Mit allem, was niet- und nagelfest ist . . .
Der uns heute noch so geläufige Ausspruch
hatte in den Kaufbriefen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts eine große
Bedeutung. Alles, was da niet- und nagelfest mit dem Gebäude verbunden
war, gehörte zum Verkaufsobjekt, aber auch das, was erd-, wind-, wand-,
band-, leim-, mauer- und wurzelfest war. Manchmal wurden auch noch klammerfest und
schraubenfest hinzugefügt. Diese
Aufzählungen finden wir in fast allen Kleinforster Kaufverträgen, die
zwischen 1854 und 1861 ausgefertigt wurden. Der Sachverhalt eines
Verkaufes war in dieser Form ganz einfach und dadurch auch für jedermann
verständlich formuliert. Das war für die damalige Zeit, in der das
komplizierte Amtsdeutsch vorherrschte, schon recht ungewöhnlich. Die
Begriffe stammen jedoch aus einer weit zurückliegenden Zeit, in der noch gut verständlich formuliert
wurde. Wir müssten bis weit in das Mittelalter zurückgehen, um den
Ursprung zu finden. Bereits 1290 wurden bei der Überschreibung eines
Hauses die Begriffe „erd vast“ und „naghel vast“ verwendet.
Als Beispiel
für Kleinforst soll hier auszugsweise der Vertrag zum Verkauf des Hauses
Nr.20 aufgeführt werden, der am 23. Dezember 1860 abgefasst wurde: „Es verkauft und überläßt
Johann Friedrich Reinhardt in Kleinforst sein allhier laut Kaufs vom
17ten December 1823 eingetragenes Haus und das dazu gehörige
Gartengrundstück mit Scheune und Ställen an seinen Sohn, Friedrich Adolf Reinhardt um und für die
Summa Dreihundert Thaler ganzer und vollständiger Haupt- und Kauf-summa,
mit allen was in dem verkauften Haus und Gartengrundstück als erd-,
niet,- wind-, wand-, band-,
klammer-, nagel- und wurzelfest ist, so wie das Grundstück in seinen
Rainen, Zeunen und Steinen gelegen, so wie mit allen Rechten und
Gerechtigkeiten,
Nutzungen und Beschwerden, nichts davon ausgenommen, so wie es Verkäufer
gebraucht hat, dieses Haus annimmt und die Kaufsumme als bezahlen soll
und will.“
Die Errichtung
oder der Kauf der alten Kleinforster Häuser war aus dem vorhandenen
Eigenkapital kaum zu finanzieren. Neben den meist geringen Darlehen von
Privatpersonen, waren die Darlehen der Kirchen besonders gefragt. Sie
scheinen zu dieser Zeit die gängigsten Kreditinstitute gewesen zu sein.
Sie nahmen für ihre Leistungen in der Regel Zinsen in Höhe von 4%.
Solche Kreditgeber für die Kleinforster Investoren waren z. B. die
Kirchen zu Jahna, Bloßwitz, Schmorkau, Prausitz, Altoschatz, Terpitz und
Ganzig. Wurde ein Haus
verkauft, sicherte sich der Verkäufer oft das Recht, in bestimmten
Räumlichkeiten wohnen bleiben zu können, nämlich den sogenannten
„Auszug“, dessen Einzelheiten im Kaufvertrag auch genauestens festgelegt
wurden. Einige davon wurden bei der Beschreibung der Häuser im
vorherigen Kapitel mit aufgeführt. Der Inhalt der Wohnungs- und
Naturalauszüge eröffnet uns aber auch einen interessanten Einblick in
die Lebensgewohnheiten der Menschen in der damaligen Zeit. Er zeigt uns
aber vor allem, wie wichtig ein Haus damals für die Absicherung der
Altersversorgung war.
Interessant
ist, dass in einigen Verträgen der Anbau von Wein erwähnt wird.
Vielleicht wurden in Kleinforst die Trauben nicht nur vom Spalier des
Hauses, sondern auch von kleinen Rebflächen geerntet. Der Oschatzer
Werner Käseberg schrieb in einem Beitrag über den Weinanbau in der
Oschatzer Umgebung dazu folgendes: „ Aber die hiesigen Crescenzen
erlangten keinen besonderen Ruf, weder die „Zschöllauer Sonnenseite“
noch der „Kleinforster Ausbruch“. Es gab nur eßbare Trauben, trinkbaren
Most, aber schlechten Wein. So riß man kurzerhand die Weinstöcke heraus
und nutzte den Boden als Feld“.
Die Zusammenlegung der Gemeinden Altoschatz,
Rosenthal und Kleinforst 1839
„Wir, Friedrich
August, von Gottes Gnaden König von Sachsen, haben für nöthig befunden,
die Verhältnisse der Landgemeinden in Unserm Königreiche durch ein
allgemeines Gesetz zu ordnen.“ Mit diesem Satz beginnt die neue
Landgemeindeordnung, die am 7. November 1838 veröffentlicht wurde. Einer
der wichtigsten Punkte darin war der Paragraph 5. Er besagte nämlich
folgendes: „Jede
Landgemeinde verwaltet ihre Angelegenheiten selbst durch die aus ihrer
Mitte dazu erwählten Personen, unter Aufsicht der Obrigkeit und der
Regierungsbehörde.“ Das war etwas ganz Neues, denn damit wurde erstmals
den Gemeinden die Verantwortung für die Verwaltung übertragen. Aber noch
ein anderer Punkt war für die Landgemeinden von großer Bedeutung. Nach §
17 konnten bzw. sollten „
... mehrere benachbarte Orte, deren jeder bisher eine besondere Gemeinde
gebildet hat, zu einer Gesamtgemeinde vereinigt werden“. Genau das traf
auf die bisher selbständigen und benachbarten Gemeinden Altoschatz,
Rosenthal und Kleinforst zu. Um einmal eine
Vorstellung über die Größe der 3 Gemeinden in der damaligen Zeit zu
erhalten, sind nachfolgend die Einwohnerzahlen aus dem Jahre 1834
aufgeführt. Erstaunlich ist dabei, dass Kleinforst im Vergleich zu
Rosenthal und Altoschatz bereits eine relativ große Anzahl von
Einwohnern hatte.
