Die Bauart der Häuser
Die 25 Wohnhäuser, die in Kleinforst aufgebaut wurden, waren bezüglich Aufbau und Größe verhältnismäßig einheitlich. Das ergibt sich nachweislich aus alten Unterlagen, die dazu gefunden wurden.
Der älteste Hinweis ist in der sogenannten Consignation enthalten, die 1812 die Rosenthaler Grundstücke erfasste und die damals vorhandenen 9 Häuser auf dem kleinen Forste mit einbezog. Sie beschrieb die Kleinforster Häuser ziemlich einheitlich
mit folgenden Worten: „Ein übersätztes Wohnhauß mit 2 Stuben, ein Rauchfang und eine Esse, nebst einem Schweinestall, ein Obstgarten mit Bäumen nebst einigen Grätzebetgen.“
Vieles ergab sich auch aus den Bauzeichnungen, die von einigen Häusern erhalten geblieben sind. Auch wenn sie aus einer etwas späteren Zeit stammen, enthalten sie noch alle ursprünglichen baulichen Details und Maße. Wenn man dann noch Angaben
aus alten schriftlichen Unterlagen dazunimmt, kann man sich ein ziemlich genaues Bild von einem Haus machen, das Anfang des 19. Jahrhunderts im kleinen Forst aufgebaut wurde.
Wir müssen uns zunächst ein sehr einfaches und kleines Haus vorstellen. Die Grundfläche war nicht viel größer als 10 x 6 Meter. Das Mauerwerk des Untergeschosses bestand aus Bruchsteinen, war 50 bis 60 cm dick und verputzt.
Das Obergeschoss war eine Fachwerkkonstruktion, in Dokumenten von 1837 wurde dafür auch der Begriff Bundwerk verwandt. Eine bewährte und vor allem preiswerte Bauweise! Für das Fachwerk wählte man den einfachsten Aufbau, ohne jede Zierelemente.
Zwischen die Riegel wurden gespaltene Asthölzer gesetzt, die sogenannten Stickscheite. Die so entstandenen Gefache wurden dann mit einem Gemisch aus Lehm und gehäckseltem Stroh verfüllt und mit Kalkmörtel verputzt. Diese Wände hatten nur die Stärke
der Holzkonstruktion, also etwa 20 cm. Die Innenwände des Obergeschosses und auch teilweise die des Untergeschosses hatten den gleichen Aufbau. Als Dielung verwendete man Bretter aus Kiefernholz. Für den Aufbau einer Zwischendecke wurden die
Balken seitlich mit einer Keilnut versehen, in die Knüppel als Füllholz eingelegt wurden. Auf diesen Fehlboden wurde ein Gemisch aus Lehm und Stroh aufgebracht und oben bündig mit der Balkenlage abgezogen. So entstand eine durchgängige Fläche, auf die
die Dielung aufgelegt und befestigt werden konnte. Dazu wurden damals die handgeschmiedeten kantigen Nägel verwendet, die den Dielenbrettern einen besseren Halt gaben, als die gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufkommenden glatten
„Fabriknägel“.
Durch diese Bauweise kam man schon mit 20 mm Brettstärken für die Dielung aus. Die Bretter waren meist nicht einmal gefalzt oder gespundet, sondern nur stumpf aneinandergelegt.
Nach unten standen die Balken vor, die dazwischenliegenden Felder waren verputzt. Die ausgestakten Zwischenräume ergaben als sichtbare Deckenfläche eine recht unregelmäßige und wellige Oberfläche, die sich auch mit dem Verputzen nicht ausgleichen
ließ.
In der Bauordnung von 1854 war der annähernd gleiche Deckenaufbau vorgeschrieben. Es heißt dort: „Unter jedem Dache eines mit Feuerungsanlagen versehenen Gebäudes ist, nachdem die Haupt- oder Dachbalken mit Füllholze ausgestakt worden, ein
guter Lehmestrich über die ganze Bodenfläche zu schlagen und auf diesem erst die Dielung zu verlegen.“
Darüber hinaus wurde empfohlen: „ ... nicht allein die Balkenfelder mit Lehm oder Schutt auszugleichen, sondern auch die Oberfläche der Dachbalkenlage mit einem wenigstens drei Zoll starken Lehmestrich zu belegen und in diesem Falle, wenn
über diesen Estrich noch die Bodendielung gelegt werden soll, diese auf schwache, die Dachbalken nicht berührende, vielmehr von denselben durch Strohlehm getrennte Lagerhölzer zu befestigen.“
Früher wurde die Dielung mit feinem Sand gescheuert. In den seltenen Fällen, wo die Dielenbretter heute noch im Gebäude erhalten sind, sieht man dem Holz diese Pflege noch deutlich an den ausgearbeiteten weichen Jahresringen an.
