Handel und Gewerbe
In Kleinforst
ist im Laufe der Zeit vieles anders geworden. Auf keinem anderen
Gebiet hat sich aber so viel verändert, wie in der Branche Handel
und Gewerbe. Für uns ist es heute unvorstellbar, wie zahlreich die
Handwerker, Händler und Gewerbetreibenden früher in Kleinforst
einmal waren. Die meisten „Unternehmen“ hatten zwar nur einen
Beschäftigten und das war der Chef selbst, aber echte
Dienstleistende waren sie deswegen trotzdem. Heute würde man sie
unter die Rubrik „Ich-AG“ einordnen. Wie schön wäre es, wenn es die
Handwerker und Gewerbetreibenden noch heute gäbe. Wir würden zum
Einkaufen oder Frisieren einfach nur um die Ecke gehen und hätten auch wieder viel mehr Kontakt
untereinander. Denn ganz gleich wo man früher hinkam, ein Gespräch
ergab sich immer. Auch die Kinder könnten den Handwerkern wieder
über die Schulter schauen und etwas dabei lernen. Aber die
moderne Marktwirtschaft werden wir nicht wieder abschaffen können
und es wird dabei bleiben, dass es in Kleinforst außer einer
Gaststätte keinen Handel und kein Gewerbe mehr gibt. So wollen wir
uns wenigstens noch einmal daran erinnern, was einmal war:
Die Tischlerei von Bruno Finke im Haus Nr.22 (Forststraße 13).
Herr Finke
arbeitete als Bau- und Möbeltischler, fertigte Särge und hatte auch
ein Sarglager. Er arbeitete überwiegend allein, zeitweise half aber
auch Herr Koschwitz mit. Seine Werkstatt befand sich in einem 1927
errichteten Hintergebäude. Tückisch war die steile Hofausfahrt, die
besonders im Winter fast unüberwindlich war. Es ist überliefert,
dass Herrn Finke einmal ein fertiger Sarg vom Wagen rutschte und
dabei so beschädigt wurde, dass er ihn wieder zurück in die
Werkstatt schaffen musste. 1946
verpachtete er seine Werkstatt an Herrn Reinhold Appelt, einen
Umsiedler aus dem Sudetenland.
Die Tischlerei von Reinhold Appelt im Haus Nr.2 (An der Aue 28).
Nachdem Herr
Appelt das Haus Nr.2 von Anton Kretzschmar gekauft hatte, richtete
er auch dort seine Tischlerei ein. Er arbeitete überwiegend allein,
zeitweise halfen ihm seine Frau und Herr Koschwitz. 1956 baute er
ein Nebengebäude zur Werkstatt aus. Hauptsächlich arbeitete er für
den Konsum-Kreisverband, fertigte für die Verkaufsstellen Regale und
Warenträger und führte dort alle möglichen Reparaturen aus. Herr
Appelt lieferte auch Särge. Er war maschinell nicht besonders gut
ausgerüstet, arbeitete aber genau und gewissenhaft.
Die Bäckerei im Haus Nr.4 (An der Aue 24).
Mit einem
gewerbsmäßigen Verkauf wurde in diesem Haus um 1891 begonnen. In dem
genannten Jahr stellte Max Hessel bei der Amtshauptmannschaft den Antrag zur Einrichtung eines
Verkaufsladens vorn im Wohnhaus. Erst im Februar
1899 stellte Max Hessel den Antrag zur Errichtung einer Backstube.
Dazu sollte am Hinterhaus ein Gebäude zur Hofseite zu angebaut
werden. Anscheinend war das nun der Start für einen Bäckereibetrieb
in Kleinforst. Im Hof,
gegenüber der Backstube, befand sich ein Brunnen, der für den
Backbetrieb und für den gesamten Haushalt sicher von großer
Bedeutung war.
Nach Max Hessel
führte Bäckermeister Arno Wittig das Geschäft weiter und bildete nun
auch Lehrlinge aus. Er muss die Bäckerei etwa im Jahre 1920
übernommen haben. Außer Brot und Brötchen hatte er auch Kuchen im
Sortiment. Seine Backwaren lieferte er mit einem kleinen Lieferwagen
auch in die nähere Umgebung. Dieser „Kombi“ vom Typ Opel P4 war das
erste Auto in Kleinforst. Zur Unterbringung dieses Gefährtes wurde
1930 gegenüber dem Wohnhaus eine Wellblechgarage aufgebaut, die
übrigens heute noch steht. Eine besondere
Attraktion erlebte Kleinforst, als sich der Opel P4 einmal
selbständig machte, den steilen Hang zur Bach hinunterrollte und
dabei umkippte. Zum Glück stand noch ein Baum im Wege, der die
Landung in der Döllnitz verhinderte. Nachdem man Ketten und Seile am
Auto befestigt hatte, zog der zu Hilfe geeilte Bauer Kühne aus
Altoschatz das Gefährt mit 4 Rössern wieder hoch. In der Siedlung
selbst zog Frau Wittig mit einem Handwagen und dem Zughund Leo durch
die Straßen. Auf diese Art und Weise lieferte sie das Brot bei ihren
Kunden ab. Wenn sie nur Brötchen verkaufte, war sie mit dem
Tragkorb, der sogenannten Kiepe, unterwegs. Ein ständiges
Geschäft bei Wittigs war auch das Ausbacken der sogenannten
Blechkuchen. Diese Dienstleistung wird wahrscheinlich schon in Gang
gekommen sein, nachdem die Kleinforster ihre eigenen Backöfen
abgerissen hatten. Die Kuchen waren in den eigenen vier Wänden
soweit fertig gemacht worden, dass sie nur noch mit samt dem Blech
in den Backofen geschoben werden mussten. Auf dem Weg hin und zurück
wurden sie mit einem weißen oder bunten Tuch abgedeckt.
Nach Arno
Wittig übernahm sein Sohn Gerhard das Bäckereigeschäft. Er hatte
eine „feine Art“ an sich und stellte etwas dar. Die Krönung aber war
sein tolles Auto vom Typ „Wanderer“. Wegen der Größe des Autos
musste die bereits erwähnte Wellblechgarage durch den Zimmermann
Otto Dießner verlängert werden.
