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Die Wasserversorgung von Kleinforst
- eine unendliche Geschichte

Kein anderes Thema hat die Amtshauptmannschaft, den Gemeinderat der Gesamt-Gemeinde Altoschatz und die Kleinforster selbst so beschäftigt, wie die Wasserversorgung.

Die erste Erwähnung der Wasserversorgung von Kleinforst finden wir in einem Schreiben vom 13. Juli 1825. Dabei ging es um eine Genehmigung zur Vergabe von Grund und Boden für den Aufbau weiterer 9 Häuser in Kleinforst. Sie wurde von höchster Stelle unter dem Vorbehalt erteilt, dass bei der Errichtung dieser Häuser bestimmte Vorschriften und Auflagen zu beachten sind. Unter anderem sollten die in der Nähe der Gebäude befindlichen „ ... beyden Brunnen in Stand gesetzet“ und ein Teich in der Mitte der beiden Häuserreihen angelegt werden.
Von der Sache her ging es hierbei um die Bereitstellung von Wasser im Falle eines Brandes. Die Erwähnung der beiden Brunnen ist für uns aber auch ein Nachweis dafür, dass die Anwohner von Kleinforst 1825 die Möglichkeit hatten, an zwei Stellen Wasser für den täglichen Bedarf zu holen. Zu diesem Zeitpunkt standen in der Siedlung erst 11 Häuser.
Weiter lässt sich die Wasserversorgung von Kleinforst nicht zurückverfolgen. Die Erwähnung im Jahre 1825, dass die beiden Brunnen instand gesetzt werden müssten, lässt aber darauf schließen, dass sie schon älter waren und dass zumindest ein Brunnen bereits am Anfang der Besiedlung im Jahre 1803 schon da war.

Den nächsten Beitrag zur Wasserversorgung finden wir erst wieder im Jahre 1876 im Altoschatzer Gemeindebuch. Darin heißt es: „Laut Aussage des Gemeinderathsmitgliedes Hummel in Kleinforst ist an dem einen Brunnen die Mauer eingestürzt und der andere Brunnen kann infolgedessen nicht genug Wasser für den Ort liefern.“
Die Standorte der Brunnen lassen sich noch ziemlich genau bestimmen. Einer befand sich zwischen der oberen und unteren Häuserreihe im sogenannten Borngässchen. Die trocken gemauerte Einfassung des Brunnens von ca. einem Meter Durchmesser ist bis heute noch recht gut erhalten geblieben, sie schließt oben mit dem Erdreich bündig ab. Es ist zu vermuten, dass der obere Teil abgetragen wurde. Der Brunnen ist genau 4,0 m tief und hatte im August 2002 einen Wasserstand von 3,2 m! Dieses Ergebnis ist ganz erstaunlich, weil es früher immer Klagen wegen der zu geringen Ergiebigkeit gegeben hat.
Der zweite Brunnen befand sich etwa in gleicher Höhe wie der vorher genannte, lag aber direkt an der heutigen Querstraße. Sein Standort würde sich heute im Garten der Familie Sander befinden (Querstraße 12). Bis 1922 wurde diese Fläche landwirtschaftlich genutzt und gehörte zum Rittergut Altoschatz. Eigenartigerweise können sich an diesen Brunnen nur noch wenige erinnern. Das wird daran liegen, dass er schon früher als der Brunnen im Borngässchen außer Betrieb genommen worden ist.
Beide Brunnen waren nachweislich gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit Plumpen ausgestattet. Das geht aus einem Gemeindeprotokoll aus dem Jahre 1888 hervor, nach dem der Brunnenbauer Thomas aus Oetzsch die Reparatur der Plumpen übernehmen sollte. Von der Art her waren das ganz sicher die typischen Holzplumpen, die auch als Ständer bezeichnet wurden.

Außer den 2 öffentlichen Brunnen gab es noch 5 Brunnen in privaten Grundstücken.

Die Situation der Wasserversorgung in Kleinforst um die Jahrhundertwende herum lässt sich aus einer Beschwerde des Hausbesitzers Voigt bei der Amtshauptmannschaft zu Oschatz recht gut nachvollziehen. Er gab dort am 13. Juli 1904 folgendes zu Protokoll:
„Im Ortsteil Kleinforst befinden sich zwei öffentliche Brunnen. Auf diese beiden Brunnen sind 56 Haushaltungen angewiesen. Die Brunnen geben schon in gewöhnlichen Zeitläufen kein ausreichendes Wasser, bei der jetzigen Dürre versagen sie fast vollständig. Wir sind daher genötigt, unser Wasser jetzt in Altoschatz zu holen, wobei noch der Übelstand zu bemerken ist, daß der in der Nähe des Bergguts befindliche öffentliche Gemeinde-Schöpfbrunnen stark verunreinigt ist. Ich habe mich bereits mit einer Beschwerde an den Gemeinderat gewandt und um eine Verbesserung der Wasserverhältnisse in Kleinforst gebeten. Der Gemeinderat hat aber abgelehnt, in der Sache etwas zu tun. Ich bin der Meinung, daß man zunächst versuchen müßte, den einen der beiden öffentlichen Brunnen in Kleinforst, welcher an der Straße steht, zu vertiefen, um zu mehr Wasser zu gelangen.
Ich bitte die Königliche Amtshauptmannschaft die Angelegenheit zu untersuchen und die Gemeinde Altoschatz anzuhalten, den Ortsteil Kleinforst mit Trinkwasser gehörig zu versorgen.“

Die Amtshauptmannschaft fragte daraufhin beim Bezirksarzt Dr. Schmidt an,
„ ... ob es nicht angängig wäre, Kleinforst an die städtische Wasserleitung anzuschließen, welche daselbst vorbeigeht“. Es handelte sich dabei um die sogenannte Kleinforstwasserleitung, die Oschatz bis zur Eröffnung des städtischen Wasserwerkes 1888 mit Wasser versorgte.
Der Bezirksarzt lehnte diesen Vorschlag jedoch ab, weil ein Anschluss sehr große Kosten verursachen würde und es besser wäre, durch Anlegen eines guten Brunnens wirksame Abhilfe zu schaffen. Nur, wer sollte diesen bezahlen? Schon 1896 hielt die Gemeinde in einem Protokoll ihren Standpunkt fest: „Zum Neubau eines Brunnens hat die Gemeinde keine Verpflichtung für die Kleinforster Wasser zu schaffen.“

Der Gemeinderat versuchte nun, die Kleinforster selbst für die Wassernot verantwortlich zu machen, da das Wasser „ ... vielleicht nur zu ihrer Gärten gießen genommen würde. Es kommen auf jede Haushaltung 56 Liter Wasser täglich. Das wird des Gemeinderates Erachtens wohl für eine Haushaltung menschlichen Bedarfs ausreichen. Die Gutsbesitzer von hier würden froh sein, wenn sie in ihrem Brunnen, welchen sie für ihr eigenes Geld gebaut haben, soviel Wasser hätten bei der dürren Jahreszeit. Sie müssen sämtliches Wasser für ihr Vieh aus der Bach holen“.

