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Geschichte des Oschatzer Krankenhauses |
Das Oschatzer Krankenhaus wurde nach 2-jähriger Bauzeit am 10. September 1895 eröffnet und begeht in diesem Jahr seinen 110. Geburtstag. Dieses Jubiläum war uns Anlass, seine wechselvolle Geschichte zu verfolgen und in Wort und Bild festzuhalten. Das Studium der städtischen Krankenhausakten, die Konsultation von Nachfahren ehemaliger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Gespräche mit Zeitzeugen versetzten uns in die Lage, manche Daten zu korrigieren und das Bild von der historischen Entwicklung unseres Krankenhauses weiter abzurunden. Mit der Geschichte des Krankenhauses wird nicht nur die Entwicklung der stationären medizinischen Betreuung über die Jahrhunderte dargestellt, sondern auch ein Teil der Oschatzer Stadtgeschichte reflektiert. Blicken wir zurück: Vermutlich seit 1300 gab es das „Hospital zu St. Georg“ und seit 1354 das „Hospital zum fernen Siechen“. 1394 wurde das „Hospital zu St. Elisabeth“ für die Armen gestiftet und im Stadtgut „Rotes Vorwerk“ richtete der Stadtrat die ersten, einem Krankenhaus entsprechenden Räume, die als solche bis 1895 unterhalten wurden, ein. Der Neubau des Stadtkrankenhauses am Stadtpark 1895 war die Geburtsstunde unseres heutigen Krankenhauses. Der Anbau des Südflügels zwischen 1938 und 1939 und der damit verbundene Bettenzuwachs führten zur Nutzung des Krankenhauses als Lazarett von 1939 bis 1947 für die Deutsche Wehrmacht und die Rote Armee. Zahlreiche Um- und Anbauten am Krankenhaus, die Schaffung einer Poliklinik in der Burgstraße 1948, der Wechsel des Stadtkrankenhauses in die Verantwortung des Rates des Kreises Oschatz 1951 und der Neubau der Gynäkologisch-geburtshilflichen Abteilung 1980 prägten die Entwicklung nach der Gründung der DDR. Die gesellschaftlichen Veränderungen in Deutschland im Jahre 1989 führten zu einer grundlegenden Neustrukturierung des Oschatzer Krankenhausstandortes. Mit dem 1998 fertiggestellten „Teilersatzbau“ und der 2002 abgeschlossenen Rekonstruktion des alten Krankenhauses wurde ein den heutigen Anforderungen entsprechender komplexer Standort für eine zeitgemäße gesundheitliche Betreuung geschaffen. Es ist unser Anliegen, die unter schwierigen Bedingungen geleistete Arbeit unserer Vorfahren am Stadtkrankenhaus und Kreiskrankenhaus Oschatz zu ehren und die Leistungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Collm Klinik Oschatz zu würdigen. Der ständige Ausbau des Krankenhauses hat es erfordert, dass zunehmend sehr unterschiedliche Berufsgruppen und Fachgebiete zusammen arbeiteten mussten. Ohne diese konstruktive Zusammenarbeit und das persönliche Engagement des Einzelnen zum Wohle der Kranken könnten wir heute nicht auf eine erfolgreiche Entwicklung unseres Krankenhauses zurückblicken. Möge es uns auch in Zukunft gelingen, das Vertrauen unserer Patientinnen und Patienten jederzeit zu rechtfertigen. Bei der Erarbeitung des vorliegenden Buches wurden wir von vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Collm Klinik unterstützt. Frau Cornelia Höschel, Stadtarchivarin des Oschatzer Stadtarchivs und Frau Dana Bach, Museumsleiterin des Stadt- und Waagenmuseum Oschatz halfen uns bei den notwendigen Nachforschungen. Ihnen allen gilt unser besonderer Dank. Für die sehr gute Zusammenarbeit und die gelungene Ausstattung des Buches danken wir der Druckerei Wagner GmbH in Großschirma. Oschatz, im September 2005
Vom Georgen-Hospital zur Collm Klinik Oschatz Die Anfänge des Krankenhauswesens in Oschatz Die Vorläufer der heutigen Krankenhäuser waren Hospitäler, die im 4. Jahrhundert zuerst in Kleinasien entstanden. Darunter waren Herbergen, Pflegehäuser und Versorgungshäuser für Alte, Kranke, Sieche, Obdachlose und Reisende zu verstehen. Viele Hospitäler widmeten sich den infektiös Erkrankten und so entwickelten sich besondere Lepra- und Pesthäuser. In unserer Region ist überliefert, dass die heutige Waldgaststätte „Hospitalhütte“ in der Dahlener Heide den Pestkranken der Stadt Dahlen und seiner Umgebung als Unterkunft gedient haben soll. Folgt man den Aufzeichnungen des Oschatzer Stadtchronisten Carl Samuel Hoffmann, so wurden in der Stadt Oschatz das „Altoschatzer-Viertel“, „Brüder-Viertel“, „Hospital-Viertel“, und „Strehlaische-Viertel“ sowie die ebenso benannten Vorstädte unterschieden. Im „Brüder-Viertel“, in der „Hospitalvorstadt“ und „Brüdervorstadt“ sowie weit außerhalb der Stadt, wurden durch den Stadtrat und private Personen Hospitäler und Lazarette gestiftet und eingerichtet. An dieser Stelle sei schon bemerkt, dass die Bezeichnungen Hospital1 , Spital2 und Lazarett 3 früher synonym verwandt wurden, weil sie die gleichen inhaltlichen Bedeutungen hatten; heute verstehen wir unter einem Lazarett nur ein von Militärangehörigen genutztes Krankenhaus. Oschatzer Stadtansicht mit dem Georgen-Hospital von Wilhelm Dillich 1628 Nach dem ältesten „Hospital zu St. Georg“, von dem später noch die Rede sein wird, stiftete der Rat der Stadt Oschatz, urkundlich belegt, im Jahre 1354 das „Hospital zum fernen Siechen“. Hier wurden nur Sieche untergebracht, die von ansteckenden Krankheiten, wie Blattern, Aussatz oder Venusseuche4 befallen waren. Man nannte diese Kranken auch Sondersieche, weil sie außerhalb von der Stadt abgesondert wurden. Das Hospital soll weit vor dem Brüdertor, an der Straße nach Leipzig, gelegen haben. Nach dem 7-jährigen Krieg (1756 bis1763) haben die Truppen Napoleons 1813 (Napoleonische Kriege 1803 bis 1815) die Kapelle des Hospitals zerstört. Offensichtlich war das Hospital in einem schlechten baulichen Zustand, denn man plante im Jahre 1816 den Neubau eines „Hospitals zum fernen Siechen“, der aber nicht ausgeführt wurde. Die vorliegenden Baupläne sind aber insofern interessant, als aus ihnen der vielseitige Charakter dieser Hospitäler, nämlich die Versorgung von Armen und Kranken, eindeutig hervor geht. Zeichnung, Hospital zum fernen Siechen, Repro: Dr. Schollmeyer Der Prediger Nikolaus Homut richtete in dem 1394 von ihm käuflich erworbenen Gebäude, welches mit seinem Standort dem
heutigen Archidiakonat, an der Ecke Brüderstraße gegenüber der Klosterkirche entsprach, das „Hospital zu St. Elisabeth“ ein und stellte es den Armen der Stadt Oschatz zur
Verfügung. Nach der Reformation 1539 diente das Haus dann dem Diakon als Wohnung.
