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Handel und Gewerbe

In Kleinforst ist im Laufe der Zeit vieles anders geworden. Auf keinem anderen Gebiet hat sich aber so viel verändert, wie in der Branche Handel und Gewerbe. Für uns ist es heute unvorstellbar, wie zahlreich die Handwerker, Händler und Gewerbetreibenden früher in Kleinforst einmal waren. Die meisten „Unternehmen“ hatten zwar nur einen Beschäftigten und das war der Chef selbst, aber echte Dienstleistende waren sie deswegen trotzdem. Heute würde man sie unter die Rubrik „Ich-AG“ einordnen. Wie schön wäre es, wenn es die Handwerker und Gewerbetreibenden noch heute gäbe. Wir würden zum Einkaufen oder Frisieren einfach nur um die Ecke gehen und hätten  auch wieder viel mehr Kontakt untereinander. Denn ganz gleich wo man früher hinkam, ein Gespräch ergab sich immer. Auch die Kinder könnten den Handwerkern wieder über die Schulter schauen und etwas dabei lernen.
Aber die moderne Marktwirtschaft werden wir nicht wieder abschaffen können und es wird dabei bleiben, dass es in Kleinforst außer einer Gaststätte keinen Handel und kein Gewerbe mehr gibt. So wollen wir uns wenigstens noch einmal daran erinnern, was einmal war:


Die Tischlerei von Bruno Finke im Haus Nr.22 (Forststraße 13).

Herr Finke arbeitete als Bau- und Möbeltischler, fertigte Särge und hatte auch ein Sarglager. Er arbeitete überwiegend allein, zeitweise half aber auch Herr Koschwitz mit. Seine Werkstatt befand sich in einem 1927 errichteten Hintergebäude. Tückisch war die steile Hofausfahrt, die besonders im Winter fast unüberwindlich war. Es ist überliefert, dass Herrn Finke einmal ein fertiger Sarg vom Wagen rutschte und dabei so beschädigt wurde, dass er ihn wieder zurück in die Werkstatt schaffen musste.
1946 verpachtete er seine Werkstatt an Herrn Reinhold Appelt, einen Umsiedler aus dem Sudetenland.


Die Tischlerei von Reinhold Appelt im Haus Nr.2 (An der Aue 28).

Nachdem Herr Appelt das Haus Nr.2 von Anton Kretzschmar gekauft hatte, richtete er auch dort seine Tischlerei ein. Er arbeitete überwiegend allein, zeitweise halfen ihm seine Frau und Herr Koschwitz. 1956 baute er ein Nebengebäude zur Werkstatt aus. Hauptsächlich arbeitete er für den Konsum-Kreisverband, fertigte für die Verkaufsstellen Regale und Warenträger und führte dort alle möglichen Reparaturen aus. Herr Appelt lieferte auch Särge. Er war maschinell nicht besonders gut ausgerüstet, arbeitete aber genau und gewissenhaft.


Die Bäckerei im Haus Nr.4 (An der Aue 24).

Mit einem gewerbsmäßigen Verkauf wurde in diesem Haus um 1891 begonnen. In dem genannten Jahr stellte Max Hessel bei der Amtshauptmannschaft den Antrag zur Einrichtung eines Verkaufsladens vorn im Wohnhaus.
Erst im Februar 1899 stellte Max Hessel den Antrag zur Errichtung einer Backstube. Dazu sollte am Hinterhaus ein Gebäude zur Hofseite zu angebaut werden. Anscheinend war das nun der Start für einen Bäckereibetrieb in Kleinforst.
Im Hof, gegenüber der Backstube, befand sich ein Brunnen, der für den Backbetrieb und für den gesamten Haushalt sicher von großer Bedeutung war.

Nach Max Hessel führte Bäckermeister Arno Wittig das Geschäft weiter und bildete nun auch Lehrlinge aus. Er muss die Bäckerei etwa im Jahre 1920 übernommen haben. Außer Brot und Brötchen hatte er auch Kuchen im Sortiment. Seine Backwaren lieferte er mit einem kleinen Lieferwagen auch in die nähere Umgebung. Dieser „Kombi“ vom Typ Opel P4 war das erste Auto in Kleinforst. Zur Unterbringung dieses Gefährtes wurde 1930 gegenüber dem Wohnhaus eine Wellblechgarage aufgebaut, die übrigens heute noch steht.
Eine besondere Attraktion erlebte Kleinforst, als sich der Opel P4 einmal selbständig machte, den steilen Hang zur Bach hinunterrollte und dabei umkippte. Zum Glück stand noch ein Baum im Wege, der die Landung in der Döllnitz verhinderte. Nachdem man Ketten und Seile am Auto befestigt hatte, zog der zu Hilfe geeilte Bauer Kühne aus Altoschatz das Gefährt mit 4 Rössern wieder hoch.
In der Siedlung selbst zog Frau Wittig mit einem Handwagen und dem Zughund Leo durch die Straßen. Auf diese Art und Weise lieferte sie das Brot bei ihren Kunden ab. Wenn sie nur Brötchen verkaufte, war sie mit dem Tragkorb, der sogenannten Kiepe, unterwegs.
Ein ständiges Geschäft bei Wittigs war auch das Ausbacken der sogenannten Blechkuchen. Diese Dienstleistung wird wahrscheinlich schon in Gang gekommen sein, nachdem die Kleinforster ihre eigenen Backöfen abgerissen hatten. Die Kuchen waren in den eigenen vier Wänden soweit fertig gemacht worden, dass sie nur noch mit samt dem Blech in den Backofen geschoben werden mussten. Auf dem Weg hin und zurück wurden sie mit einem weißen oder bunten Tuch abgedeckt.

Nach Arno Wittig übernahm sein Sohn Gerhard das Bäckereigeschäft. Er hatte eine „feine Art“ an sich und stellte etwas dar. Die Krönung aber war sein tolles Auto vom Typ „Wanderer“. Wegen der Größe des Autos musste die bereits erwähnte Wellblechgarage durch den Zimmermann Otto Dießner verlängert werden.

