Vom Federnschleißen, Schweineschlachten und Stollenbacken
Wir können es uns heute gar nicht mehr richtig
vorstellen, wie in Kleinforst einmal Federn geschlissen wurden. Nach
den Aussagen der älteren Kleinforster war das aber gar nicht einmal
so selten, denn Gänse wurden ja überall gehalten, vor allem in den
Grundstücken des „alten Forschtes“. Dort durften sie sogar auf der
Döllnitz schwimmen, damit das Federkleid immer schön sauber blieb.
Denn auch schon zu Lebzeiten wurden die Tiere gerupft, auch wenn es
nur ein paar Federn von der Brust und vom Bauch waren. Bevor es ans
Schlachten ging, wurden bei Höppners die Gänse sogar mit warmem
Wasser abgewaschen. Das ließen sie sich gern gefallen, sie ahnten ja
auch noch nicht, dass es ihnen gleich an den Hals gehen würde. Die
Kleinforster, die selbst keine Gänse hatten, holten die Federn aus
der Gänsemästerei in Ostrau. Diese waren nicht sehr sauber, dafür
aber billig. Bevor sie zum Schleißen auf den Tisch kamen, wurde sie
erst einmal gewaschen. Einige Kleinforster ließen die Federn
anschließend sogar durch die Wringmaschine, ehe sie zum Trocknen auf
dem Boden ausgelegt wurden. Diese graue Masse sah zunächst gar nicht
ansehnlich aus, aber nach dem Trocknen waren die Federn genau so
weiß und flaumig wie die anderen. Nun konnte
das Federnschleißen losgehen. Das war eine reine Frauensache und zu
dieser Arbeit wurde eingeladen. Meist waren es die Nachbarn oder
gute Bekannte, die dazu berufen wurden. Wenn eine große Menge Federn
zu schleißen war, kam da schon eine größere Runde zusammen. Bei
Ziegers zum Beispiel, die jedes Jahr 5 bis 6 Gänse hielten, waren da
12 Frauen beim Schleißen nichts Ungewöhnliches. Wenn Männer
mitkamen, saßen diese meistens nebenan in der Küche, tranken dort
Bier und Schnaps und spielten ihren Doppelkopp. Beim
Federnschleißen war Fingerfertigkeit gefragt und das Abzupfen der
Feder vom Kiel ging mächtig über die Fingerkuppen. Da war man froh,
wenn die Gastgeberin zwischendurch den Kaffee aufsetzte und den
Kuchen oder die Pfannkuchen hereinbrachte. Das gehörte zum
Federnschleißen immer dazu. Ansonsten war es gemütlich und
unterhaltsam. Man unterhielt sich bei der Arbeit über alles Mögliche
und erfuhr dabei die neuesten Kleinforster Nachrichten. Schlecht
gemacht wurde angeblich keiner. Man bevorzugte eher die heiteren
Themen und dazu gehörte sicher auch ein lustiges Lied oder ein Stück
Kleinforster Poesie. Mit dem Lachen, Husten oder Niesen mussten sich
aber die Frauen etwas zurückhalten, denn die Daunen segelten schon
beim geringsten Luftzug vom Tisch. Mit den
Federn wurden später die Inletts der Familienbetten gefüllt. Für ein
Kopfkissen brauchte man 3 Pfund und für ein Deckbett 7 bis 8 Pfund.
Das waren gewaltige Mengen, aber das Federbett war dann auch prall
gefüllt. Damals gab es ja auch noch richtige Winter und die Betten
standen meist oben in den eisigen Dachkammern. Da brauchte man schon
eine richtige „Zudecke“. Das
Federnschleißen in den Häusern gibt es heute nicht mehr und diese
Arbeit wird auch keiner vermissen. Schade ist nur, dass damit auch
wieder ein Stück Tradition und Geselligkeit verlorengegangen ist.
Aber so ist eben die Zeit. Wie das
Federnschleißen war auch das Schlachtfest eine willkommene
Abwechslung im Alltag der Kleinforster. Meist wurde dazu Paul Gast
als Hausschlächter verpflichtet und der hatte ab November dann auch
alle Hände voll zu tun. Denn hier hatte fast jeder ein Schwein im
Stall, manche sogar mehrere. Während
sich mit dem Federnschleißen nur Frauen beschäftigten, war das
Schweineschlachten nun wiederum reine Männersache. Da wurde nicht
nur gearbeitet, sondern zwischendurch auch immer einmal etwas
getrunken und gegessen. Nichts ging über eine Kostprobe von der
frischen hausschlachtenen Wurst oder über ein Stück Wellfleisch
frisch aus dem Kessel! Dazu gab es bei einigen Kleinforstern noch
den selbstgemachten Apfelmeerrettich. Nachdem die
Bekannten und Verwandten mit einem Wurstpaket und einem Krug
Wurstbrühe mit Wellfleisch abgezogen waren, sagte Frau Kohnen dann
immer: „Nun ist das halbe Schwein schon wieder weg!“ Je weiter
sich das Jahr dem Ende zu näherte, um so ruhiger wurde es in
Kleinforst. Rege Betriebsamkeit kam nur noch einmal in der
Vorweihnachtszeit auf, wenn die Kleinforster Frauen ihre Zutaten für
die Stollen zum Bäcker brachten. Der Bäcker fragte zunächst nach der
ungefähren Menge. Wenn 2 Metzen angegeben wurden, waren das etwa 12
Pfund Mehl. Nach einem alten Hausrezept aus den 30er Jahren kamen
dann noch 2,5 Pfund Zucker, ½ Pfund bittere Mandeln, 3/8 Pfund süße
Mandeln, 6 Pfund Rosinen, 3 Pfund Butter, ¾ Pfund Talg, 2 Liter
Milch und Zitronat dazu. Um den Geschmack noch etwas zu verfeinern,
konnte man die Rosinen vorher sogar noch in Rum einlegen. Es gab
aber auch Kleinforster, die brachten lieber den fertigen Stollenteig
mit und ließen nur backen. Das Ganze ergab dann meist 8 Stollen mit
einem Gewicht von jeweils 3 Pfund. Das war die gebräuchlichste
Größe, manche Familien ließen aber lieber die 4-Pfünder backen, weil
sie länger frisch blieben.Eine Stunde
später konnte man dem Bäcker beim Anrühren des Teiges über die
Schulter schauen. Dadurch war man ganz sicher, dass von den Zutaten
auch alles im Teig landete. Aber daran zweifelte eigentlich keiner.