Von der gesamten Anlage existiert heute nur noch die Klosterkirche. Die Insassen des „Hospitals für alte Frauen“ wurden 1838 in das Rote Vorwerk verlegt. Das vom Stadtrat 1614 auf dem Grundstück eines ehemaligen Vorwerks ebenfalls in der Hospitalvorstadt erbaute „Lazarett“, diente in Zeiten großer Epidemien als Siechhaus den Sterbenden, aber auch den Obdachlosen, kranken Handwerksgesellen und Dienstboten als Bleibe. Das Gebäude fiel aber schon zwei Jahre später dem Stadtbrand 1616 zum Opfer und wurde erst 1741 wieder aufgebaut. Es handelt sich bei diesem Gebäude offensichtlich um das in den Krankenhausakten des Stadtarchivs 1741 dokumentierte „Siech- und Krankenhaus bei der Stadt Oschatz“. Dieses Siech- und Krankenhaus findet sich auf Flur- und Stadtplänen aus dem 18. und 19. Jahrhundert außerhalb der Hospitalvorstadt als „Lazarett“ gegenüber der Gänsegrube. Der Oschatzer Stadtchronist Hoffman beschreibt das „Lazarett“ 1815 ebenfalls gegenüber der Gänsegrube, vermerkt seine Nutzung für die in Oschatz befindliche Garnision und schildert es im Zusammenhang mit seiner Beschreibung der ehemaligen Weinberge, die einst dem Georgen-Hospital gehörten: „Diese Weinberge lagen hinter einander und zwar auf der rechten Seite des Fußsteiges, der nach Naundorf führt; sie nahmen ihren Anfang hinter dem jetzigen Lazarett und endigten sich mit Wolkes Weinberghause...“ In der „Neuen Sächsischen Kirchengalerie“ von 1901 findet sich die Lithographie „Das Spital in Oschatz um 1830“. Die Lage des Gebäudes vor einer Scheune (Eichstädt Promenade, d. Verf.) und die weit im Hintergrund gelegenen Friedhofskirche St. Georg erlauben den Schluss, dass es sich bei diesem „Spital“ auch um das 1741 erbaute „Siech- und Krankenhaus“, aber auch um das von Hoffmann beschriebene „Lazarett“ in der Gänsegrube handeln muss. Nahezu bestätigend beschreibt Bürgermeister Robert Härtwig 1906 in seinen Aufzeichnungen zum Stadtbesitz der Stadt Oschatz ein „Hospital“ gegenüber der Gänsegrube, am sogenannten Wirtschaftsweg nach Naundorf, welcher die Gänsegrube und das Hospitalgrundstück trennte. Er führte aus: „Als alter Besitz ist hervorzuheben die sogenannte Gänsegrube, ein alter Steinbruch ... sodann das alte Hospital mit Garten, dessen Gebäude so baufällig war, dass es Anfang der 80er Jahre abgetragen werden musste...“ Spital in Oschatz um 1830 In der Tat wurde dieses „Spital“ nach einer Begehung durch den städtischen Bauausschuss 1883 von der Stadt abgerissen. Das Haus wurde auch nicht mehr benötigt, weil die Stadt schon 1840 für Krankenstuben im „Roten Vorwerk“ gesorgt hatte. Die Oschatzer Hospitäler haben das Gemeinwesen der Stadt deutlich beeinflusst. Sie waren wirtschaftliche Betriebe, wie das „Hospital zu St. Georgen“ und das „Hospital zum fernen Siechen“ mit ihren landwirtschaftlichen Besitzungen und sie haben die Stadtentwicklung mit nach ihnen bezeichneten Stadtteilen, Straßen und Gebäuden geprägt. Denken wir nur an die Bezeichnungen „Hospitalviertel“, „Hospitalstraße“, „Hospitaltor“, „Hospitalbrücke“ „Hospitalvorstadt“ und „Hospitalholz“. Wenn wir die weitere Entwicklung des Krankenhauswesens in Oschatz verfolgen, dann gilt das „Rote Vorwerk“ in der Bahnhofstraße zu Recht als eigentlicher Vorläufer unseres heutigen Krankenhauses am Stadtpark. Es soll im 12. Jahrhundert erbaut worden sein, ist eine der ältesten und wichtigsten Anlagen außerhalb der Stadt gewesen und wurde im Laufe der Jahrhunderte „Praschwitzer Vorwerk“, „Vorwerk vor dem Brüdertor“ und schließlich wegen seiner roten Ziegeln „Rotes Vorwerk“ genannt. Mit der Übernahme des Roten Vorwerks von der Kirche in den Besitz der Stadt im Jahre 1838, wurde die Umgestaltung der Hospitäler zu Krankenhäusern, die in Europa schon hundert Jahre früher begonnen hatte, auch in Oschatz eingeleitet. Die ersten Bewohner im Hauptgebäude des Roten Vorwerks waren die aus dem Franziskanerkloster verlegten Armen und Kranken. Zwei Jahre später, im Jahre 1840, wurden im nordwärts gerichteten Nebengebäude des Roten Vorwerks die ersten Krankenstuben eingerichtet, aus denen sich in den folgenden fünfzig Jahren das erste Stadtkrankenhaus in Oschatz entwickelte.