Gerhard Wittig hatte nach dem Krieg große gesundheitliche Probleme, sodass sein Gehilfe Keller die Bäckerei übernehmen musste. Er hatte 1947 Glück, dass er weiterarbeiten konnte. Zu dieser Zeit waren nämlich die Kohlen so knapp, dass in der Gemeinde Altoschatz nur noch die Kleinforster Bäckerei beliefert werden konnte und die Altoschatzer Bäckerei Jung schließen musste. Als Keller von Kleinforst wegzog, wurde die Bäckerei an Herrn Hänsel, später an Herrn Müller verpachtet. 1959 wurde der Backbetrieb endgültig eingestellt und der Laden geschlossen.


Die Herrenschneiderei von Curt Richter im Haus Nr.26 (Forststraße 22)

Der 1889 geborene Curt Richter diente bei den Oschatzer Ulanen und machte sich 1913 in Oschatz als Schneidermeister selbstständig. Etwa 1919 zog er dann nach Kleinforst in das Haus Nr.19 (Forststraße 19) und führte hier sein Handwerk weiter. 1924 baute er dann schräg gegenüber ein Siedlungshaus und richtete auch seine Schneiderstube dort ein. Seine Kundschaft kam überwiegend vom Lande, besonders aus Naundorf. Zur Anprobe fuhr Herr Richter mit dem Fahrrad zu seinen Kunden und brachte in der Regel auch die fertige Arbeit hin. Er beschäftigte zeitweise 3 Gesellen. 1928 hatte er sogar 4 Gesellen und 2 Lehrlinge. Außerdem verkaufte er auch noch Hosen, Jacken, Anzüge, Kostüme, Mäntel und Arbeitsbekleidung „von der Stange“. Um das ganze Gewerbe unterzubringen, musste er 1928 seitlich an sein Haus anbauen. Im „Oschatzer Gemeinnützigen“ ließ er am 26. Oktober 1929 folgende Annonce erscheinen:

8 billige Verkaufstage! Ab Sonnabend, dem 26. Oktober auf alle Waren 10 % Rabatt.
Alle Größen am Lager. Damen-, Herren- und Kindermäntel – Anzüge – Joppen – Windjacken – Weghosen – Arbeitshosen – Westen – Schlosseranzüge – Oberhemden – Einsatzhemden – Kragen – Binder – Strümpfe u.v.m. – Lumperjacken mit Reißverschluss
Größte Auswahl
Curt Richter, Kleinforst
Maßschneiderei und Konfektionsgeschäft

Sein Handwerk betrieb er bis Ende der 60er Jahre. In einigen Kleinforster Schränken hängen heute noch Kleiderbügel mit der Aufschrift: „Curt Richter Kleinforst“.
Curt Richter war auch Mitglied des Altoschatzer Gesangvereins und sehr aktiv im Obstbauverein Altoschatz tätig. Er hielt sogar Vorträge über den Obstanbau und beteiligte sich bei der Organisation und Durchführung der Obstausstellungen, die im Gasthof Altoschatz stattfanden. Dort waren auf langen Tischreihen die verschiedensten Apfel- und Birnensorten ausgestellt und gekennzeichnet. Bei der Beratung war Curt Richter in seinem Element. Natürlich war auch sein Garten am Haus ein Schmuckstück, sehenswert waren seine Apfelbäume, die er am Spalier gezogen hatte.
Von 1919 bis 1927 war Curt Richter Vertreter im Gemeinderat von Altoschatz und von 1922 bis 1924 Vorsitzender der neugegründeten Siedlergenossenschaft Altoschatz.
Sein Sohn Horst lernte bei ihm, arbeitete aber nach Kriegsende nur noch kurze Zeit in diesem Beruf. Sein großes Hobby war die Bienenzucht.


Die Sattlerei von Otto Ader im Haus Nr.13 (An der Aue 8)

Otto Ader wurde im Einwohnerverzeichnis von 1937 erstmals als Sattler aufgeführt. In Wirklichkeit war er aber auch Polsterer und Tapezierer und auf diese ergänzende Berufsbezeichnung legte er auch großen Wert. So war die Ausgestaltung von Räumen mit Gardienen und die Lieferung von Polstermöbeln auch sein Geschäft. Vom Gemeindeamt Altoschatz wird der 1. November 1932 als Beginn seiner Tätigkeit angegeben. Zu seinen hauptsächlichsten Kunden gehörten die Bauern und landwirtschaftlichen Betriebe von Altoschatz, Thalheim und Naundorf. Nach dem Krieg gab es für ihn so viel zu tun, dass er die Arbeiten im Wohnhaus nicht mehr durchführen konnte. Deshalb stellte Otto Ader im Juli 1945 einen Antrag an das Landratsamt Oschatz für den Neubau einer Sattlerwerkstatt. Seine Arbeitsbedingungen schilderte er darin folgendermaßen:
„Zu meinem Gesuch auf Genehmigung zum Neubau einer Sattlerwerkstatt bemerke ich noch, daß ich bis jetzt in meinen Wohnräumen die Sattlerei betrieben habe. Durch die vielen Aufträge für die russische Kommandantur und für die Landwirtschaft, die dringend für die Ernährung (Einbringung der Ernte), Geschirre und sonstige Artikel benötigen, ist es mir nicht mehr möglich, diese Arbeiten nur in meinen Wohnräumen auszuführen. Außerdem ist mein Sohn von der Wehrmacht zurückgekehrt und meine Tochter ist aus Mangel an Arbeitskräften in den Sattlereiberuf übergegangen. Dadurch ist die Arbeitsstätte für mehrere Arbeitskräfte nicht ausreichend.“
Die Baugenehmigung wurde erteilt und noch im gleichen Jahr baute er im Hinterhof seine Werkstatt auf, die er 1955 noch vergrößerte. Seine Tochter Liesbeth qualifizierte sich in ihrem Handwerk und erhielt den Meisterbrief als Sattler und Tapezierer.
Otto Ader stellte in den 50er Jahren auch Koffer aus Vulkanfiber her. Das Material war ein lederartiger Kunststoff aus Zellulose, das heiß gemacht, gepresst, beschnitten und eingefasst werden musste. So entstanden dann die beiden Kofferhälften. Diese Fertgkeit hatte er sich in Leipzig erworben, wo er bis zu seinem Umzug nach Kleinforst in der renommierten Kofferfabrik Mädler tätig war. Dort baute er einmal einen riesigen Koffer, den ein Zirkus in Auftrag gegeben hatte. Der Koffer wurde während der Vorstellung von einem ausgewachsenen Elefanten in die Manege getragen und von ihm geöffnet. Und was kam aus dem Koffer heraus? Ein richtiger kleiner Elegant!
Der Sattlereibetrieb von Otto Ader wurde Ende der 50er Jahre aufgegeben.