Gerhard Wittig
hatte nach dem Krieg große gesundheitliche Probleme, sodass sein
Gehilfe Keller die Bäckerei übernehmen musste. Er hatte 1947 Glück,
dass er weiterarbeiten konnte. Zu dieser Zeit waren nämlich die
Kohlen so knapp, dass in der Gemeinde Altoschatz nur noch die
Kleinforster Bäckerei beliefert werden konnte und die Altoschatzer
Bäckerei Jung schließen musste. Als Keller von Kleinforst wegzog,
wurde die Bäckerei an Herrn Hänsel, später an Herrn Müller
verpachtet. 1959 wurde der Backbetrieb endgültig eingestellt und der
Laden geschlossen.
Die Herrenschneiderei von Curt Richter im Haus Nr.26 (Forststraße 22)
Der 1889
geborene Curt Richter diente bei den Oschatzer Ulanen und machte
sich 1913 in Oschatz als Schneidermeister selbstständig. Etwa 1919
zog er dann nach Kleinforst in das Haus Nr.19 (Forststraße 19) und
führte hier sein Handwerk weiter. 1924 baute er dann schräg
gegenüber ein Siedlungshaus und richtete auch seine Schneiderstube
dort ein. Seine Kundschaft kam überwiegend vom Lande, besonders aus
Naundorf. Zur Anprobe fuhr Herr Richter mit dem Fahrrad zu seinen
Kunden und brachte in der Regel auch die fertige Arbeit hin. Er
beschäftigte zeitweise 3 Gesellen. 1928 hatte er sogar 4 Gesellen
und 2 Lehrlinge. Außerdem verkaufte er auch noch Hosen, Jacken,
Anzüge, Kostüme, Mäntel und Arbeitsbekleidung „von der Stange“. Um
das ganze Gewerbe unterzubringen, musste er 1928 seitlich an sein
Haus anbauen. Im „Oschatzer Gemeinnützigen“ ließ er am 26. Oktober 1929
folgende Annonce erscheinen:
8 billige Verkaufstage! Ab
Sonnabend, dem 26. Oktober auf alle Waren 10 % Rabatt. Alle Größen am
Lager. Damen-, Herren- und Kindermäntel – Anzüge – Joppen –
Windjacken – Weghosen – Arbeitshosen – Westen – Schlosseranzüge –
Oberhemden – Einsatzhemden – Kragen – Binder – Strümpfe u.v.m. –
Lumperjacken mit Reißverschluss Größte Auswahl Curt Richter, Kleinforst Maßschneiderei und Konfektionsgeschäft
Sein Handwerk
betrieb er bis Ende der 60er Jahre. In einigen Kleinforster
Schränken hängen heute noch Kleiderbügel mit der Aufschrift: „Curt
Richter Kleinforst“. Curt Richter
war auch Mitglied des Altoschatzer Gesangvereins und sehr aktiv im
Obstbauverein Altoschatz tätig. Er hielt sogar Vorträge über den
Obstanbau und beteiligte sich bei der Organisation und Durchführung
der Obstausstellungen, die im Gasthof Altoschatz stattfanden. Dort
waren auf langen Tischreihen die verschiedensten Apfel- und
Birnensorten ausgestellt und gekennzeichnet. Bei der Beratung war
Curt Richter in seinem Element. Natürlich war auch sein Garten am
Haus ein Schmuckstück, sehenswert waren seine Apfelbäume, die er am
Spalier gezogen hatte. Von 1919
bis 1927 war Curt Richter Vertreter im Gemeinderat von Altoschatz
und von 1922 bis 1924 Vorsitzender der neugegründeten
Siedlergenossenschaft Altoschatz. Sein Sohn Horst
lernte bei ihm, arbeitete aber nach Kriegsende nur noch kurze Zeit
in diesem Beruf. Sein großes Hobby war die Bienenzucht.
Die Sattlerei von Otto Ader im Haus Nr.13 (An der Aue 8)
Otto Ader wurde
im Einwohnerverzeichnis von 1937 erstmals als Sattler aufgeführt. In
Wirklichkeit war er aber auch Polsterer und Tapezierer und auf diese
ergänzende Berufsbezeichnung legte er auch großen Wert. So war die
Ausgestaltung von Räumen mit Gardienen und die Lieferung von
Polstermöbeln auch sein Geschäft. Vom Gemeindeamt Altoschatz wird
der 1. November 1932 als Beginn seiner Tätigkeit angegeben. Zu
seinen hauptsächlichsten Kunden gehörten die Bauern und
landwirtschaftlichen Betriebe von Altoschatz, Thalheim und Naundorf.
Nach dem Krieg gab es für ihn so viel zu tun, dass er die Arbeiten
im Wohnhaus nicht mehr durchführen konnte. Deshalb stellte Otto Ader
im Juli 1945 einen Antrag an das Landratsamt Oschatz für den Neubau
einer Sattlerwerkstatt. Seine Arbeitsbedingungen schilderte er darin
folgendermaßen: „Zu meinem Gesuch auf Genehmigung zum Neubau einer
Sattlerwerkstatt bemerke ich noch, daß ich bis jetzt in meinen
Wohnräumen die Sattlerei betrieben habe. Durch die vielen Aufträge
für die russische Kommandantur und für die Landwirtschaft, die
dringend für die Ernährung (Einbringung der Ernte), Geschirre und
sonstige Artikel benötigen, ist es mir nicht mehr möglich, diese
Arbeiten nur in meinen Wohnräumen auszuführen. Außerdem ist mein
Sohn von der Wehrmacht zurückgekehrt und meine Tochter ist aus
Mangel an Arbeitskräften in den Sattlereiberuf übergegangen. Dadurch
ist die Arbeitsstätte für mehrere Arbeitskräfte nicht ausreichend.“ Die
Baugenehmigung wurde erteilt und noch im gleichen Jahr baute er im
Hinterhof seine Werkstatt auf, die er 1955 noch vergrößerte. Seine
Tochter Liesbeth qualifizierte sich in ihrem Handwerk und erhielt
den Meisterbrief als Sattler und Tapezierer. Otto Ader
stellte in den 50er Jahren auch Koffer aus Vulkanfiber her. Das
Material war ein lederartiger Kunststoff aus Zellulose, das heiß
gemacht, gepresst, beschnitten und eingefasst werden musste. So
entstanden dann die beiden Kofferhälften. Diese Fertgkeit hatte er
sich in Leipzig erworben, wo er bis zu seinem Umzug nach Kleinforst
in der renommierten Kofferfabrik Mädler tätig war. Dort baute er
einmal einen riesigen Koffer, den ein Zirkus in Auftrag gegeben
hatte. Der Koffer wurde während der Vorstellung von einem
ausgewachsenen Elefanten in die Manege getragen und von ihm
geöffnet. Und was kam aus dem Koffer heraus? Ein richtiger kleiner
Elegant! Der
Sattlereibetrieb von Otto Ader wurde Ende der 50er Jahre aufgegeben.