Das Königreich Sachsen hatte 1936 mit dem „Gesetz über die Organisation der unteren Medizinal-Behörden“ die Stadträte in Sachsen aufgefordert, Vorschläge zur Errichtung von Medizinalbezirken einzureichen und die Anstellung von Bezirksärzten vorzubereiten. Der Oschatzer Stadtrat bemühte sich danach bei der vorgesetzten Behörde in Leipzig um einen „...besonderen Medizinalbezirks für hiesige Stadt und die Anstellung eines Bezirks- auch Gerichts- und Armenarztes und Armen-Accoucheurs5“. Am 1. Oktober 1838 trat die „Verordnung, die Bildung der künftigen Medizinalpolizei- und tierärztlichen Bezirke betreffend“ in Kraft. Es wurden die Kreisdirektionen Budissin (Bautzen), Dresden, Leipzig und Zwickau mit insgesamt 34 Medizinalbezirken geschaffen. Die Stadt Oschatz gehörte als 9. Medizinalbezirk der Kreisdirektion Leipzig an. Für die damit verbundene Stelle eines besoldeten Stadtbezirksarztes hatten sich Dr. med. Friedrich August Türk, Dr. med. Johann Daniel Knabe und Dr. med. Friedrich August Wilhelm Hofmeister beworben. Der Stadtrat entschied sich für den in Oschatz ansässigen Herrn Dr. Hofmeister, der dieses Amt bis zu seinem Tode 1850 ausübte. Mit dieser Funktion waren weitgehende Aufgaben und Befugnisse im Auftrage des Staates verbunden. Neben der gutachterlichen Tätigkeit bei Gericht, der Aufsichtspflicht über die im Bezirk tätigen „Medizinalpersonen“, Apotheken und Heilquellen sowie über den Handel mit Nahrungsmitteln, war der Stadtbezirksarzt für die „Leitung und Besorgung des Impfgeschäfts“ und die „Regulierung des Hebammenwesens“ verantwortlich. Er hatte ferner „medizinalpolizeiliche Vorkehrungen bei ausbrechenden Kontagionen 6 und Epidemien zu treffen und zu leiten“ sowie „die Revision der Lokal-, Armen-, Kranken-, Findel-, Waisen- und Arbeitshäuser in medizinischer Hinsicht“ durchzuführen. Damit war auch die Zuständigkeit des Oschatzer Stadtbezirksarztes für die Krankenstuben im Roten Vorwerk festgelegt. Nach dem Tode des Stadtbezirksarztes Dr. Hofmeister am 20. Juli 1850, musste die Stelle des „Stadtbezirks- und Armenarztes, auch Geburtshelfers“ neu besetzt werden. Nach einer Ausschreibung in der Beilage zur Leipziger Volkszeitung vom 28. August 1850 und Sichtung der Bewerbungen wählte der Stadtrat Herrn Dr. med. Ernst Moritz Siegert aus Ehrenfriedersdorf für die Stadtbezirksarztstelle aus. Mit seinem Dienstantritt am 10. Januar 1851 war auch wieder die Betreuung der Kranken im Roten Vorwerk durch die Stadt gewährleistet. In den folgenden Jahrzehnten bekamen die Krankenstuben langsam den Charakter eines städtischen Krankenhauses. Obwohl einerseits die Wohnbedingungen und besonders die sanitären Verhältnisse sehr kritikwürdig waren, so wurden andererseits schon Inventarlisten zu den Einrichtungsgegenständen in den Krankenstuben geführt, Aufstellungen über die Belegung der Einrichtung angefertigt und besonders Patienten mit ansteckenden Krankheiten erfasst. Wenn man die Darstellung einer Oschatzer Tageszeitung über die Wohnungssituation und die sanitären Zustände in der Stadt noch im Jahre 1890 berücksichtigt, bekommt man eine ungefähre Vorstellung von den Bedingungen, die im Roten Vorwerk geherrscht haben müssen. Mit diesen bestehenden Umständen wollte sich der zuständige Stadtbezirksarzt Dr. Siegert aber nicht abfinden. Für den Jahresbericht des „Sächsischen Landes-Medizinal-Kollegiums“ zum Medizinalwesen im Königreich Sachsen im Jahre 1882 erarbeitete der Oschatzer Stadtbezirksarzt Dr. Siegert einen Bericht über die Aufenthaltsbedingungen der Kranken und die Arbeitsbedingungen der Ärzte und Pflegekräfte im Städtischen Krankenhaus „Rotes Vorwerk“. Die Kreishauptmannschaft Leipzig erhielt davon Kenntnis und verlangte vom Oschatzer Stadtrat 1883 eine Stellungnahme zur Frage eines möglichen Krankenhausneubaus. Unter Hinweis auf die desolate Finanzlage der Stadt musste der Stadtrat der Leipziger Kreishauptmannschaft aber mitteilen, einen Krankenhausneubau auf spätere Jahre zurückstellen zu müssen. Die unzumutbaren Verhältnisse im Roten Vorwerk veranlassten Herrn Dr. Siegert dennoch im Oktober 1884 erneut, die Zustände im Städtischen Krankenhaus zu beschreiben und den Stadtrat aufzufordern, den Neubau eines Krankenhauses in Angriff zu nehmen. Er schrieb: „Dem geehrten Stadtrat ist bekannt, dass unser hiesiges Stadtkrankenhaus viele Mängel zeigt. Es hat zu wenig und zu kleine Krankenstuben, die Zimmerhöhe beträgt in 4 Krankenstuben nur 2,12 m (3¾ Ellen), während sie in den gewöhnlichen Wohnstuben mindestens 2,85 m betragen soll. Im Hofe des Krankenhauses ist viel lärmender Verkehr, welcher namentlich schwer Erkrankte stört. Es ist kein Garten vorhanden, in welchem sich die Kranken ergehen und frische Luft schöpfen könnten. Das Vordergebäude des Klosters (gemeint ist das Hauptgebäude des Roten Vorwerks, d. Verf.), in welchem sich das Krankenhaus befindet, wird zahlreich von Menschen bewohnt, indem in demselben die 12 Klosterfrauen und auch noch 4 Familien untergebracht sind. Im Parterre des Krankenhauses befindet sich die Arbeitsschule für Knaben. Es leuchtet wohl ein, dass ansteckende Krankheiten vom Krankenhause aus auch auf diese Bewohner des Klosters und auf die Schulkinder übertragen werden können. Als im Herbst 1882 bis zum Frühjahr 