Die Kleinforster und die Altoschatzer Kirchturmuhr
Nicht nur der Glaube
an den lieben Gott verband die Kleinforster mit der Altoschatzer Kirche,
sondern auch der schöne Blick auf das Gotteshaus von ihrem Wohnhügel
herab. Auch heute noch ist der Anblick beeindruckend, besonders wenn zur
Weihnachtszeit die Kirche mit Scheinwerfern angestrahlt wird und wie
eine Insel in der Nacht ganz für sich allein dasteht. Die Geschichte mit
der Turmuhr, um die es hier gehen soll, liegt nun schon fast 150 Jahre
zurück. Die verwitwete Wirtschafterin vom Berggut, Frau Wächtler,
spendete im Jahre 1858 der Altoschatzer Kirchgemeinde eine Kirchturmuhr.
Bereits zu Lebzeiten ihres Mannes war bei beiden dieser Entschluss
entstanden. Die Eheleute wollten mit diesem Geschenk der Gemeinde nicht
nur eine Freude bereiten, sie wollten damit sicher auch ein bleibendes
und sichtbares Andenken hinterlassen. Nach dem Tode ihres Mannes machte
sich nun Frau Wächtler daran, das Vermächtnis zu erfüllen. Sie erteilte
den Auftrag zum Bau der Turmuhr dem Oschatzer Uhrmacher Braune, der sich
auf die Fertigung solcher gewaltigen Werke verstand. Nach Abschluss
seiner Arbeit befestigte dieser eine kupferne Platte am Rahmen des
Uhrwerkes und hinterließ darauf eingraviert folgende Nachricht:
Gefertigt von E. F. Braune Groß und Klein Uhrmacher in Oschatz 1858
Der weitere Fortgang
der Geschichte ist so kurios, dass wir dafür lieber die Eintragung aus
dem Altoschatzer Gemeindebuch aus dem Jahre 1858 zitieren möchten: „Als nun der Uhrmacher Braune mit der Uhr zu Stande war, wurde es
der Kircheninspection zu Altoschatz angezeigt. Diese forderte die
Gemeindevertreter der Kirchfahrt auf, diese Uhr zu übernehmen. Die
Vertreter der Gemeinden Thalheim und Saalhausen weigerten sich der
Annahme dieses kostbaren Geschenkes, unter dem Vorwande, es entstünden
dadurch nur Abgaben in den Gemeinden, erstlich das Gestelle worauf
solche zu stehen kommen soll und ferner die Unterhaltskosten, welche
doch auch nicht wegbleiben würden.“ Es wird nicht nur die
knapp gefüllte Gemeindekasse gewesen sein, weshalb die Thalheimer und
Saalhausener in Einspruch gingen. Sie werden die Uhr auch für
überflüssig gehalten haben, weil sie diese aus der Ferne sowieso nicht
sehen konnten. Aber lesen wir im Gemeindebuch weiter: „Aber trotzdem ließen wir uns in Altoschatz nicht irre machen,
wir übernahmen die Uhr allein und brachten die Aufstellungskosten durch
freiwillige Beiträge auf, welche Beiträge auch hinreichend waren, die
Aufstellungskosten nicht nur zu decken, sondern es blieb uns auch noch
ein kleines Kapital übrig, welches wir in die Sparkasse gethan haben. Wir haben außerdem
beschlossen, die freiwilligen Geber in unser Gemeindebuch mit
aufzunehmen, zum Andenken für die Nachkommen.“ Nun folgt die
Aufzählung der 50 Spender, zu denen auch die nachfolgenden 9
Kleinforster Hausbesitzer gehörten:
Johann Friedrich Schmidt (Haus Nr.6) Johann Gottfried Traugott Heine (Haus Nr.2) Johann Gottlob Zaspel ( Haus Nr.21) Johann Gottfried Nitzsche ( Haus Nr.3) Johann August Miersch (Haus Nr.7)
Gottlob Kockrich (Haus Nr.13 ) Johann Friedrich Reinhardt (Haus Nr.20) Carl Gottlieb Müller (Haus Nr.23) Wilhelm Miersch (Haus Nr.10)
Im Vergleich zu den
übrigen Spendern war ihr finanzieller Beitrag gering. Er betrug
insgesamt nur 17 Groschen und 10 Pfennige. Aber für sie fiel die kleine
Spende sicher mehr ins Gewicht als für diejenigen, die es wirklich
hatten. So spendeten Madame Oemichen vom Rittergut Altoschatz und die
verwitwete Frau Wächtler vom Berggut Rosenthal jeweils 5 Taler. Sie
gaben damit die größten Beträge. Letztere hatte ja auch schon die
Rechnung für die Turmuhr beim Uhrmacher Braune bezahlt. 3 Taler gab der
Freigutsbesitzer von Striesa, Herr Rennert und mit je einem Taler
beteiligten sich die folgenden Personen:
Herr Günther,
Rittergutsbesitzer von Saalhausen Herr Leuschner,
Hauptschullehrer aus Altoschatz Herr Thomas,
Oberkirchenvater und Bauvorsteher Herr Reif, Wassermühlenbesitzer aus Altoschatz Herr Wetzig, Gutsbesitzer und Gemeindeältester Herr Schuster, Schankwirt aus Altoschatz
Insgesamt kamen 28
Taler, 9 Groschen und 1 Pfennig zusammen. Was war zur damaligen Zeit
dieses Geld eigentlich wert?
