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Wie der elektrische Strom nach Kleinforst kam
Ein Beitrag von Dieter Görner und Hermann Schöne

Eine genaue Angabe dazu, wann die erste Stromleitung nach Kleinforst gelegt worden ist, fehlt leider. Sicher ist aber, dass der Anschluss der einzelnen Häuser an das Stromnetz nicht auf einmal passierte, sondern sich über Jahre hinzog. Nicht jeder Hausbesitzer konnte sich gleich eine elektrische Installation leisten und blieb lieber erst einmal bei der gewohnten und preiswerten Beleuchtung mit der Petroleumfunzel. Dazu kamen sicher noch die Vorbehalte, die viele Anwohner erst einmal gegenüber der neumodischen Elektrizität hatten. Ein bisschen Angst wird auch dabei gewesen sein, denn man hatte ja schon von einigen Unfällen gehört! So dauerte es bei einigen schon etwas, bis sie den elektrischen Strom und damit die Neuzeit ins Haus ließen.
Übrigens gab es die Petroleumlampen auch erst seit etwa 1845, davor wurden Öllampen mit Rüböl benutzt.
Während der Altoschatzer Gasthof „Haus Hohenzollern“ bereits 1904 seine elektrische Beleuchtung als besondere Attraktion anzeigte, kann man mit Sicherheit annehmen, dass die ersten Häuser von Kleinforst erst gegen 1913 mit einer „elektrischen Lichtanlage“ ausgerüstet wurden. Darunter ist keinesfalls eine komplette Elektroinstallation zu verstehen, die das ganze Haus beleuchtete. In den meisten Häusern gab es nur eine einzige Lampe und die hatte in der Regel auch nur eine Glühbirne von 15 Watt.
Steckdosen gab es anfangs auch nicht. Mit dem Angebot elektrischer Geräte hatte man deshalb schon bald ein Problem. Man konnte sie nur über eine Schraubfassung mit Steckvorrichtung betreiben, die in die Stubenlampe eingeschraubt wurde. Sie hielten sich lange in den Haushalten, später wurden sie verboten.
Während sich in den alten Kleinforster Häusern der Anschluss an das Stromnetz bis zum Ende der 20er Jahre hinzog, wurden die ab 1922 gebauten neuen Siedlungshäuser natürlich gleich angeschlossen. Das Haus Nr.25 bekam aber seine Elektroleitung z. B. erst 1928.
Altoschatz scheint bei der Elektrifizierung etwas fortschrittlicher gewesen zu sein. In der Jubiläumsausgabe des „Oschatzer Gemeinnützigen“ vom 1. Oktober 1926 heißt es: „Altoschatz war einer der ersten Orte, die 1912 die elektrische Hausbeleuchtung einführten. Seit 1925 hat Altoschatz, sowie Rosenthal und Kleinforst, auch Straßenbeleuchtung.“
Interessant ist noch, woher der Strom eigentlich kam.
1909 wurde in Oschatz das städtische Elektrizitätswerk gebaut. Die Drehstromgeneratoren wurden durch Dampfturbinen angetrieben. 1926 verfügte das „Kraftwerk“ über eine Gesamtmaschinenleistung von 1650 PS. Das Elektrizitätswerk versorgte aber nur Oschatz und Zschöllau mit Elektroenergie.