1883 eine Typhusepidemie in Oschatz herrschte und die Notwendigkeit vorhanden war, möglichst viele Typhuskranke ins Krankenhaus aufzunehmen, da kam der Krankenhausarzt oft in peinliche Verlegenheit, auf welche Weise er die vielen Patienten in den wenigen und kleinen Krankenstuben unterbringen sollte. Und doch ist es sehr wichtig, dass Kranke, welche an einer ansteckenden Krankheit leiden und in stark bevölkerten Häusern wohnen, Aufnahme im Krankenhaus finden, indem auf diese Weise das Überhandnehmen einer ansteckenden Krankheit in der Stadt verhütet werden kann. Da nun bei den vielen Mängeln unseres Krankenhauses die dringende Notwendigkeit vorliegt, ein neues Krankenhaus zu erbauen, so richtet der ergebenst Unterzeichnete an den geehrten Stadtrat die Bitte, derselbe wolle für einen passenden Bauplatz sorgen und den Bau möglichst bald in Angriff nehmen.“ Dieses Schreiben führte dazu, dass Bürgermeister Robert Härtwig den Stadtbezirksarzt beauftragte, einen Bauplan für das zu erbauende neue Krankenhaus auszuarbeiten. Damit begannen die Planungen für den Bau des Stadtkrankenhauses am Stadtpark. Der Baubeginn ließ aber noch zehn Jahre, bis zum Sommer 1894, auf sich warten. Der Bau des Stadtkrankenhauses Oschatz am Stadtpark von 1894 bis 1895 Um es vorweg zu nehmen, die schlechte finanzielle Situation der Stadt sowie das Beharren einzelner Stadtverordneter auf ihren Meinungen zum Bau eines in die Zukunft weisenden Krankenhauses gegen den Rat ausgewiesener Fachleute der Kreishauptmannschaft Leipzig und der Leipziger Universität, hatten eine sich nahezu endlos hinziehende Vorbereitungs- und Planungszeit zur Folge. Im Herbst 1885 besuchten der Bürgermeister und der Stadtbezirksarzt das als mustergültig geltende, 1880 erbaute Krankenhaus in Döbeln. Unter diesem Eindruck und in Kenntnis des 1869 erbauten Krankenpflegehauses Wilster in Schleswig-Holstein legte Dr. Siegert am 30. Oktober 1885 seine Vorstellungen zum Krankenhausneubau in einem 20-seitigen Schreiben dem Stadtrat vor. Bei Berücksichtigung der wachsenden Einwohnerzahl der Stadt forderte Dr. Siegert ein Hauptgebäude mit 30 Betten, eine Isolierbaracke für infektiöse Kranke und ein Nebengebäude. Im Letzteren sollten die Wäscherei, ein Bad für Krätzekranke, die Leichenkammer sowie ein Sektionsraum eingerichtet werden. Er schlug unter Hinweis auf hygienische Anforderungen vor, das neue Krankenhaus in freier Lage zu erbauen, eine Unterkellerung, Hochparterre und eine Etage vorzusehen. Sehr ausführlich beschreibt er die Lage der Verwaltungsräume und Krankenzimmer, die Höhe, den notwendigen Flächen- und Luftraumbedarf pro Bett, die Beleuchtung, Beheizung, Ventilation und Ausstattung der Krankenzimmer. Skizze für das neue Oschatzer Stadtkrankenhaus von Stadtbezirksarzt Dr. med. Ernst Moritz Siegert im Jahre 1885 Als Bauplatz bevorzugte er den Dippoldisberg (gemeint ist die Anhöhe westlich des heutigen Feuerwehrdepots, zwischen der Reithausstraße und dem Gelände des Landratsamtes, d. Verf.) mit einer Größe von 16.000 m2, unter Zugrundelegung von 200 m2 Fläche für jeden Kranken. Leider musste Bürgermeister Robert Härtwig auch dieses weitreichende Programm am 01. Juli 1886 wegen der zu lösenden Probleme mit den maroden und fehlenden Wasserleitungen in der Stadt und wegen des fehlenden Geldes erneut auf spätere Jahre verschieben. Die Missstände in den Krankenstuben des „Roten Vorwerks“ ließen den Stadtbezirksarzt aber nicht ruhen. Schon am 18. April 1887 machte er den Stadtrat erneut mit den folgenden Ausführungen auf die dringende Notwendigkeit eines Krankenhausneubaus aufmerksam: „Das Bedürfnis nach einem neuen Krankenhaus wird immer dringender, da seit der Errichtung der Ortskrankenkasse das Krankenhaus viel öfter benutzt wird. Beim Auftreten ansteckender Krankheiten namentlich des Typhus, der Cholera und Diphtheritis ist es höchst wichtig, dass die zuerst Erkrankten sofort im Krankenhaus Aufnahme finden, um die Weiterverbreitung der Krankheit in der Stadt möglichst zu verhüten. Es kommt demnach ein neues erweitertes Krankenhaus allen Einwohnern der Stadt Oschatz zugute. Wenn die Stadt von der Cholera heimgesucht werden sollte, so werden wir alle in die größte Verlegenheit geraten, wo die Kranken ein Unterkommen finden können. Der Referent hat schon im Jahre 1885 im Auftrage des geehrten Stadtrates ein Programm für das neu zu erbauende Krankenhaus entworfen, und in demselben die Anzahl der Betten auf 30 festgestellt. Da das Krankenhaus wie schon erwähnt, in der Bauzeit mehr benutzt wird, so dürfte es wohl geraten sein, die Zahl der Betten auf 40 zu erhöhen“. Der Bürgermeister beauftragte daraufhin den Bauausschuss der Stadt, einen entsprechenden Bauplatz vorzuschlagen. Nach Besichtigung der in Betracht kommenden Standorte einigte man sich auf die „Gänsegrube“ und stellte der wiederholt dringlich anfragenden Kreishauptmannschaft Leipzig und dem Stadtbezirksarzt den Baubeginn eines neuen Stadtkrankenhauses für das Jahr 1891 in Aussicht. Man begründete die Verzögerung mit Mehrkosten für den Wasserleitungsbau in der Stadt, der notwendigen Erweiterung des Friedhofes, der Erneuerung der Friedhofskirche, dem Bau einer Leichenhalle und der Begradigung der Döllnitz. Das Krankenhausvorhaben ruhte.