Der Friseur Kurt Höppner im Haus Nr.19 (Forststraße 19) und später im Haus Nr.68 (Forststraße 20)

Herr Höppner war überwiegend zuständig für die Herrenfrisuren in Kleinforst. Er fuhr aber auch viel mit dem Fahrrad zu den Bauern auf die Dörfer, so z. B. nach Collm und nach Naundorf.
Mit dem Frisieren begann er in Kleinforst gegen 1922, nachdem er seine Lehr- und Wanderjahre und auch den 1. Weltkrieg hinter sich gebracht hatte. In einer Liste der Gemeinde Altoschatz wird allerdings der 1. April 1925 als Beginn seiner Tätigkeit genannt. Seine Wohnung hatte er im Haus Nr.19 und dort richtete er auch im Hinterhaus links vom Eingang seine Frisierstube ein. 1931 baute er schräg gegenüber ein neues Siedlungshaus und richtete dort natürlich auch wieder einen „Frisiersalon“ ein. Die Kundschaft erreichte ihn über den Hauseingang an der Straßenseite, Höppners selbst benutzten den hinteren Eingang.
Zwischen den beiden Fensterreihen der Hausfront hatte er seine Firma anschreiben lassen: „Curt Höppner Friseur“. Eigentlich hätte es heißen müssen „Kurt“ Höppner, der Maler hatte sich aber verschrieben! Noch bis mindestens 1980 war dieser Schriftzug zu sehen.
Viel brachte der Beruf nicht ein, denn ein Haarschnitt kostete damals nur etwa 50 Pfennige. Er war deshalb froh, dass er auch noch im Krankenhaus Oschatz an 2 Tagen in der Woche frisieren durfte. Um den Umsatz noch ein wenig anzukurbeln, verkaufte er in seiner Frisierstube auch noch Elektroartikel, wie Batterien, Glühlampen usw.
In den Kriegsjahren wurde er zum Haarschneiden und Rasieren der kranken und verwundeten Soldaten dienstverpflichtet. Sie lagen damals im Rittergut Altoschatz, im Krankenhaus Oschatz und in der Oschatzer Oberschule. Nach Kriegsende kamen dann die verwundeten sowjetischen Soldaten in das Oschatzer Krankenhaus und Kurt Höppner konnte gleich weitermachen. Nun ging es den Russen an die Haare.
1954 starb Herr Höppner, bis dahin war er immer noch in seinem Beruf tätig.


Die Schuhmacherei von Robert Koch im Haus Nr.26F (Forststraße 32)

Herr Koch führte überwiegend Reparaturen aus und man sagte ihm nach, dass er sehr preiswert war. Sein Gewerbe begann er offiziell am 1. Mai 1927 in seinem neuen Siedlungshaus. Die Werkstatt war technisch gut ausgerüstet. Als Gehilfen beschäftigte er Willi Rändler aus Kleinforst, der auch noch Zimmermann von Beruf war.
Herr Koch bot seinen Kunden auch neue Schuhe zum Verkauf an. Dazu hatte er im Hof eine Art Ausstellungsvitrine aufgestellt, die wie ein zweitüriger Glasschrank aussah. Sein Angebot war nicht allzu groß, aber er wusste schon, was in Kleinforst gebraucht wurde. Sein Handwerk betrieb er noch bis in die 5oer Jahre hinein.
Robert Koch war in einigen Funktionen ehrenamtlich tätig, so als Vorsitzender des Siedlervereins, als Gemeindevertreter und zuletzt als Vorsitzender der Ortsbodenkommission.


Der Besenbinder Paul Quitzsch im Haus Nr.48 (Paul-Schuster-Str.22)

Herr Quitzsch hatte nur eine kleine Werkstatt im Hof. Das Birkenreisig holte er sich mit dem Handwagen aus dem Stadtwald hinter dem Fliegerhorst. Zum Binden der Besen verwendete Paul Quitzsch nur Weidenruten, die vor der Verarbeitung geschält und gespaltete werden mussten. Diese holte er sich aus einem Weidenbestand am Stranggraben. Beim Transport und beim Schneiden des Besenreisigs mussten seine Jungs tüchtig mit anpacken. Paul Quitzsch verkaufte seine Besen nicht nur in Kleinforst, er fuhr mit dem Fahrrad auch auf die umliegenden Dörfer zu den Bauern. Viel brachte das Gewerbe aber nicht ein, denn ein Besen kostete nur eine Mark. So musste die siebenköpfige Familie ein recht bescheidenes Leben führen. Sein Gewerbe begann er am 1, November 1946 und betrieb das Besenbinderhandwerk bis etwa 1954.
Zur Aufbesserung der Familienkasse verkaufte Frau Quitzsch in Kleinforst Stangenkäse, den sie von einem Bauern aus Kreischa bezog. Der Lieferant war auch unter dem Namen „Käse-Klaus“ bekannt, er hatte sein Gut direkt neben der Mühle. Die sogenannten „Leichenfinger“ reiften auf Stroh und lagen in flachen Spanholzkisten.
Quitzschens hatten 5 Kinder und das waren alles nur Jungens: Heinz, Werner, Gerhard, Rolf und Horst. Oft wurde in der Familie gemeinsam gesungen oder Hausmusik gemacht, zumal Gerhard auch noch Geige spielen konnte. Herr Quitzsch war aktives Mitglied im Gesangsverein Altoschatz, er hatte eine sehr gute Tenorstimme und trat auch während der Chorkonzerte als Solist auf. Die Kleinforster waren stolz auf ihn und einige meinten sogar, der Altoschatzer Gesangverein sollte lieber Quitzsch-Chor heißen.
Zur Adventsfeier des Chores im Jahre 1947 hatte man im Tafellied über Paul Quitzsch folgenden Vierzeiler gedichtet:

Quitzsch Paule singet gut Tenor
den Frauen singt er gern ins Ohr
Er singt sich in ihre Herzen hinein
was seiner Frau wird oft zur Pein

Und tatsächlich schwärmen heute noch einige Kleinforster Damen von seiner Stimme!
Der Volkschor Altoschatz probte unter Leitung seines Dirigenten Otto Kühne in der Gaststätte „Goldene Höhe“ in Kleinforst. Selbst die Proben hörten sich so gut an, dass die Hausbewohner ihre Fenster aufmachten, um den Gesang besser mithören zu können..