Nachdem der Teig gegangen und ausgeformt war, wurde das
Stollenzeichen eingesteckt. Das war ganz wichtig, um ein Vertauschen
der Stollen mit der Nachbarschaft auszuschließen. Es war übrigens
das gleiche Zeichen, das man auch für den Blechkuchen nahm. Meist
waren das angespitzte Holz- oder Blechstreifen, aber auch
abgebrochene Tassenhenkel sollen schon dafür benutzt worden sein. Am
späten Nachmittag war dann der große Moment des Abholens gekommen.
Zunächst musste das Backgeld bezahlt werden, es betrug für die 8
Stollen etwa 3,60 Mark. Für den Heimtransport brauchte man den
größten Wäschekorb, den man hatte. In ihn wurden ganz vorsichtig die
Stollen eingelegt. Das war schon eine Wissenschaft für sich, denn
die Stollen durften nicht einfach übereinander liegen. Deshalb
wurden noch Zwischenetagen eingebaut, damit auf dem Heimweg nichts passieren konnte.
Denn wehe, wenn ein Stollen zerbrach, das war immer ein schlechtes
Zeichen! Einige Familien benutzten für den Transport eine hölzerne
Trage, die sogenannte Stollensänfte. Zum Tragen musste vorn und
hinten einer anfassen. Auf ihr lagen die Stollen schön flach auf.
Oben wurden sie noch mit einem weißen Tuch abgedeckt, damit die
Stollen nicht gleich einen Kälteschock bekamen und natürlich auch
wegen der Hygiene. Zum Bäcker
wurde möglichst der kürzeste Weg genommen, auch wenn die Stollen
oder die Blechkuchen über den Zaun gegeben werden mussten. Das
passierte z. B bei Strellens, deren elterliches Grundstück hinten an
das Gelände vom Bäcker grenzte. Billig war das
Stollenbacken nicht, Anfang der 30er Jahre kam man auf etwa 2,40
Mark für einen 3-Pfünder, wenn man alles zusammenrechnete. Bei einem
Verdienst von 60 Pfennigen in der Stunde war das schon allerhand
Geld. Und trotzdem war früher das Stollenbacken in jeder Familie ein
ganz besonderes Ereignis, auf das man sich schon lange Zeit vorher
freute Wir können uns heute nur fragen, warum wir dieses Erlebnis
nicht mehr haben wollen und dafür lieber zum Bäcker fahren, um uns
einen genormten Stollen über den Ladentisch reichen zu lassen. Wir
sind bequem geworden, aber so ist eben die heutige Zeit.
Große Wäsche
Große Wäsche - das war immer ein herausragendes Ereignis im alltäglichen Arbeitsprogramm der Hausfrau. Im Gegensatz zu heute war diese Arbeit
sehr anstrengend und nicht von heute auf morgen erledigt. Um den
Hausfrauen diese Arbeit zu erleichtern, wurden bereits 1929
elektrische Waschmaschinen angeboten. In einer Anzeige des
„Oschatzer Gemeinnützigen“ warben die Mielewerke A.G. mit einer
verlockenden Reklame: Die Miele-Elektro
spart Ihnen mindestens 50 % an Zeit und Geld. Weshalb quälen Sie
sich noch mit der Handwäscherei ? Noch hatte diese
Waschmaschine Ähnlichkeit mit einem hölzernen Waschtrog auf Stelzen.
Aber verlockend war das Angebot schon. Den Kleinforstern
half das damals wenig, sie konnten sich solch einen Luxus noch nicht
leisten. Bei ihnen wurde nach wie vor bis in die 50er Jahre hinein
die Wäsche aller 4 bis 6 Wochen „von Hand“ gewaschen. Der
eingemauerte Waschkessel fehlte in keinem Haus. Er konnte mit einem
riesigen Holzdeckel abgedeckt werden und diente nicht nur zum Kochen
der Wäsche. Nach dem Schlachten schwammen die hausgemachten Würste
und das Wellfleisch im Kessel und in der Pflaumenzeit wurde darin
das Pflaumenmus solange gerührt, bis es endlich eingedickt war. Zum
weiteren Waschhausinventar gehörten noch mehrere hölzerne oder
zinkeiserne Waschwannen, ein paar niedrige Holzböcke, ein hölzerner
Wasserschöpfer, ein Waschbrett, ein großes Holzrudel und möglichst
noch eine handbetriebene Wringmaschine. Die Wäsche
wurde vor dem eigentlichen Waschtag zunächst erst einmal
eingeweicht, eingeseift und vorgewaschen. Bei den Hemden waren es
speziell die Kragen, die so vorbehandelt wurden. Wenn jetzt einer
von den Kindern den Waschfrauen über den Weg lief, konnte es
passieren, dass er gleich noch die Ermahnung erhielt, sich öfters
einmal den Hals zu waschen! Am nächsten
Tag wurde die Wäsche gekocht, zuerst das „Weiße“, dann in der
gleichen Lauge das „Bunte“ hinterher. In das Waschwasser kamen
„Persil“ und Seifenflocken. Langsam stellte sich im Waschraum ein
tropisches Klima ein und wenn dann im Winter die Tür aufging, kam
eine riesige Dampfwolke herausgequollen! Nach und nach wurde nun die
kochend heiße Wäsche mit dem Holzrudel in die Waschwanne befördert,
eingeseift und auf dem Waschbrett so lange gerubbelt, bis sie sauber
war. Die Kernseife lag dabei immer griffbereit oben im Rahmen des
Waschbrettes. Das Hantieren mit der schweren, nassen und heißen
Wäsche war für die Waschfrauen eine sehr anstrengende Arbeit. Danach kam
die Weißwäsche erneut in den Kessel und wurde noch einmal mit „Sil“
gekocht, damit die Wäsche schön weiß wurde. Nach mehrmaligem Spülen
konnte dann endlich ausgewrungen werden. Wer hatte, benutzte dazu
die Wringmaschine, die am Rand der Wanne befestigt werden konnte.