Bei der Berechnung der Wassermenge bezog man sich auf die Angaben des Brunnenbauers Lorenz, der für den einen Brunnen eine Ergiebigkeit von 6 Eimern und für den anderen Brunnen von 2 Eimern in der Stunde ermittelt hatte.
Weiter heißt es: „In den 43 Haushaltungen, die auf öffentliche Brunnen angewiesen sind, befinden sich 184 Stellen, dabei sind Säuglinge bis zum Greis gezählt, sodaß auf eine Stelle (Person) täglich 13 Liter Wasser entfallen.“
Theoretisch wohlgemerkt, denn diese Menge hätte sich nur ergeben, wenn man 24 Stunden am Tag Wasser aus den Brunnen entnommen hätte!
Der Bezirksarzt ging im Oktober 1904 gegen diese geringe Wassermenge in Einspruch. Er gab zu bedenken, dass bei 13 Litern pro Tag und Kopf der Durchschnittsverbrauch bei weitem nicht gedeckt wird. „Derselbe ist nach meinen Untersuchungen auf dem Lande nach sehr mäßiger Schätzung auf wenigstens 45 Liter zu berechnen. Es ist also zu wenig Wasser vorhanden und muß durch Anlage von Gemeindebrunnen Abhilfe geschaffen werden.“

Am 25. November 1904 erschien an Kanzleistelle der Amtshauptmannschaft der Herr Gemeindevorstand Reinhardt aus Altoschatz und wurde dort gegen eine Verfügung der Amtshauptmannschaft vom 22. November vorstellig. Er gab dort Folgendes zu Protokoll:
„Es ist unangängig, die vorhandenen Gemeindebrunnen durch Vertiefung derselben ausgiebiger zu machen, weil diese Brunnen bereits bis auf den Fels gehen und ihre Zuflüsse von der Seite her haben. Einen dritten Gemeindebrunnen anzulegen ist schon deshalb nicht angängig, weil der Gemeinde ein Areal dazu nicht zur Verfügung steht. Die Gemeinde ist der Meinung, daß 13 Liter Trinkwasser für den Kopf ausreichend ist, das Wasser zum Gießen und Viehtränken, sowie zum Waschen kann der Ortsteil aus der vorüberfließenden Döllnitz entnehmen. Es wird in der Gemeinde sehr böses Blut machen, wenn im Ortsteil Kleinforst, in dem die schlechtesten Steuerzahler wohnen, auf Gemeindekosten Wasser geschafft werden müßte, weil in Altoschatz und Rosenthal fast jeder Besitzer seinen eigenen Brunnen sich selbst beschafft hat, in Kleinforst aber von 25 Hausgrundstücken nur 5 eigene Brunnen haben.
Der Beschwerdeführer Voigt gebraucht das Wasser vermutlich zum Gießen seines Gartens, er mag sich selbst einen Brunnen anlegen.
Außerdem steht den Bewohnern zu Kleinforst noch der öffentliche Brunnen in der Nähe des Berggutes zur Verfügung, welcher nur einige hundert Meter entfernt ist.“
Mit dieser Stellungnahme hatte die Gemeinde Altoschatz eine eindeutige Stellung bezogen. Von dieser Seite konnten die Kleinforster keine Hilfe mehr erwarten. Dass auch noch weiterhin nach einer Lösung für die Wasserversorgung gesucht wurde, war jetzt nur noch der Amtshauptmannschaft zu verdanken.

Am 2. März 1905 führte der Amtmann Wackwitz eine Beratung in Kleinforst durch, die eine entscheidende Wende für die Anwohner bringen sollte. Hören wir dazu seinen Bericht:
„Heute habe ich mit unseren Gemeinderatsmitgliedern und mit dem Herrn Rittergutsbesitzer Robert Schubert auf Altoschatz sowie Herrn Berggutsbesitzer Steiger in Rosenthal an Ort und Stelle über die Wasserverhältnisse Erörterungen angestellt und befunden, daß sich auf dem Areal des Rittergutes und Berggutes eine Wasserleitung befunden hat, welche Wasser für die Stadt Oschatz geliefert hat. Diese Wasserleitung ist neuerdings eingegangen. Es liegen jedoch in dem Areal des Rittergutes Altoschatz jetzt noch die alten Röhren. Die Quellen befinden sich im wesentlichen in einem Steinbruch des Berggutes, das Wasser derselben läuft jetzt zutage in dem Graben des Communicationsweges Kleinforst - Rosenthal ab. Da die alte Röhrleitung durch Kleinforst führt, dürfte es auch das Nächstliegendste sein, diese und die Quellen im Steinbruch des Berggutes für das unmittelbar angrenzende Kleinforst nutzbar zu machen.“
An dieser Stelle sind wir wieder bei der alten Kleinforstwasserleitung angelangt, die im nächsten Kapitel ausführlich beschrieben wird.
Zu dem oben genannten Vorschlag erklärte auch der Bezirksarzt im Prinzip sein Einverständnis, da das Wasser früher ein vorzügliches gewesen sein soll. Allerdings hatte er auch Bedenken, da dieses jetzt durch die Arbeiten in den zum Berggute gehörigen Steinbrüchen schlechter geworden ist. Deshalb sollte Kleinforst vielleicht doch lieber an das städtische Wassernetz angeschlossen werden. Dieser Gedanke war gar nicht so abwegig, weil die Verlegung der städtischen Wasserleitung bis zum Weinberg geplant war. Deshalb richtete die Amtshauptmannschaft im Juni 1905 an den Stadtrat Oschatz die Anfrage, ob und zu welchen Bedingungen die Stadt Oschatz geneigt sein würde, die städtische Wasserleitung bis nach Kleinforst weiterzulegen.

Die Antwort war jedoch eine klare Ablehnung und diese wurde folgendermaßen begründet:
„Abgesehen von den hohen Kosten ist der Anschluß des Ortsteiles Kleinforst an das städtische Wasserleitungsrohrnetz nicht zu empfehlen. Infolge der Höhenlage und der bedeutenden Länge des fraglichen Rohrstranges müßten die Druckverhältnisse in demselben sehr ungünstig werden und es könnte sehr leicht im Sommer der Fall eintreten, daß bei starker Wasserabnahme in der Naundorfer Straße und deren Umgebung nur sehr geringe und zuweilen nicht ausreichende Wassermengen nach Kleinforst gelangen.
Der neue Rohrstrang müßte auf einer Länge von 1100 Metern als Endstrang ausgeführt werden und könnte mit keinem anderen Rohrstrange Verbindung erhalten. Infolgedessen ließe sich auch keine Wasserzirkulation in demselben herbeiführen und die nach Kleinforst gelangende Wassermenge würde mindestens unschmackhaft werden.“

Nach dieser Absage blieb nun nur noch die erste Variante übrig, den Anschluss an die alte Kleinforstwasserleitung. In ihr floss schon seit dem 16. Jahrhundert das Wasser aus einem Quellgebiet oberhalb von Kleinforst bis nach Oschatz. Die Leitung bestand früher aus Holzröhren, diese wurden aber 1878 durch eiserne Röhren ersetzt. Mit der Errichtung des städtischen Wasserwerkes im Jahre 1888 brauchte die Stadt Oschatz diese alte Wasserleitung nicht mehr.
Der Plan vom Juni 1905 sah nun vor, diese Leitung an der unteren Häuserreihe anzuzapfen und das Wasser in einen neu anzulegenden Behälter einzuleiten, der am Ende der heutigen Querstraße liegen sollte.
Der Gemeinderat von Altoschatz lehnte aber auch dieses Projekt ab und begründete seinen Standpunkt in einem Schreiben an die Amtshauptmannschaft im Juni 1906 wie folgt:
„ ... sämtliche Hausbesitzer in Kleinforst sind jetzt Besitzer von Feldgrundstücken, was früher der Fall nicht war. Die Felder liegen auch noch außer der Amtsflur, mithin die Steuern auswärts gehen. Durch diese Felderwerbung bedingt sich nun auch Vieh zu halten um Düngung für das Feld zu gewinnen. Es gibt Besitzer, welche 6 - 8 Schweine und außerdem noch so viele Gänse halten. Hieraus läßt sich wohl schließen, daß da viel Wasser verbraucht und vermanscht wird, was überhaupt zu menschlichen Nahrungszwecken keine Verwendung findet.“
In dem angeführten Schreiben kritisierte der Gemeinderat auch den Kleinforster Hausbesitzer Rietzschel, an dessen Brunnen die Röhren defekt waren. „Er wartet nur, bis der neue Brunnen fertig ist, dann braucht er keine neuen Röhren zu schaffen. Hieraus läßt sich klar erblicken, daß die Kleinforster lieber ihren eigenen Brunnen am Hause eingehen lassen, um sich die Reparaturkosten zu ersparen und nur auf Gemeindekosten raffinieren.“

Aus welchen Gründen auch immer, der Gemeindevorstand von Altoschatz scheint sich die Sache etwas später doch noch einmal überlegt zu haben, denn der Bezirksarzt erklärte der Amtshauptmannschaft im Dezember 1906, „ ... daß man jetzt wieder auf das früher ins Auge gefaßte Projekt, die alte Oschatzer Wasserleitung für Kleinforst nutzbar zu machen, zurückgekommen ist. Man will an der Stelle, wo diese Wasserleitung den nach Oschatz führenden Weg verläßt, entweder einen Wasserbehälter, der aus der Leitung gespeist wird, oder einen Überflurhydranten anbringen, was von beiden beabsichtigt wird, ist mir nicht ganz klar geworden. Hierdurch würde das gewonnen werden, daß die Bewohner der Gebäude 1-16 eine näher und bequemer gelegene Wasserentnahmestelle erhalten“.