Das Dach war als Satteldach ausgebildet und bei den meisten, wenn nicht sogar bei allen Häusern, mit Stroh eingedeckt. Noch bis 1875 herum lässt sich das in Kleinforst nachweisen. Ein Strohdach war im 19. Jahrhundert absolut nichts ungewöhnliches.
Pastor Karl Sigismund Müller schreibt 1839 in seinem Beitrag zur sächsischen Kirchengalerie über Altoschatz: „Das Dorf besteht größtentheils aus Gehöften und Häusern die mit Stroh gedeckt sind.“
Als Material verwendete man Roggenstroh, das zur damaligen Zeit noch eine Halmlänge von 1,60 bis 1,70 Metern erreichte. Später konnte man dieses Material nicht mehr verwenden, da das Stroh durch den Anbau kurzhalmiger Sorten nicht mehr die nötige
Länge erreichte und der Halm durch den Einsatz von Kunstdünger auch nicht mehr die ursprüngliche Härte und Haltbarkeit besaß.
Stroh war auf alle Fälle das preiswerteste Material für eine Dacheindeckung, es wuchs ja gewissermaßen vor der Haustür. Es war aber auch das Material, das am feuergefährlichsten war. 1826 brannten im benachbarten Altoschatz 3 und im Jahre 1831 in
drei Bränden insgesamt 5 Häuser ab.
Die Dorf-Feuerordnung von 1775 schrieb deshalb vor, „ ... daß die Gebäude, wenn es nur möglich zu machen ist, mit gebrannten Ziegeln ... und vorzüglich mit sogenannten Leim-Schindeln (gemeint sind Lehm-Schindeln), oder, wo auch hierzu keine
Gelegenheit vorhanden, mit wenigstens starcken Schindeln (Holzschindeln) zu decken sind“.
Lehm-Schindeln sind gebrannte Ziegel, die durch das Brennen die typische rote Farbe annehmen. Gebrannte Dachziegel waren aber zur damaligen Zeit sehr teuer und für die Kleinforster Siedler unerschwinglich Das Stroh wurde vor dem Auflegen auf das
Dach gebündelt. Diese „Schoben“ wurden nur auf die Dachlatten aufgelegt und festgebunden. Auf Grund des geringeren Gewichts konnte man die Dachsparren bei einer Stroheindeckung auch etwas weiter auseinander legen als bei einem Ziegeldach.
Eine solche Dacheindeckung hielt bis zu 80 Jahre. Einen Ausstieg gab es bei einem Strohdach nicht, der Zugang des Essenkehrers zum Schornstein erfolgte entweder von außen über eine aufgelegte Leiter oder durch den Rauchabzug, der auf Grund seiner
großen Abmessung von innen besteigbar war.
Dachrinnen gab es bei den Strohdächern nicht und auch bei den Ziegeldächern verzichtete man erst einmal auf diesen Luxus. Erst viel später leistete man sich eine hölzerne Dachrinne.
Die Häuser standen alle mit ihrer Längsseite zum Weg, waren also traufständig. Nur die 3 zuletzt errichteten Häuser wurden giebelständig aufgebaut, um nicht schon wieder gegen die Vorschriften der Dorf-Feuerordnung zu verstoßen.
Vor allen Gebäude befand sich ein kleiner eingezäunter Vorgarten. Der Eingang zum Haus befand sich auf der Rückseite. Auf einem Foto vom Hauses Nr.20 aus der Jahrhundertwende könnte man eine in der Höhe geteilte einfache Brettertür vermuten.