Eine einfache und geniale Erfindung, die sich auch die meisten
leisten konnten. Wenn die Wäsche zwischen den zwei Gummiwalzen
hindurchlief, schoss das Wasser nur so aus den Unterhosen,
Nachthemden und dem übrigen Sortiment. Bei dem Bettzeug konnte es
sogar passieren, dass sich die Wäschestücke durch die
eingeschlossene Luft wie ein Luftballon aufblähten. Im Sommer
lief der Waschvorgang unter Umständen etwas anders ab. Wenn schönes
sonniges Wetter zu erwarten war, wurde die Wäsche zum Bleichen auf
ein Stück Rasen im eigenen Grundstück ausgelegt. Immer wieder wurde
sie mit Wasser begossen und gewendet, damit die Sonne das Gewebe
richtig bleichen konnte. Danach wurde ein letztes Mal gespült und
die Wäsche zum Trocknen aufgehangen. Einige
Kleinforster gingen zum Bleichen auf die Wiese Ecke
Forststraße/Querstraße, die damals noch nicht bebaut war. Erst 1937
errichtete dort der Zimmermann Wilhelm Rändler sein Siedlungshaus.
Das Wasser wurde aus dem Gemeindebrunnen geholt, der gleich
gegenüber im Borngässchen lag. Zum Trocknen musste allerdings die
Wäsche mit nach Hause genommen werden, denn Wäschepfähle gab es auf
dem Kleinforster Bleichplan keine. Die große
Wäsche war damit aber immer noch nicht abgeschlossen. Mit einigen
ausgewählten Stücken ging es dann noch zum Rollen. Alles was Knöpfe
hatte, kam nicht mit in die Auswahl, dafür aber Tisch- und
Bettwäsche, Leinenhandtücher, Wischtücher usw. Auch das
war keine einfache Arbeit, denn beim Auflegen der Wäsche auf die
Rolltücher und beim Aufdocken durften keine Fehler passieren. Die
Rollhölzer aus Buchenholz mussten gleichmäßig belegt werden und die
Wäsche musste vollkommen glatt liegen. Eine Falte bekam man bis zur
nächsten Wäsche nicht wieder heraus! Auch beim Einlegen der Docken
musste aufgepasst werden, sie mussten genau gerade liegen. Die
größten Schwierigkeiten hatte man aber, wenn man eine der zwei
Docken vergessen hatte, einzulegen. Dann kippte der schwere
Rollkasten herunter und konnte nur mit großer Mühe wieder angehoben
werden. Es passierte aber zum Glück selten. Das Gewebe
wurde durch das Rollen nicht nur glatt, es bekam auch noch einen
seidigen Glanz. Auf diesen Nebeneffekt legte die Hausfrau bei
einigen Wäschestücken, wie z. B. bei den Tischdecken, besonders
großen Wert. Dann kam
für die Hausfrau die wohl schönste Arbeit - das Einlegen der Wäsche
in den Kleiderschrank. Die blütenweiße Wäsche machte sie schon ein
wenig stolz und wie gut sie roch! Im Hohburger Steinarbeiterhaus
kann man sich noch heute einen solchen Schrank voller Wäsche von
„anno dazumal“
anschauen. Jeder Fachboden ist vorn mit einer bestickten Borte
verziert und deren Inschrift sagt wohl alles:
Im Schranke weißes Linnen, im Herzen reines Sinnen Und beides
wohl verwahrt, ist deutscher Hausfrau Art.