Gesagt, getan. Am 21. Mai 1907 kam es zu einem Nutzungsvertrag zwischen der Gemeinde Altoschatz und dem Altoschatzer Rittergutsbesitzer Robert Schubert, in dessen Boden ja die alte städtische Wasserleitung lag. An dieser Sache wollte er auch noch etwas verdienen. Außerdem kam es noch zu einem Wasservertrag mit der Besitzerin des Berggutes, Frau Alma Steiger.
Die Genehmigung für die Errichtung des Wassertroges wurde von der Amtshauptmannschaft im Oktober 1907 erteilt, sie sah aber die ganze Geschichte nur als Notbehelf an und hatte auch sonst noch einige Bedenken, wie aus dem folgenden Schreiben hervorgeht:
„Der vorgesehene Wassertrog ist völlig geschlossen herzustellen, sodaß eine Verunreinigung des darin befindlichen Wassers durch Kinder usw. nicht möglich ist. Die Entnahme des Wassers aus dem Troge wird durch Pumpe oder mittels eines Zapfhahnes zu erfolgen haben. Außerdem muß der Trog ein Überlaufrohr erhalten. Der Zufluß des Wassers muß innerhalb des gedachten Troges erfolgen.
Wie von dem Hausbesitzer Hessel aus Kleinforst angegeben worden ist, fließt das Wasser in der vorhandenen Leitung oft spärlich. Es würde in diesem Falle durch ein einfaches Auslaufrohr nicht eine genügende öffentliche Wasserversorgung geschaffen werden. Auch würde das aus dem Rohre ausfließende Wasser im Winter leicht gefrieren.
Der Herr Gemeindevorstand wolle unverzüglich für die Herstellung des geplanten Wasserkessels in der aus vorstehenden ersichtlichen Weise besorgt sein. Die Ausführung der Anlage ist bis zum 1. Dezember 1907 hierher anzuzeigen.“

Die Amtshauptmannschaft sollte mit ihren Bedenken Recht behalten. Mit der Schaffung dieser dritten öffentlichen Wasserentnahmestelle war nämlich das Problem der Wasserversorgung noch lange nicht gelöst, wie aus einem Schreiben des Bezirksarztes hervorgeht, dass er am 29. September 1910 an die Amtshauptmannschaft schickte. Der Inhalt dieses Dokumentes ist so interessant, dass er nachfolgend ungekürzt wiedergegeben werden soll:
„Gelegentlich bei Brunnenrevisionen in Kleinforst wurde von den Anwohnern über Wassermangel in den dort vorhandenen Brunnen geklagt. Es existieren im ganzen 3 öffentliche Gemeindewasserentnahmestellen, von denen zwei auf Kleinforster Flur, einer auf Altoschatzer Flur sich befinden. Von den ersteren ist der eine ein Pumpbrunnen, der in der nach dem Gasthofe führenden engen Gasse steht und der andere ein Überflurhydrant, der von einem zwischen dem Berggut und dem Ortsteil Kleinforst auf einer Wiese gelegenen Brunnen bzw. Wasserreservoir der alten Oschatzer Wasserleitung gespeist wird. Der dritte Brunnen ist ein Pumpbrunnen.
Die Pumpbrunnen sind beide nicht tief, der erste 4 m und der letzte 3,5 m und enthielten bei der Besichtigung nur 1 bzw. 0,5 m Wasserstand. Nach den Beschreibungen der Anwohner ist das Wasser schon nach kurzer Zeit ausgepumpt, sodaß die Leute meist in der Nacht mit Eimern nach dem Brunnen gehen, um sich für den nächsten Morgen mit Wasser zu versehen, und daß diejenigen, die früh Wasser holen wollen, meist keins bekommen, oder doch nur den letzten trübe gefärbten Rest vom Boden.
Auch an dem Druckständer ist oft kein Wasser zu erhalten. Der dazu gehörige Kessel ist 2,75 m tief, es steht ungefähr 1/3 m hoch Wasser darin, das Rückschlagwasser aus dem Hydranten ist. Mehr scheint sich auch darin nicht ansammeln zu können, wenigstens war in der Höhe des Wasserspiegels auf der dem Zuflusse entgegengesetzten Seite des Kessels ein Abflußrohr zu sehen, von dem aber nicht festzustellen war, wohin es das Wasser abführt.

Das Wasser aller 3 Wasserentnahmestellen war bei der Besichtigung gut.

Außer den 3 öffentlichen Brunnen bestehen in Kleinforst 5 Privatbrunnen, von denen aber nur 2 brauchbares Wasser geben sollen. Demnach besteht für Kleinforst eine Wassercalamität, zu deren Abhilfe vor allem erst einmal festzustellen sein würde, ob nicht in dem Kessel des Druckständers mehr Wasser sich ansammeln ließe. Dazu wird vorgeschlagen, die Akten der Stadt Oschatz über die alte Wasserleitung beizuziehen, aus denen sich möglicherweise ersehen läßt, ob durch das im Kessel sichbare Rohr noch Wasser nach Oschatz geleitet wird. Möglicherweise bezieht das Stadtbad Wasser von dort.
Evtl. käme, wenn sich keine einfachere Lösung finden ließe, ein Anschluß von Kleinforst an die städtische Wasserleitung in Betracht, besonders wenn ein Wasserturm wieder an der früheren Stelle errichtet wird.“

4 Wochen später erfolgte erneut eine Besichtigung der Kleinforster Wasserversorgungsanlagen, diesmal zusammen mit dem Gemeindevorstand Reinhardt. Seine Meinung zur Wasserversorgung der Kleinforster kennen wir ja schon aus der Vergangenheit. In dem Bericht an die Amtshauptmannschaft wurde sie auch gleich als erstes festgehalten:
„Dieser (der Gemeindevorstand Reinhardt) behauptet, wie auch schon früher, daß Kleinforst mit Wasser genügend versehen ist. Als ihm aber nachgewiesen wurde, daß die beiden öffentlichen Brunnen nur 25 cm Wasserstand hatten, und daß aus der Rohrleitung auch nur spärlich Wasser mit Unterbrechung ausfloß, meinte er, die Einwohner gingen mit dem Wasser nicht haushälterisch um, zu Genußzwecken lange es und für die anderen Zwecke sollten sie es aus dem Bache holen.
Die Anwohner sagten jedoch allgemein aus, daß das Wasser nie ausreiche, daß sie, um ein paar Eimer zu erhalten, nachts zu den Brunnen gehen müßten und daß früh sämtliche Brunnen leer seien und auch die Leitung nichts oder nur wenig nach längerem Warten hergäbe. Zum Waschen, Scheuern, Viehtränken holten sie z. T. schon nebenbei noch aus dem Bache, soweit ihnen dies möglich sei, ohne fremdes Gebiet zu betreten.
Wenn nun auch dadurch, daß man unter Beseitigung des Unterflurhydranten der Rohrleitung das Wasser derselben in den Brunnenkessel einlaufen und unter Anbringung des Überlaufrohres weit oben in der Nähe des Randes eine Aufspeicherung des Leitungswassers in dem Kessel bewerkstelligen könnte, von wo es dann durch eine gewöhnliche Pumpe herausgepumpt würde, so erscheint es doch ausgeschlossen, durch diese Maßnahme den Wassermangel in Kleinforst auch nur annähernd zu beseitigen oder im wesentlichen Grade zu lindern, da der Zufluß von Seiten der Leitung eben nur ein schwacher ist und vor allem die Einwohnerzahl in den Grundstücken, wie der Herr Gemeindevorstand angibt, sich in den letzten Jahren wesentlich vergrößert haben soll, sodaß der Wasserbedarf auch eine dementsprechende Steigerung erfahren hat.
Ob eine Vertiefung der beiden anderen Gemeindepumpbrunnen zur Erlangung von mehr Wasser ratsam sein würde, des Untergrundes wegen, der Felsen sein soll, müßte von einem Brunnenbauer entschieden werden.