Der Friseur Kurt Höppner im Haus Nr.19 (Forststraße 19) und später im Haus Nr.68 (Forststraße 20)
Herr Höppner
war überwiegend zuständig für die Herrenfrisuren in Kleinforst. Er
fuhr aber auch viel mit dem Fahrrad zu den Bauern auf die Dörfer, so
z. B. nach Collm und nach Naundorf. Mit dem
Frisieren begann er in Kleinforst gegen 1922, nachdem er seine Lehr-
und Wanderjahre und auch den 1. Weltkrieg hinter sich gebracht
hatte. In einer Liste der Gemeinde Altoschatz wird allerdings der 1.
April 1925 als Beginn seiner Tätigkeit genannt. Seine Wohnung hatte
er im Haus Nr.19 und dort richtete er auch im Hinterhaus links vom
Eingang seine Frisierstube ein. 1931 baute er schräg gegenüber ein
neues Siedlungshaus und richtete dort natürlich auch wieder einen
„Frisiersalon“ ein. Die Kundschaft erreichte ihn über den
Hauseingang an der Straßenseite, Höppners selbst benutzten den
hinteren Eingang. Zwischen den
beiden Fensterreihen der Hausfront hatte er seine Firma anschreiben
lassen: „Curt Höppner Friseur“. Eigentlich hätte es heißen müssen
„Kurt“ Höppner, der Maler hatte sich aber verschrieben! Noch bis
mindestens 1980 war dieser Schriftzug zu sehen. Viel brachte
der Beruf nicht ein, denn ein Haarschnitt kostete damals nur etwa 50
Pfennige. Er war deshalb froh, dass er auch noch im Krankenhaus
Oschatz an 2 Tagen in der Woche frisieren durfte. Um den Umsatz noch
ein wenig anzukurbeln, verkaufte er in seiner Frisierstube auch noch
Elektroartikel, wie Batterien, Glühlampen usw. In den
Kriegsjahren wurde er zum Haarschneiden und Rasieren der kranken und
verwundeten Soldaten dienstverpflichtet. Sie lagen damals im
Rittergut Altoschatz, im Krankenhaus Oschatz und in der Oschatzer
Oberschule. Nach Kriegsende kamen dann die verwundeten sowjetischen
Soldaten in das Oschatzer Krankenhaus und Kurt Höppner konnte gleich
weitermachen. Nun ging es den Russen an die Haare. 1954 starb Herr
Höppner, bis dahin war er immer noch in seinem Beruf tätig.
Die Schuhmacherei von Robert Koch im Haus Nr.26F (Forststraße 32)
Herr Koch
führte überwiegend Reparaturen aus und man sagte ihm nach, dass er
sehr preiswert war. Sein Gewerbe begann er offiziell am 1. Mai 1927
in seinem neuen Siedlungshaus. Die Werkstatt war technisch gut
ausgerüstet. Als Gehilfen beschäftigte er Willi Rändler aus
Kleinforst, der auch noch Zimmermann von Beruf war. Herr Koch bot
seinen Kunden auch neue Schuhe zum Verkauf an. Dazu hatte er im Hof
eine Art Ausstellungsvitrine aufgestellt, die wie ein zweitüriger
Glasschrank aussah. Sein Angebot war nicht allzu groß, aber er
wusste schon, was in Kleinforst gebraucht wurde. Sein Handwerk
betrieb er noch bis in die 5oer Jahre hinein. Robert Koch war
in einigen Funktionen ehrenamtlich tätig, so als Vorsitzender des
Siedlervereins, als Gemeindevertreter und zuletzt als Vorsitzender
der Ortsbodenkommission.
Der Besenbinder Paul Quitzsch im Haus Nr.48 (Paul-Schuster-Str.22)
Herr Quitzsch
hatte nur eine kleine Werkstatt im Hof. Das Birkenreisig holte er
sich mit dem Handwagen aus dem Stadtwald hinter dem Fliegerhorst.
Zum Binden der Besen verwendete Paul Quitzsch nur Weidenruten, die
vor der Verarbeitung geschält und gespaltete werden mussten. Diese
holte er sich aus einem Weidenbestand am Stranggraben. Beim
Transport und beim Schneiden des Besenreisigs mussten seine Jungs
tüchtig mit anpacken. Paul Quitzsch verkaufte seine Besen nicht nur
in Kleinforst, er fuhr mit dem Fahrrad auch auf die umliegenden
Dörfer zu den Bauern. Viel brachte das Gewerbe aber nicht ein, denn
ein Besen kostete nur eine Mark. So musste die siebenköpfige Familie
ein recht bescheidenes Leben führen. Sein Gewerbe begann er am 1,
November 1946 und betrieb das Besenbinderhandwerk bis etwa 1954. Zur
Aufbesserung der Familienkasse verkaufte Frau Quitzsch in Kleinforst
Stangenkäse, den sie von einem Bauern aus Kreischa bezog. Der
Lieferant war auch unter dem Namen „Käse-Klaus“ bekannt, er hatte
sein Gut direkt neben der Mühle. Die sogenannten „Leichenfinger“
reiften auf Stroh und lagen in flachen Spanholzkisten. Quitzschens
hatten 5 Kinder und das waren alles nur Jungens: Heinz, Werner,
Gerhard, Rolf und Horst. Oft wurde in der Familie gemeinsam gesungen
oder Hausmusik gemacht, zumal Gerhard auch noch Geige spielen
konnte. Herr Quitzsch war aktives Mitglied im Gesangsverein
Altoschatz, er hatte eine sehr gute Tenorstimme und trat auch
während der Chorkonzerte als Solist auf. Die Kleinforster waren
stolz auf ihn und einige meinten sogar, der Altoschatzer
Gesangverein sollte lieber Quitzsch-Chor heißen. Zur
Adventsfeier des Chores im Jahre 1947 hatte man im Tafellied über
Paul Quitzsch folgenden Vierzeiler gedichtet:
Quitzsch Paule singet gut Tenor den Frauen singt er gern ins Ohr Er singt sich in ihre Herzen hinein was seiner Frau wird oft zur Pein
Und tatsächlich
schwärmen heute noch einige Kleinforster Damen von seiner Stimme! Der Volkschor
Altoschatz probte unter Leitung seines Dirigenten Otto Kühne in der
Gaststätte „Goldene Höhe“ in Kleinforst. Selbst die Proben hörten
sich so gut an, dass die Hausbewohner ihre Fenster aufmachten, um
den Gesang besser mithören zu können..