Der Uhrmacher Hellmuth Gens im Haus Nr.30 (Paul-Schuster-Str.19)

Herr Gens war der Sohn von Karl Gens, der im Rittergut Altoschatz als Brennmeister angestellt war. Er war alleinstehend und hatte in seiner Wohnstube eine kleine feinmechanische Werkstatt eingerichtet. Nach einer Liste der Gemeinde Altoschatz begann er seine Selbständigkeit als Uhrmacher 1949. Von ihm wurden alle Uhren fachgerecht und sehr preiswert repariert. Hellmuth Gens war technisch sehr begabt und hatte nach Heinrich Wagner wahrscheinlich das nächste Radio in Kleinforst. Auch er wird daran vieles selbst gebastelt haben. Es ist überliefert, dass er bei Übertragungen oftmals das Fenster offen ließ, damit die Kleinforster mithören konnten. Hellmuth Gens hatte mit seinem Beruf wenig Einkommen und führte auch ein recht bescheidenes Leben.


Die Zimmerei von Oswald Rändler im Haus Nr.69 (Querstraße 11)

Oswald Rändler war selbständig und arbeitete allein. Als Werkstatt genügte ihm ein kleiner Flachbau rechts vom Eingang, die hauptsächlichsten Arbeiten hatte er ja sowieso auf den Baustellen.
Oswald Rändler wohnte in seinem Grundstück im Hinterhaus. Das größere Vorderhaus, das er zusammen mit dem Hinterhaus 1930/31 erbaut hatte, wurde von ihm vermietet.


Die Baum- und Rosenschule von Otto Krohn

Otto Krohn wohnte zunächst mit seiner Familie bei seinem Schwiegervater Karl Knetzschke im Haus Nr.16 (An der Aue 2) und begann bereits 1927 auf einem Streifen Land in Kleinforst mit dem Anpflanzen und Veredeln von Obstbäumen und Rosen. Zwei Jahre später erhielt er dafür das Gewerbe. Anfang der 50er Jahre zog er dann nach Thalheim, wo er eine wesentlich größere landwirtschaftliche Fläche zur Verfügung hatte. Seine Rosen lieferte er zunächst an Oschatzer Kunden und an Abnehmer in der näheren Umgebung. 1951 ergab sich eine Geschäftsverbindung zu einem Leipziger Großhändler, der in der Saison täglich eine Sendung Rosen abnahm. Früh 3 Uhr wurden diese taufrisch auf dem Feld geschnitten und zu 20 Stück zusammengebunden. Etwa 20 Bunde wurden dann in einem Karton verpackt. In der Hochsaison kamen dann schon mal 3 Kartons an einem Tag zusammen und das waren immerhin etwa 1200 Rosen! Diese wurden zum Oschatzer Bahnhof gefahren und dem Gepäckwagen des 7 Uhr Zuges übergeben. Gegen 9 Uhr standen die Rosen dann bereits in Leipzig in den Blumengeschäften. Viel frischer konnte man Blumen nicht anbieten! Für die Transporte zum Bahnhof gab es bei Krohns ein „Geschäftsfahrzeug“, das war ein älteres Fahrrad mit einem Gepäckträger über dem Vorderrad. Die Älteren unter uns werden diese „Transporter mit Kniescheibenzündung“ noch kennen. Für solche Touren war hauptsächlich sein Sohn Woldemar zuständig, der diese Fahrten später allerdings mit einem Moped vom Typ SR 2 erledigte.
Otto Krohn wurde bei seiner Arbeit von seiner Frau und seinen beiden Söhnen mächtig unterstützt. Es war also ein reiner Familienbetrieb, nur selten mussten fremde Mitarbeiter einmal aushelfen. Je älter er wurde, umso mehr musste er seine Tätigkeiten einschränken. Als er 1986 starb, war das auch das Ende der Baum- und Rosenschule Krohn, die er immerhin über 50 Jahre lang betrieben hatte.


Der Lebensmittelladen von Frau Finke im Haus Nr.22 (Forststraße 13).