Das Burgstädter Krankenhaus beeindruckte den Bürgermeister besonders. Die Planungen für einen Neubau wurden nun intensiviert. Reger Schriftverkehr, Einsicht in die Baubeschreibungen des Krankenhauses Burgstädt, Kostenvoranschläge und der Zukauf von Bauland prägten die folgenden Monate. Im Februar 1892 erhielten die Stadtverordneten eine Ratsvorlage über das Krankenhausprojekt zur Mitentschließung. Mit einem
Kostenaufwand von 225.000 Mark plante der Stadtrat ein 53-Betten-Haus mit Haupt- und Nebengebäude in der „Gänsegrube“. Die Stadtverordneten lehnten diese Vorstellungen mit
der Begründung ab: Außerdem forderten sie die Verlagerung des Bauplatzes aus der „Gänsegrube“ heraus nach Südwesten, gegenüber dem Stadtpark. Danach erhielt die Bauverwaltung den Auftrag die Baupläne zu überarbeiten. Im Auftrage des Stadtrates erstellte der Stadtbezirksarzt Dr. Siegert am 22. Mai 1892 ein erneutes Gutachten für den Bauausschuss der Stadt. In seinen Ausführungen forderte er unter anderem, das Krankenhaus nicht, wie vorgeschlagen, in die „Gänsegrube“, sondern in eine „hohe und freie Lage“, wie sie gegenüber dem Stadtpark gegeben wäre, zu bauen. Er begründete seine Überlegungen mit dem Auftreten von dichtem Nebel im Döllnitztal, im Oschatzer Volksmund „weiße Madam“ genannt, und fürchtete bei mangelnder Durchlüftung des Krankenhauses in der „Gänsegrube“ ein feuchtes und die Heilungen verzögerndes Klima in den Krankenzimmern. Weiter machte er auf die räumliche Enge in der Gänsegrube aufmerksam und erachtete es für sehr wichtig, an einen möglichen späteren Anbau an das Krankenhaus zu denken. Ergänzend zu diesem Gutachten drängte Herr Dr. Siegert am 8. Juni 1892 in seinem letzten Schreiben an den Stadtrat noch einmal auf eine in jeder Beziehung optimale Lage des künftigen Krankenhauses und schreibt: „Es dürfte sich empfehlen, das Krankenhaus, wie es ursprünglich geplant war, auf dem höher gelegenen Terrain des Krankenhausbauplatzes zu erbauen, (gegenüber des Stadtparkes, d. Verf.) dadurch würden die Vorteile erzielt werden, dass das Krankenhaus nicht von den zeitweilig vorkommenden Nebeln erreicht werden würde, dass es eine freiere für die Ventilation günstigere Lage erhalten würde, endlich dass sich ein späterer Anbau, wenn die Hauptfront nach Süden zu liegen kommt, leicht bewerkstelligen lassen würde...” Es ist bemerkenswert, wie weitsichtig der unter den denkbar schlechtesten Bedingungen arbeitende Stadtbezirks- und Armenarzt seine Vorstellungen zur zukünftigen Krankenbetreuung in Oschatz geltend machte. Nach den Überarbeitungen der Pläne durch den Bauausschuss und den gutachterlichen Beurteilungen durch den Stadtverordneten Dr. med. Paul Hille und den Stadtbezirksarzt Dr. med. Ernst-Moritz Siegert, lagen dem Stadtrat und den Stadtverordneten im September 1892 nunmehr drei Projekte für den Krankenhausneubau vor. Eine Einigung wurde dadurch aber nicht leichter. Die eskalierenden Meinungsverschiedenheiten der städtischen Kollegien betrafen im Wesentlichen den Krankenhausstandort, die
Bettenzahl des neuen Hauses, den Bau einer Isolierbaracke und den Einbau der Küche im Dachgeschoss. „Der Oschatzer Gemeinnützige“ kommentierte im November 1892 die Situation
sarkastisch mit den Worten: Auch nach Begutachtungen durch den Hygieniker Prof. Dr. Hofman (Leipzig) und den Architekten Jummel (Leipzig) sowie nach einer gemeinschaftlichen Sitzung des Stadtrates und der Stadtverordneten konnten die Meinungsverschiedenheiten nicht überbrückt werden. Der Stadtrat hatte sich auf ein 40-Betten-Krankenhaus ohne Isolierbaracke und mit Einbau der Küche im Dachgeschoss festgelegt und hatte einem Bauplatz gegenüber dem Stadtpark zugestimmt (der heutige Standort der Collm Klinik, d. Verf.). Die Kosten für das Gesamtprojekt lagen jetzt bei etwa 125.000 Mark. Auch dieses Konzept lehnten die Stadtverordneten mit der Begründung ab, dass eine Isolierbaracke fehle, die Unterbringung der Küche und Wirtschaftsräume im Dachgeschoss unpraktisch sei und eine begrenzte Ausschreibung des Krankenhausneubaus erfolgen müsse. Diese Vorstellungen lehnte der Stadtrat kategorisch ab und wandte sich an die Kreishauptmannschaft Leipzig mit der Bitte,
eine gemeinschaftliche Sitzung des Stadtrates und der Stadtverordneten mit Vertretern der Kreishauptmannschaft durchzuführen. Im Juni 1893 fand diese Sitzung statt. Aber auch
in Anwesenheit von hochrangigen Vertretern der Kreishauptmannschaft Leipzig und anerkannter medizinischer Sachverständiger konnten die städtischen Kollegien keine Einigung über den zu errichtenden Krankenhausbau erzielen. Der Stadtrat übertrug nun die Entscheidung über den Krankenhausneubau an die Kreishauptmannschaft Leipzig und informierte in
einem 2-seitigen Zeitungsbeitrag die Öffentlichkeit. Die Stellungnahme der Kreishauptmannschaft Leipzig vom 14. Juli 1893 hatte
Die Behörde befürwortete ebenfalls ein 40-Betten-Krankenhaus, lehnte den Bau einer Isolierbaracke ab und sprach sich für den
Einbau der Küche im Dachgeschoss nach amerikanischem Vorbild aus. Auch damit gab sich das Stadtverordneten-Kollegium nicht einverstanden, befand das Krankenhausprojekt im
Kern zu groß, zu teuer sowie ungeeignet für die Stadt Oschatz und legte Beschwerde beim Sächsischen Innenministerium ein. Eine entsprechende Rekursschrift wurde am 10. August
1893 eingereicht und vom Innenministerium unter Berücksichtigung einer gutachterlichen Stellungnahme des „Landes-Medizinal-Kollegiums“ mit den folgenden Worten am 14.
Dezember 1893 verworfen: Damit wurden die Baupläne des Stadtrates ausdrücklich gebilligt und es stand dem Neubau eines Stadtkrankenhauses am Stadtpark nichts mehr im Wege. Rückblickend muss man heute feststellen, dass es der Weitsicht und dem unermüdlichen Drängen des Stadtbezirksarztes Dr. Siegert sowie der Geduld, Geschicklichkeit und Durchsetzungskraft des Bürgermeisters Robert Härtwig und seiner Ratsmitglieder zu danken ist, dass der Krankenhausneubau nicht durch Provinzialismus und Inkompetenz einiger Stadtverordneter weiter in das 20. Jahrhundert verschleppt wurde. Für Dr. Siegert muss es eine Genugtuung gewesen sein, die Bauarbeiten am neuen Stadtkrankenhaus und dessen Eröffnung noch erleben zu dürfen. Er verstarb nach 45 Jahren ärztlicher Tätigkeit am 1. April 1896 in Oschatz. Mit den Bauarbeiten wurde im Juni 1894 begonnen, das Richtfest fand am 24. August 1894 statt und schon ein Jahr später, am 10. September 1895 bezog der erste Patient das Krankenhaus.