Zur Sicherheit und um Spitzenbelastungen abdecken zu können, schloss man sich 1921 am Hutberg an die Überlandzentrale Gröba an. Der Elektrizitätsverband Gröba wurde 1910 mit Unterstützung des Gemeindeverbandes für die Stromversorgung der Amtshauptmannschaften Großenhain, Oschatz, Meißen und Döbeln gegründet. Ihm schlossen sich in kurzer Zeit etwa 600 Gemeinden und Gutsbezirke der genannten Amtshauptmannschaften an, so dass es möglich wurde, großzügig zu planen. Besonders begünstigt wurde die Gründung des Verbandes dadurch, dass die Aktiengesellschaft Lauchhammer zur gleichen Zeit eine Fernleitung zwischen ihrem Kraftwerk im Lausitzer Braunkohlengebiet und den Eisenwerken in Gröditz und Riesa errichtete. Dabei wurde erstmals in Europa die Spannung von 110 000 Volt für die Hochspannungsanlagen gewählt. Durch einen Stromlieferungsvertrag sicherte sich der Elektrizitätsverband Gröba die Stromlieferung auf die Dauer von 30 Jahren. Innerhalb kürzester Zeit entstand damals das größte Verteilungsnetz in Deutschland. Durch den ständig ansteigenden Strombedarf sicherte sich der Verband später auch noch Leistungen aus den Großkraftwerken Lauta und Hirschfelde.
Der Elektrizitätsverband Gröba arbeitete von seinem Standort aus eigentlich nur am Aufbau des Stromnetzes mit allen technischen und organisatorischen Leistungen und hatte die Verantwortung für die Einspeisung des Stromes über eine Schaltzentrale. Das eigene Kraftwerk gab nur Strom in den Spitzenzeiten ab, das gleiche tat ab 1921 auch das Oschatzer Elektrizitätswerk.
Über das Verteilernetz gelangte der Strom über die Trafostation Altoschatz und über eine 15 000 Volt Freileitung zu einer Bockmast-Station in Kleinforst. Diese vierbeinige Holzkonstruktion mit Trafo stand auf dem heutigen Grundstück der Familie Sander an der Forststraße. Dort wurde der Strom von der Eingangsspannung 15 000 Volt auf 110/220 Volt Niederspannung herunter transformiert. Das bedeutete, dass die Haushalte damals ihre Geräte mit einer Spannung von 110 Volt betreiben mussten. Dazu gehörten auch die 1977 bis 1980 gebauten neuen Eigenheime in der Forststraße. Diese Spannung lag für den überwiegenden Teil der Kleinforster Haushalte noch bis 1984 an.
Die Holzmaststation wurde 1978 durch eine massive Trafostation in Beton-Fertigplattenbauweise ersetzt. Der neue Standort dafür lag diesmal aber etwas weiter unten in der Forststraße. Für diese Station wurde ein neues 20 kV Erdkabel von Altoschatz her verlegt und die untere Hälfte der Querstraße und die Häuser an der Aue auf 3 x 220/380 Volt umgestellt. Für diese Haushalte hatten nun die 110 Volt-Geräte ausgedient. Die Umstellung der restlichen Straßenzüge wurde erst 1984 abgeschlossen!
Die Materialsorgen der Volkswirtschaft der DDR machten auch um Kleinforst keinen Bogen. Buntmetall wurde dringend benötigt, ganz gleich woher. In den Jahren 1975 und 1986 wurden deshalb von der Energieversorgung die Freileitungskabel mit Kupferdrähten gegen Kabel mit Aluminiumdrähten ausgetauscht. Strom gab es in Kleinforst deswegen aber immer noch.