Der Uhrmacher Hellmuth Gens im Haus Nr.30 (Paul-Schuster-Str.19)
Herr Gens war
der Sohn von Karl Gens, der im Rittergut Altoschatz als Brennmeister
angestellt war. Er war alleinstehend und hatte in seiner Wohnstube
eine kleine feinmechanische Werkstatt eingerichtet. Nach einer Liste
der Gemeinde Altoschatz begann er seine Selbständigkeit als
Uhrmacher 1949. Von ihm wurden alle Uhren fachgerecht und sehr
preiswert repariert. Hellmuth Gens war technisch sehr begabt und
hatte nach Heinrich Wagner wahrscheinlich das nächste Radio in
Kleinforst. Auch er wird daran vieles selbst gebastelt haben. Es ist
überliefert, dass er bei Übertragungen oftmals das Fenster offen
ließ, damit die Kleinforster mithören konnten. Hellmuth Gens hatte
mit seinem Beruf wenig Einkommen und führte auch ein recht
bescheidenes Leben.
Die Zimmerei von Oswald Rändler im Haus Nr.69 (Querstraße 11)
Oswald Rändler
war selbständig und arbeitete allein. Als Werkstatt genügte ihm ein
kleiner Flachbau rechts vom Eingang, die hauptsächlichsten Arbeiten
hatte er ja sowieso auf den Baustellen. Oswald Rändler
wohnte in seinem Grundstück im Hinterhaus. Das größere Vorderhaus,
das er zusammen mit dem Hinterhaus 1930/31 erbaut hatte, wurde von
ihm vermietet.
Die Baum- und Rosenschule von Otto Krohn
Otto Krohn
wohnte zunächst mit seiner Familie bei seinem Schwiegervater Karl
Knetzschke im Haus Nr.16 (An der Aue 2) und begann bereits 1927 auf
einem Streifen Land in Kleinforst mit dem Anpflanzen und Veredeln
von Obstbäumen und Rosen. Zwei Jahre später erhielt er dafür das
Gewerbe. Anfang der 50er Jahre zog er dann nach Thalheim, wo er eine
wesentlich größere landwirtschaftliche Fläche zur Verfügung hatte.
Seine Rosen lieferte er zunächst an Oschatzer Kunden und an Abnehmer
in der näheren Umgebung. 1951 ergab sich eine Geschäftsverbindung zu
einem Leipziger Großhändler, der in der Saison täglich eine Sendung
Rosen abnahm. Früh 3 Uhr wurden diese taufrisch auf dem Feld
geschnitten und zu 20 Stück zusammengebunden. Etwa 20 Bunde wurden
dann in einem Karton verpackt. In der Hochsaison kamen dann schon
mal 3 Kartons an einem Tag zusammen und das waren immerhin etwa 1200
Rosen! Diese wurden zum
Oschatzer Bahnhof gefahren und dem Gepäckwagen des 7 Uhr Zuges
übergeben. Gegen 9 Uhr standen die Rosen dann bereits in Leipzig in
den Blumengeschäften. Viel frischer konnte man Blumen nicht
anbieten! Für die
Transporte zum Bahnhof gab es bei Krohns ein „Geschäftsfahrzeug“,
das war ein älteres Fahrrad mit einem Gepäckträger über dem
Vorderrad. Die Älteren unter uns werden diese „Transporter mit
Kniescheibenzündung“ noch kennen. Für solche Touren war
hauptsächlich sein Sohn Woldemar zuständig, der diese Fahrten später
allerdings mit einem Moped vom Typ SR 2 erledigte. Otto Krohn
wurde bei seiner Arbeit von seiner Frau und seinen beiden Söhnen
mächtig unterstützt. Es war also ein reiner Familienbetrieb, nur
selten mussten fremde Mitarbeiter einmal aushelfen. Je älter er
wurde, umso mehr musste er seine Tätigkeiten einschränken. Als er
1986 starb, war das auch das Ende der Baum- und Rosenschule Krohn,
die er immerhin über 50 Jahre lang betrieben hatte.
Der Lebensmittelladen von Frau Finke im Haus Nr.22 (Forststraße 13).
Während sich
Herr Finke im Hinterhaus mit Holz und Leim beschäftigte, verkaufte
Frau Finke vorn im Laden Lebensmittel und Waren des täglichen
Bedarfs. Ihr zur Seite standen anfangs Gerda Tischer und Erna Mecus. Als der Konsum
nach dem Krieg den Laden übernahm, blieb Frau Finke erst einmal
weiterhin als Verkäuferin im Laden. Vorübergehend verkaufte auch
Frau Brandner. Ab 1951 wurde dann Isolde Schmidt als
Verkaufsstellenleiterin eingesetzt. Außer ihr waren noch Frau
Schubert als Verkäuferin und Frau Wohllebe als Aushilfskraft tätig.