Eine Kanne Butter (etwa 2 Pfund) kostete 10 bis 14 Groschen, das Pfund Rindfleisch 3 Groschen 4
Pfennige, geräucherter Speck 8 Groschen, ein Zentner Weizen kam 6 Taler
15 Groschen. Doch zurück zur
Turmuhr. Die Ausgaben für den Einbau beliefen sich auf 22 Taler, 15 Groschen und 1
Pfennig. Davon erhielt der Wagner Taubert aus Altoschatz für das
Gestell, auf das die Uhr
aufgesetzt wurde, 19 Taler und damit den Löwenanteil der gesamten
Ausgaben. Einen Taler und 25 Groschen erhielt der Schieferdecker
Petzold, 40 Groschen und 11 Pfennige der Schmiedemeister Kohlbach aus
Altoschatz, der Rest ging für Botenlohn und für das Anlegen eines
Sparkassenbuches drauf. Das edle Werk war nun
glücklich vollendet. Das helle Zifferblatt der neuen Uhr leuchtete in
Richtung Rosenthal und zeigte nun den Kirchgängern kurz vor Betreten des
Gotteshauses an, wie spät oder zeitig sie dran waren. Aber auch allen
anderen verriet sie, was die Stunde geschlagen hatte. Und das kann man
ruhig wörtlich nehmen, denn ein Schlagwerk für die volle Stunde und ein
Viertelstundenschlagwerk hatte die Uhr auch. Das war natürlich günstig
für die Kleinforster, denn erkennen konnten sie die Uhr auf diese
Entfernung auch nicht, aber ihren Schlag, den konnten sie in der Ferne
noch deutlich vernehmen. Und den hört man, Gott sei Dank, auch heute
noch. Die Geschichte ist
aber noch nicht zu Ende. Kurz nach dem Einbau der Turmuhr wurden im
November 1859 auch noch die Wetterfahne und der Turmknopf erneuert. Doch bevor die kupferne
Kugel des Turmknopfes geschlossen wurde, legte der damalige
Oberkirchenvater und
Bauvorsteher Carl Gottlieb Thomas noch ein Schriftstück hinein, dessen
Inhalt sich u.a. auch mit der Turmuhr befasste. Danach bezahlte die
verwitwete Frau Wächtler für die Herstellung des Uhrwerkes an den
Uhrmacher Braune 150 Taler. Thomas erwähnte auch, dass es schon immer
der Wunsch des verstorbenen Carl Wächtler gewesen wäre, eine Uhr für den
Kirchturm zu spenden. Dazu
gehörte auch die Anschaffung einer neuen Wetterfahne und die eines neuen
Turmknopfes, was sich nun alles verwirklicht hatte. Frau Wächtler
spendete dazu noch einmal 50 Taler. Damit hatte sie für die Altoschatzer
Kirche viel Geld ausgegeben, worüber der Oberkirchenvater und
Bauvorsteher Thomas in seinem Turmknopfschreiben noch folgende Erklärung
abgab: ... es war nämlich Carl Wächtler
Inspektor des Berggutes, dieser war in Rosenthal gebürtig, ein armes
Kind, welches der Berggutsbesitzer Herr Eulitz erzogen hatte und dann
sein Verwalter wurde und dabey zu einem nicht unbedeutenden Vermögen
kam.“ Das ist schon
bemerkenswert! Vielleicht war gerade die einfache Herkunft des Carl
Wächtler ein Grund dafür, dass er für seine Kirchgemeinde später so
wohltätig wurde. Carl Gottlieb Thomas schrieb als Letztes noch auf den
unteren Rand des Bogens: „Das Babir wird alle, auch ich schließe, wohl
wäre noch viel zu schreiben.“ Übrigens wurde 5 Jahre
später schon wieder gesammelt. Diesmal ging es nicht um den Einbau einer
Kirchturmuhr, sondern um die Würdigung der Verdienste des langjährigen