Vielleicht war diese Konstruktion auch für die anderen Kleinforster Häusern zur damaligen Zeit typisch, denn etwas zweckmäßigeres gab es nicht. Zum Lüften des Hauses konnte man die Tür oben öffnen und unten war der Weg für das herumlaufende Viehzeug
versperrt. Die Fenster im Untergeschoss waren meist dreiflügelige Blendrahmenfenster mit Kämpfer, die zur Straße zu mit einfachen Fensterläden aus Brettern verschlossen werden konnten. Im Obergeschosses waren wegen der Fachwerkbauweise
Zargenfenster eingebaut.
Diese einfachen Fensterkonstruktionen besaßen natürlich nur eine sehr geringe Wärmedämmung. Die sogenannten Winter- oder Doppelfenster wurden in Kleinforst erst gegen 1870 und später eingebaut.
Einfacher konnte man eigentlich ein Haus nicht bauen!
Die Raumaufteilung innerhalb des Gebäudes sah etwa folgendermaßen aus: In der Mitte des Untergeschosses befand sich der Hausflur mit dem Treppenaufgang zum Obergeschoss und die Küche, die entsprechend der Bauvorschrift mit einer gewölbten Decke
ausgestattet war. Vom Flur aus ging es rechts und links in eine Stube. Mehr Räumlichkeiten gab es im Untergeschoss nicht. Die Lage des Flures in der Mitte des Hauses war typisch für ein sogenanntes Flur- oder Ernhaus, das im ländlichen Bereich
überwiegend verbreitet war.
Im Obergeschoss lagen 2 bis 4 Kammern, ein Vorraum und die Räucherkammer. Letztere lag immer über der Küche und hatte damit den notwendigen Anschluss zum Rauchabzug und durch das gemauerte Gewölbe der Küche ein tragfähiges Fundament. Entsprechend
der Bauordnung musste sie immer aus Stein oder gebrannten Ziegeln in einer Stärke von mindestens 6 Zoll gemauert werden.
Der gesamte Wohnraum betrug in einem solchen Haus meist nicht mehr als 80 Quadratmeter. Es ging also sehr eng zu, wenn sich mehrere Familien dahinein teilen mussten und das war ja fast immer der Fall.
Auch die Raumhöhen waren nicht gerade großzügig angelegt. Im Untergeschoss betrugen sie meist nur 1,85 bis 2,25 Meter und im Obergeschoss sogar nur 1,80 bis 2,05 Meter. Einen Abort gab es innerhalb des Hauses grundsätzlich nicht. Das große und
kleine Geschäft wurde auf einem „Abtritt“ im Hof erledigt. Auch Keller waren in keinem der ersten 25 Häuser vorhanden. Wahrscheinlich konnte sich keiner den relativ großen Aufwand für die Herstellung eines Kellergewölbes leisten. Dafür ist
es um so bemerkenswerter, dass fast alle Kleinforster Siedler einen eigenen Backofen besaßen. Dieser lag entweder im Haus oder er war am Haus angebaut und wurde von der Küche aus bedient. Für mindestens 15 Kleinforster Häuser lässt sich ein Backofen
zwischen 1874 und 1899 nachweisen. Er hatte äußerlich eine rechteckige Bauform, die Fläche im Ofen war aber immer oval oder birnenförmig. Das war die günstigste Form für den Rauchabzug und für die Wärmeverteilung im Ofen. Die beste Qualität erreichte
man aber, wenn die Brote in der mittelsten Reihe standen. Deshalb behielten sich die Auszügler bei einem Hausverkauf immer vor, ihre Brote vorzugsweise in diese mittlere Reihe legen zu dürfen.
Der Einbau neuer Schornsteine
Der bauliche Zustand der Gebäude scheint von Anfang an nicht der Beste gewesen zu sein, es musste ja an allen Ecken und Enden gespart werden. Besonders in Bezug auf die Brandsicherheit entsprach vieles nicht den Bauvorschriften. Das betraf
aber nicht nur die Kleinforster Häuser. Die Königliche Amtshauptmannschaft zu Oschatz ordnete deshalb gegen Ende des 19. Jahrhunderts in den Gemeinden regelmäßige Kontrollen an, um diese Missstände aufzudecken.