Eine
Wäscherolle hat Kleinforst nachweislich seit 1907. Max Hessel, der
im Haus Nr.4 (An der Aue 24) eine Bäckerei betrieb, richtete als
erster eine sogenannte Rollkammer ein. Die Wäscherolle musste noch
mit der Hand über eine Kurbel angetrieben werden. Elektrischen Strom
gab es ja damals noch nicht in Kleinforst. Ein Fortschritt war die
neue Wäscherolle aber trotzdem, denn so schön glatt bekam man die
Wäschestücke mit dem althergebrachten Mangelholz zu Hause nicht. Der
Nachfolger von Max Hessel war der Bäckermeister Arno Wittig. Er
übernahm die Wäschemangel und betrieb sie auch weiter. Seine Frau
Clara ersetzte diese aber nach seinem Tod in den 40er Jahren durch
eine neue. Sie kaufte eine schon recht betagte Mangel mit
Handantrieb von Frau Weber, die auf dem „Holländer“ eine
„Rollstube“, eine Gastwirtschaft und eine Bäckerei betrieb. Diese
Wäschemangel war in Kleinforst bis mindestens 1948 noch in Betrieb. In
unmittelbarer Nähe stand im Haus Nr.22 ( Forststraße 13) seit 1927
eine zweite Wäschemangel. Diese hatte aber nun schon einen
elektrischen Antrieb. Notfalls konnte man sie bei Stromausfall auch
noch mit einer Handkurbel betreiben. Diese musste man auch dann
ansetzen, wenn der Rollkasten einmal „abgestürzt“ war. Angeschafft
wurde die Wäschemangel von der Familie Finke. Sie entschied sich damals für ein
Fabrikat der Firma Ernst Herrschuh, die ihren Sitz in Sigmar bei
Chemnitz hatte. „Herrschuh-Mangeln sind weltberühmt“, diese
Aufschrift kann man noch heute auf dem hölzernen Gestell der Mangel
lesen. Sogar im
„Oschatzer Gemeinnützigen“ warb der Hersteller für die Vorzüge
seines Produktes:
Allen überlegen sind Herrschuh´s neueste
Wäschemangeln mit gesetzlich geschützten Führungsflügeln. Kein
Rutschen und Schieflaufen mehr. Herrliche Wäsche-Glättung, viel
Kundschaft, gute Einnahme.“ Aber die Gebrauchsanleitung sollte man dabei
schon beachten. Hier der Originaltext von 1927:
1.
2.
3.
4. 5.
6. 7. 8. |
Die Mangel ist mindestens aller 4 Tage in allen
Öllöchern mit gutem Maschinenöl zu schmieren, was für
leichteres und ruhigeres Mangeln unerläßlich ist.
Eventuell überschüssiges Öl ist abzuwischen. Die
Mangel ist ferner in den 3 Fettbüchsen mit gutem Mangelfett
zu schmieren. Überhaupt sind alle blanken Teile mit
einem Fett zu überwischen. Die Zahnstangen sowie
sämtliche Schwungräder, desgleichen die Eisenschienen
über den Zahnstangenkastenführungen sind mindestens
aller 14 Tage mit einem Hauch an Mangelfett einzureiben.
Auch hierbei ist zu beachten, daß überschüssiges Fett
mit Putzwolle abgewischt wird. Die Muttern der
Spindeln in dem Kasten und Untergestell sind aller 2
Monate mit dem Mutterschlüssel anzuziehen.
Die Treibriemen sind mit Riemenwachs an den Innenflächen
einzufetten, dadurch wird das Rutschen der Riemen
vermieden. Der Riemen ist im 1. Vierteljahr von Zeit zu
Zeit zu kürzen. Die Zahnstangenführungs-Holzbolzen
sind von Zeit zu Zeit mit Schmierseife leicht
einzuschmieren. Die Mangel ist von Zeit zu Zeit in
allen Eisen- und Holzteilen zu reinigen. Die
Motore sind mit bestem Motoren-Knochenöl zu ölen. |
1961 kaufte die Familie Knobloch das Grundstück und
betrieb die Wäscherolle weiter. Später übernahm Frau Beyer mit ihrem
Mann diese Aufgabe, sie war ja die Tochter der Familie Knobloch. Die
Wäscherolle im Hof erreichte man über einen etwas abschüssigen Weg,
der im Winter zur gefährlichen Rutschbahn werden konnte. Aber auch
bei normalem Wetter hatte man ganz schön zu „werschen“, um mit dem
Handwagen rein und raus zu kommen. Vor dem Rollen musste man sich
einschreiben. Das Buch dazu lag in der Konsumverkaufsstelle, die
sich ja vorn im Haus befand. Dort lieferte man auch nach dem Rollen
das Geld für die Familie Beyer ab. Die halbe Stunde kostete zu
DDR-Zeiten nur 30 Pfennige und da war sogar das Rolltuch schon mit
dabei 1985
entschloss sich die Familie Beyer, ihre Wäschemangel nicht mehr zur
Verfügung zu stellen. Die Rolle war ja nun auch schon 58 Jahre alt
und hatte einige Mängel. Deshalb wurde ab 1. Januar 1986 die
Einrichtung für die Öffentlichkeit geschlossen. Das war ein herber
Verlust für die Kleinforster, mit dem sie sich überhaupt nicht
abfinden konnten. Zu dieser Zeit gab es zwar schon die ersten
Heimwäschemangeln zu kaufen, aber für das viele Geld hätte man
mehrere Leben lang auf die Rolle gehen können. Außerdem musste man
für die Heimwäschemangel die großen Stücke kleiner zusammenlegen und
die Wäsche wurde auch nicht ganz so glatt. Die Kleinforster waren
sich deshalb einig, dass ein Ersatz für die stillgelegte
Wäschemangel her musste. Das war aber zu DDR-Zeiten leichter gesagt
als getan. Auf Drängen der Einwohner nahm sich der
Wohnbezirksausschuss unter Leitung von Helmut Dießner dieser Sache
an und fand tatsächlich
auch eine Lösung. Von Alfred Fleck und Paul Gast wusste man, dass
noch eine Wäschemangel auf dem Dachboden des Oschatzer „Schwan“
steht. Diese wurde schon lange nicht mehr genutzt und war sicher
noch aus Hardy Krugs frühen Zeiten. Das zeigte sich schon an der
hölzernen Riemenscheibe und dem alten Flachriemen. Aber man war
trotzdem froh, diese Anlage übernehmen zu können. Mit viel Geschick
und Geduld wurde sie von Paul Gast und Helmut Dießner für den
Abtransport zerlegt. Die größte Schinderei war aber der Weg über die
vielen Treppen nach unten. Allein die Steine des Rollkastens wogen
über 30 Zentner! Vorher
musste aber in Kleinforst ein neues Gebäude für die „Schwan“ -
Mangel errichtet werden. Zu DDR-Zeiten ging so etwas natürlich nur
in Eigenleistung. Für das gesamte Projekt zeichnete Helmut Dießner
verantwortlich, die Bauleitung übernahm Wolfgang Sahlbach. Am 16.