Gemeindevorstandes Gottlob Höppner. Er hatte unmittelbar nach der
Gemeindereform 1839 die Geschicke der Gemeinden Altoschatz, Rosenthal
und Kleinforst in die Hand genommen und das Amt des Gemeindevorstandes
der Gesamtgemeinde bis 1862 ununterbrochen inne. Danach schied er aus
diesem Amte aus und sollte nun ein schönes Abschiedsgeschenk erhalten. Die Anzahl der Geber
war diesmal bedeutend größer als bei der Sammlung für das Aufstellen der
Kirchturmuhr. Insgesamt spendeten 71 Personen, davon waren 16 aus
Kleinforst. Die Altoschatzer
brachten einen Betrag von 12 Talern und 23 Groschen zusammen. Die
Rosenthaler spendeten 7 Taler, 24 Groschen und 5 Pfennige und die armen
Kleinforster nur einen Taler, 7 Groschen und 5 Pfennige. Für Gottlob Höppner
sollte mit seinem Ausscheiden als Gemeindevorstand nun eine ruhigere
Zeit beginnen. So sahen es jedenfalls die Verantwortlichen, die das
Geschenk für ihn auswählten. Sie kauften ihm für das Geld einen
Großvaterstuhl und eine kupferne Wärmflasche. Ganz untätig sollte er
aber auch nicht in seinem Stuhle sitzen, deshalb legten sie noch 2
Gebetbücher dazu. Zweifellos ein guter Einfall!
Zur Geschichte der
Altoschatzer Kirchturmuhr gibt es noch ein letztes Kapitel. Seit 1858
musste die Uhr täglich oben im Turm aufgezogen werden. Nach ungefähr 28
Stunden waren die Seile mit den Gewichten abgelaufen und das durfte um
Gottes Willen nicht passieren! Wenn es doch einmal vorkam, hatte man mit
dem Nachstellen der Uhrzeit und des Schlagwerkes jede Menge Arbeit. In letzter Zeit
betreute Frau Winkler aus Altoschatz die Uhr. Als diese die Arbeit nicht
mehr ausführen konnte, übernahm 1988 Frau Gudrun Kohlbach das Hochwinden
der Uhrgewichte. Sie wohnte ja gleich gegenüber von der Kirche und hatte
dadurch keinen großen Anmarschweg. Aber die steilen Treppen zum Turm
hinauf musste sie trotzdem steigen. Zum Nachstellen der Uhrzeit hatte
Frau Kohlbach eine besondere Technik entwickelt. Dazu schaute sie oben
aus einer kleinen Luke im Ziffernblatt heraus und ihr Mann wies von der
Straße aus die richtige Zeigerstellung an. Dass sich das Verfahren für
das Aufziehen und Nachstellen der Uhr Ende der 90er Jahre erübrigte, war
eigentlich einem Zufall zu verdanken. Frau Kohlbach war im Urlaub und
die Uhr war stehen geblieben. Herr Rudolf Tischer, der von Amerika
kommend, wieder einmal seine Heimat besuchte, fragte nach der Ursache
des Zeitausfalls. Als er von den Umständen mit dem Aufziehen der Turmuhr
hörte, entschloss sich der gebürtige Kleinforster zu einer Spende, die
den Umbau auf eine funkgesteuerte elektronische Steuerung der
Zeigerstellung möglich machte. Hightech unterm Kirchendach! Die Mechanik des Uhrmachers
Braune hatte nun ausgedient. Zum Glück wurde aber das alte Uhrwerk nicht
ausgebaut, sondern steht noch als Relikt einer vergangenen Zeit auf
seinem alten Platz. Einerseits ist dieser Vorgang zu bedauern,
anderseits konnte nun Frau Kohlbach nach elfjähriger Tätigkeit das
tägliche Turmbesteigen beenden. Herrn Tischer und allen Beteiligten sei
Dank!