Für Kleinforst war gegen 1875 für solche Sachen der Schornsteinfeger Friedrich Mühlau zuständig. Er hatte mit Meldungen an den Gemeindevorstand und an die Amtshauptmannschaft auch alle Hände voll zu tun und bat immer wieder um Unterstützung bei der
Durchsetzung der notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung der Mängel. Das betraf nicht nur schadhafte Ofenrohre, sondern auch größere Baumaßnahmen, wie den kompletten Einzug eines neuen Schornsteins! Gelegentlich wurden dabei auch gleich noch andere
notwendige Baumaßnahmen mit ausgeführt. Das Problem mit dem Schornstein hatten zum Ende des 19. Jahrhunderts fast alle Häuser in Kleinforst.
In einem Bauantrag von 1876 heißt es zum Beispiel: „Unterzeichneter beabsichtigt, ... die alte Feueresse, welche von Holz ist wegzunehmen und dieselbe 26 cm weit mit gebrannten Mauerziegeln neu herzustellen. Gleichzeitig will derselbe das
alte Strohdach abreißen und mit Ziegeln decken lassen, auch die Anbauung einer Stubenkammer und die Herstellung eines massiven Giebels vornehmen.“
In diesem Text ist interessant, dass das Fachwerk eines der beiden Giebelwände herausgenommen und durch eine gemauerte Wand ersetzt werden sollte. Diese Baumaßnahme machte sich bei vielen Häusern in Kleinforst gegen Ende des 19. Jahrhunderts notwendig. Eine solche massive Giebelwand am Haus war also immer eine nachträgliche bauliche Veränderung.
Die alte hölzerne Feueresse, die im Bauantrag erwähnt wurde, war zur damaligen Zeit nichts Ungewöhnliches. Nach der Consignation von 1812 hatte jedes Kleinforster Haus einen Rauchfang als Abzug. Das heißt, dass in der Küche über einem offenen
Feuer gekocht wurde und der Rauch über einen offenen Abzug in die Esse gelangte. Wahrscheinlich war diese Feuerstelle damals überhaupt die einzige im ganzen Haus. Rauchfang und Esse waren Holzkonstruktionen und wie ein Fachwerk aufgebaut. Um das Holz
gegen Hitze und Funkenflug zu schützen, waren die Innen- und Außenflächen stark mit Lehm verstrichen. Der Ruß, der sich mit der Zeit auf den Innenflächen ablagerte, tat dann noch das Übrige. Es war die Aufgabe des Schornsteinfegers, diesen Verstrich in
regelmäßigen Abständen auf Risse und schadhafte Stellen zu kontrollieren.
Eine Bauanweisung von 1876 zum Einbau eines neuen Schornsteins und einer neuen Räucherkammer im Haus Nr.14 bestätigt uns noch einmal die damalige Bauweise:
„Der Schornsteinkopf ist mindestens 60 cm über den Strohfersten (Strohfirsten) zu erheben. Die Kaminthür ist entweder aus Lehm zu fertigen oder wenigstens von innen gut mit Blech zu beschlagen. In der Einmündung des Schornsteins ist entweder
eine eiserne Klappe oder dergleichen Sperrschieber
einzubringen. Zu der Räucherkammer dürfen nur gebrannte Ziegel verwendet
werden, die Thür ist entweder aus Lehm zu fertigen oder wenigstens von
innen gut mit Blech zu beschlagen.“ Interessant
ist, dass in der Bauordnung von Oschatz von 1854 noch die alten
Rauchabzüge erwähnt werden. Es wurde dort aber ausdrücklich festgelegt,
dass sie bei der nächsten Hauptreparatur des Gebäudes, des Daches oder
der Esse selbst, durch vorschriftsmäßige Rauchabzüge zu ersetzen sind.
Das war natürlich nicht überall einzuhalten. Sogenannte „besteichbare
Schornsteine“ waren aber nach wie vor zulässig. Diese wurden über eine
Kamintür vom Erdgeschoss aus bestiegen, wobei aber der Ausdruck
„besteichbar“ eher nicht zutrifft, da im Schornstein keinerlei
Steigeisen vorhanden waren. Der Schornsteinfeger musste sich mühsam nach
oben zwängen, indem er Arme und Beine im Rauchkanal verspreizte.
