönheit den Mitgliedern der Familie Hering sowohl, wie auch den übrigen Zuhörern nahe gehen musste. – Herr Photograph Koczyk hielt die feierliche Handlung im photographischen Bilde fest. Nach der Feier kam ein enger Kreis der geladenen Gäste programmgemäß bei Zierolds noch zu Kaffee und Kuchen zusammen.
Die beiden Brüder Hering, die aus Amerika hergeeilt waren, um den Tag und die Stunde mit zu begehen, werden von hier aus ihre Reise durch Deutschland zu weiteren Angehörigen der Familie Hering fortsetzen, den Spuren Ihres Vaters folgend, dem es auch höchster und heiligster Eindruck war, sein Vaterland wiederzusehen, den aber auch Tatendrang immer wieder hinauszog in das Land der Freiheit als Pionier seiner Sache, der Homöopathie.

 


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