Der Vollständigkeit
halber sei noch erwähnt, dass sich auf dem Rahmen des Uhrwerkes noch ein
zweiter Uhrmacher verewigte. Mit weißer Farbe schrieb er auf das grün
lackierte Metall:
Renoviert 27.7.1934 Curt Lehmann Ratsuhrmacher Oschatz
Curt Lehmann war der
Sohn des Oschatzer Ratsuhrmachermeisters Ernst Lehmann. Er wurde 1880
geboren und hatte schon als Kind eine große Veranlagung zum Erfinden und
Basteln. Alles was mit Mechanik zu tun hatte, zog ihn magisch an. Schon
in der Schulzeit half er seinem Vater in der Werkstatt und schließlich
erlernte er auch bei ihm das Uhrmacherhandwerk. In dieser Zeit
vollbrachte er bereits sein erstes „Meisterstück“, indem er für den
Dresdener Hofuhrmacher Pleißner eine englische Glockenspieluhr wieder
instand setzte. An diese Arbeit traute sich keiner heran, nicht einmal
sein Vater. Aber Curt Lehmann schaffte es, aus dem Haufen Schrott wieder
eine funktionstüchtige Uhr zu machen. Und das als Lehrling. Als er in
der Dresdner Residenz das Werk zusammensetzte, mussten ihm die weit
älteren Gehilfen des Hofuhrmachers Handlangerdienste leisten! Auch in Oschatz hat
Curt Lehmann Spuren seiner Arbeit hinterlassen. Als das 1787 gebaute
Turmuhrwerk der Klosterkirche erneuert werden musste, ersetzte er dieses
durch eine gänzlich neuartige eigene Konstruktion. In diesem
Achttagewerk liefen sämtliche Wellen in Kugellagern und die Schmierung
des Gangrades der Uhr erfolgte automatisch. Das Werk arbeitete
jahrzehntelang ohne jegliche Störung, nur das Öl musste 1945 einmal
erneuert werden. 1934 erfolgte die „Renovierung“ der Altoschatzer
Kirchturmuhr und 1960/61 bekam die Oschatzer Rathausuhr durch Herrn
Lehmann einen elektrisch-automatischen Aufzug. Die Zeit steht also nie
still, wir merken es jeden Tag.
Der 7. September
1842
Dieser Tag begann für die Menschen in Kleinforst
wie jeder andere auch. Es war ein Mittwoch und jeder ging an diesem
Wochentag seiner gewohnten Beschäftigung nach. Einige Kleinforster
Frauen werden an diesem Tage in der Stadt gewesen sein, denn es war
Markttag. Das Wetter schien wieder sehr heiß zu werden, dabei sehnten
sich alle nach Regen, denn seit Juni war kaum ein Tropfen Niederschlag
gefallen. Durch die ungewöhnlich langandauernde Hitze und Trockenheit
drohte im Garten und auf den Feldern alles zu verdorren. Die zwei
öffentlichen Brunnen in Kleinforst hatten schon längst nicht mehr
genügend Wasser und waren tagsüber nach kurzer Zeit ausgeschöpft. So
mussten die Anwohner immer wieder den steilen Hang zur Döllnitz
hinunterlaufen, um sich dort noch etwas Wasser für den Haushalt und zum
Tränken des Viehs zu holen. Gegen halb 10 Uhr vormittags bemerkten sicherlich
die ersten Kleinforster die schwarze Rauchsäule, die ganz in der Nähe
der Oschatzer Stadtkirche aufstieg. Einerseits neugierig, anderseits
aber auch voller Sorge, schauten sie zur Stadt hinüber. Dann hörten sie
auch schon die Altoschatzer Feuerwehr ausrücken, die mit ihrer
Feuerspritze und einem Sturmfass den Altoschatzer Berg hochjagte. Wie oft war in letzter Zeit schon darauf
hingewiesen worden, mit Feuer sorgfältig umzugehen. Noch am 13. und 20.