Als letzter sicherer Ausweg aber kommt eine Versorgung mit Wasser von der Oschatzer Wasserleitung in Betracht und zwar von dem Wasserturme, wenn dieser wieder auf der Lonnewitzer Höhe errichtet werden sollte, wobei jedenfalls ein schwächeres Rohrsystem zur Verwendung kommen könnte, als beim Anschluß an die Oschatzer Leitung vom Weinberge her.
Soviel ich aus den Äußerungen der Kleinforster entnommen habe, erscheint ihnen diese Lösung der Frage als die Beste, wenn ihnen dadurch auch Wasserabgaben entstehen würden.“

Der Wasserturm auf der Lonnewitzer Höhe hat seine eigene Geschichte. Nach fast zweijähriger Bauzeit war er am 12. April 1910 um 9 Uhr in Betrieb gegangen. Der eiserne Wasserbehälter hatte ein beachtliches Fassungsvermögen von 300 Kubikmeter Wasser. Die Baukosten betrugen insgesamt 30.000 Mark.
Zum großen Entsetzen der damaligen Stadtväter und der am Bau beteiligten Firmen stürzte dieses Meisterwerk der Technik und Baukunst am nächsten Tag früh 4.30 Uhr mit donnerähnlichem Getöse ein.

Um den Wiederaufbau dieses Wasserturmes ging es dem Bezirksarzt in dem oben angeführten Bericht im Oktober 1910.

Im Frühjahr 1911 beauftragten die Stadtväter den Oschatzer Baumeister Perten mit dem erneuten Bau, der diesmal 80.000 Mark kosten sollte. Die Inbetriebnahme des neuen Wasserturmes erfolgte am 21. Januar 1912 und er erfüllt seine Aufgabe noch heute.

Doch zurück zur Wasserversorgung von Kleinforst.
Wenig später, im Dezember 1910, teilte der Stadtrat der Amtshauptmannschaft mit, dass die Stadt ihr Wasserleitungsnetz bis an den sogenannten Weinberg ausgedehnt hat.
„Von da aus kann die Leitung unbedenklich verlängert werden und zwar mittels 100 mm im Lichten weiten eisernen Röhren. Bis an den Ort Kleinforst erfordert dies einen Aufwand von 4100 M. In Kleinforst ist die Leitung um den bewohnten Ort herumzulegen, einerseits damit alle Häuser angeschlossen werden können und zum anderen, damit eine dauernde Zirkulation des Wassers möglich wird.“

Das wäre nun endlich die Lösung gewesen, wenn nicht wieder der Gemeindevorstand Reinhardt, einen anderen Plan verfolgt hätte. Der Schöpfbrunnen am Berggut sollte ausgebaut und zu einem Pumpbrunnen umgebaut werden. Der Gemeindevorstand schätzte ein, dass die Kleinforster dort immer genügend Wasser vorfinden würden. Nach Einrichtung der elektrischen Überlandleitung wollte man das Wasser evtl. auch nach Kleinforst hinaufpumpen.
Glücklicherweise äußerte der Bezirksarzt ernsthafte Bedenken gegen dieses Vorhaben, das für die Kleinforster auch wieder nur eine halbe Sache geworden wäre. Seiner Meinung nach würde das Wasseraufkommen dort auch nicht ausreichend sein.
Um dennoch etwas zu verbessern, sah sich der Gemeinderat von Altoschatz gezwungen, wenigstens den zweiten Brunnen ( an der heutigen Querstraße) um 4 Meter zu vertiefen.
Diese Arbeit führte Alfred Lorenz aus Thalheim im Februar 1911 aus. Die Gesamttiefe betrug danach ca. 7 ½ Meter. Die ganze Arbeit war aber umsonst, denn eine größere Ergiebigkeit hatte man dadurch nicht erreicht. Im Gegenteil, jetzt gab es dort noch ganz andere Probleme. Hier wieder der Bezirksarzt mit seinem Bericht:
„Bei einer Besichtigung der Brunnen in Kleinforst am 6. November 1911 wurde festgestellt, daß der zu Beginn des Jahres tiefer gemachte Gemeinde-Brunnen auf Flurstück Nr.98 widerlich nach faulen Eiern riechendes, leicht getrübtes Wasser liefert. In diesem Zustande ist das Wasser zu Genußzwecken nicht zu gebrauchen und infolge dessen an dem Brunnen in unverlöschbarer deutlicher Schrift ein Anschlag „Kein Genußwasser für Menschen“ anzubringen.
Dieser Geruch soll sich im Laufe der warmen trockenen Monate eingestellt haben, nach Angaben der Anwohner. Es stinkt so, sagen die Leute, daß man es nicht einmal in der Stube stehen lassen oder zur Wäsche verwenden kann.

Zugleich wurde wiederum über Wassernot von den Leuten geklagt, indem die sämtlichen Brunnen des Ortsteiles nicht aushielten, sodaß früh morgens, wenn eine größere Inanspruchnahme der Brunnen erfolgt sei, kein Wasser mehr zu bekommen wäre. Am besten hat noch der von einer Rohrleitung gespeiste Sammelbrunnen vor dem Orte ausgehalten. In ihm wurde auch bei der Besichtigung ca. 1 m Wasserstand vorgefunden, während der andere Gemeindepumpbrunnen in der Gasse nur 30 cm hoch mit Wasser gefüllt sich erwies.
Nachdem also die vom Gemeinderate seiner Zeit beschlossene Vertiefung des oben genannten Brunnens nicht zur Beschaffung einer ausreichenden Menge von Genußwasser für Kleinforst geführt hat, wird derselbe anderweits über Beseitigung der dortigen Wassercamalität Entschließung zu treffen haben.“

Der Gemeinderat ging nach Erhalt des Schreibens sofort in Einspruch.
„In Anbetracht des Schreibens vom 14. November d.J. wird der Kgl. Amtshauptmannschaft Oschatz zu berichten sein, daß eine direkte Wassercalamität in Kleinforst nicht ganz zutreffend sei. Es ist richtig, daß jetzt das Wasser in dem fraglichen Brunnen etwas riecht, das kann daher kommen, weil anfangs das Wasser nach den neuen Holzröhren geschmeckt habe, demnach ist die Wasserabholung unterblieben und hat den ganzen Sommer gestanden, ohne öfteres Auspumpen. Der Brunnenbauer Lorenz ist angewiesen, die Ursache ausfindig zu machen und Abhilfe zu schaffen.“

Wieder vergehen Jahre, ohne dass sich in Kleinforst bei der Wasserversorgung etwas verändert. Kein Wunder, dass es Hermann Marth nicht mehr aushielt und am 19. Juli 1913 bei der Amtshauptmannschaft erklärte:
„Ich bin Besitzer des Hauses Nr.20 in Kleinforst und wohne dort schon seit 19 Jahren. Wir haben schwer unter Wassermangel zu leiden. In dem vorderen Gemeindebrunnen ist sehr wenig Wasser, es dauert länger als eine Viertelstunde bis ein Eimer voll ist. Außerdem ist der ganze Ortsteil jetzt auf diesen einen Brunnen angewiesen, da der andere Gemeindebrunnen jetzt auch nur wenig Wasser gibt. Letzterer ist überdies als Genußwasser verboten.
Ich bitte die Kgl. Amtshauptmannschaft darauf hinzuwirken, daß diesem Übelstande abgeholfen wird.“