Altoschatz Rosenthal Kleinforst |
257 Einwohner 160 Einwohner 187 Einwohner |
Dass bis dahin alle drei Gemeinden selbständig waren, beweist ein
Eintrag von 1839 im Gemeindebuch. Es heißt dort wörtlich: „ ... deren
jede bisher eine besondere Gemeinde gebildet.“ Die Gemeinden
Altoschatz, Rosenthal und Kleinforst vereinigten sich daraufhin am 10.
April 1839 zu einer Gesamtgemeinde. Dieser Vorgang ist auch durch die
Eintragungen im ersten
Gemeindebuch von Altoschatz genauestens belegt. Dieses Gemeindebuch
musste nach der gesetzlichen Verordnung angelegt werden und bekam durch
einen Eintrag auf der ersten Seite einen offiziellen Charakter:
„Gegenwärtiges Gemeindebuch, Dreihundert und Dreisig jetzt leere Blätter
enthaltend, wird hiermit andurch Gerichtswegen authorisiert. Altoschatz, am 24sten April
1839.“ Die Gemeindeangelegenheiten hatte nach § 36 der neuen Gemeindeordnung
ein Gemeinderat zu besorgen. Er war die beratende und beschlussfassende
Behörde in allen Gemeindeangelegenheiten. Seine Mitglieder mussten aber
erst einmal gewählt werden. Das war für die Gemeindeglieder damals ein
ganz neuer und ungewohnter Vorgang, der auch nicht ganz leicht zu
verstehen war. Die Vertreter sollten sich künftig aus den „Feldbesitzern
und Verhuften, den Häuslern und den Unangesessenen“ zusammensetzen.
Und zwar
- aus der Klasse
der Feldbesitzer und Verhuften je eine Person aus Altoschatz und
Rosenthal ( im kleinen Forst gab es ja keine Feldbesitzer)
- aus der Klasse
der Häusler je eine Person aus Altoschatz, Rosenthal und dem kleinen
Forst
- aus der Klasse
der Unangesessenen insgesamt nur eine Person (die „Unangesessenen“
hatten keinen Grundbesitz)
„... mithin 6
Ausschußpersonen, weiter ein Ältester und ein Vorstand, solchnehmlich
der Gemeinderath aus 8 Personen bestehen soll."
Schreiten wir nun zur Wahl. Im Protokoll heißt es dazu: „Die
Constituierung solchens Gemeinderaths für die hiesigen benannten
Gerichtsdörfer fand heute Vormittags im Schusternschen Wirtshause zu
Rosenthal statt. Dazu waren die im Stimmzählungsprotokoll namentlich
aufgeführten einzelnen Induvidium persönlich erschienen und mit dem
Zweck ihrer Zusammenberufung nochmals bekannt gemacht worden.“ Gemeint waren damit die
Kandidaten für den neu zu wählenden Gemeinderat. Vorher hatte man
bereits 8 Tage lang die Wahlliste ausgehangen. Diese Liste umfasste
insgesamt 86 Personen. Das erscheint erst einmal wenig, man muss aber
bedenken, dass für jedes Haus nur eine Person wahlberechtigt war. Frauen
waren von der Wahl ganz ausgeschlossen. Sie wurden durch ihre Ehemänner
vertreten, „ ... insofern sie nicht vom Tisch und Bette getrennt sind“.
Selbst die sogenannten Auszügler, die in einem separaten Auszugshaus
wohnten, durften nicht wählen. Selbstverständlich waren auch alle
diejenigen Personen ausgeschlossen, die mit dem Gesetz in Konflikt
geraten waren, die Schulden bei den Landes- und Gemeindeabgaben hatten,
arme Personen, die der „Localarmenversorgung“ anheim gefallen waren und
so weiter. Die Wahl des Gemeinderates nach diesem 3 Klassensystem und unter Leitung
der Obrigkeit wurde noch bis mindestens 1864 praktiziert. Nicht gewählt
werden durften Geistliche und Schullehrer. Nach der Wahl wurden der Vorstand und der Gemeindeälteste wie folgt
vereidigt: „Ich schwöre
hiermit zu Gott, daß ich unter genauer Beachtung der Gesetze des Landes
und der Landesverfassung das mir übertragene Ambt als Gemeindevorstand/
Ältester im hiesigen Gerichts- und Gemeindebezirk nach meinem besten
Wissen und Gewissen verwalten, mit dem mir anvertrauten Geld und Gut der
Gemeinde getreulich umgehen, das Beste des Gemeindebezirks allzeit in
Obacht zu nehmen und mich überall den Anordnungen meiner Vorgesetzten
gemäß bezeigen will.So wahr mir Gott helfe und sein heiliges Wort, durch Jesum Christum
unseren Herrn, Amen.“ Der erste Gemeindevorstand war der Altoschatzer Gottlob Höppner, der
dieses Amt noch bis 1862 innehatte.
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