August erließ der Stadtrat Verordnungen zum Verhalten „in der jetzigen
übergroßen Trockenheit“. Das Tabakrauchen wurde auf den Straßen und
Gassen und an allen sonstigen feuergefährlichen Orten verboten In jedem
Haus sollte entsprechendes Werkzeug und Wasser bereitgehalten werden, um
einen Brand sofort bekämpfen zu können. Die Lage war ernst, das hatten
die verheerenden Brände in den Städten Hamburg, Liebenwerda,
Ehrenfriedersdorf, Kamenz, Hartha und Sayda in diesem Jahr schon
gezeigt. Aber auch in der unmittelbaren Umgebung hatten Brände großen
Schaden angerichtet, so in den Dörfern Großböhla und Schrebitz. Für die betroffenen Städte und Gemeinden wurde in
Oschatz Geld gesammelt, um die größte Not zu lindern. Und als für die
Bürger der zuletzt abgebrannten Stadt Sayda zu Spenden aufgerufen wurde,
betraf das Unglück die Oschatzer selbst. Das Feuer war kurz nach 9 Uhr in einem
Hintergebäude des Grundstückes Nr.119 (heute das Eckgrundstück Altmarkt
Nr.8) ausgebrochen und breitete sich von da sehr schnell weiter aus. Als
es die Stadtkirche erreichten, konnte man das Feuer von Kleinforst aus
ganz deutlich sehen. Die Flammen züngelten an dem mächtigen Turm empor
und entzündeten oben das Holz der mit Schiefer gedeckten Haube. Bald
darauf stürzte diese mit furchtbarem Getöse herab. Nun überragte nur
noch ein achteckiger Stumpf als Rest des Turmes die Stadt Oschatz. Ein
trauriger Anblick! Als nächstes erfassten die Flammen das nahegelegene
Rathaus und die umliegenden Bürgerhäuser. Der äußerst heftige
Nordwestwind trieb das Feuer über den Neumarkt und durch die
angrenzenden Gassen bis zum Brühl hinunter und setzte auch noch die 8
Scheunen in der Naundorfer Straße in Brand. Erst gegen Abend hatten die
Löschmannschaften die Situation einigermaßen unter Kontrolle. Außer den
3 Oschatzer Stadtspritzen waren noch 42 weitere Spritzen und 14
Sturmfässer im Einsatz. Die furchtbare Hitze und der starke Rauch
behinderten die Löscharbeiten in den engen Gassen der Stadt und für die
Löschmannschaften war diese Arbeit äußerst gefährlich. Ein großes
Problem wird die Beschaffung
des Löschwassers gewesen sein, denn die städtischen Leitungen, Brunnen
und Wassertröge gaben bei weitem nicht so viel Wasser her, wie zum
Löschen benötigt wurde. Das ganze Ausmaß des Unheils wurde erst am
nächsten Tag ersichtlich: 133 Hauptgebäude, 157 Nebengebäude und 8
Scheunen lagen in Schutt und Asche. 41 Gebäude mussten während des
Brandes abgerissen werden, um das Übergreifen der Flammen auf
nebenstehende Häuser zu verhindern. Etwa 1500 Personen wurden durch den
Brand obdachlos, viele von ihnen verloren ihr gesamtes Hab und Gut. Die
Stadt Oschatz hatte ihre schönsten und größten Gebäude verloren. Die Not
war groß und aus vielen Städten und Gemeinden kamen Spenden. Die
Handwerker anderer Städte leisteten Hilfe für ihren Berufsgenossen. So
sammelten 19 Tischlerinnungen einen Betrag von über 50 Talern zur
Unterstützung der 7 abgebrannten Tischlermeister der Stadt Oschatz. Es ist schon eine Überlegung wert, ob damals auch
die 25 Häuser in Kleinforst in Gefahr waren, deren Dächer ja alle noch
mit Stroh gedeckt waren. Ein einziger Funke hätte schon genügt, um auch
dort alles in Brand zu setzen. Und das hätte sicher auch geschehen
können, wenn der heftige Wind genau auf die Siedlung zugekommen wäre.