Die Gesamtbaukosten einschließlich der Inneneinrichtung betrugen 122.679,89 Mark und blieben damit unter dem vorgegebenen Betrag von 125.000,00 Mark. Aufgrund seiner Architektur und Lage wurde das Haus bald eine Zierde der Stadt und reihte sich erfolgreich in die zahlreichen um die Jahrhundertwende in Oschatz entstandenen sehenswerten Gebäude, wie das Lehrerseminar – heute Thomas-Mann-Gymnasium (1874), die Bürgerschule – heute Mittelschule, ehem. Pestalozzi-Gymnasium (1881/83), das Postamt in der Lutherstraße – heute Volksbank (1885) und die Realschule – heute Berufsschule (1886) ein. Das Stadtkrankenhaus im „Roten Vorwerk“ wurde 1895 geschlossen. Die Krankenstuben im Hauptgebäude an der Vorwerksgasse und das Nebengebäude wurden zu Wohnzwecken vermietet, die Scheune zunächst verpachtet und später für kommunale Zwecke genutzt. Teile des Roten Vorwerkes, das nach Norden gerichtete Nebengebäude und die östlich das Grundstück abgrenzende Scheune, wurden im Jahre 2004 abgerissen. Mit der geplanten Beseitigung des noch stehenden Hauptgebäudes an der Vorwerksgasse schließt die Geschichte des Stadtkrankenhauses im „Roten Vorwerk“. Die Entwicklung des Stadtkrankenhauses unter der Leitung des Krankenhausausschusses von 1895 bis 1935 Der zügige Baufortschritt hatte den Stadtrat veranlasst mit Ratsbeschluss vom 21. Februar 1895, den Königlichen Bezirksarzt Dr. med. Rudolf Theobald Wilhelm Streit zum 1. April 1895 als ersten Krankenhausarzt für ein Jahresgehalt von 600 Mark am neuen Stadtkrankenhaus anzustellen. Man verband damit die Erwartung, dass Dr. Streit die Einrichtung und Ausstattung des 40-Betten-Hauses mitgestaltet und an der Schaffung der neuen Verwaltungsstrukturen mitarbeitet. Schon am 13. Mai 1895 teilte Dr. Streit seine Vorstellungen über die Leitung des Hauses in einem Schreiben dem Rat der Stadt mit. Er wandte sich gegen die Absicht des Rates, „...einen verheirateten Hausverwalter anzustellen und diesem die Verwaltung im Allgemeinen zu übertragen, ihn aber außerdem noch zur Krankenpflege zuzuziehen, während die Frau desselben die Küche und Wäsche zu besorgen hat“. Er führte dann weiter aus: „...denn es wird durch eine solche Einrichtung der Betrieb ganz bedeutend verteuert und alle Ersparnisse, die gemacht werden, fließen in die Tasche des betreffenden Verwalters; ferner aber ist die Kontrolle eines solchen Beamten äußerst schwierig und zum Teil unmöglich und die Verpflegung der Kranken lässt meist sehr viel zu wünschen übrig“. Dr. Streit erwähnte dann die schlechten Erfahrungen verschiedener Städte und schlug vor, zwei Schwestern, am besten Diakonissen einzustellen, von denen man einer als Oberschwester die Verwaltung, Küche und Wäsche übertragen sollte, während die andere sich ausschließlich der Krankenpflege zu widmen hätte. Großenhain und Meißen hätten mit dieser Regelung sehr gute Erfahrungen gemacht, schreibt er und ist der Meinung, dass außer diesen beiden Schwestern noch ein Küchenmädchen und ein Arbeiter für gröbere Verrichtungen, wie das Heizen der Öfen aber auch für die gelegentliche Krankenpflege angestellt werden könnten und man mit diesem Personal zunächst auskommen würde. Abschließend ersuchte Dr. Streit den Rat eindringlich, bei der Direktion des Diakonissenhauses in Dresden vorstellig zu werden. Nach intensiven Bemühungen des Bürgermeisters Robert Härtwig sagte die Ev.-Luth. Diakonissen-Anstalt Dresden nach Abschluss eines Vertrages vom 10. Juni 1895 zwischen der Direktion der Ev.-Luth. Diakonissenanstalt Dresden und dem Stadtrat zu, zum 19. August 1895 den Dienstantritt der noch in Meißen tätigen Diakonisse, Schwester Magdalene Grafe, als erste Leitende Schwester sicher zu stellen. Die Verwaltung des Krankenhauses im Roten Vorwerk unterstand in den vergangenen Jahren der Armenversorgungsbehörde. Dies schien für das wesentlich größere Stadtkrankenhaus nicht mehr angemessen. Die Vorstellungen Dr. Streits von der Verwaltung des Stadtkrankenhauses wurden dann auch in der Sitzung des Armenausschusses vom 10. Juli 1895 bestätigt. Unter der Leitung des Vorsitzenden, Stadtrat Carl Gottfried Kutzsche und in Anwesenheit des geladenen Krankenhausarztes entschied man, dem Stadtrat vorzuschlagen, einen Krankenhausausschuss zu bilden und dazu 2 Stadträte und 3 Stadtverordnete zu wählen. Ferner wurden in dieser Sitzung die ersten Verpflegsätze für das neue Krankenhaus vorgelegt. In der Stadtverordnetensitzung vom 2. August 1895 unter Leitung von Herrn Rechtsanwalt Justizrat Arno Pernitzsch und in Anwesenheit der Ratsmitglieder, Bürgermeister Robert Härtwig und Stadtrat Carl Gottfried Kutzsche, bestätigten die Stadtverordneten die Bildung eines Krankenhausausschusses und wählten in diesen den Oberstabsarzt a.D. Dr. med. Paul Hille, den Kaufmann Karl Kühne und den Zahntechniker August Zeidler. Stadtrat Carl Gottfried Kutzsche übernahm den Vorsitz des Krankenhausausschusses. In gleicher Sitzung legten die Stadtverordneten dem Stadtrat nahe, dem Hausarbeiter und Hilfswärter für das Krankenhaus eine jährliche Besoldung von 360 Mark, freie Wohnung, freie Station und freie Wäsche zu gewähren sowie die künftige Besetzung der Stellen im Krankenhaus nur auf Probe und jederzeitigen Widerruf vorzunehmen. Ferner wurden die vom Armenhausaussschuss vorgeschlagenen Verpflegsätze nach Zustimmung des Rates auch von den Stadtverordneten einstimmig genehmigt. Man beabsichtigte folgende Sätze zu erheben: 1,50 Mark pro Tag für alle Kranken der Armenkasse, der Ortskrankenkasse, der Fabrikkrankenkassen, der Schuhmachergesellenkrankenkasse sowie für Einwohner der Stadt Oschatz, welche hier unterstützungsberechtigt sind und keiner Krankenkasse angehören, auf ihre eigenen Kosten verpflegt werden und kein besonderes Zimmer beanspruchen. Alle haben Medizin, Verbandmittel und ggf. Nachtwachen zu bezahlen.2,00 Mark pro Tag für Privatkranke welche hier wohnen, aber die hier keinen Unterstützungswohnsitz besitzen sowie für Auswärtige (außer Medizin, Verbandmittel und ggf. Nachtwachen). 3,00 Mark pro Tag für Kranke aus der Stadt Oschatz welche ein extra Zimmer beanspruchen (außer ärztlicher Behandlung, Medizin, Verbandmittel und ggf. Nachtwachen). 