Während sich Herr Finke im Hinterhaus mit Holz und Leim beschäftigte, verkaufte Frau Finke vorn im Laden Lebensmittel und Waren des täglichen Bedarfs. Ihr zur Seite standen anfangs Gerda Tischer und Erna Mecus.
Als der Konsum nach dem Krieg den Laden übernahm, blieb Frau Finke erst einmal weiterhin als Verkäuferin im Laden. Vorübergehend verkaufte auch Frau Brandner. Ab 1951 wurde dann Isolde Schmidt als Verkaufsstellenleiterin eingesetzt. Außer ihr waren noch Frau Schubert als Verkäuferin und Frau Wohllebe als Aushilfskraft tätig. 1957 begann Frau Alice Kühne als Verkäuferin und 1960 Frau Schiemann als Aushilfskraft.
In dem kleinen Laden gab es nicht nur Lebensmittel, sondern auch Sämereien, Geschirr, Textilien, Schreibwaren, Waschmittel und sogar Schuhe. Ein Landwarenhaus im Taschenformat!
Die Frauen um Isolde Schmidt leisteten eine gute Arbeit und die Verkaufsstelle war bei den Kleinforstern außerordentlich beliebt. Man erfuhr dort immer etwas Neues und manchmal bekam man auch noch eine Empfehlung, was man als nächstes wieder einmal kochen könnte. Aber auch über ganz private Dinge konnte man sich im Konsum austauschen und auch einmal sein Herz ausschütten. Isolde Schmidt wachte aber streng darauf, dass daraus kein Klatsch und Tratsch entstand!
In den 60er Jahren wurde der Laden auf Selbstbedienung umgestellt. Das war ein Pilotprojekt des Konsumgenossenschaftsverbandes, mit dem erst einmal Erfahrungen gesammelt werden sollten. So gesehen war Kleinforst ein Vorreiter der neuen Verkaufskultur. Bei den notwendigen Umbauarbeiten im Laden wurde das Verkaufspersonal tatkräftig vom Verkaufsstellenausschuss unterstützt. Zu ihm gehörten damals: Günter Wend, Paul Richter, Willi Rändler, Ilse Sahlbach, Ilse Dießner, Elfriede Richter, Luzie Hirsemann und Ehrentraut Förster. Auf dieses ehrenamtliche Kollektiv konnte sich der Konsum jeder Zeit verlassen. Im Februar 1979 wurde diese vorbildliche Zusammenarbeit mit dem Eintrag in das Ehrenbuch des Verbandes gewürdigt.
1972 kam Frau Christine Kühn als Aushilfe in das Verkaufskollektiv.
1986 wurde der Verkauf vorübergehend in eine Garage verlegt, weil der Laden umfassend renoviert werden musste. Alle Arbeiten wurden in eigener Regie durchgeführt und wieder waren es die Mitglieder des Verkaufsstellenausschusses und auch einige Kleinforster, die kräftig mit anpackten.
Die Besatzung der Verkaufsstelle 105 hatte es zu DDR-Zeiten nicht immer einfach, vor allem wenn es um das Verteilen der „Raritäten“ ging. Nicht nur Südfrüchte waren knapp, auch gutes Bier, Limonade, Selters und bestimmte Fleischwaren. Viele werden sich noch daran erinnern, dass es für jeden Erwachsenen nur eine Banane gab, wenn wieder einmal eine Lieferungen eingetroffen war.
Eines muss dem Verkaufspersonal hoch angerechnet werden: Wenn ältere Leute zum Einkaufen kamen, wurde auch manchmal geholfen, die Einkaufstasche bis vor die Tür nach Hause zu tragen. Das war wirklich noch Dienst am Kunden!

An ein düsteres Kapitel soll an dieser Stelle auch noch erinnert werden, nämlich an die Rationierung von Lebensmitteln, Textilien, Schuhen und Tabakwaren. Die ersten Lebensmittelkarten wurden bereits am 28. August 1929 kurz vor Ausbruch des 2. Weltkrieges ausgegeben. Die Rationierung blieb bis nach Kriegsende bestehen, wenn auch in einer etwas anderen Form. Das änderte sich erst ab 1. Januar 1951, da gab es Brot endlich wieder frei zu kaufen. Im April 1953 entfiel dann die Punktekarte für Schuhe und Textilien. Und als dann die Volkskammer der DDR in ihrer 35. Tagung am 28. Mai 1958 beschloss, die Lebensmittekarten für Fleisch- und Wurstwaren, Butter und andere Fette, Milch und Zucker abzuschaffen, schien der Wohlstand ausgebrochen zu sein. Nach 29 Jahren endlich keine Karten mehr!
Mit dem Wegfall der Lebensmittelkarten wurden ab 29. Mai 1958 auch neue einheitliche Preise eingeführt. Diese lagen nun wesentlich unter den bisherigen (freien) HO-Preisen. Auch für die schon vorher frei erhältliche Artikel, wie Reis, Kakao, Konditoreiwaren, Gewürze, Mandeln, Sultaninen, Bettwäsche, Kinderobertrikotagen und Perlonstrümpfe, wurden die Preise gesenkt. Angehoben wurden lediglich die Preise für Spirituosen.
In der LVZ vom 29. Mai wurden von einigen Lebensmitteln die Preise gegenübergestellt:
 

1 Pfund Landleberwurst
1 Pfund Kalbsleberwurst
1 Pfund Butter
1 Pfund Margarine
100 Gramm Bockwurst
1 Pfund Zucker
1 Liter Trinkmilch
bisheriger HO-Preis
6,10 DM
7,90 DM
10,00 DM
2,60 DM
1,24 DM
1,45 DM
1,12 DM
neuer Preis
3,35 DM
4,80 DM
4,90 DM
1,82 DM
0,80 DM
0,90 DM
0,80 DM
 

Eine weitere Maßnahme zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen war die Anhebung der Löhne und Gehälter für Arbeiter, Angestellten und Meister. Bis zu 380 DM gab es jetzt mehr Geld in die Lohntüte. Es ging also spürbar aufwärts in der DDR.
Die LVZ gab noch zu bedenken, dass sich durch die Abschaffung der Lebensmittelkarten auch die Arbeit des Verkaufspersonals erleichtert wird: „Die Lebensmittelkarten haben beispielsweise die Kundenbedienung erschwert. Oft haben Aushilfskräfte nur für das Markenkleben beschäftigt werden müssen“. Das war in vielen Verkaufseinrichtungen tatsächlich auch der Fall, traf aber auf die Kleinforster Konsumverkaufsstelle nicht zu. Wenn es an das Sortieren und Einkleben der Marken ging, musste dort das Verkaufspersonal selbst ran. Daran kann sich Frau Schmidt, die ehemalige Verkaufsstellenleiterin, noch genau erinnern: „Nächtelang haben wir mit selbst angerührten Mehlkleister die Marken auf altes Zeitungspapier geklebt. Alles schön übersichtlich in Zehnerreihe. Die Abschnitte kamen am Tag erst einmal in einen großen Kasten und mussten dann vor dem Aufkleben erst einmal sortiert werden. Und das haben wir alles nach Feierabend gemacht! Abgerechnet wurden die Marken beim Rat der Stadt, Abteilung Handel und Versorgung und die nahmen es ganz genau. Bei uns wussten sie aber schon, das wir nicht mogeln!“