Ein Nachtwächter in Kleinforst

Fest steht, dass Altoschatz und Rosenthal einen Nachtwächter hatten. Er wurde1840 zum ersten Male im Gemeindebuch erwähnt, als in der Gemeindeversammlung folgendes festgelegt wurde:
Ein Nachtwächter„Zu dem Gehalte des Nachtwächters hat jedweder Nachbar dazu beyzutragen und den ihn bestimmten Lohn von 26 Thl. nach 61 Stellen auszubringen, in Altoschatz sind 36 Stellen und in Rosenthal 25 Stellen berechnet.“
Kleinforst hatte also nichts zum Gehalt des Nachtwächters beizutragen, obwohl es zu dieser Zeit ebenso viel Häuser hatte wie Rosenthal und auch mit zur Gesamtgemeinde Altoschatz gehörte. Wer nicht zahlt, hat auch keine Leistung zu erwarten. Eigentlich schade, denn das Bild eines Nachtwächters zwischen den strohgedeckten kleinen Häusern des kleinen Forstes hätten wir uns gut vorstellen können.
Ganz sicher wurde die Siedlung später doch noch mit einbezogen, denn ältere Kleinforster können sich noch an den Nachtwächter August Fuhrmann erinnern. Er war gleichzeitig Gemeindediener und wohnte in Rosenthal.
August Fuhrmann hatte sich 1929 mit 6 weiteren Interessenten bei der Gemeinde für diesen Posten beworben und wurde von den Gemeindevertretern einstimmig zum neuen Nachtwächter und Gemeindediener bestimmt. Die weiteren Bewerber waren damals:

Emil Dittrich aus Altoschatz
Max Winkler aus Altoschatz
Oswald Hesse aus Altoschatz
Richard Reiche aus Kleinforst
Franz Pötzsch aus Kleinforst
und Gustav Ritter aus Kleinforst

August Fuhrmann war Nachtwächter und Gemeindediener bis zum Juli 1933. Die neuen Gemeindeverordneten, die alle der NSDAP angehörten, kündigten ihm kurz nach ihrer „Machtergreifung“ seine Stellung auf.
1934 wurde für die Nachtwache und für den Gemeindedienst Otto Streubel eingesetzt. Er erhielt für diese Tätigkeit 75 RM, die ein Jahr später auf 100 RM erhöht wurde.
Auch nach Ende des 2. Weltkrieges wurde in der Gemeinde Altoschatz ein Nachtwächter und Gemeindediener beschäftigt. Dessen Name wurde im Gemeindebuch leider nicht genannt, dafür aber sein Gehalt. Es betrug 1947 180 RM im Monat.
Das letzte Mal wird ein Nachtwächter am 31. Januar 1949 erwähnt, danach verliert sich seine Spur. Wer wird wohl der Letzte seines Standes gewesen sein?
Die Verbindung des Gemeindedienstes mit der Tätigkeit der Nachtwache wurde 1927 in der Gemeinde Altoschatz eingeführt. Vorher, von 1921 ab, war der Dienst des Nachtwächters mit dem Kirchendienst verbunden. Gemeinde und Kirche teilten sich in die Kosten.
Eigentlich müssten in diesem Kapitel auch noch die Flurschützer erwähnt werden, die gleich nach dem 2. Weltkrieg von der Gemeinde Altoschatz eingesetzt wurden. Sie sollten den Diebstahl auf den Feldern verhindern und diese Aufgabe hatten die Nachtwächter früher auch. Aber so richtig passen sie doch nicht in das Thema, weil die Nachtwächter früher auch noch ganz andere Aufgaben zu erfüllen hatten. Es wäre also verwegen, die Flurschützer mit den Nachtwächtern gleichzusetzen. Deshalb soll an dieser Stelle nicht weiter auf dieses Thema eingegangen werden. Die Flurschützer werden aber nicht ganz vergessen, in dem Kapitel „Kleinforster erzählen ihre Geschichte“ wird über ihre Arbeit ausführlich berichtet.




Kleinforster Poesie

Kleinforster_PoesieEin Stück Kleinforster Poesie haben wir dem guten Gedächtnis von Otmar Krohn zu verdanken. Er wurde 1929 in Kleinforst geboren, seine Familie wohnte damals im Haus Nr.16, also im letzten Gebäude der unteren Häuserreihe (heute An der Aue 1). Von seiner Großmutter wusste er noch einen Reim, den er im August 2002 für uns aufschrieb.