1957 begann Frau Alice Kühne als Verkäuferin und 1960 Frau Schiemann
als Aushilfskraft. In dem kleinen
Laden gab es nicht nur Lebensmittel, sondern auch Sämereien,
Geschirr, Textilien, Schreibwaren, Waschmittel und sogar Schuhe. Ein
Landwarenhaus im Taschenformat! Die Frauen um
Isolde Schmidt leisteten eine gute Arbeit und die Verkaufsstelle war
bei den Kleinforstern außerordentlich beliebt. Man erfuhr dort immer
etwas Neues und manchmal bekam man auch noch eine Empfehlung, was
man als nächstes wieder einmal kochen könnte. Aber auch über ganz
private Dinge konnte man sich im Konsum austauschen und auch einmal
sein Herz ausschütten. Isolde Schmidt wachte aber streng darauf,
dass daraus kein Klatsch und Tratsch entstand! In den 60er
Jahren wurde der Laden auf Selbstbedienung umgestellt. Das war ein
Pilotprojekt des Konsumgenossenschaftsverbandes, mit dem erst einmal
Erfahrungen gesammelt werden sollten. So gesehen war Kleinforst ein
Vorreiter der neuen Verkaufskultur. Bei den notwendigen
Umbauarbeiten im Laden wurde das Verkaufspersonal tatkräftig vom
Verkaufsstellenausschuss unterstützt. Zu ihm gehörten damals: Günter Wend, Paul Richter, Willi
Rändler, Ilse Sahlbach, Ilse Dießner, Elfriede Richter, Luzie
Hirsemann und Ehrentraut Förster. Auf dieses ehrenamtliche Kollektiv
konnte sich der Konsum jeder Zeit verlassen. Im Februar 1979 wurde
diese vorbildliche Zusammenarbeit mit dem Eintrag in das Ehrenbuch
des Verbandes gewürdigt. 1972 kam Frau
Christine Kühn als Aushilfe in das Verkaufskollektiv. 1986 wurde der
Verkauf vorübergehend in eine Garage verlegt, weil der Laden
umfassend renoviert werden musste. Alle Arbeiten wurden in eigener
Regie durchgeführt und wieder waren es die Mitglieder des
Verkaufsstellenausschusses und auch einige Kleinforster, die kräftig
mit anpackten. Die Besatzung
der Verkaufsstelle 105 hatte es zu DDR-Zeiten nicht immer einfach,
vor allem wenn es um das Verteilen der „Raritäten“ ging. Nicht nur
Südfrüchte waren knapp, auch gutes Bier, Limonade, Selters und
bestimmte Fleischwaren. Viele werden sich noch daran erinnern, dass
es für jeden Erwachsenen nur eine Banane gab, wenn wieder einmal
eine Lieferungen eingetroffen war. Eines muss dem
Verkaufspersonal hoch angerechnet werden: Wenn ältere Leute zum
Einkaufen kamen, wurde auch manchmal geholfen, die Einkaufstasche
bis vor die Tür nach Hause zu tragen. Das war wirklich noch Dienst
am Kunden!
An ein düsteres
Kapitel soll an dieser Stelle auch noch erinnert werden, nämlich an
die Rationierung von Lebensmitteln, Textilien, Schuhen und
Tabakwaren. Die ersten Lebensmittelkarten wurden bereits am 28.
August 1929 kurz vor Ausbruch des 2. Weltkrieges ausgegeben. Die
Rationierung blieb bis nach Kriegsende bestehen, wenn auch in einer
etwas anderen Form. Das änderte sich erst ab 1. Januar 1951, da gab
es Brot endlich wieder frei zu kaufen. Im April 1953 entfiel dann
die Punktekarte für Schuhe und Textilien. Und als dann die
Volkskammer der DDR in ihrer 35. Tagung am 28. Mai 1958 beschloss,
die Lebensmittekarten für Fleisch- und Wurstwaren, Butter und andere
Fette, Milch und Zucker abzuschaffen, schien der Wohlstand
ausgebrochen zu sein. Nach 29 Jahren endlich keine Karten mehr! Mit dem Wegfall
der Lebensmittelkarten wurden ab 29. Mai 1958 auch neue einheitliche
Preise eingeführt. Diese lagen nun wesentlich unter den bisherigen
(freien) HO-Preisen. Auch für die schon vorher frei erhältliche
Artikel, wie Reis, Kakao, Konditoreiwaren, Gewürze, Mandeln,
Sultaninen, Bettwäsche, Kinderobertrikotagen und Perlonstrümpfe,
wurden die Preise gesenkt. Angehoben wurden lediglich die Preise für
Spirituosen. In der LVZ vom
29. Mai wurden von einigen Lebensmitteln die Preise
gegenübergestellt:
1 Pfund Landleberwurst 1 Pfund Kalbsleberwurst 1 Pfund Butter 1 Pfund Margarine 100 Gramm Bockwurst 1 Pfund Zucker 1 Liter Trinkmilch |
bisheriger HO-Preis 6,10 DM 7,90 DM 10,00 DM 2,60 DM 1,24 DM 1,45 DM 1,12 DM |
neuer Preis 3,35 DM 4,80 DM 4,90 DM 1,82 DM 0,80 DM 0,90 DM 0,80 DM |
|
Eine weitere
Maßnahme zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen war die
Anhebung der Löhne und Gehälter für Arbeiter, Angestellten und
Meister. Bis zu 380 DM gab es jetzt mehr Geld in die Lohntüte. Es
ging also spürbar aufwärts in der DDR. Die LVZ gab
noch zu bedenken, dass sich durch die Abschaffung der
Lebensmittelkarten auch die Arbeit des Verkaufspersonals erleichtert
wird: „Die Lebensmittelkarten haben beispielsweise die
Kundenbedienung erschwert. Oft haben Aushilfskräfte nur für das
Markenkleben beschäftigt werden müssen“. Das war in vielen
Verkaufseinrichtungen tatsächlich auch der Fall, traf aber auf die
Kleinforster Konsumverkaufsstelle nicht zu. Wenn es an das Sortieren
und Einkleben der Marken ging, musste dort das Verkaufspersonal
selbst ran. Daran kann sich Frau Schmidt, die ehemalige
Verkaufsstellenleiterin, noch genau erinnern: „Nächtelang haben wir
mit selbst angerührten Mehlkleister die Marken auf altes
Zeitungspapier geklebt. Alles schön übersichtlich in Zehnerreihe.