Doch nun weiter in der Geschichte des Konsums:

1986 übernahm Hilge Schinkel die Verantwortung in der Verkaufsstelle und löste damit Isolde Schmidt als Leiterin ab. Die „Wende“ kam und Frau Schmidt und Frau Kühne gingen in den wohlverdienten Ruhestand. Das bedauerten die Kleinforster sehr, denn damit schieden zwei nette Verkäuferinnen aus, die man schon seit „ewigen Zeiten“ kannte.
Nach der „Wende“ füllte sich nun der Laden mit Waren, von denen die Kleinforster bisher immer nur geträumt hatten. Und trotzdem ging der Umsatz zurück, man kaufte eben noch günstiger in den Einrichtungen der neuen Handelsketten, die ringsherum wie Pilze aus der Erde geschossen waren. Die Folge davon war, dass der Konsum 1992 den Kleinforster Laden an die „Oschatzer Gartenland“ GmbH abgeben musste. Das Geschäft „rechnete“ sich einfach nicht mehr. Frau Kühn schied nach 20 Jahren Tätigkeit aus, es blieb nur noch Hilge Schinkel von der alten Besatzung übrig.
Trotz der Werbung „Qualitätsfrische aus Sachsen“, lief das Geschäft des neuen Betreibers auch nicht zufriedenstellend und die Verkaufsstelle wurde im Juni 1998 geschlossen. Damit endet diese Geschichte. Die Kleinforster waren traurig darüber, besonders die älteren Einwohner. Mit dem Laden ging nämlich auch ein Stück Kommunikation verloren, die jahrzehntelang die Menschen in der Siedlung verband. Das war eigentlich der größte Verlust.


Der Laden von Frau Krell im Haus Nr.44 (Paul-Schuster-Straße 7)

Eigentlich war das gar kein richtiger Laden und mit dem von Frau Finke schon gar nicht zu vergleichen. Frau Krell verkaufte Bier, Sprudel, Selterswasser und Tabakwaren. Zu letzteren Erzeugnissen gehörte auch der Hanewacker Kautabak von Grimm und Triebel aus Nordhausen. Die Firma bestand schon seit 1849 und war der bekannteste Hersteller dieser Spezialität. Diese wurde nach streng gehüteter Rezeptur gefertigt und enthielt außer Tabakextrakt noch Bienenhonig, Lakritze, Traubenzucker, Zitronensäure, Salz, Gummiarabikum, Samoswein und noch vieles andere mehr. Insgesamt sollen es 80 Zutaten gewesen sein, mit denen man auch die unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen erzielen konnte. Trotzdem war Kautabak nicht jedermanns Sache. Die einen spukten ihn gleich wieder aus, andere waren davon große Liebhaber. Zu den letzteren gehörte Tietze, Arthur, der in der Siedlerstraße ganz vorn am Stadtpark wohnte. Für ihn war Priem ein Hochgenus. Er war auch der einzige in Kleinforst, der Kautabak kaufte. Über ihn und den Kautabak weiß die Tochter von Frau Krell, Frau Käthe Lohse, folgende Geschichte zu erzählen:
„Bei meiner Mutter lag der Priem in einem Steinguttopf in einem Sud, er durfte ja nicht austrocknen. Aus dem Topf roch es stark nach Aroma, deshalb war immer ein Deckel obendrauf. Der Steinguttopf war mit seinen Reklamebildern ein richtiger Blickfang auf dem Ladentisch. Verkauft wurde der Priem stückweise. Die gedrehten Portionen wurden wegen ihrer Nässe erst einmal in Papier eingeschlagen und kamen dann in eine kleine Blechschachtel.
Als ich ungefähr 10 Jahre alt war, hatten mein Bruder und ich eine tolle Idee. Statt Priem wickelten wir heimlich Taubenmist in das Papier und packten das ganze in eine Priemschachtel. Diese legten wir dann auf die Straße, in froher Erwartung auf den alten Tietze. Er hob auch ohne zu zögern die Schachtel auf und machte sich damit auf den Heimweg. Für uns Kinder war das natürlich ein Heidenspaß, für unsere Mutter war das aber ganz und gar nicht lustig, denn Arthur Tietze ließ nicht lange auf sich warten und beschwerte sich über den Taubenmist.“

Den Hanewacker Kautabak aus Nordhausen gab es auch noch zu DDR-Zeiten. 24 Stifte waren eine Verpackungseinheit, sie kosteten damals im EVP 40 Pfennige. Auf der Innenseite der Verpackung war folgende Gebrauchanweisung aufgedruckt:
„Nehmen Sie ein Stück Hanewacker aus der Dose und legen Sie dieses zwischen Backe und Kiefer. Kauen Sie aber nicht darauf, sondern lassen Sie dieses Stückchen Tabak ruhig im Munde liegen, dann werden Sie in kürzester Zeit feststellen, daß der Hanewacker ausgezeichnet schmeckt und ein anregendes Genussmittel von erfrischender und durststillender Wirkung ist.“

Zu Krell´s Kunden gehörten auch die Kleinforster Steinarbeiter aus den benachbarten Häusern. Sie hatten wahrscheinlich den meisten Durst. Frau Lohse erinnert sich auch noch daran, wo die Waren des täglichen Bedarfs herkamen:
„Unser Großhändler für Tabakwaren war Hermann Bock in Oschatz. Einmal in der Woche musste ich ein Paket mit Waren abholen. Ich war damals erst 9 oder 10 Jahre alt und der Weg war ziemlich lang und anstrengend für mich, besonders im Sommer, wenn es sehr warm war. Die Firma Börner aus der Breiten Straße lieferte das Bier, es wurde mit dem Pferdewagen gebracht. Die kräftigen Pferde hatten ein besonders schönes Zaumzeug. Brauchten wir aber außer der Lieferzeit Getränke, musste ich mit dem Handwagen durch den Stadtpark ziehen und 5 oder 6 Kästen holen. Auf dem Rückweg zog ich den Wagen bis zum Berg am Ende des Stadtparks und wartete dort, bis mich meine Mutter abholte und beim Ziehen half. Das Warten dauerte manchmal eine Stunde und mehr. Es war eine schlimme Plackerei, aber ich machte es ohne zu murren.“