„Klaftern“ nannte sich diese Steigtechnik in der Fachsprache. Auf Grund
der geringen Abmessungen im Schornstein verrichtete diese Arbeit
meistens der Lehrling oder ein Kind. 1876 wurde eine solche Esse, 18
Zoll weit, im Haus Nr.14 aus gebrannten Ziegeln neu aufgeführt. Das
ergab ein Innenmaß von nur
42,5 cm im Quadrat! Die
Schwierigkeiten, beim Fegen dort durch zu kommen, erkannte sogar die
sächsische Gesetzgebung. Im Volksschulgesetz vom 6. Juni 1834 wurde
deshalb bei der Beschäftigung volksschulpflichtiger Kinder eine
Ausnahmeregelung getroffen. Sie erlaubte es den Schornsteinfegern
Lehrlinge zu beschäftigen, die die Schulzeit noch nicht beendet hatten,
mindestens aber 10 Jahre alt waren. Damit diese nicht ganz ohne
Unterricht blieben, waren die Handwerksmeister verpflichtet, sie zu
bestimmten Stunden des Tages in die Ortsschule zu schicken. In Kleinforst
gab es auch einige Schornsteine, die außen quadratisch gemauert waren,
innen jedoch einen runden Querschnitt aufwiesen. Sie sollten angeblich
einen besseren Zug haben. Ein solches Exemplar gibt es heute noch im
Haus Nr.21 (Forststraße 15) Ein Beispiel
zum Thema Brandschutzkontrolle sei hier noch angefügt. Der
Schornsteinfeger Friedrich Mühlau begab sich am 1. September 1879 in das
Grundstück Nr.22 der Frau Amalie verwitwete Kohl in Kleinforst, heute
Forststraße 13. Sie war
beauflagt worden, einen neuen Schornstein in ihr Gebäude einziehen zu
lassen. Was Mühlau bei seiner Kontrolle sah, muss ihn aber ganz schön
geschockt haben: „Als ich mich
auf den Oberboden begab, fand ich, daß eine große Menge Stroh und Holz
am Schornstein lag. Ich befahl der Frau, sofort das Stroh und das Holz
wegzuräumen, und daß binnen 14 Tagen der neue Schornstein fertig sein
muß. Den 8. September diesen Jahres fand ich aber beim Kehren des
Schornsteins, daß das Stroh und Holz sich immer noch am Schornstein
befand.“ Die Königliche
Amthauptmannschaft schrieb daraufhin am 9. Oktober 1879 an Frau Kohl
folgende Zeilen: „Bei Gelegenheit der
im vorigen Herbst stattgefundenen Revision der Feuerstätten war Ihnen
aufgegeben worden, an Stelle des alten ganz defekten und
feuergefährlichen Schornsteins einen neuen Schornstein zu erbauen. Sie sind dieser
Weisung bis jetzt nicht nachgekommen und sieht sich die unterzeichnete
Amtshauptmannschaft deshalb veranlaßt, Ihnen die ungesäumte Vornahme
dieses Essenbaues hiermit aufzugeben, bis zur Fertigstellung der neuen
Esse aber alles und jedes Feuern in denjenigen Oefen, deren
Rauchableitungen in den alten Schornstein ausmünden, hiermit bei
Vermeidung einer Ordnungsstrafe von 30 M zu
verbieten. Gleichzeitig
werden Sie zur Vermeidung einer gleichen Strafe andurch angewiesen, die
auf dem Oberboden Ihres Hauses in unmittelbarer Nähe des schadhaften
Schornsteins lagernden feuergefährlichen Gegenstände sofort zu
beseitigen.“ Es kam, wie es
kommen musste, nicht lange danach brannte das Wohnhaus ab. In den
Bauakten fand ich ein Protokoll vom 30. Oktober 1880, in dem ein
„Wohngebäude mit Soutarain, Neubau an Stelle des abgebrannten Gebäudes“
abgenommen wird. Bauherrin war Frau Amalie verwitwete Kohl,
Hausbesitzer. Durch diesen
Neubau entstand zwischen den alten Kleinforster Häusern ein relativ
moderner zweistöckiger Bau, der auch in der Höhe über alles Angrenzende
hinausragte. Später betrieb dort die Familie Finke ein
Lebensmittelgeschäft und eine Tischlerei und noch später zog dort der
Konsum ein.