November 1987 begannen die Ausschachtungsarbeiten und bereits am 6.
Oktober 1988 konnte das fertige Objekt übergeben werden. Dazwischen
lagen unzählige Material- und Transportprobleme, denn der Bau war
nicht im Volkswirtschaftsplan enthalten. Aber Dank der Hilfe der
Baustoffversorgung Oschatz, des Elektrobaus Oschatz und der vielen
anderweitigen Beziehungen wurden die Probleme gelöst. Es ging eben
alles seinen sozialistischen Gang. Die Kleinforster selbst spuckten
bei den freiwilligen Arbeitseinsätzen kräftig in die Hände. Am Bau
beteiligten sich 36 Einwohner, darunter auch viele Jugendliche.
Insgesamt wurden 3.100 Stunden geleistet! Den Zusammenbau der
Wäschemangel übernahmen wieder Helmut Dießner und Paul Gast, die
Elektroinstallation führte Wolfgang Krause aus. Für die
Kleinforster war die Welt wieder in Ordnung. Aber die betagte
Wäschemangel entsprach in vielen Dingen doch nicht den Anforderungen
der Zeit und es stellte sich auch schnell heraus, dass sie recht
reparaturanfällig war. So musste sich der Wohnbezirksausschuss nach
1 ½ Jahren schon wieder
um einen entsprechenden Ersatz bemühen. Dank des Rates der Stadt
Oschatz und der Konsumgenossenschaft Oschatz als Patenbetrieb
erhielten die Kleinforster im Herbst 1989 eine nagelneue
Wäschemangel aus dem Rationalisierungsbau des
Dienstleistungskombinates Gera. Das Schmuckstück wurde aber aus
verständlichen Gründen ohne die Steine für den Rollkasten
angeliefert. Deshalb mussten die aus der alten Rolle hineingepackt
werden. Und so ist es schon kurios, dass die Steine aus der alten
„Schwan“ - Rolle in Kleinforst immer noch hin und her wandern - wenn
auch nicht mehr für 30 Pfennige die halbe Stunde! Nachfolgend
die heutigen Preise für die Benutzung der Wäschemangel (Stand
Oktober 2002):
1 Stunde mit Rolltuch 1 Stunde ohne Rolltuch 30 Minuten mit Rolltuch 30 Minuten ohne Rolltuch |
1,60 Euro 1,50 Euro 1,10 Euro 1,00 Euro |
Die Geraer
Wäschemangel leistet noch heute ihren Dienst und die Benutzer sind
mit ihr zufrieden. Sie rollt und rollt und rollt! Der Raum ist stets
sauber und aufgeräumt, das ist nicht zuletzt das Verdienst von Frau
Ilse Dießner, die ehrenamtlich immer wieder für Ordnung sorgt. Die
Benutzer kommen nicht nur aus Kleinforst, sondern auch aus Oschatz,
Leuben, Thalheim, Lonnewitz und Altoschatz. Wie lange
wird es die Kleinforster Wäscherolle wohl noch geben? Sie hat eine
so schöne Geschichte. Wünschen wir ihr doch von ganzem Herzen noch
viele Betriebsjahre!
Eine Kuriosität
in Kleinforst – die Litfaßsäule
Das hätte sich Ernst Litfaß nicht träumen lassen, dass seine
Erfindung in Kleinforst einmal so missbraucht wird. 1854 hatte er die Idee, in Berlin eine Anzahl Anschlagsäulen
aufstellen zu lassen, um die Zettel und Plakate, die überall an den
Bäumen, Haustüren, Gartenzäunen und Hauswänden angebracht waren,
verschwinden zu lassen. Er dachte sich die bekannten
Reklame-Zylinder aus und hatte deswegen auch schon bald den
Spitznahmen „Säulenheiliger“ weg. Trotzdem war seine Erfindung ein
guter Einfall, denn er wurde damit nicht nur reich, auch Berlin war
wieder ansehnlich geworden.
Kein Wunder, dass sich diese
Erfindung über ganz Deutschland ausbreitete und dass eine solche
Säule auch in Kleinforst landete. Wann diese in der Siedlung
aufgestellt worden ist, konnte bisher noch nicht ermittelt werden.
Es könnte aber in der Mitte der 30er Jahren gewesen sein. Zum Glück
gibt es noch eine Postkarte, auf der die Litfaßsäule zu sehen ist.
Sie stand an der Kreuzung Forststraße/Querstraße, die die Einwohner
auch gern als Kleinforster Kreuz bezeichneten. Schön sieht sie auf
dem Bild nicht aus, aber vielleicht war auch die Zeit nicht danach,
schöne Plakate aufzukleben. Denn die Aufnahme wurde etwa im Jahre
1940 aufgenommen. Die zweite Hälfte des Doppelhauses Querstraße Nr.7
steht nämlich bereits, es wurde 1939 fertiggestellt.