Der Oschatzer Chronist Franz Ludwig Siegel beschreibt an mehreren
Stellen in seinem Bericht, dass der herabstürzende glühende Dachschiefer
der Stadtkirche viele Häuser in Brand gesetzt hätte: „Prasselnd löste
sich der Schiefer und verbreitete einen Feuerregen über die windwärts
gelegenen Stadttheile, indem die zusammengerollten glühenden
Schieferstücke überall hinflogen und nun an unzähligen Orten, bald
früher bald später, je nachdem sie mehr oder weniger zündbaren Stoff
gefunden, die verderbliche Flamme weckten. Selbst auf dem vor dem
Hospitalthore gelegenen Gottesacker, waren einige Gräber versengt
worden.“ Ein anderer Zeitzeuge schreibt in seinen
Erinnerungen sogar folgendes: „Die Aufregung in der Einwohnerschaft war
so groß, daß die meisten nicht gemerkt hatten, wie die Scheunen, welche
am Wege nach dem Weinberge vor der Stadt standen, ebenfalls vom Feuer
verzehrt worden waren. Jedenfalls waren dieselben durch Flugfeuer von
dem brennenden Dachschiefer der Kirche entzündet worden. Dieser
Dachschiefer war bis in die Nähe von Hohenwussen und Casabra geflogen“. Diese Berichte erscheinen uns erst einmal
unglaubhaft, denn Casabra liegt von Oschatz 5 und Hohenwussen 7,5
Kilometer weit entfernt. Und trotzdem könnte es so gewesen sein. Der
Wind ging nämlich genau in die Richtung dieser Dörfer und durch die
Größe des Brandes entstand innerhalb Stadt ein gewaltiger Feuersturm.
Gegen Mittag brannten etwa 300 Haupt- und Nebengebäude. Wir müssen auch
bedenken, dass zur damaligen Zeit in den Häusern noch mehr Holz verbaut
war als heute und dass die Dacheindeckung noch überwiegend aus
Holzschindeln, teilweise sogar noch aus Stroh bestand. Brennbare Masse
für einen Feuersturm gab es also reichlich und dieser könnte tatsächlich
in der Lage gewesen sein, brennende und glühende Teile über weite
Strecken zu transportieren. Sicherlich werden das nur kleine Teilchen
gewesen sein, aber diese waren immer noch in der Lage, irgendwo ein
Feuer zu entzünden. Und den einen Kilometer bis nach Kleinforst hätten
sie bequem geschafft. Zum Glück kam aber der Wind von Nord-West und ging
so haarscharf an der Siedlung vorbei. Aber das hätte sich auch ganz
schnell ändern können. Glück gehabt, Kleinforst! Während sich das Leben in Oschatz nach dem
Brandunglück erst einmal vollkommen veränderte, ging in Kleinforst alles
so weiter wie bisher. Selbst die Frauen, die wöchentlich auf den Markt
zogen, werden keinen großen Abbruch mit ihrem Handel gehabt haben. Denn
Obst und Gemüse brauchten die Einwohner von Oschatz nach wie vor und
nach dieser Katastrophe vielleicht erst recht. Die furchtbaren Bilder
des Stadtbrandes werden aber bei den Kleinforstern und bei allen anderen
Zeitzeugen in ewiger Erinnerung geblieben sein.
Graf Luckners Ritt durch Kleinforst
In der Jubiläumsausgabe des „Oschatzer
Gemeinnützigen“ vom 1. Oktober 1926 fand ich eine amüsante Geschichte,
in der auch Kleinforst beiläufig mit erwähnt wird: Auf der Anhöhe hinter der Bäckerei und Gastwirtschaft „Zum
Holländer“ in unmittelbarer Nähe von Oschatz stand früher eine
Holländer-Windmühle. In dieser wurde 1889 der damalige Besitzer
derselben, Herr Gutmann, von einem Blitz erschlagen. Nach dem in den
neunziger Jahren erfolgten Brand der Mühle, wurden die übriggebliebenen
Mauern abgetragen. Als Graf
Luckner als Offizier bei den Oschatzer Ulanen stand, bat er eines Tages
Herrn Gutmann um die Erlaubnis, zwischen den Windmühlenflügeln
hindurchreiten zu dürfen. Dieser erteilte die Erlaubnis, lehnte aber die
Verantwortung für einen Unfall bei dem kühnen Unternehmen ab. Nach fast
zweistündigen Versuchen hatte der kühne Reiter das Tier soweit gebracht,
daß es zwischen zwei der sich schnell drehenden Flügel hindurchging.