4,00 Mark pro Tag für Auswärtige welche ein extra Zimmer beanspruchen (außer ärztlicher Behandlung, Medizin, Verbandmittel und ggf. Nachtwachen). Der gebildete Krankenhausausschuss wurde verpflichtet, Die rechtlichen Grundlagen für die Bildung und Arbeitsweise des Krankenhausausschusses waren die „Allgemeine Städteordnung für das Königreich Sachsen“ von 1832, die „Königlich Sächsische Revidierte Städteordnung und Städteordnung für mittlere und kleine Städte“ von 1873 sowie die „Geschäftsordnung für das Stadtverordneten-Kollegium“. Die Mitglieder des Krankenhausausschusses wurden nach den Wahlen für den Stadtrat und die Stadt-verordnetenversammlung in den Ausschuss gewählt. Neben den ständigen Mitgliedern nahmen der Krankenhausarzt und entsprechend der anstehenden Probleme, die Oberschwester sowie Fachleute aus der Stadtverwaltung an den Ausschusssitzungen teil. Am 20. August 1895 fand, wenige Tage vor der Eröffnung des Stadtkrankenhauses, die erste Krankenhausausschusssitzung nachmittags um 17:00 Uhr im neuen Krankenhaus statt. Bürgermeister Robert Härtwig übernahm an diesem Tag selbst den Vorsitz. Weiter waren anwesend: Stadtrat Ernst Adolf Schmorl (Rechtsanwalt), Stadtverordneter Dr. med. Paul Hille (Oberstabsarzt a.D.), Stadtverordneter Karl Kühne (Kaufmann), Stadtverordneter August Zeidler (Zahntechniker), Krankenhausarzt Dr. med. Rudolf Streit und Oberschwester Diakonisse Magdalene Grafe. Damit waren die wichtigsten verwaltungstechnischen Voraussetzungen für die Eröffnung und Arbeit des neuen Stadtkrankenhauses geschaffen. Endlich, am 10. September 1895 wurde das zweigeschossige Klinkergebäude in Betrieb genommen. Das Erdgeschoss wurde für Männer und das Obergeschoss für Frauen vorgesehen. Im Dachgeschoss befanden sich die Wohnräume für das Personal und die Küche. Die Behandlungen der Patienten führte in der Regel, der als Belegarzt tätige Krankenhausarzt durch. Es war aber auch möglich, dass sich die Patienten von ihrem Hausarzt behandeln lassen konnten. Die Leitung des Stadtkrankenhauses lag in Händen des eingesetzten Krankenhausausschusses.
Seit seiner Gründung 1895 wurde der Ausschuss von Stadtrat Carl Gottfried Kutzsche bis 1914 geleitet. Er war von 1892 bis zu seiner Pensionierung 1914 Stadtrat und Stellvertreter von Bürgermeister Robert Härtwig. Carl Gottfried Kutzsche galt als erfahrener Verwaltungsfachmann und hat gerade in den ersten Jahren nach der Eröffnung des Stadtkrankenhauses die Konsolidierung des Hauses maßgeblich gefördert, zumal die ärztliche Leitung häufig wechselte. Der in seiner Amtszeit 1899 gegründete Krankenhausfreibettenfonds mit Spenden und Vermächtnissen vermögender Oschatzer Bürger ausgestattet, ermöglichte neben Wohlhabenden auch den Armen der Stadt einen bezahlbaren Krankenhausaufenthalt. Gemeinsam mit Dr. med. Rudolf Streit (1895–1896), Dr. med. Ernst Rechholtz (1896–1901), Dr. med. Alfred Schmidt (1901–1906), Dr. med. Wilhelm Frommolt (1906–1910) und Dr. med. Arthur Sulzberger (ab 1911) hat Kutzsche 1903 und 1909 für die Anschaffung der neuesten Röntgengeräte gesorgt, die bald nicht mehr funktionsfähige Ofenheizung 1906 gegen eine Zentralheizung in Verbindung mit einer Warmwasseraufbereitungsanlage und Desinfektionsanlage installieren lassen, die Vergrößerung des Operationsaales 1911 durchgesetzt und ständig an der baulichen Erweiterung der zu knapp bemessenen Diensträume und sanitären Anlagen gearbeitet. Besonders die Raumnot aber auch die fehlende Möglichkeit, Kranke mit Infektionen zu isolieren, leiteten die Bestrebungen des Krankenhausausschusses um den Anbau einer Baracke, was aber vom Stadtrat 1906 zunächst abgelehnt wurde. Das Fehlen einer solchen Baracke wurde jedoch von der Bevölkerung aus Angst vor möglichen Epidemien mit Sorge beobachtet. In einem Lied zum Oschatzer Heimatfest 1906 kann man in der 13. Strophe folgenden Text lesen: „Rechts steht das schöne Krankenhaus, ´s fehlt ´ne Baracke dran. Und kommt die Chol´ra heute, legt man die kranken Leute in die Kirschbude dann“. Carl Gottfried Kutzsche wurde 1909 für seine verdienstvolle Arbeit die Ehrenbürgerschaft der Stadt Oschatz verliehen. Eine Parallelstraße der Oschatzer Friedensstraße trägt noch heute seinen Namen. Stadtrat Georg Schulze übernahm nach dem Ausscheiden von Carl Gottfried Kutzsche aus der Stadtverwaltung die Leitung des Krankenhausausschusses von 1914 bis 1932, seit 1923 in der gleichzeitigen Funktion als 2. Bürgermeister der Stadt Oschatz. In seine Amtszeit fielen die Jahre des 1. Weltkrieges, die Inflation, die Weltwirtschaftskrise und die Massenarbeitslosigkeit, die große finanzielle Belastungen für das Krankenhaus darstellten, dem Krankenhauspersonal unpopuläre Entscheidungen zumutete und den Krankenhausausschuss vor unzählige Probleme stellten.
Mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges 1914 wurde die ärztliche Versorgung der Patienten durch die Einberufung Dr. Sulzbergers zu einer Sanitätskompanie am 14. Januar 1917 in Frage gestellt. Der Krankenhausausschuss und Stadtrat versuchten über die Königliche Amtshauptmannschaft Oschatz, Herrn Dr. Sulzberger vom Militärdienst freizustellen, was aber nicht gelang. Ärzte aus dem Oschatzer Lazarett mussten für die Vertretung gewonnen werden und wurden dann selbst zum Kriegsdienst abkommandiert. Erneut musste ein Arzt für das Stadtkrankenhaus gewonnen werden. Auf Bitten des Stadtrates übernahm der Praktische Arzt Dr. med. Georg Schwarzbach aus Oschatz für die Zeit vom 22. März 1917 bis 31. Dezember 1918 die Leitung des Stadtkrankenhauses mit Unterstützung eines Chirurgen aus dem örtlichen Lazarett. Am 01. Januar 1919 trat Dr. Sulzberger wohlbehalten wieder seinen Dienst im Stadtkrankenhaus an. Die sich entwickelnde Inflation führte zunehmend zu einer massiven Steigerung der Krankenhausverpflegsätze, der Kosten für ärztliche und apparative Leistungen und der Lohnkosten. Der damit verbundene Verwaltungsaufwand war riesig. Ständige Auseinandersetzungen mit den Krankenkassen, der Ev.-Luth. Diakonissen-Anstalt Dresden und den sich organisierenden Arbeitnehmerverbänden um die Höhe der Krankenhausverpflegsätze und Entlohnung der Mitarbeiter prägten die Arbeit des Krankenhausausschusses und seines Vorsitzenden. Die nach dem 1. Weltkrieg einsetzende verheerende Arbeitslosigkeit und damit verbundene Zahlungsunfähigkeit der Kranken beschäftigte den Ausschuss mit der permanenten „Eintreibung“ der Krankenhauskosten. Um die herrschende Lebensmittelnot zu lindern und eine gewisse Selbstversorgung zu garantieren, musste 1922 der Grasgarten in einen Gemüsegarten umgestaltet werden. Ein Jahr später veranlassten Krankenhausausschuss und Stadtrat den Einbau eines Schweinestalles im Nebengebäude des Stadtkrankenhauses.