Das Haus davor baute 1937 der Maurer Richard Rietzschel und im
gleichen Jahr entstand auch das Haus von Wilhelm Rändler. Die
Litfaßsäule wurde zu einer Kuriosität, als Anfang der 40er Jahre auf
der Rückseite nachträglich eine Öffnung herausgebrochen wurde, um
den Innenraum zur Unterbringung von Feuerlöschgeräten nutzen zu
können. So entstand ein Feuerlöschgerätehaus in Kleinstformat. In
ihm lagerten ein Standrohr, Strahlrohre, C-Schläuche, Feuerpatschen,
Eimer und Eimerspritzen. Da sich auf der Kreuzung vor der
Litfaßsäule ein Unterflurhydrant befand, lag der Wasseranschluss
direkt vor der „Haustür“. Das Ganze war natürlich nur eine
bescheidene Notlösung und im Ernstfall hätte es gerade einmal für
die Erstbekämpfung eines Brandes ausgereicht. Die
Maurerarbeiten für den Umbau der Litfaßsäule führte damals der
Kleinforster Alfred Dechert aus. Die Stahltür lieferte der
Altoschatzer Schmiedemeister Kohlbach Leider
konnte auch nicht mehr ermittelt werden, wann die Säule abgerissen
wurde. Nach Auskunft einiger Kleinforster Anwohner könnte das in den
80er Jahren gewesen sein. Frau Rändler ist sogar der Meinung, dass
sie 1988 noch stand. Aber das wäre ja nun auch schon wieder 17 Jahre
her und damit ein Stück Kleinforster Geschichte.
„Rot wie Kleinforst“In den 30er Jahren hieß es in der Altoschatzer Gegend
„Rot wie Kleinforst“, wenn die Farbe „Rot“ beim Skaten angesagt
wurde. Es war ja auch nicht zu leugnen, dass Kleinforst eine
Hochburg der Oppositionellen war. Das brachte der Siedlung übrigens
auch noch den Namen „Klein Moskau“ ein, was nun aber wirklich ein
bisschen übertrieben war.
Kleinforst lebten früher nur Arbeiterfamilien. Mit dem Aufbau der
neuen Siedlungshäuser ab 1922 veränderte sich diese soziale Struktur
überhaupt nicht, der Anteil der Arbeiter, der in den größeren
Oschatzer und Riesaer Betrieben beschäftigt war, nahm eher noch zu.
In den Adressbüchern erschien jetzt immer öfters die
Berufsbezeichnung „Fabrikarbeiter“. Nirgends woanders in unserer
Gegend war das Proletariat so unter sich, wie in Kleinforst. Und
nirgends woanders wirkte sich die Wirtschaftskrise so verheerend
aus, wie in dieser Arbeitersiedlung. Die Arbeitslosigkeit stieg hier
Anfang der 30er Jahre auf einen astronomischen Stand. Der
Bürgermeister von Altoschatz meldete 1930 für Kleinforst:
„Mindestens 80% der Arbeiter sind erwerbslos, die anderen 20%
arbeiten nicht mehr voll, haben also ebenfalls stark verringerten
Verdienst“. Kein Wunder, dass dadurch die Unzufriedenheit immer mehr
anwuchs und der Gedanke an eine Veränderung der gesellschaftlichen
und politischen Verhältnisse immer mehr zunahm. Viele Kleinforster
waren Anhänger der sozialdemokratischen oder der kommunistischen
Partei. Wie „Rot“
Kleinforst eigentlich richtig war, lässt sich mit Zahlen gar nicht
belegen. Die Stimmen der Kleinforster gingen nämlich bei Wahlen
immer in das Gesamtergebnis der Gemeinde Altoschatz ein. Bei der
Reichstagswahl am 5. März 1933 war dieses Ergebnis aber schon
bemerkenswert. Von 700 abgegebenen Stimmen entfielen auf die NSDAP
157, auf die SPD 310 und auf die KPD 192 Stimmen. Den Rest erhielten
andere Parteien. Damit war die NSDAP den Linken eindeutig
unterlegen. Ein solches Ergebnis gab es in einer der 121
Landgemeinden der Amtshauptmannschaft Oschatz nicht annähernd noch
einmal und schon gar nicht in den Städten Mügeln, Strehla, Dahlen
und Oschatz. Nur Zschöllau machte da noch eine Ausnahme, dort fiel
das Ergebnis aber bei weitem nicht so deutlich aus wie in
Altoschatz. Bei der
vorhergehenden Reichstagswahl am 6. November 1932 war der Wahlerfolg
der Sozialdemokraten und Kommunisten in Altoschatz sogar noch
deutlicher. Von den insgesamt 685 abgegebenen Stimmen entfielen
damals nur 87 auf die NSDAP, dafür aber 316 auf die SPD und 221 auf
die KPD! Das wurde in der Oschatzer Presse auch entsprechend
kommentiert. Der „Oschatzer Gemeinnützige“ bezeichnet Altoschatz und
Zschöllau als „Hochburgen der Kommunisten“. Diese Aussage war
natürlich falsch, da die Kommunisten zu keiner Zeit die Mehrheit
darstellten. Aber weder der „Oschatzer Gemeinnützige“, noch die
Nationalsozialisten machten einen großen Unterschied zwischen der
SPD und der KPD.
Entsprechend dem Wahlergebnis setzte sich auch der Altoschatzer
Gemeinderat zusammen. Interessant ist dabei, dass die meisten
Gemeindevertreter aus Kleinforst kamen. Das war nicht immer so. Noch
bis zum Beginn des Siedlungsbaues im Jahre 1922 waren die
Kleinforster nur mit einem Sitz im Gemeinderat vertreten, 1927 aber
bereits mit 7! Drei Jahre später stellte Kleinforst sogar 9
Gemeindevertreter, davon gehörten 7 der SPD, einer der KPD und einer
der KPO an. Das unterstreicht sehr deutlich, die führende politische
Rolle der Kleinforster in der Altoschatzer Gemeindepolitik.
Bürgermeister war damals der Sozialdemokrat Emil Silbermann aus
Altoschatz. Das sollte
sich aber sehr bald durch die Verabschiedung des
Gleichschaltungsgesetzes ändern. Die Stimmen für die SPD und KPD aus
der Reichstagswahl vom 5. März 1933 wurden bei der Zusammensetzung
der neuen Gemeindevertretung einfach nicht mehr berücksichtigt.