Reichens wohnen an der Ecke,
die Kretzschmar´n flickt die Säcke,
ie Monden guckt zum Fenster raus,
die Witt´chen treibt die Schweine naus,
die Ditt´chen (Dietrich) hat ein Säckchen Korn,
bei Ehrlichs ist das Bier verdor´m,
der Gruhlen tut das Köpfchen weh,
die Tischer´n kocht ein Töpfchen Tee,
Schubert ist ein Hungerknochen,
Lucas der geht Steine pochen,
die Voigt´n hat en großen Fimmel,
die Barth´n denkt, sie wohnt im Himmel,
Aders ham en großen Hof,
da scheißen Müller´s Kinder droff,
die Gallen hat en großen Hund,
bei Knetschke´ns da ist alles bunt.

Dieser Reim ist wahrscheinlich gegen Ende der 20er Jahre entstanden. Aus jedem Haus entlang der unteren Reihe wurde eine Person aufs Korn genommen. Das Tischer´sche Haus mit der Nr.8 gehörte damals noch dazu, heute zählt es wegen des seitlichen Hauseinganges zur Querstraße.
Diesen Reim kann man ohne Bedenken in das große Gebiet der Volksdichtung einordnen, zu dem auch die Volkslieder, die Trink- und Scherzlieder, die Auszählreime der Kinder und die gereimten Bauern- und Wetterregeln gehören.
Lieder und Reime wurden bei Geselligkeiten gern vorgetragen, ganz gleich ob im Wirtshaus, beim Federnschleißen oder bei Familienfeiern. Sie dienten der Erheiterung und der Unterhaltung. Wenn es auch an Derbheiten nicht fehlte, übler Spott oder beißende Ironie kamen in den Texten nicht vor. Man durfte aber auch nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen.
Oft wurden diese Reime von Generation zu Generation mündlich weitergegeben, sie ließen sich ja auch gut merken. Auf diese Weise ist uns auch ein Stück Kleinforster Poesie erhalten geblieben, über die wir heute wirklich stolz sein können, denn so oft gibt es sie nicht mehr.

Im „Rundblick Lesebuch“ fand ich einen ähnlichen Reim, der aus dem kleinen Dorf Pauschwitz bei Trebsen stammt. Anfangs des 20. Jahrhunderts gehörten 26 Häuser zu dieser Ansiedlung und alle Hausbesitzer wurden in den Text mit einbezogen. In der Art und Weise ist der Pauschwitzer Reim der Kleinforster Version verblüffend ähnlich! Hier ein Auszug daraus:

Heik´s schlachd´n ä Kalb,
Seifert´s krein es halb,
Höhn´s krein is Gekröse,
Kermes wern drüber böse,
Claus Wilhelm (der Stellmacher) bohrt die Räder krumm,
Lumsch (Lommatzsch) Heinrich spricht: der is ä bisch´n dumm,
Schmidts woh´n an dor Ecke,
Moosdorf´s flicken Säcke,
Schmelzer Hermann is efters besuffen,
Maliken Heinrich hat´s o mit betruffen,
de Rinkefeil´n is nich gesund,
Steen´s Moritz hat en großen Hund,
Kunath Edward wohnt uff´n Berche,
Behm´s Hermann singt wie ne Lerche,
Richter Ernst hat en Schimmel, der ist blind,
Wittch´s Ernst, der saust wie dor Wind,
Schmidt´s Draugudd is ä kleener Mann
Läß´chs August siehd´n von vurne an (die Haustüren beider Häuser waren einander zugewendet),
Born´s Guddlob und seine Jette,
die tanz´n Tag und Nacht um de Wette.

Otmar Krohn schrieb den Kleinforster Reim im August 2002 auf und starb nur ein Jahr später am 14. November 2003 im Alter von 74 Jahren.
Mit Mühe erinnerten sich auch noch einige andere Kleinforster an diesen Text. Ja, das Gedächtnis! In dieser Hinsicht hatte Otmar Krohn keine Probleme. Ohne groß zu überlegen, schrieb er den Reim damals in der „Goldenen Höhe“ auf einem Zettel nieder.

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