Die Poststelle in Kleinforst

Der Geschichte der Poststelle soll die Einrichtung einer öffentlichen Fernsprechstelle in Kleinforst vorangestellt werden. Im Gemeindebuch von Altoschatz finden wir dazu folgenden Eintrag aus dem Jahre 1927:

„Für die zu errichtende Fernsprechstelle bei Richter in Kleinforst werden die eventuell noch zwei fehlenden Masten aus der Gemeindekasse bestritten, Richter verpflichtet sich, jeden Einwohner bei Bedarf sprechen zu lassen.“ Vielleicht war das der erste Fernsprechanschluss in Kleinforst!
Im Adressbuch von Oschatz aus dem Jahre 1922 ist für Kleinforst noch kein einziger Fernsprechanschluss eingetragen. Kleinforst hatte zur damaligen Zeit nicht einmal eine Posthilfsstelle, wie sie z. B. Altoschatz hatte.
Eine Poststelle mit öffentlichem Fernsprecher wurde erst in den 20er Jahren in der Gaststätte „Goldene Höhe“ eingerichtet und befand sich dort bis 1955. Sie war in einem Raum hinter dem Laden der Fleischerei untergebracht, also links vom Haupteingang. Poststellenverwalter waren Frau Hildegard Ehrlich und anschließend ihre Tochter Inge.
Ab 1955 übernahm dann Frau Ilse Dießner diese Funktion, richtete aber die Poststelle in ihrem Haus, An der Aue 26, ein. Die Briefpost bekam Frau Dießner angeliefert, die Päckchen und Pakete aber kurioserweise nicht. Die musste sie 4 Jahre lang mit dem Handwagen in Altoschatz holen. Eine Zeit lang trug auch ihr Mann die Post in Kleinforst aus.
Besonderer Andrang herrschte zur Weihnachtszeit, wenn die Pakete für die Westverwandtschaft auf die Reise gebracht werden mussten. Man erkannte sie schon an der Aufschrift „Geschenksendung, keine Handelsware“. Wenn dann ein paar Tage später die „Westpakete“ ankamen, wurde es wirklich eng in der Poststube.

Der öffentliche Fernsprecher, der sich in der Poststelle bei Dießners befand, musste Tag und Nacht verfügbar sein. Wie sollte man sonst telefonieren, in ganz Kleinforst gab es bis zur „Wende“ so gut wie keine Telefone!
Nach der Wiedervereinigung wurde die Poststelle zum großen Bedauern der Einwohner von „Amts wegen“ geschlossen. Wieder war ein Stück Kleinforster Geschichte verschwunden.


Die Klein- und Neubauern


Einige Siedler hatten sich einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb in ihrem Grundstück aufgebaut. Die geringe Größe gab gerade noch so viel her, dass Stall und Scheune ihren Platz fanden. Da wäre z. B. Richard Zieger im Haus Nr.36 (P.-Schuster-Straße 38) zu nennen. Er begann als Neubauer am 01.11.1947 und hatte 1 Pferd, 5 Milchkühe, Kälber, Ziegen, Schweine, Hühner, Gänse, Enten, Kaninchen und Tauben! Er war mit dieser umfangreichen Tierhaltung allerdings eine Ausnahme. Heute kann man sich das in Kleinforst nicht mehr vorstellen. Mit seinen Kühen zog er jeden Tag die Paul-Schuster Straße herunter auf die Wiese am großen Stein unterhalb von Kleinforst.
Nach einer Auflistung der Gemeinde Altoschatz vom 13. Mai 1950 gab es außer Richard Zieger noch folgende Neubauern in Kleinforst:

Otto Küttner, Kleinforst Nr.82 (P.-Schuster-Str.12), seit 01.10.1945
Otto Striegler, Kleinforst Nr.43, (P.-Schuster-Str. 28), seit 01.01.1946
Kurt Taube, (Parkstraße 22), seit 01.01.1946
Willi Schroth, Kleinforst Nr.1 (An der Aue 30), seit 25.12.1945
Anton Kretzschmar, Kleinforst Nr.2 (An der Aue 28)
Martin Krause, Kleinforst Nr.26 C (Forststraße 26), seit 02.01.1946
Alfred Krell, Kleinforst Nr. 44 (P.-Schuster-Straße 7), seit 01.01.1946
Otto Krohn, Kleinforst Nr.14 (An der Aue 6), seit 01.07.1946
Walter Klingner, Kleinforst Nr.56 (Querstraße 6), seit 15.05.1948

Heute gibt es nur noch Woldemar Krohn, der auf und hinter seinem Grundstück in der Paul-Schuster-Straße 58 eine Milchkuh, einen Bullen und Schweine hält und auch noch Felder bestellt oder bestellen lässt. Der Letzte seines Standes!
Dass es so etwas heute noch in einer Siedlung gibt, ist schon bemerkenswert. Der Kommentar von „Woldi“ Kron dazu: „Ich habe es meinem Vater versprochen, dass ich weitermache.“


Kleinforster Frauen verkauften Milch und Käse

Wir wollen nicht die fleißigen Frauen aus der Siedlung vergessen, die mit Milchkannen und Stangenkäse unterwegs waren, um die Familienkasse etwas aufzubessern. Auch sie handelten nach dem Motto: „Und ist der Handel noch so klein, er bringt doch mehr als Arbeit ein“. Die Milch wurde in Kannen direkt vom Bauern geholt, 3 Kannen passten auf einen Handwagen. Das war für die Frauen eine schwere Fuhre. Frau Steinert holte die Milch vom Bauer Kühne aus Altoschatz und Frau Weber von Capito. Die Ehefrau vom Schuhmacher Koch bekam ihre Milch vom Stadtgut Walter, das neben dem Oschatzer Friedhof lag. Alle drei Frauen hatten ihre Kunden im Oschatzer Stadtgebiet.
Frau Schulze aus dem Haus Nr.41 (Paul-Schuster-Straße 9) verkaufte auch Milch, aber von zu Hause aus. Die Milch bezog sie von einem Bauern aus Altoschatz.
Else Döring aus dem Haus Nr.46 (Paul-Schuster-Straße 26) verkaufte auf Stroh gereiften Schimmelkäse, der von Riesa aus mit der Bahn angeliefert wurde. Er war in Spanholzkisten verpackt und wurde in Oschatz, Mannschatz und Schmorkau verkauft. Dass auch Frau Quitzsch Stangenkäse vom „Käse-Klaus“ aus Kreischa verkaufte, wurde bereits erwähnt. Dieser hatte übrigens einen tollen Lieferwagen, von dem es sogar noch ein altes Foto gibt.
Wir wollen auch die Kinder nicht vergessen, die beim Verkaufen schon tüchtig mithelfen mussten, wie Hans Koch und Anita Döring.