Deshalb setzte sich der Gemeinderat von Altoschatz ab April 1933 nur
noch aus 8 Mitgliedern der NSDAP und einem Mitglied der Kampffront
Schwarz-Weiß-Rot zusammen. Nur den Bürgermeister Silbermann beließ
man notgedrungen noch in seinem Amt, um die Handlungsfähigkeit der
Gemeinde aufrecht zu erhalten. Aber auch seine Zeit war im März 1935
abgelaufen. Nach dem
Verbot der KPD folgte am 22. Juni 1933 auch das Verbot der SPD. Der
„Oschatzer Gemeinnützige“ triumphierte: „Die nationale Erhebung des
deutschen Volkes hat folgerichtig die marxistischen Parteien
nacheinander zertrümmert, zunächst den Moskauer Ableger, die
kommunistische Partei, sodann endlich die Sozialdemokratie.“ Wie wirkten
sich die neuen politischen Verhältnisse in Kleinforst aus? Bereits mit
der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar1933 und mit der
Verabschiedung des Gesetzes „Zum Schutz von Volk und Staat“ am
1.März 1933, der sogenannten Notverordnung zur Bekämpfung des roten Umsturzes, spitzte
sich die politische Situation dramatisch zu. Der Terror gegen
Andersdenkende begann auf brutale Weise. Bereits am 16. Februar und
3. März wurden die ersten Hausdurchsuchungen und Verhaftungen
durchgeführt. Unter den Betroffenen war auch Willy Kürsten aus
Kleinforst, der wegen der Beförderung von illegalen
Presseerzeugnissen festgenommen und verurteilt wurde. Am 20. März
führten die Polizei und die SA eine Großaktion im gesamten Gebiet
der Amtshauptmannschaft Oschatz durch. Die örtliche Polizei und die
Gendarmerie wurden bei dieser Aktion von 2 Überfallkommandos aus
Riesa unterstützt. Dabei wurden verdächtige Personen verhaftet und
nach Oschatz in die Turnhalle der Berufsschule gebracht. Darunter
befanden sich auch eine ganze Anzahl Kleinforster, unter ihnen auch
Friedrich März und Robert Koch. Der „Oschatzer Gemeinnützige“
berichtete von etwa 200 bis 300 „zwangsgestellten“ Personen, die
kommissarisch vernommen und zum Teil dem Amtsgericht zugeführt
wurden. Die
Hausdurchsuchungen dauerten fast die ganze Nacht an. Beschlagnahmt
wurden u. a. Druckschriften, Bücher, Musikinstrumente, Uniformen,
Fahnen und Abzeichen. Einige Kleinforster erinnern sich noch heute
daran, wie rücksichtslos bei der Durchsuchung der Wohnungen
vorgegangen wurde. Auch das Büro der Siedlergenossenschaft
Altoschatz, das sich auf dem Weinberg befand, wurde bei dieser
Aktion vollständig verwüstet. Ein Teil der konfiszierten Sachen
wurde am Abzweig der Querstraße von der heutigen
Paul-Schuster-Straße verbrannt. 7 Tage
später brachte der „Oschatzer Gemeinnützige“ einen Bericht darüber,
wie die Nationalsozialisten ihren Sieg mit einer spektakulären
Veranstaltung in Oschatz abschlossen: „Zu derselben
Zeit, als am Sonnabend Abend viele Rundfunkhörer die glänzende Rede
des Kanzlers gegen die SPD hörten, fand in Oschatz eine Abrechnung
statt: Die Verbrennung marxistischer Fahnen und Embleme, Literatur
und Schrifttum, vollzogen von der NSDAP. Im Landbundhaus wurde
gestellt und begleitet von einer großen Menschenmenge bewegte sich
der Zug der Braunhemden unter flotter Marschmusik nach dem
städtischen Sportplatz. Auf einem Lastauto wurden all die
konfiszierten Sachen mitgeführt, die der Polizei bei einer Razzia in
die Hände gefallen waren. Das Auto krönte ein berüchtigter
Kommunist, der seinen roten Götzen Lenin, an einem Galgen baumelnd,
tragen mußte. Auf dem Sportplatz bildete die SA schnell einen großen
Ring, in dessen Mitte der „Scheiterhaufen“ aufgebaut wurde. Der
Kommunist mußte fleißig schippen und schaufeln und hatte auch als
Feuermann alle Hände voll zu tun, zumal die beiden ihm zugedachten
Assistenten beizeiten verduftet waren. Hell leuchteten die Flammen
auf und erleuchteten das Dunkel des Sportplatzes. Lenin sank in
Schutt und Asche und mit ihm etliche Zentner sozialistischer und
kommunistischer Makulatur, rote und schwarzrotgoldene Fahnen. Den
Flammen legte Ortsgruppenleiter Blandow eine doppelte Bedeutung bei.