Die Abschnitte kamen am Tag erst einmal in einen großen Kasten und
mussten dann vor dem Aufkleben erst einmal sortiert werden. Und das
haben wir alles nach Feierabend gemacht! Abgerechnet wurden die
Marken beim Rat der Stadt, Abteilung Handel und Versorgung und die
nahmen es ganz genau. Bei uns wussten sie aber schon, das wir nicht
mogeln!“
Doch nun weiter
in der Geschichte des Konsums:
1986 übernahm
Hilge Schinkel die Verantwortung in der Verkaufsstelle und löste
damit Isolde Schmidt als Leiterin ab. Die „Wende“ kam und Frau
Schmidt und Frau Kühne gingen in den wohlverdienten Ruhestand. Das
bedauerten die Kleinforster sehr, denn damit schieden zwei nette
Verkäuferinnen aus, die man schon seit „ewigen Zeiten“ kannte. Nach der
„Wende“ füllte sich nun der Laden mit Waren, von denen die
Kleinforster bisher immer nur geträumt hatten. Und trotzdem ging der
Umsatz zurück, man kaufte eben noch günstiger in den Einrichtungen
der neuen Handelsketten, die ringsherum wie Pilze aus der Erde
geschossen waren. Die Folge davon war, dass der Konsum 1992 den
Kleinforster Laden an die „Oschatzer Gartenland“ GmbH abgeben
musste. Das Geschäft „rechnete“ sich einfach nicht mehr. Frau Kühn
schied nach 20 Jahren Tätigkeit aus, es blieb nur noch Hilge
Schinkel von der alten Besatzung übrig. Trotz der
Werbung „Qualitätsfrische aus Sachsen“, lief das Geschäft des neuen
Betreibers auch nicht zufriedenstellend und die Verkaufsstelle wurde
im Juni 1998 geschlossen. Damit endet diese Geschichte. Die
Kleinforster waren traurig darüber, besonders die älteren Einwohner.
Mit dem Laden ging nämlich auch ein Stück Kommunikation verloren,
die jahrzehntelang die Menschen in der Siedlung verband. Das war
eigentlich der größte Verlust.
Der Laden von Frau Krell im Haus Nr.44 (Paul-Schuster-Straße 7)
Eigentlich war
das gar kein richtiger Laden und mit dem von Frau Finke schon gar
nicht zu vergleichen. Frau Krell verkaufte Bier, Sprudel,
Selterswasser und Tabakwaren. Zu letzteren Erzeugnissen gehörte auch
der Hanewacker Kautabak von Grimm und Triebel aus Nordhausen. Die
Firma bestand schon seit 1849 und war der bekannteste Hersteller
dieser Spezialität. Diese wurde nach streng gehüteter Rezeptur
gefertigt und enthielt außer Tabakextrakt noch Bienenhonig,
Lakritze, Traubenzucker, Zitronensäure, Salz, Gummiarabikum,
Samoswein und noch vieles andere mehr. Insgesamt sollen es 80
Zutaten gewesen sein, mit denen man auch die unterschiedlichsten
Geschmacksrichtungen erzielen konnte. Trotzdem war Kautabak nicht
jedermanns Sache. Die einen spukten ihn gleich wieder aus, andere
waren davon große Liebhaber. Zu den letzteren gehörte Tietze,
Arthur, der in der Siedlerstraße ganz vorn am Stadtpark wohnte. Für
ihn war Priem ein Hochgenus. Er war auch der einzige in Kleinforst,
der Kautabak kaufte. Über ihn und den Kautabak weiß die Tochter von
Frau Krell, Frau Käthe Lohse, folgende Geschichte zu erzählen: „Bei meiner Mutter lag der Priem in einem Steinguttopf in
einem Sud, er durfte ja nicht austrocknen. Aus dem Topf roch es
stark nach Aroma, deshalb war immer ein Deckel obendrauf. Der
Steinguttopf war mit seinen Reklamebildern ein richtiger Blickfang
auf dem Ladentisch. Verkauft wurde der Priem stückweise. Die
gedrehten Portionen wurden wegen ihrer Nässe erst einmal in Papier
eingeschlagen und kamen dann in eine kleine Blechschachtel. Als ich
ungefähr 10 Jahre alt war, hatten mein Bruder und ich eine tolle
Idee. Statt Priem wickelten wir heimlich Taubenmist in das Papier
und packten das ganze in eine Priemschachtel. Diese legten wir dann auf die Straße, in
froher Erwartung auf den alten Tietze. Er hob auch ohne zu zögern
die Schachtel auf und machte sich damit auf den Heimweg. Für uns
Kinder war das natürlich ein Heidenspaß, für unsere Mutter war das
aber ganz und gar nicht lustig, denn Arthur Tietze ließ nicht lange
auf sich warten und beschwerte sich über den Taubenmist.“
Den Hanewacker Kautabak aus
Nordhausen gab es auch noch zu DDR-Zeiten. 24 Stifte waren eine
Verpackungseinheit, sie kosteten damals im EVP 40 Pfennige. Auf der
Innenseite der Verpackung war folgende Gebrauchanweisung
aufgedruckt: „Nehmen Sie ein Stück
Hanewacker aus der Dose und legen Sie dieses zwischen Backe und
Kiefer. Kauen Sie aber nicht darauf, sondern lassen Sie
dieses Stückchen Tabak ruhig im Munde liegen, dann werden Sie in
kürzester Zeit feststellen, daß der Hanewacker ausgezeichnet
schmeckt und ein anregendes Genussmittel von erfrischender und
durststillender Wirkung ist.“
Zu Krell´s Kunden gehörten auch die
Kleinforster Steinarbeiter aus den benachbarten Häusern. Sie hatten
wahrscheinlich den meisten Durst. Frau Lohse erinnert sich auch noch
daran, wo die Waren des täglichen Bedarfs herkamen: „Unser Großhändler für Tabakwaren war Hermann Bock in
Oschatz. Einmal in der Woche musste ich ein Paket mit Waren abholen.
Ich war damals erst 9 oder 10 Jahre alt und der Weg war ziemlich
lang und anstrengend für mich, besonders im Sommer, wenn es sehr
warm war. Die Firma Börner aus der Breiten Straße lieferte das Bier,
es wurde mit dem Pferdewagen gebracht. Die kräftigen Pferde hatten
ein besonders schönes Zaumzeug. Brauchten wir aber außer der
Lieferzeit Getränke, musste ich mit dem Handwagen durch den
Stadtpark ziehen und 5 oder 6 Kästen holen. Auf dem Rückweg zog ich
den Wagen bis zum Berg am Ende des Stadtparks und wartete dort, bis mich meine Mutter abholte und
beim Ziehen half. Das Warten dauerte manchmal eine Stunde und mehr.