Die Vergrößerung der Wohnhäuser durch Anbauten
Während die
ersten baulichen Veränderungen an den alten Kleinforster Häusern
zwischen 1875 und 1888 meist nur die Dächer, Giebel und Schornsteine
betraf, die aus brandschutztechnischen und statischen Gründen erneuert
werden mussten, begannen die Kleinforster nun auch ihre Gebäude durch
Anbauten zu vergrößern. Abgesehen von wenigen Ausnahmen, begannen diese
Aktivitäten gegen 1872 und zogen sich bis etwa 1930 hin. Gründe dafür
gab es reichlich. Die Wohnverhältnisse waren teilweise katastrophal, wie
wir sehr anschaulich aus einer Stellungnahme des Königlichen
Bezirksarztes der Amtshauptmannschaft Oschatz erfahren, die er im Jahre
1909 zu einem Bauantrag für das Haus Nr.5 abgab. Darin heißt es: „Das Haus wird jetzt
schon in ganz unzulässiger Weise von 4 Familien bewohnt, die 9
Räumlichkeiten besitzen eine Grundfläche von 106,66 Quadratmetern, es
kommen also auf eine Familie nur 26,6 Quadratmeter Bodenfläche, während
für 3 Familien eine Küche überhaupt fehlt und die einzige vorhandene
Küche kein unmittelbar ins Freie führende Fenster besitzt. Außerdem sind
die Räume des Obergeschosses nur 1,80 m hoch und sind nur 2 Aborte
vorhanden.“ Die Lösung des
Problems war in den meisten Fällen ein Anbau an das Haus. Dazu musste
meist der schmale Vorgarten zwischen Hausfront und Weg geopfert werden.
Bei dieser Gelegenheit wurde dann auch noch der Backofen weggerissen,
soweit er überhaupt noch vorhanden war. Die meisten
Kleinforster setzten einfach eine neue Front vor die bisherige
Außenwand. Groß war der Raumgewinn dabei nicht, er betrug in der Regel
weniger als 3 Meter. Das neue Dach über den Anbau wurde dabei in allen
möglichen Höhen an das alte Gebäude angeschleppt und nicht immer sah das
besonders schön aus. Es gab noch
eine zweite Variante, die vom Aussehen her sogar die günstigere Lösung
darstellte. Hierbei wurde der Anbau aus der Längsseite des Gebäudes im
rechten Winkel herausgebaut. Teilweise wurden die Anbauten nun auch
unterkellert. Nicht immer
verlief eine solche Baumaßnahme ohne Probleme. Auch dazu gibt es eine
amüsante Geschichte zu erzählen. Nach einer Kontrolle durch den
Gendarmen Hauptwachtmeister Womrick gab dieser folgenden Bericht an die Amtshauptmannschaft nach Oschatz:
„Bei meinem Dienstgang am 25.7.25 habe ich festgestellt, daß der Hausbesitzer Heinrich Voigt in Kleinforst No.12 (muss heißen No.11) wohnhaft, einen Wohnhausanbau von dem Bauunternehmer Zieschner,
Thalheim ausführen läßt. Der Voigt ist in Besitz der erforderlichen baupolizeilichen Genehmigung. Nach Einsicht in die vorhandene Bauzeichnung habe ich festgestellt, daß die
ursprünglich vorgesehene genehmigte Baufluchtlinie um etwa 2 m überschritten worden ist, sodaß die Kellerräume sowie der ganze Anbau um 2 m verlängert wird. Als Entschuldigung führte Voigt an, der
bauausführende Zieschner habe ihm erklärt, daß gegen eine Vergrößerung nichts einzuwenden ist.