Daraufhin wurde der Bezirksarzt Dr. Lutze wieder auf die Strecke geschickt, um nach dem Rechten zu sehen. Er gab zu Protokoll:
„Die Besichtigung der Brunnen ergab, daß der Brunnen auf Flurstück 98 jetzt klares, wohlschmeckendes Wasser liefert und sich der schlechte Geruch verloren hat. Wenn nach diesem Befunde das Wasser dieses Brunnens nunmehr zu Genußzwecken freigegeben werden kann, so ist doch damit der Wassermangel für Kleinforst noch nicht beseitigt, da auch dieser Brunnen nicht aushalten soll und die anderen beiden öffentlichen Brunnen, in der Borngasse und der von der Wasserleitung gespeiste, ebenfalls sehr schnell leer gepumpt sind.“
Eine endgültige Lösung für das Problem sah der Bezirksarzt aber auch nicht. Der Anschluss an die Oschatzer Wasserleitung sei zu teuer für den relativ kleinen Ortsteil und das Berggutwasser sei für eine Leitung nicht zu gebrauchen.
Deshalb bemühte man den Dipl. Ing. Saalbach aus Dresden um die Erstellung eines Gutachtens zur Versorgung von Altoschatz, Rosenthal und Kleinforst durch ein eigenes Wasserwerk, welches unterhalb des Berggutes errichtet werden sollte. Er galt als Experte für die Planung und Errichtung von Wasserversorgungsanlagen. Gleichzeitig sollte er einen Kostenvergleich zu dem Anschluss an die Wasserleitung der Stadt Oschatz durchführen.
Das Ergebnis des Ingenieurs Saalbach fiel eindeutig zu Gunsten der Oschatzer Wasserleitung aus. Trotzdem ging es weder mit dem einen noch mit dem anderen Projekt weiter. Wir befinden uns im Jahre 1914 und damit mitten in der Vorbereitung zum 1. Weltkrieg, der am 1. August dann auch begann. Das Kaiserreich und die Gemeinde hatten jetzt ganz andere Sorgen und die Kleinforster vielleicht auch.

Erst im Frühjahr 1920 geht die Geschichte der Kleinforster Wasserversorgung weiter.

Wieder ist die alte Wasserleitung im Gespräch, in der früher einmal das Wasser vom kleinen Forst bis nach Oschatz geleitet wurde. Aber diesmal hatte man eine geniale Idee. Man beabsichtigte nämlich, das Wasser gerade andersherum, von Oschatz nach Kleinforst fließen zu lassen! Aber war das überhaupt noch möglich, nachdem die Leitung schon jahrelang nicht mehr genutzt wurde?
Wieder begab sich der Bezirksarzt Dr. Lutze auf Exkursion, diesmal in Begleitung des Oschatzer Gas- und Wasserwerksdirektors Liebers und besichtigte die Leitung, soweit dies überhaupt möglich war. Im Bericht des Bezirksarztes heißt es dazu:
„Soweit sie zu sehen war, konnte festgestellt werden, daß sie aus guten Eisenrohren besteht, die auch in den übrigen nicht zu besichtigenden Teilen von derselben Beschaffenheit sein sollen. Ihr Verlauf sollte durch Bohrlöcher von der Gemeinde Kleinforst festgestellt und danach eine Druckprobe vorgenommen werden. Gesundheitliche Bedenken gegen die Verwendung dieser alten Oschatzer Leitung, die an das städtische Rohrnetz angeschlossen werden sollte, bestehen nicht.“
Bei dieser Variante ging es um ein Stück der alten Oschatzer Wasserleitung zwischen Kleinforst und dem Oschatzer Stadtbad. Für die Kleinforster war das mehr als eine Hoffnung, denn nach dem jahrzehntelangen Streit um die Wasserversorgung wollte man nun endlich ein richtiges Ergebnis sehen!
Der Kleinforster Paul Rietzschel hielt es nun nicht mehr aus und erschien am 19. Juli 1920 bei der Amtshauptmannschaft. Er gab dort folgendes zu Protokoll:
„Seit längerer Zeit schweben Verhandlungen wegen des Anschlusses des Ortsteiles Kleinforst an die städtische Wasserleitung von Oschatz. Bisher kam die Sache nicht richtig vorwärts, weil die Kosten für die Rohrlegung unverhältnismäßig hoch sein würden.
Nun hat sich vor einiger Zeit herausgestellt, daß bereits eine Rohrleitung von Kleinforst nach der Stadt vorhanden ist, die vor längeren Jahren dazu gedient hat, Wasser von Kleinforst nach der Stadt zu leiten. Seit die Stadt ein eigenes Wasserwerk besitzt, hat die Leitung keine Bedeutung mehr. Es sind auch schon Proben vorgenommen worden, ob diese Leitung den Druck aushalten würde, die Proben haben ein zufriedenstellendes Ergebnis gehabt. Die Stadt Oschatz verhält sich aber zunächst ablehnend, weil die Frage des Eigentumsrechts an der Rohrleitung nicht geklärt ist. Herr Rittergutsbesitzer Schubert in Altoschatz behauptet, daß die Leitung ihm gehört. Die Stadt hat zwar nicht ausdrücklich erklärt, daß sie das Eigentumsrecht für sich in Anspruch nimmt, sie wünscht aber, daß die Frage erst entschieden sein muß, ehe sie auf eine Mitbenutzung der Leitung zukommt.“
4 Wochen später, am 15. August 1920, fanden sich 54 Anwohner von Kleinforst zusammen, um eine Resolution an die Amtshauptmannschaft abzufassen. Die Kleinforster wagten sich da etwas, was vor Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Sicher ermutigt von den neuen politischen Verhältnissen und der Losung: „Alle Macht geht vom Volke aus“, formulierten sie am Biertisch in der „Goldenen Höhe“ ihre Eingabe. Der Ton fiel auch entsprechend aus:
" Unterzeichnete erheben schärfsten Protest gegen die flaue Behandlung der Kleinforster Wasserangelegenheit und bitten die Amtshauptmannschaft dringend darauf hinzuwirken, daß diese Sache nun endlich geregelt wird, da doch bei der jetzigen Jahreszeit und der anhaltenden Trockenheit die Wasserversorgung durch die alten Brunnen eine ganz schlechte ist, die Frauen stehen stundenlang wegen einem Eimer Wasser, wer macht dann die anderen häuslichen Arbeiten, da den Kindern unter 12 Jahren laut Gemeinderatsbeschluß das Pumpen an den alten Brunnen verboten ist.
Sollte in den nächsten Tagen die Angelegenheit nicht zur Erledigung kommen, so müssen wir es dem Ministerium übergeben und fordern die Stillegung der Wasserversorgung nach dem Berggut, da doch der Anschluß auf Kosten der Gemeinde geschehen ist, so hat doch der Herr Kästner genau nicht eher Anspruch auf Wasser als der Ortsteil Kleinforst.“
Dieses Schreiben trägt die Unterschrift von 54 Personen. Sie sind die Vorfahren vieler Kleinforster, die heute noch in der Siedlung wohnen. Was für ein schönes Dokument!