Trotz dieser personellen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten gelang es dem Krankenhausausschuss unter dem Vorsitz von Georg Schulze, das Stadtkrankenhaus auch in diesen Jahren weiter zu modernisieren, notwendige medizinische Einrichtungsgegenstände anzuschaffen, technische Verbesserung im Operationssaal durchzuführen und die Elektroanlage des Hauses zu vervollkommnen. In der Jubiläumsausgabe der Lokalzeitung „Der Oschatzer Gemeinnützige“ vom 1. Oktober 1926 beschrieb Bürgermeister Schulze die Situation des Stadtkrankenhauses wie folgt: „... bietet das am Stadtpark gelegene neu erbaute Stadtkrankenhaus der Einwohnerschaft von Oschatz und der Umgebung räumlich angenehmen Aufenthalt und ausgezeichnete ärztliche Behandlung. In ihm können 56 Kranke untergebracht werden. Krankenzimmer sind der Größe nach für stärkere oder geringere Belegung vorhanden, für Privatkranke stehen besondere Zimmer zur Verfügung. Das ganze Haus ist mit einer Niederdruckdampfheizung versehen. Für die verschiedenen Heilverfahren stehen Bäder und neuzeitliche Heilapparate zur Verfügung. Zur Unterstützung der Diagnose dient ein im Vorjahr angeschaffter Röntgenapparat. Das Haus ist von einem ausgedehnten Garten umgeben, den auch die Kranken zum Aufenthalt benutzen können“.
Wegen steigender Patientenzahlen, 1914 wurden 328 Patienten jährlich betreut, dagegen 1926 schon 578 und technischen Raumbedarfs
gab der Krankenhausausschuss 1928 den Anbau einer Baracke mit Liegehalle und 1930 den Aufbau eines Trockenbodens auf dem Nebengebäude in Auftrag.
Nach 50-jähriger Tätigkeit für die Stadt Oschatz und 18-jähriger Arbeit im Krankenhausausschuss wurde Georg Schulze am 28. September 1932 in den Ruhestand verabschiedet. Die städtischen Kollegien ehrten seine Arbeit mit der Verleihung der Ehrenbürgerschaft der Stadt Oschatz und seine Verdienste um das Stadtkrankenhaus wurden mit der Umbenennung der Parkstraße in „Bürgermeister-Schulze-Straße“ gewürdigt. Stadtrat Johannes Wolf leitete danach von 1932 bis 1935 den Krankenhausausschuss. Von 1935 bis 1945 war Johannes Wolf Erster Beigeordneter und Stellvertretender Bürgermeister in der Stadtverwaltung Oschatz. In seiner Amtszeit als Vorsitzender des Krankenhausausschusses wurde Herr Dr. Sulzberger im Sommer 1933 nach 22 Jahren leitender ärztlicher Tätigkeit im Stadtkrankenhaus verabschiedet und mit Dr. Paul Meißner erstmalig ein beamteter Arzt als Chefarzt eingestellt.
Gemeinsam mit Chefarzt Dr. Meißner und Dr. Deschler organisierte Johannes Wolf 1934 die Anschaffung eines neuen Röntgengerätes und leitete die dringend notwendige Erweiterung des Krankenhauses ein. Den Umbau des Krankenhauseinganges und den Anbau des Südflügels zwischen 1936 und 1939 konnte Johannes Wolf in seiner Funktion als Vorsitzender des Krankenhausausschusses nicht mehr erleben. Seine direkte Arbeit für das Krankenhaus endete 1935 mit den Strukturveränderungen in der Stadtverwaltung. Die zurückliegenden Jahre des Stadtkrankenhauses waren ärztlich geprägt durch die Tätigkeit Dr. Sulzbergers, der als Chirurg und praktischer Arzt hohes Ansehen in der Bevölkerung genoss. Das breite Spektrum seiner Tätigkeit geht aus den 1925 eingeführten sogenannten Erhebungsbögen für Krankenhäuser hervor. Neben Infektionskrankheiten, wie Diphtherie, Masern, Scharlach, Typhus und Tuberkulose wurden vor allem chirurgische Erkrankungen aber auch normale Entbindungen sowie Schwangerschafts-, Geburts- und Wochenbett-anomalien behandelt. Dr. Sulzberger, aus Wurzen stammend, war 1904 nach Oschatz gekommen und hatte sich als Praktischer Arzt in der Lutherstraße Nr. 12, später in der Promenade Nr. 33, niedergelassen. Sein Arbeitsschwerpunkt lag entsprechend seiner Ausbildung bei Professor Dr. Madeling in der Chirurgischen Universitätsklinik in Straßburg, in der Chirurgie, was auch seine umfangreiche operative Belegarzttätigkeit im Stadtkrankenhaus erklärt. Im Jahre 1911 wurde ihm das Stadtkrankenhaus übertragen, das er bis 1933 als Krankenhausarzt ärztlich leitete. Im Jahre 1912 hatte er das Haus in der Promenade Nr. 21 bauen lassen (heute Notar Dr. Wittko, d. Verf.), wo er neben seiner Tätigkeit im Stadtkrankenhaus erfolgreich seine Sprechstunden durchführte. Drei Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Stadtkrankenhaus setzte er sich zur Ruhe, verzog 1936 nach Wörth am Walchsee in Bayern und verstarb dort 1951. Die engagierte, zum Wohle des Krankenhauses und der Stadt geleistete Arbeit des Krankenhausausschusses Stadt Oschatz wurde mit der Machtergreifung Hitlers beendet. Die letzte Krankenhausausschusssitzung7 fand am 6. März 1935 statt. Für das Stadtkrankenhaus Oschatz war nun die städtische Verwaltungsabteilung „Wohlfahrtsamt und Krankenhausverwaltung“ bis 1945 zuständig. 1
Hospital, frz.: Armen-, Kranken- oder Siechhaus
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