Trotzdem das Pferd von dem weiten Flügel so getroffen wurde, daß ein
Teil der Jalousie abbrach und das Tier in der Hinterhand zusammenbrach,
stand es sofort wieder auf, trug seinen Reiter über das jetzige
Rosenfeld, sprengte über den Mühlgraben und über die Döllnitz und kam
über Kleinforst in guter Verfassung in Oschatz an.“ Dazu noch
folgende Anmerkung: Diese Geschichte muss sich nach den obigen Angaben
vor 1889 abgespielt haben. Der Name Luckner wurde in Deutschland
hauptsächlich durch die Person des Grafen Felix von Luckner bekannt, der
im ersten Weltkrieg als Kapitän des S.M.S. „Seeadler“ auf den Weltmeeren
feindliche Schiffe versenkte. Und das so erfolgreich, dass er unter dem
Namen „Seeteufel“ berühmt wurde. Diesen Namen gab er auch seinem Buch,
das er nach Kriegsende verfasste. Bekannt wurde er auch durch seine
vielen Vorträge über seine Kriegserlebnisse. Am 18. Dezember 1919 sprach
der Korvettenkapitän auch in Oschatzer über seine „Kreuzerfahrten und
Erlebnisse“. Die Veranstaltung fand im „Goldenen Löwen“ statt und wurde
von der Deutschnationalen Volkspartei abgehalten. Graf Felix von
Luckner kann der verwegene Reiter aber nicht gewesen sein, da er erst
1881 geboren wurde. Seinem Vater könnte man diesen Husarenstreich eher
zutrauen. Er war Dragonerleutnant und für allerlei lustige Streiche
bekannt. Aber auch ihn würden wir nicht für den Windmühlenreiter halten,
denn er hatte seine Besitzungen in Holstein. Eher scheint uns sein
Bruder derjenige gewesen zu sein, der als Offizier zeitweilig bei den
Oschatzer Ulanen stand. Er war in Dresden ansässig und war dort als der
„tolle Luckner“ bekannt. Er fuhr gern mit einer knallroten Equipage
sechsspännig durch die Stadt und scheute sich dabei auch nicht, den Weg
über die Stufen der Brühlschen Terrasse zu nehmen. Das würde ihm heute
jede Menge Strafpunkte in der Flensburger Verkehrssünderkartei
einbringen, aber auch damals kam er um eine Strafe nicht herum. Der
König höchstpersönlich verbot ihm künftig das Fahren mit sechs
vorgespannten Pferden. Aber auch dafür hatte Luckner eine Lösung. Er
spannte einfach 5 Pferde und einen Maulesel vor die Kutsche und trieb
weiterhin seine derben Späße.
Die Gefallenen und Vermissten des 1. Weltkrieges
Auf dem
Altoschatzer Friedhofsgelände steht unterhalb der Kirche ein Denkmal,
das an die gefallenen und vermissten Soldaten des 1. Weltkrieges
erinnern soll. Es ist ein schlichtes Bauwerk aus heimatlichem Gestein,
denn der Quarzporphyr wurde ganz in der Nähe im Steinbruch des
Rittergutsbesitzers Schubert gebrochen. Eine Anzahl von Säulen wurde in
einem sanften Bogen aufgestellt, vor diesem lehnt eine Steinplatte mit
der Aufschrift:
Ihren gefallenen Söhnen 1914 1918 Die Kirchgemeinde
Die Ausführung
des Denkmals lag in den Händen des Oschatzer Baumeisters Gehlhaar, „ ...
der sich in dankenswerter Weise den vielfachen Mühen unterzogen hat“. So lautete die Würdigung seiner
Arbeit in der Beilage zum „Oschatzer Tageblatt“ 1924. Eine besondere
Anerkennung galt auch der Arbeit des Maurerpoliers Ernst Gruhle aus
Kleinforst, „ ... der seine ganze Kraft und sein ganzes Können der
Herstellung dieses Meisterwerkes widmete und viele seiner Freistunden
dem Werke opferte.“ Zur Errichtung
des Denkmales haben noch viele andere beigetragen. Die
Gemeindemitglieder spendeten Geld, zum Teil sollen es sogar sehr
ansehnliche Summen gewesen sein. Der Rittergutsbesitzer Schubert
lieferte kostenlos die sieben größten Säulen aus seinem Steinbruch in
Altoschatz. Der Rosenplantagenbesitzer Guericke aus Oschatz stiftete die
Bepflanzung. Die Turner übernahmen kostenlos die Erdarbeiten und der
Altoschatzer Gesangverein „Frohsinn" veranstaltete ein Konzert, dessen Einnahme dem Denkmalsausschuss
überwiesen wurde.