Es war eine schlimme Plackerei, aber ich machte es ohne zu murren.“
Die Poststelle in Kleinforst
Der Geschichte
der Poststelle soll die Einrichtung einer öffentlichen
Fernsprechstelle in Kleinforst vorangestellt werden. Im Gemeindebuch
von Altoschatz finden wir dazu folgenden Eintrag aus dem Jahre 1927:
„Für die zu errichtende Fernsprechstelle bei Richter in
Kleinforst werden die eventuell noch zwei fehlenden Masten aus der
Gemeindekasse bestritten, Richter verpflichtet sich, jeden Einwohner
bei Bedarf sprechen zu lassen.“ Vielleicht war das der erste
Fernsprechanschluss in Kleinforst! Im Adressbuch
von Oschatz aus dem Jahre 1922 ist für Kleinforst noch kein einziger
Fernsprechanschluss eingetragen. Kleinforst hatte zur damaligen Zeit
nicht einmal eine Posthilfsstelle, wie sie z. B. Altoschatz hatte. Eine Poststelle
mit öffentlichem Fernsprecher wurde erst in den 20er Jahren in der
Gaststätte „Goldene Höhe“ eingerichtet und befand sich dort bis
1955. Sie war in einem Raum hinter dem Laden der Fleischerei
untergebracht, also links vom Haupteingang. Poststellenverwalter
waren Frau Hildegard Ehrlich und anschließend ihre Tochter Inge. Ab 1955
übernahm dann Frau Ilse Dießner diese Funktion, richtete aber die
Poststelle in ihrem Haus, An der Aue 26, ein. Die Briefpost bekam
Frau Dießner angeliefert, die Päckchen und Pakete aber kurioserweise
nicht. Die musste sie 4 Jahre lang mit dem Handwagen in Altoschatz
holen. Eine Zeit lang trug auch ihr Mann die Post in Kleinforst aus. Besonderer
Andrang herrschte zur Weihnachtszeit, wenn die Pakete für die
Westverwandtschaft auf die Reise gebracht werden mussten. Man erkannte sie schon an der
Aufschrift „Geschenksendung, keine Handelsware“. Wenn dann ein paar
Tage später die „Westpakete“ ankamen, wurde es wirklich eng in der
Poststube.
Der öffentliche
Fernsprecher, der sich in der Poststelle bei Dießners befand, musste
Tag und Nacht verfügbar sein. Wie sollte man sonst telefonieren, in
ganz Kleinforst gab es bis zur „Wende“ so gut wie keine Telefone! Nach der
Wiedervereinigung wurde die Poststelle zum großen Bedauern der
Einwohner von „Amts wegen“ geschlossen. Wieder war ein Stück
Kleinforster Geschichte verschwunden.
Die Klein- und Neubauern
Einige Siedler
hatten sich einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb in ihrem
Grundstück aufgebaut. Die geringe Größe gab gerade noch so viel her,
dass Stall und Scheune ihren Platz fanden. Da wäre z. B. Richard
Zieger im Haus Nr.36 (P.-Schuster-Straße 38) zu nennen. Er begann als Neubauer am
01.11.1947 und hatte 1 Pferd, 5
Milchkühe, Kälber, Ziegen, Schweine, Hühner, Gänse, Enten, Kaninchen
und Tauben! Er war mit dieser umfangreichen Tierhaltung allerdings
eine Ausnahme. Heute kann man sich das in Kleinforst nicht mehr
vorstellen. Mit seinen Kühen zog er jeden Tag die Paul-Schuster
Straße herunter auf die Wiese am großen Stein unterhalb von
Kleinforst. Nach einer
Auflistung der Gemeinde Altoschatz vom 13. Mai 1950 gab es außer
Richard Zieger noch folgende Neubauern in Kleinforst:
Otto Küttner, Kleinforst Nr.82 (P.-Schuster-Str.12), seit
01.10.1945 Otto Striegler, Kleinforst Nr.43, (P.-Schuster-Str. 28), seit
01.01.1946 Kurt Taube, (Parkstraße 22), seit 01.01.1946 Willi Schroth, Kleinforst Nr.1 (An der Aue 30), seit
25.12.1945 Anton Kretzschmar, Kleinforst Nr.2 (An der Aue 28) Martin Krause, Kleinforst Nr.26 C (Forststraße 26), seit
02.01.1946 Alfred Krell, Kleinforst Nr. 44 (P.-Schuster-Straße 7), seit
01.01.1946 Otto Krohn, Kleinforst Nr.14 (An der Aue 6), seit 01.07.1946 Walter Klingner, Kleinforst Nr.56 (Querstraße 6), seit
15.05.1948
Heute gibt es
nur noch Woldemar Krohn, der auf und hinter seinem Grundstück in der
Paul-Schuster-Straße 58 eine Milchkuh, einen Bullen und Schweine
hält und auch noch Felder bestellt oder bestellen lässt. Der Letzte
seines Standes! Dass es so
etwas heute noch in einer Siedlung gibt, ist schon bemerkenswert.
Der Kommentar von „Woldi“ Kron dazu: „Ich habe es meinem Vater
versprochen, dass ich weitermache.“
Kleinforster Frauen verkauften Milch und Käse
Wir wollen
nicht die fleißigen Frauen aus der Siedlung vergessen, die mit
Milchkannen und Stangenkäse unterwegs waren, um die Familienkasse
etwas aufzubessern. Auch sie handelten nach dem Motto: „Und ist der
Handel noch so klein, er bringt doch mehr als Arbeit ein“. Die Milch
wurde in Kannen direkt vom Bauern geholt, 3 Kannen passten auf einen
Handwagen. Das war für die Frauen eine schwere Fuhre. Frau Steinert
holte die Milch vom Bauer Kühne aus Altoschatz und Frau Weber von
Capito. Die Ehefrau vom Schuhmacher Koch bekam ihre Milch vom
Stadtgut Walter, das neben dem Oschatzer Friedhof lag. Alle drei Frauen hatten ihre
Kunden im Oschatzer Stadtgebiet. Frau Schulze
aus dem Haus Nr.41 (Paul-Schuster-Straße 9) verkaufte auch Milch,
aber von zu Hause aus. Die Milch bezog sie von einem Bauern aus
Altoschatz. Else Döring aus
dem Haus Nr.46 (Paul-Schuster-Straße 26) verkaufte auf Stroh
gereiften Schimmelkäse, der von Riesa aus mit der Bahn angeliefert
wurde. Er war in Spanholzkisten verpackt und wurde in Oschatz,
Mannschatz und Schmorkau verkauft. Dass auch Frau Quitzsch
Stangenkäse vom „Käse-Klaus“ aus Kreischa verkaufte, wurde bereits
erwähnt. Dieser hatte übrigens einen tollen Lieferwagen, von dem es
sogar noch ein altes Foto gibt. Wir wollen auch
die Kinder nicht vergessen, die beim Verkaufen schon tüchtig
mithelfen mussten, wie Hans Koch und Anita Döring.