Am 16. November 1920 kam es zu einem Hauptvertrag zwischen dem Rittergutsbesitzer Franz Schubert und der Gemeinde Altoschatz mit Rosenthal und Kleinforst, der vom Oschatzer Justizrat Schmorl ausgearbeitet wurde. Von diesem Vertrag soll nachfolgend wenigstens die Einleitung wiedergegeben werden, da darin einige interessante Angaben gemacht wurden:
„Der Rittergutsbesitzer Franz Schubert ist Eigentümer der Parzellen No.107, 103a, 102, 94, 95, 96 und 98 des Flurbuchs für Altoschatz.
Der Stadtgemeinde stand bis Ende Oktober 1904 das Recht zu, auf Berggutsflur und auf den Parzellen Wasser zu gewinnen und das Wasser über die Rittergutsflur auf Kleinforst und die anschließenden Grundstücke zu leiten. Sie hat dieses Recht laut des in ihrem mit dem Vorbesitzer des Rittergutes Altoschatz am 22. Oktober 1904 vor dem Königlichen Landesgericht Dresden anhängig gewesenen Rechtsstreit 20 152/03 geschlossenen Vergleiches aufgegeben.
Neuerdings hat die Gemeinde Altoschatz mit Rosenthal und Kleinforst sich mit der Stadtgemeinde Oschatz dahin geeinigt, daß diese dem Ortsteil Kleinforst das benötigte Wasser unter Benutzung der zur früheren sogenannten Kleinforstwasserleitung gehörenden Rohre gegen Entgeld zuführt. Das seitens der Stadtgemeinde Oschatz an den Ortsteil Kleinforst abgegebene Wasserquantum wird durch eine am Stadtbad Oschatz aufzustellende Wasseruhr festgelegt.
Die Gemeinde Altoschatz mit Rosenthal und Kleinforst hat den Rittergutsbesitzer Franz Schubert in Altoschatz gebeten, ihr die Zuführung des Oschatzer Wassers auch durch Altoschatzer Rittergutsflur einzuräumen.“
Danach folgen die Bestimmungen des Vertrages. Der Rittergutsbesitzer behielt sich das Recht vor, sich an diese Wasserleitung zwecks unbeschränkter Entnahme von Wasser jederzeit anschließen zu können und diese auch dem Berggutsbesitzer Kästner gegen Zahlung von Gebühren mitbenutzen zu lassen. Er bedingte sich außerdem für jeden aus der Leitung entnommenen Kubikmeter Wasser den fünften Teil des von der Gemeinde an die Stadtgemeinde zu zahlenden Wasserzinses aus. Die Gemeinde verpflichtete sich, die Leitung auf ihre Kosten in gutem Zustand zu erhalten und alle anfallenden Reparaturkosten allein zu tragen.
Der Vertrag wurde auf unbefristete Zeit abgeschlossen.

Nun war der große Augenblick für Kleinforst gekommen. Die erste offizielle Wasserlieferung durch das Wasserwerk der Stadt Oschatz begann am Nachmittag, des 20. November 1920, wenn auch über den Umweg über die alte Kleinforstwasserleitung. Auch das Berggut wurde mit angeschlossen. Man kann sich die Freude der Anwohner gut vorstellen, auch wenn sie das Wasser nach wie vor am Hydranten holen mussten, denn einen Wasserhahn im Haus gab es immer noch nicht. Aber wenigstens genügend Wasser! 1921 schaffte man noch einen Abzweig für einen zweiten Wasserdruckständer, der an der Ecke des Frömsdorf´schen Grundstückes errichtet wurde. 1924 kam es sogar noch zur Einrichtung einer dritten Entnahmestelle. Vertraglich wurde dazu folgendes festgelegt:
„Herr Rittergutsbesitzer Schubert gestattet der Gemeinde Altoschatz mit Rosenthal und Kleinforst, auf ihre Kosten die Wasserleitung bis an das Hesse´sche Grundstück zu verlängern und einen Ständer aufzustellen. Jede weitere Verlängerung oder Veränderung an der Wasserleitung, insbesondere solche zur Errichtung von Hausanschlüssen, ist nicht gestattet.“
Damit hatte man an der Ecke der heutigen Forststraße/Querstraße und am Ende der oberen Häuserreihe in Richtung Stadtpark noch zwei weitere Wasserentnahmestellen geschaffen. Kleinforst war jetzt in der Wasserversorgung sogar besser gestellt als Altoschatz und Rosenthal, die das Wasser nach wie vor aus Brunnen entnehmen mussten.
Auch in Kleinforst war zumindest der Brunnen am Borngässchen noch weiter in Gebrauch. Fest steht auch, dass der Brunnenbauer Lorenz den hölzernen Ständer im Borngässchen noch nach 1945 warten und reparieren musste, um die Wasserversorgung bei Stromabschaltungen weiterhin zu ermöglichen. Einige Kleinforster behaupten sogar, dass die Plumpe im Jahre 1950 immer noch stand.
An den zweiten Brunnen, der an der heutigen Querstraße lag, können sich die Kleinforster weniger erinnern. Bis 1922 hat aber der Ständer ganz sicher noch gestanden, denn in diesem Jahr fiel der vierjährige Sohn des Schneidermeisters Curt Richter vom Schwengel auf die Betonabdeckung und zog sich dabei eine Platzwunde am Kopf zu. Die Narbe ist bei Horst Richter heute noch sichtbar!

Vergessen wir nicht, dass jede Plumpe, ganz gleich ob sie nun aus Holz oder aus Eisen war, im Winter gegen Einfrieren geschützt werden musste. Dazu wurde sie mit Stroh dick eingepackt. Das forderte sogar die Dorf-Feuerordnung von 1775, auch wenn es dort nur um die Absicherung der Löschwasserentnahme ging.

Doch nun wieder zurück in die zwanziger Jahre.

Wir befinden uns bereits in der Zeit, in der in Kleinforst mit dem Bau von Siedlungshäusern begonnen wurde und noch immer war an eine richtige Wasserversorgung aller Häuser mit Hausanschlüssen in Kleinforst nicht zu denken. Es war deshalb nicht verwunderlich, dass die Amtshauptmannschaft Oschatz im November 1924 die Gemeinde Altoschatz zum Handeln aufforderte.
„Im Ortsteil Kleinforst wird eine Wohnsiedlung errichtet. Drei Doppelwohnhäuser sind bereits erbaut. Der Herr Bezirksarzt legt den größten Wert darauf, daß die Versorgung der Siedlung mit gutem Trinkwasser bald geregelt wird. Er schlägt entweder den Anschluß an die bereits vorhandene Wasserleitung in Kleinforst oder wenigstens die Errichtung eines Hydranten in der Nähe der Siedlung vor.“

Der Bürgermeister der Gemeinde Altoschatz war damals Herr Silbermann. Er erklärt im Dezember 1924 gegenüber der Amtshauptmannschaft:
„Alle neuerbauten Siedlungshäuser sind mit Wasserleitung versehen. Die Wasserleitung ist jetzt schon bis zu den Stellen gebaut worden, wo im Frühjahr neue Häuser errichtet werden sollen. Die meisten Häuser haben bereits Hausanschlüsse, die übrigen Häuser sind z. Z. noch auf einen Wasserständer angewiesen , es ist aber geplant, so bald wie möglich auch diese Häuser mit Hausanschlüssen zu versehen.“
Dem Altoschatzer Bürgermeister war aber der Wasserpreis von 18 Pfennigen / m3 noch zu hoch, zumal ja noch die Abgabe von 20 % für die Rittergutsleitung dazukam. In einem Schreiben an das städtische Wasserwerk bat er 1925 um eine Ermäßigung und gab an, dass die Verbraucher ohne Ausnahme bedürftige Arbeiter sind. Die Antwort des Wasserwerkes war ablehnend. Die Kleinforster hatten schon den günstigen Großabnehmertarif, obwohl sie nur etwa 3300 m3 Wasser im Jahr abnahmen. Das ergab immerhin einen durchschnittlichen Wasserverbrauch von etwa 110 m3/ Haus.