Die würdige
Einweihung des Denkmals fand am 20. November 1921 statt.
Im Jahre 2002
wurde das Denkmal restauriert und hat nun sein würdiges Aussehen
wiedererlangt. Die Kosten der Instandsetzung übernahm der ehemalige
Kleinforster Rudolf Tischer, der heute in den USA lebt. Durch seine
großzügige Unterstützung rettete er bereits in den 80er Jahren die
Altoschatzer Kirche vor dem Verfall. An 4 Säulen
sind Gedenktafeln mit den 58 Namen der Gefallenen und Vermissten
angebracht. 32 davon stammten aus der Gesamtgemeinde Altoschatz, zu der
Kleinforst gehörte.
Heinrich Müller Kleinforst
Nr.14 (An der Aue 6), Soldat der Reserve im Res. Inf. Rgt. Nr.103 d. 8.
Komp., fiel am 9. September 1914 3 1/2 Uhr morgens beim Sturm auf das Dorf Sommetous in Frankreich
durch einen Schuss in den Unterleib, 4 Tage nach seinem 26. Geburtstag!
Max Hildesheim, Kleinforst
Nr.19 (Forststraße 19), fiel im November 1914
Robert
Schubert, Kleinforst Nr.9
(An der Aue 16), fiel im Dezember 1914.
Gustav Ritter, Pionier der
K.S. Minenwerfer-Komp. Nr.58. Er fiel am 3. April 1916 1/2 5 Uhr morgens östlich vom
Fort de Douaumont bei Verdun durch einen Kopfschuss, 7 Tage nach seinem
20. Geburtstag! Ein paar Tage später gab es innerhalb der ausgebauten
Festung eine Explosion, bei der 679 Soldaten starben!
Hugo Böttcher, Gefreiter der
6. Btr. d. K.S. 8. Feldart.-Rgts. Nr.78. Er fiel in Belgien östlich von
Chelnvelt am 29. September 1917 8 Uhr abends durch einen Kopfschuss. Auch er wurde nur 21 Jahre
alt. Seine Mutter war in 2. Ehe eine verehel. Marth und wohnte in
Kleinforst in der Nummer 20 (Forststraße 17).
Paul Schönert, Kleinforst
Nr.21 (Forststraße 15), fiel im Mai 1918.
Robert Ader, Soldat der 6.
Komp. des Ers. Btl. des Res. Inf. Rgt. Nr.107. Er fiel kurz vor
Kriegsende am 29. August 1918 in Frankreich zwischen 4 bis 5 Uhr
nachmittags durch einen Artilleriegeschoss-Volltreffer. Auch er wurde
nur 20 Jahre alt! Sein Vater war der Handarbeiter Hermann Ader, der in
Kleinforst im Haus Nr.13 ( An der Aue 8) wohnte.
An der Folgen
ihrer Kriegsverletzungen starben nach Kriegsende:
Oswald Oemigen,
am 18. Dezember 1918.
Richard Fabian, Kleinforst Nr.5
(An der Aue 22), 1920.
Rudolf Voigt, Kleinforst
Nr.12 (An der Aue 10), 1921.
10 Kriegsopfer
aus der kleinen Siedlung Kleinforst, die damals nur aus 25 Häusern
bestand. Von den 750.000 Sachsen, die in den Krieg geschickt wurden,
fielen etwa 210.000 Soldaten an der Front, 19.000 blieben vermisst.
Insgesamt forderte der 1. Weltkrieg über 10 Millionen Todesopfer. Noch
ahnte keiner, dass es wenig später einen 2. Weltkrieg mit viel größeren
Opfern geben sollte.
zurück zum Inhaltsverzeichnis |
weiterblättern |