Er kennzeichnete sie einmal als die Flammen des Scheiterhaufens, auf
dem all das Lügengift einer undeutschen Geistesanschauung sein Ende
finde und zum anderen als die Freuden- und Siegeszeichen eines
Volkes, das sich wiedergefunden hat und die alten deutschen Tugenden
wieder zu Ehren bringen will. Ein begeistert aufgenommenes
„Sieg-Heil“ erscholl auf den Präsidenten und Kanzler des neuen
Reiches. Mit dem Gesang des Deutschland- und Horst-Wessel-Liedes
wurde der Verbrennungsakt beschlossen, dem hoffentlich nun auch ein
ähnlicher Reinigungsvorgang in den Hirnen der Menschen folgt, die
ihr Heil in Moskau und der Internationale zu finden glaubten. Mit
klingendem Spiel fand der Einzug statt.“ Der Terror
der Nationalsozialisten ging weiter. Am 7. April wurde auf
Veranlassung des Staatskommissars für die Amtshauptmannschaft
Oschatz in der Nacht vom Freitag zum Sonnabend im gesamten
Amtshauptmannschaftsbezirk eine größere Anzahl politisch
verdächtiger Personen von der Polizei und der SA festgenommen. Es
handelte sich dabei nach Zeitungsberichten um Führer der SPD und der
KPD, sowie um Personen, bei denen der Verdacht bestand, dass sie
sich staatsfeindlich betätigen würden. Die Festgenommenen wurden
zunächst in der Roten Kaserne untergebracht und im Laufe des
Sonnabends in das städtische Ferienheim am Stadtwald (Pappenheim)
überstellt, das zu einem Konzentrationslager eingerichtet worden
war. Es handelte sich dabei um über 100 Mann. Der „Oschatzer
Gemeinnützige“ fügte damals noch hinzu: „Sie werden dort Gelegenheit
haben, sich im Verlauf der nächsten Wochen davon zu überzeugen, dass
der Marxismus in Deutschland nichts mehr zu suchen hat.“ Zu den
Verhafteten gehörten u.a. die Kleinforster Friedrich März, sein Sohn
Hermann März, Paul Schuster, Alfred Werschnick, Herbert Loße, Otto
Krause, Otto Thierschmann, Hermann Zischang und Robert Koch. Man
warf ihnen Widerstand gegen die Staatsgewalt und Vorbereitung zum
Hochverrat vor Bereits am
19. Mai 1933 wurde das Konzentrationslager Oschatz wieder aufgelöst.
Ein Teil der Häftlinge wurde in der Nacht dem Konzentrationslager
Colditz zugeführt, etwa 50 Häftlinge kamen in das Lager Sachsenburg,
der Rest wurde entlassen. Trotz der
schwierigen Lage hielten die Oppositionellen in Kleinforst weiter
zusammen. Sie hielten auch immer noch die Verbindung zu den Genossen
der umliegenden Ortsgruppen. Verbotene Druckschriften wurden von
außerhalb eingeschleust, so die Zeitschrift der KPO „Die Einheit“.
Sie kam mit einem Fahrradkurier aus Leipzig und wurde im Wermsdorfer
Wald übergeben. Das war nicht ungefährlich, denn solche Delikte
fielen in der Anklage unter Vorbereitung zum Hochverrat. Robert Koch
bekam das zu spüren, er wurde 1935 zu einem Jahr und 4 Monaten Haft
in Bautzen verurteilt. Friedrich März kam 1937 in das KZ Sachsenburg und wurde dann nochmals 1939
und 1944 verhaftet und in Verwahrung genommen. Sein Sohn verbrachte
13 Monate im KZ-Lager. Ein ähnliches Schicksal hatte auch Paul
Schuster. Wenn so
etwas in einer Familie passierte war das nicht nur eine menschliche,
sondern auch eine finanzielle Katastrophe. Für solche Familien wurde
in Kleinforst Geld gesammelt, aber auch das war streng verboten. Eine kleine
Geschichte aus der damaligen Zeit erzählte mir Frau Kohnen. Sie muss
sich in der Zeit zwischen 1935 und 1938 zugetragen haben. Damals
wurden von den Nationalsozialisten Sammlungen durchgeführt. Ihr
Vater gab da nie etwas, schon aus Prinzip nicht. Eines schönen Tages
standen der Altoschatzer Bürgermeister Freyhoff und der
NSDAP-Kassierer in der Wohnung und wollten Herrn Alber zu einer
Spende überreden. Sie kamen zu einem recht ungünstigen Zeitpunkt,
denn er rasierte sich gerade. Das Gespräch wurde ziemlich heftig und
Herr Alber wiederholte noch einmal seinen Standpunkt: „Wenn ich sage
ich gebe nichts, dann gebe ich auch nichts!“ und warf seinen
Rasierspiegel in das Waschbecken. Da die Fenster offen waren, hörte
das auch sein Nachbar Paul Pötzsch. Er kam mit seinen Holzlatschen
sofort rübergerannt, und sagte zum Bürgermeister: „Wenn du nicht
sofort abhaust, kriegst du meine Holzlatschen um die Ohren.“ Damit
war das Gespräch schlagartig beendet, hatte aber noch ein böses
Nachspiel. Auf Betreiben des Bürgermeisters wurden die beiden aus
ihren Betrieben entlassen. An ihre Stellen kamen linientreue
Parteigenossen. Paul Pötzsch fand zwar in Oschatz wieder eine andere
Arbeit, Johannes Alber wurde erst wieder eingestellt, nachdem sich
der Mügelner Betriebsinhaber ausdrücklich für ihn eingesetzt hatte. Um diese
Zeit mussten die Kinder in der Schule auch den sogenannten
Hitlerpfennig mitbringen. Dazu Frau Kohnen: „Mein Bruder und ich
bekamen diesen von unseren Eltern nie mit. Das war uns immer sehr
fatal. Wir konnten ja damals als Kinder die politischen Verhältnisse
noch gar nicht richtig einschätzen“. Es ist aus
heutiger Sicht schon erstaunlich, welchen Mut einige Kleinforster
damals aufbrachten und welche Opfer sie ihrer Gesinnung wegen auf
sich nahmen. Man kann ihre Aktionen aus heutiger Sicht beurteilen
wie man will, aber zumindest in einer Vorhersage hatten sie damals
Recht: Wer Hitler wählt, wählt den Krieg! zurück zum Inhaltsverzeichnis |
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