Voigt hat von mir die Anweisung erhalten, um eventuelle Schwierigkeiten zu vermeiden, umgehend bei der Amtshauptmannschaft (Bauabteilung) wegen der Angelegenheit vorzusprechen.“
In der Bausprechstunde der Amtshauptmannschaft wurde daraufhin beiden Übeltätern Vorhaltung darüber gemacht, dass sie in starker Abweichung von der Bauzeichnung „ ... das Orts- und Landschaftsbild an dieser
landschaftlich besonders reizvollen Stelle des Bezirkes erheblich verunstaltet haben“. Es wurde den Erschienenen weiterhin eröffnet, dass die Amtshauptmannschaft nunmehr gezwungen ist,
1.) Strafverfügung gegen beide zu erlassen und 2.) gemäß § 160
des Allgemeinen Baugesetzes die Dachbildung des Anbaues so abzuändern,
dass nunmehr der Anbau ein Ziegeldach erhält, das in halber Firsthöhe
des Hauptgebäudes einbindet.
Beide
Erschienenen erklärten daraufhin: „Wir sehen ein,
daß Strafverfügungen gegen uns erlassen werden müssen, wir bitten aber
schon jetzt, daß der Strafantrag nach Ausführung des Baues erheblich
ermäßigt wird.“
Herr Voigt ergänzte das noch wie folgt: „Meine baren
Mittel sind durch den Anbau erschöpft. Ich bitte daher dringend, daß
ich, trotzdem ich von dem genehmigten Bauplan abgewichen bin, eine
möglichst reichlich bemessene Bezirksbeihilfe bekomme.“ Auch Herr
Zieschner äußerte sich noch einmal zur Sache: „Die Kosten des
Dachumbaues betragen etwa 300 M. Ich verpflichte mich jedoch, den
Dachumbau einschließlich des Daches Herrn Voigt für den Betrag von 200 M
fix und fertig in vollständig einwandfreier Weise auszuführen, jedoch in
der Hoffnung, daß die Geldstrafe, die ich erwarten muß, mir erheblich
ermäßigt wird.“
Beim Lesen dieser Protokolle kommt man leicht in die Versuchung, in den Aussagen
der zwei Baumeister eine gewisse Schlitzohrigkeit zu entdecken. Sie
hatten garantiert nicht damit gerechnet, erwischt zu werden und schon
gar nicht von einem Gendarmen, der vom Bauen überhaupt keine Ahnung hat.
Wie man aber sieht, hatten sie sich da gewaltig geirrt. Die
Streitigkeiten um diesen Anbau setzten sich übrigens noch lange fort.
Ein ganz
anderes Problem hatte der Hausbesitzer Ernst Gruhle mit seinem Bauantrag
für einen Anbau an sein Wohnhaus Nr.7 (An der Aue 18) im März 1900. Der
Amtsstraßenmeister Ernst Just beanstandete nämlich, dass zwischen dem
sogenannten Communikationsweg und dem Grundstück von Gruhle eine genaue
Grenze in der Natur nicht vorhanden sei und empfahl der
Amtshauptmannschaft, den Bauantrag erst einmal abzulehnen. Ernst Gruhle
wurde nun aufgegeben, die genaue Grenze mit dem Eigentümer des Dorfweges
zu klären. Das war in diesem Falle der Rittergutsbesitzer von
Altoschatz, der aber gar nicht daran dachte, sich mit Gruhle auseinander
zu setzen. Im Gemeindebuch von Altoschatz steht im Protokoll: „...er habe es dem Rittergutsbesitzer
Schubert wiederholt gesagt und gebeten, er möge so freundlich sein und
zu ihm kommen betreffs der Grenzfestsetzung seines und meines
Grundstückes. Herr Schubert hat aber jedesmal gesagt, er habe keine Zeit
und wolle kommen, wann es ihm passe. So bittet Gruhle hierdurch die hohe
Königliche Amtshauptmannschaft Oschatz, den Herrn Rittergutsbesitzer
Schubert anzuweisen, sich nach dem Thatort zu begeben.“ Die
Amtshauptmannschaft sah sich aber nicht in der Lage, den
Rittergutsbesitzer Schubert zur Grenzfestsetzung zu veranlassen. Gruhle
sollte schon selbst die Angelegenheit klären. Schließlich
scheint es nach längerer Zeit doch noch zu einer Einigung gekommen zu
sein, denn Ernst Gruhle bekam im Oktober 1901, mit einer 3/4 jährigen
Verzögerung, endlich die Baugenehmigung und meldete im Januar 1902 die
Fertigstellung des Anbaues.
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