Die Händler von außerhalb

Händler von außerhalb gab es früher in Kleinforst eine ganze Menge. Später, zu DDR-Zeiten, gab es diese Dienstleistung nicht mehr. Und heute sind zwei mobile Fleisch- und Wurstwarenhändler und die Feinfrosthändler wieder froh, wenn sie in Kleinforst etwas verkaufen können. Wie sich die Zeiten ändern. Erinnern wir uns noch einmal an damals:

Der Bäcker Arno Taube kam mit Pferd und Wagen aus Merkwitz und verkaufte in Kleinforst Brot. Frau Quosdorf aus Rosenthal zog jeden Tag mit dem Handwagen durch Kleinforst und verkaufte Milch vom Berggut. Herr Mühlberg kam aus Oschatz und verkaufte Seife. Wöchentlich einmal brachte ein Händler 3 Kisten Bücklinge vom Oschatzer Bahnhof mit dem Fahrrad nach Kleinforst. Er hieß Fritz Günter und wohnte in der Körnerstraße in Oschatz.

Zu unregelmäßigen Zeiten kamen noch Herr Geißler mit Sprotten, ein Händler aus Böhmen mit Bürsten, ein Händler mit Porzellan und Steingut, der „Leitern-Peter“ aus Zschöllau und der „Essigmann“ aus Riesa.

Und schließlich gab es noch Herrn Wilsdorf, der die „Leipziger Volkszeitung“ austrug. Mit den Kleinforster Kindern hatte er aber immer seinen Ärger, weil sie ihm den Spitznamen „Zunder“ gegeben hatten.

Die Zeitung wird uns heute auch noch gebracht, manche sind noch gar nicht richtig aufgewacht, da hat sie Frau Christianus schon in den Briefkasten gesteckt. Vergessen wollen wir auch nicht ihre Vorgängerin, die kleine Frau Anita Behrens und deren Tochter, die 11 Jahre lang die Zeitungen in Kleinforst austrugen.


Handel und Gewerbe nach 1945

Nach dem Krieg waren von den Kleinforster Gewerbetreibenden doch noch allerhand übriggeblieben. Es gab sogar einen Neuanfang: Frau Bärenwolle hatte im Fleisch- und Wurstladen von Willy Ehrlich einen Gemüseladen eingerichtet. Ihre hauptsächlichsten Kunden waren die Flüchtlinge, die in Kleinforst untergebracht waren. Gemüse gab es damals ohne Lebensmittelmarken und war deshalb ein begehrter Artikel. Ihr Mann holte die Ware früh um 5 Uhr mit dem Handwagen vom Angebotsmarkt, der sich damals angeblich im Feuerwehrgerätehaus befand.
Außer dem Gemüseladen von Frau Bärenwolle gab es noch den Lebensmittelladen von Frau Finke, die Gaststätte „Goldenen Höhe“, die Poststelle, den Sattlermeister Ader, den Tischlermeister Appelt, den Friseur Höppner, den Herrenschneider Richter, die Bäckerei, den Schuhmacher Koch, den Besenbinder Quitzsch
Je weiter aber die Zeit voranschritt, um so weniger wurde die Anzahl der Händler und Gewerbetreibenden in Kleinforst. Daran änderte sich auch nichts, als sich mit Frau Magdalena Pötzsch 1954 noch einmal jemand selbständig machte. Sie war in der Forststraße 9 als Helfer in Steuersachen tätig.
1977 stellte auch der Kleinforster Dachdecker Herbert Winter den Antrag auf Gewerbegenehmigung. Arbeit war genug da, aber die Politiker der DDR hatten kein Interesse an der Gründung von selbständigen Unternehmen. So erhielt Herr Winter nur die Gewerbeerlaubnis zur Reparatur von Schornsteinen, „ ... entsprechend der in der Objektliste durch das Kreisbauamt vorgegebenen Arbeiten in der Stadt Oschatz“. >Büro und Materiallager richtete er auf seinem Wohngrundstück in der Forststraße 3 ein.
Erst nach der „Wende“ konnte er seine Firma für Dacheindeckung, Gerüst- und Schornsteinbauarbeiten richtig ausbauen, nun allerdings in Altoschatz.
Nach der „Wende“ war tatsächlich noch einmal eine gewisse Aufbruchstimmung in Kleinforst vorhanden. 1990 machte sich der Dachdeckermeister Michael Roßberg in der Paul-Schuster-Straße 56 selbständig. In der Garage ihres Eigenheimes in der Paul-Schuster-Straße 1 richtete zur gleichen Zeit Roswitha Weichhold einen Getränkeladen ein. 1992 waren es die Jungunternehmer Jörg Weichhold und Matthias Zschage, die sich ebenfalls in der Paul-Schuster-Straße 1 mit Heizungs-, Sanitär- und Bauklempnerarbeiten selbständig machten. Und schließlich übernahm die „Oschatzer Gartenland“ GmbH den Lebensmittelladen vom Konsum. Ein glücklicher Anfang ?
Nein, in Kleinforst gibt es heute, bis auf eine Ausnahme, keinen einzigen Gewerbebetrieb mehr. Einige Firmen haben ihren Standort verlegt, andere die Existenz ganz aufgegeben. Es gibt nur noch die Gaststätte „Goldene Höhe“ und das bereits seit 1870!

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