Wir machen jetzt einen Sprung in das Jahr 1927. Im Januar wandte sich die Amtshauptmannschaft an das Finanzministerium mit dem folgenden Anliegen:
„Unmittelbar an die Stadt Oschatz grenzt im Süden die Gemeinde Altoschatz mit Kleinforst und Rosenthal. Diese enthält nur wenige landwirtschaftliche Betriebe, ist im übrigen vielmehr eine ausgesprochene Arbeiterwohnsitzgemeinde mit z. Z. 844 Einwohnern.
Die Wasserversorgung der Gemeinde ist z. Z. noch keineswegs zufrieden geregelt. Der Ortsteil Kleinforst erhält Wasser durch eine Privatleitung, die aber in keiner Weise genügt. Im übrigen sind die Einwohner auf Brunnen angewiesen, deren Wasser zum größten Teil keineswegs einwandfrei ist.
Es sind daher schon seit längerer Zeit Erörterungen darüber angestellt worden, wie diesem Übelstande am besten abgeholfen werden könnte. Es ist einerseits erwogen worden, eine eigene Wasserleitung zu bauen, anderseits ist geprüft worden, ob es sich empfiehlt, von der Stadt Oschatz Wasser zu beziehen.
Was den Bau einer eigenen Wasserleitung anbelangt, so hat der Elektrizitätsverband Gröba auf Antrag der Gemeinde durch die Firma Hermann Hempel in Waldheim eine Planung anfertigen lassen. Diese stellt sich jedoch so teuer, daß die Gemeinde Bedenken trägt, hierauf einzugehen.
Wegen des Anschlusses an die Stadt Oschatz schweben noch Erörterungen, doch ist der von der Stadt vorgelegte Vertragsentwurf derart ungünstig für die Gemeinde, daß eine Einigung sehr unwahrscheinlich ist. Jedenfalls kann mit dem Abschluß eines solchen Vertrages nicht gerechnet werden.
Bei dieser Sachlage wendet sich die Amtshauptmannschaft an das Finanzministerium mit der Bitte, der Gemeinde dadurch beizustehen, daß es durch einen geeigneten Wassertechniker eine neue, möglichst sparsame Planung für eine Wasserversorgungsanlage aufstellen läßt und die hierdurch entstehenden Kosten durch eine besondere Beihilfe deckt.“

In dieser Situation der Ratlosigkeit kam der Gemeinde der Brunnenbauer Lorenz wie gerufen. Er unterbreitete einen Vorschlag zum Bau einer selbständigen Wasserleitungsanlage in Altoschatz mit einem eigenen Pumpwerk und machte dazu einen außerordentlich günstigen Kostenanschlag. Herr Lorenz hatte auch bereits mit seinem Bruder Versuche mit der Wünschelrute durchgeführt und war dabei angeblich auch sehr erfolgreich.
Zum Glück gingen die Gemeindeverordneten auf diesen Vorschlag nicht ein und fassten am 10. März 1928 den einstimmigen Beschluss, sich an die Oschatzer Wasserleitung anzuschließen. Daraufhin wurde am 22. März 1928 der folgende Konzessionsvertrag zwischen der Stadt Oschatz und der Gesamtgemeinde Altoschatz durch die beiden Bürgermeister Dr. Sieblist und Silbermann unterzeichnet:
„Die Stadt Oschatz verpflichtet sich, die Gemeinde Altoschatz mit Kleinforst und Rosenthal mit Wasser zu versorgen und die zu diesem Zwecke erforderliche Zuleitung in 100 mm Stahlmuffenrohren bis zur Flurgrenze Altoschatz ( Kleinforst) auf ihre Kosten zu verlegen und zu unterhalten.
Der Bau und die Unterhaltung des Wasserleitungsrohrnetzes und die Abgabe des Wassers an die Bewohner innerhalb des Bezirkes der Gemeinde ist Sache der Gemeinde Altoschatz. Die Gemeinde verspricht jedoch, die Ausführung dieses Rohrnetzes, wenn irgend möglich, dem städtischen Wasserwerk zu Oschatz zu übertragen.
Der Verkaufspreis für das an die Gemeinde gelieferte Wasser beträgt 0.18 RM je cbm.
Der Vertrag läuft von dem 1. Oktober 1927 an 25 Jahre.“

Bereits im Mai 1928 wurde mit dem Bau der Wasserleitung begonnen und am 15. November des gleichen Jahres war sie vollständig fertiggestellt!
Am Ende des Abschlußberichtes heißt es: „Der Brunnenbauer Lorenz aus Thalheim, der die Wasserleitung gebaut hat, ist damit beschäftigt, seine Rechnung aufzustellen.“

Nach der endgültigen Abrechnung betrugen die Gesamtausgaben:
Daran beteiligte sich das Arbeitsamt mit Fördergeldern bei der Finanzierung der Notstandsarbeiten mit:
Die Beihilfe des Straßen- und Wasserbauamtes betrug:
Die letzten beide Beträge waren weder zu tilgen noch zu verzinsen.
Durch Darlehnsaufnahme waren danach lediglich zu decken
54.617 RM
10.617 RM
7.000 RM

37.000 RM

Im Finanzbericht heißt es dazu:„37.000 RM müssen innerhalb von 15 Jahren getilgt werden mit einer jährlichen Tilgungssumme von 2.400 RM während der ersten 10 Jahre und 2.600 RM während der weiteren 5 Jahre. Verzinst wird das Darlehn mit jährlich 4 %. Schätzungsweise wird angenommen, daß die kapitalisierenden Zinsen noch weitere 8.000 RM betragen werden, sodaß der Gesamtbedarf während der nächsten 15 Jahre an Tilgungs- und Zinsbeträgen 45.000 RM betragen wird.
Dieser Betrag soll durch eine Bauabgabe von den einzelnen Grundstückseigentümern, die an die Wasserleitung angeschlossen worden sind, aufgebracht werden, sodaß also das inzwischen für die Bezahlung der Baukosten aufgenommene Darlehen lediglich als Zwischenfinanzierung aufzufassen ist.“

Die Kleinforster hatten nun ihr Wasser und die Gemeinde Altoschatz die Sorgen mit der Finanzierung.
Wir sind in der Zeit der Weltwirtschaftskrise, die im Oktober 1929 eingeleitet wurde. Die weltweite Rezession wirkte sich auch verheerend auf Deutschland aus. Das Haushaltsdefizit des Reiches betrug zu dieser Zeit 1,7 Milliarden Reichsmark, für die damalige Zeit eine riesige Summe. Deutschland hatte 1930 4,4 Millionen Arbeitslose, diese Zahl stieg noch bis 1932 auf über 6 Millionen an!
Aus dieser Sicht müssen wir heute die Situation des Altoschatzer Bürgermeisters sehen, der am 14. Juni 1930 eine verzweifelte Erklärung gegenüber dem Arbeits- und Wohlfahrtsministerium abgab.
„Das Arbeits- und Wohlfahrtsministerium und das Landesarbeitsamt Sachsen hat der Gemeinde Altoschatz zum Bau einer Wasserleitung je ein Darlehn von 18.500 RM (also insgesamt 37.000 RM) aus Mitteln für verstärkte Förderung von Notstandsarbeiten gewährt. Der Tilgungs- und Zinsendienst für beide Darlehn beginnt mit dem 1. Juli 1930. Aus Gründen unvorhergesehener Fälle ist die Gemeinde Altoschatz jetzt nicht in der Lage, die fällig werdenden Tilgungsraten zu leisten. So mußte die Gemeinde nach Beendigung des Wasserleitungsbaues noch 4.000 RM für Tieferlegung der im Ortsteil Kleinforst im Jahre 1926 errichteten sogenannten alten Wasserleitung verausgaben. Diese Ausgabe war unbedingt notwendig, um die alte Wasserleitung an das neuerrichtete Wasserleitungsnetz anzuschließen.
Die rund 1100 Köpfe zählende Arbeitergemeinde ist auch finanziell insofern schwer bedrängt, als von den Arbeitern mindestens 2/3 erwerbslos und der größte Teil davon ausgesteuert ist und aus Wohlfahrtsführsorgemitteln unterstützt werden muß.
Obwohl die Gemeinde zeitweise nicht weiß, woher sie diese Mittel nehmen soll, muß sie doch bestrebt bleiben, diese Beträge in erster Linie aufzubringen.
An eine Auszahlung des Bürgermeisters Gehaltes war in den letzten Monaten nicht zu denken. Hierbei wird noch darauf hingewiesen, daß die Geschäfte der 1100 Köpfe zählenden Gemeinde nur von einem nichtberufsmäßigen Bürgermeister bewältigt werden müssen, da Mittel für eine Hilfskraft nicht aufgebracht werden können, während andere Gemeinden mit denselben Verhältnissen außer dem berufsmäßigen Bürgermeister noch 1 bis 2 Beamte oder Angestellte beschäftigen und besolden. Aus dieser knappen Begründung dürfte hervorgehen, wie schwer die Gemeinde finanziell zu kämpfen hat.
Auf Grund vorstehender Ausführungen bitten wir zu genehmigen, die fällig werdenden Tilgungsbeträge erst am 1. Juli 1931 beginnen zu lassen und diese Tilgungsbeträge bis dahin zinslos zu stunden. Den Zinsendienst für die Darlehen wird die Gemeinde ab 1. Juli 1930 ordnungsgemäß einhalten.“