Die Händler von außerhalb
Händler von
außerhalb gab es früher in Kleinforst eine ganze Menge. Später, zu
DDR-Zeiten, gab es diese Dienstleistung nicht mehr. Und heute sind
zwei mobile Fleisch- und Wurstwarenhändler und die Feinfrosthändler
wieder froh, wenn sie in Kleinforst etwas verkaufen können. Wie sich
die Zeiten ändern. Erinnern wir uns noch einmal an damals:
Der Bäcker Arno
Taube kam mit Pferd und Wagen aus Merkwitz und verkaufte in
Kleinforst Brot. Frau Quosdorf aus Rosenthal zog jeden Tag mit dem
Handwagen durch Kleinforst und verkaufte Milch vom Berggut. Herr
Mühlberg kam aus Oschatz und verkaufte Seife. Wöchentlich einmal
brachte ein Händler 3 Kisten Bücklinge vom Oschatzer Bahnhof mit dem
Fahrrad nach Kleinforst. Er hieß Fritz Günter und wohnte in der
Körnerstraße in Oschatz.
Zu
unregelmäßigen Zeiten kamen noch Herr Geißler mit Sprotten, ein
Händler aus Böhmen mit Bürsten, ein Händler mit Porzellan und
Steingut, der „Leitern-Peter“ aus Zschöllau und der „Essigmann“ aus Riesa.
Und schließlich
gab es noch Herrn Wilsdorf, der die „Leipziger Volkszeitung“
austrug. Mit den Kleinforster Kindern hatte er aber immer seinen
Ärger, weil sie ihm den Spitznamen „Zunder“ gegeben hatten.
Die Zeitung
wird uns heute auch noch gebracht, manche sind noch gar nicht
richtig aufgewacht, da hat sie Frau Christianus schon in den
Briefkasten gesteckt. Vergessen wollen wir auch nicht ihre
Vorgängerin, die kleine Frau Anita Behrens und deren Tochter, die 11
Jahre lang die Zeitungen in Kleinforst austrugen.
Handel und Gewerbe nach 1945
Nach dem Krieg
waren von den Kleinforster Gewerbetreibenden doch noch allerhand
übriggeblieben. Es gab sogar einen Neuanfang: Frau Bärenwolle hatte
im Fleisch- und Wurstladen von Willy Ehrlich einen Gemüseladen
eingerichtet. Ihre hauptsächlichsten Kunden waren die Flüchtlinge,
die in Kleinforst untergebracht waren. Gemüse gab es damals ohne
Lebensmittelmarken und war deshalb ein begehrter Artikel. Ihr Mann
holte die Ware früh um 5
Uhr mit dem Handwagen vom Angebotsmarkt, der sich damals angeblich
im Feuerwehrgerätehaus befand. Außer dem
Gemüseladen von Frau Bärenwolle gab es noch den Lebensmittelladen
von Frau Finke, die Gaststätte „Goldenen Höhe“, die Poststelle, den
Sattlermeister Ader, den Tischlermeister Appelt, den Friseur
Höppner, den Herrenschneider Richter, die Bäckerei, den Schuhmacher
Koch, den Besenbinder Quitzsch Je weiter aber
die Zeit voranschritt, um so weniger wurde die Anzahl der Händler
und Gewerbetreibenden in Kleinforst. Daran änderte sich auch nichts,
als sich mit Frau Magdalena Pötzsch 1954 noch einmal jemand
selbständig machte. Sie war in der Forststraße 9 als Helfer in
Steuersachen tätig. 1977 stellte
auch der Kleinforster Dachdecker Herbert Winter den Antrag auf
Gewerbegenehmigung. Arbeit war genug da, aber die Politiker der DDR
hatten kein Interesse an der Gründung von selbständigen Unternehmen.
So erhielt Herr Winter nur die Gewerbeerlaubnis zur Reparatur von
Schornsteinen, „ ... entsprechend der in der Objektliste durch das
Kreisbauamt vorgegebenen Arbeiten in der Stadt Oschatz“. >Büro und Materiallager
richtete er auf seinem Wohngrundstück in der Forststraße 3 ein. Erst nach der
„Wende“ konnte er seine Firma für Dacheindeckung, Gerüst- und
Schornsteinbauarbeiten richtig ausbauen, nun allerdings in
Altoschatz. Nach der „Wende“ war
tatsächlich noch einmal eine gewisse Aufbruchstimmung in Kleinforst
vorhanden. 1990 machte sich der Dachdeckermeister Michael Roßberg in
der Paul-Schuster-Straße 56 selbständig. In der Garage ihres
Eigenheimes in der Paul-Schuster-Straße 1 richtete zur gleichen Zeit
Roswitha Weichhold einen Getränkeladen ein. 1992 waren es die
Jungunternehmer Jörg Weichhold und Matthias Zschage, die sich
ebenfalls in der Paul-Schuster-Straße 1 mit Heizungs-, Sanitär- und
Bauklempnerarbeiten selbständig machten. Und schließlich übernahm
die „Oschatzer Gartenland“ GmbH den Lebensmittelladen vom Konsum. Ein glücklicher Anfang ? Nein, in
Kleinforst gibt es heute, bis auf eine Ausnahme, keinen einzigen
Gewerbebetrieb mehr. Einige Firmen haben ihren Standort verlegt,
andere die Existenz ganz aufgegeben. Es gibt nur noch die Gaststätte
„Goldene Höhe“ und das bereits seit 1870!
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