Über die sozialen Verhältnisse der Gemeindemitglieder informierte der Bürgermeister in einem anderen Schreiben an die Amtshauptmannschaft Oschatz noch etwas ausführlicher:
„Die Gemeinde Altoschatz ist zur Tilgung der Darlehen erst dann imstande, wenn sie die Tilgungsbeträge von den an die Wasserleitung angeschlossenen Grundstücksbesitzern erstattet erhält. Der größte Teil der Grundstücksbesitzer besteht aber aus Arbeitern (98%) und Landwirten. Beide Berufe sind aber, wie nicht weiter ausgeführt zu werden braucht, in außerordentlich schwer bedrängter Lage. Mindestens 80 % der Arbeiter sind erwerbslos, die anderen 20 % arbeiten nicht mehr voll, haben also ebenfalls stark verringerten Verdienst. Auch die Lage in der Landwirtschaft ist so, daß sie mit besonderen Abgaben keineswegs mehr belastet werden kann, zumal diese infolge der Erwerbslosigkeit der übrigen Bevölkerung auch schwer für einen Absatz ihrer Produkte innerhalb der Gemeinde zu kämpfen hat.
Nach alledem ist es ausgeschlossen, daß die Grundstückseigentümer nunmehr außer dem Wasserzins noch die Bauabgabe, welche zur Tilgung der aufgenommenen Darlehen verwendet werden soll, zahlen können.
Die Gemeinde Altoschatz bittet daher die Amtshauptmannschaft, bei dem Herrn Präsidenten des Landesarbeitsamtes Sachsen dringend dahin vorstellig zu werden, daß der Tilgungsbeginn vom 1. Juli 1931 abermals verlegt und auf zeitigstens den 1. Juli 1932 festgesetzt wird.“

So hatte der glückliche Ausgang der Wassergeschichte für alle Beteiligten doch noch einen faden Beigeschmack erhalten. Man hatte zwar jetzt eine wunderbare Wasserleitung, aber nicht das Geld, diese bezahlen zu können. So kam man trotz allen Fortschritts erst einmal vom Regen in die Traufe.

Nach Fertigstellung der Wasserleitung gab es noch einen bemerkenswerten Zwischenfall. Der Winter 1928/29 brachte unserer Region außergewöhnlich starke Fröste, die sogar die Elbe zufrieren ließen. Der „Oschatzer Gemeinnützige“ gab dazu am 12. Februar 1929 folgenden Bericht:
„Sibirische Kälte in Deutschland. Am Montag 30 Grad in Oschatz. Selbst die Doppelfenster waren vollkommen zugefroren. Man musste die Quecksilbersäule erst suchen, weil man sie in solchen Tiefen nicht erwartet. Nach mündlichen Angaben sollen in der Umgebung in der Nacht zum Montag bis 34 Grad Kälte gemessen worden sein.
In Oschatz trafen die Züge von Leipzig mit einer Verspätung bis zu 80 Minuten ein. Die Dresdner Züge hatten ½ bis 2 Stunden Verspätung.“
Das Modehaus Ernst Schmidt in Oschatz sah daraufhin eine günstige Gelegenheit, seine Lagerbestände an Decken abzubauen und gab beim „Oschatzer Gemeinnützigen“ folgende Anzeige auf:

Für die große Kälte empfehlen wir in reicher Auswahl: Schlafdecken, Kamelhaardecken, Reisedecken und Wolldecken.

Am 14. Februar erschien im „Gemeinnützigen“ noch folgende Meldung: „Die Elbe vereist von Hamburg bis Dresden. Damit ist die Elbe seit 1830 zum ersten mal wieder zugefroren. Durch das Einfrieren der Zuleitungsrohre sind bereits etwa 150 Häuser in Oschatz ohne Wasser, ohne dass infolge des festgefrorenen Bodens Abhilfe geschaffen werden kann.“

Kein Wort zur Situation in Kleinforst. Die Siedlung hing ja seit November 1928 auch an der städtischen Wasserleitung. Frau Kohnen aus der Paul-Schuster-Straße kann sich aber noch gut daran erinnern, dass ihre Mutter von dem kalten Winter 1928/29 erzählt hat und dass es in dieser Zeit in Kleinforst kein Wasser gegeben hätte. Die Anwohner wären dadurch wieder gezwungen gewesen, ihr Wasser am Gemeindebrunnen zu holen.
Anscheinend lag ein Teil der Kleinforster Wasserleitung nicht tief genug und war eingefroren. Das war sicher das Stück der alten Kleinforster Wasserleitung von 1926, denn im Juni 1930 wurden von der Gemeindeverwaltung Mehrausgaben in Höhe von 4000 Mark für die Tieferlegung der „sogenannten alten Wasserleitung“ angegeben.

Wie sich die Kälte auf den menschlichen Körper auswirkte, schildert ein Bericht aus Riesa, der auch am 14. Februar im „Oschatzer Gemeinnützigen“ erschien:
„Bei einem Fußballspiel im benachbarten Gröditz sind innerhalb von 7 Minuten vier Spielern die Ohren erfroren. Das Spiel musste wegen der grimmigen Kälte abgebrochen werden.“

Am 28. April 1929 fasste man die außergewöhnlichen Ergebnisse des vergangenen Winters schon einmal zusammen, zumindest was die Temperaturen betraf. Danach waren die mittleren Monatswerte des Januar infolge der langen Frostperiode, die am 8. Dezember begonnen hatte, außergewöhnlich niedrig. Der Februar war im Durchschnitt der kälteste Februar seit dem Jahre 1720. Er gehörte damit zu den kältesten Monaten, die man bisher überhaupt ermitteln konnte!

Wenige Monate später wurden auch die Wildverluste für den Winter 1928/29 im Freistaat Sachsen aufgelistet. Danach wurden verendet aufgefunden:
An Rotwild: 52 Hirsche, 81 Stück Kahlwild und 225 Kälber, zusammen 358 Stück.
An Rehwild: 1.684 Böcke, 3.842 Ricken und 4.657 Kälber, zusammen 10.183 Stück.
Weiterhin 15.748 Hasen, 5.o23 Kaninchen, 4.484 Fasane, 1.112 Wildenten und 12.147 Rebhühner.

Viel Wild, vor allem Kleinwild, wurde damals überhaupt nicht aufgefunden. Damit war die tatsächliche Verlustquote noch erheblich höher und lässt erahnen, welchen enormen Schaden dieser Winter am Wildbestand angerichtet hatte. Besonders stark waren die Amtshauptmannschaften Bautzen, Oschatz, Grimma und Borna betroffen. Vor allem der starke Verlust an Rebhühnern wurde damals bedauert, „ ... da sie die besten Insekten- und Unkrautsamenvertilger sind.“

Das war also die unendliche Geschichte der Wasserversorgung der Siedlung Kleinforst. Sie ist deshalb so umfangreich geworden, weil sie über einen Zeitraum von über 100 Jahren hinweggeht. Über 100 Jahre Kampf um eines der notwendigsten Nahrungsmittel überhaupt. Das konnte man unmöglich in ein paar Seiten abhandeln, das waren wir unseren Kleinforster Vorfahren einfach schuldig!

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