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In der Zeitschrift „Rund um den Collm“, 1992, Heft 21, Seite 4) erschien folgender Artikel:

Ein „corpus delicti“ im Oschatzer Ratsarchiv

Wer einmal in das Oschatzer Rathaus kommt, der versäume nicht, die alte, sehenswerte Ratsstube zu besuchen. Sie enthält u.a. die Schätze des Turmarchives, den Oschatzer Sachsenspiegel, die Reformationsbriefe und ein schauerliches Zeichen der Gerichtsbarkeit.
In einem kleinen, viereckigen flachen Karton sieht man unter einem Gelantineblatte das oberste Glied eines Daumens. Weil man es seinerzeit dörrte, ist es sehr gut erhalten. Der Nagel und die Fleischteile haben mehr als drei Jahrhunderte überdauert. Was hat es nun für eine Bewandnis damit?
Ein auf Karton aufgezogenes Papier sagt darüber folgendes aus: (einige Worte sind allerdings nicht mehr zu entziffern) Leibzeichen des zu (Name unleserlich) Eisenachschen Gebiet im Ambt Holshausen des 17. Aprils durch Matz Mentzeln aus der Schlesien Entleibten Andres Stanchen (?) von Hertzbergh durch die Regimentsgerichte abgenommen des 19. hujus, und beym Regiment eingeliefert den 20. hujus anno 1641.
Das Hauptquartier (unleserlich)
Es handelt sich also um ein Leibzeichen. über dessen Wesen und Zweck als Beweismittel einer verbrecherischen Tat sagt Grimms Wörterbuch unter dem Wort Leibzeichen: Ein Zeichen, welches das peinliche Gericht von einem gemordeten Körper als Beweis seiner Ermordung nimmt.
Es ist in vielen Gerichten gebräuchlich, dass vor der Beerdigung des toten Körpers ein Leibzeichen genommen werde, wie denn von alters oft ein Finger, oder wohl die ganze Hand abgeschnitten, gedörrt, oft nur ein Stück blutiges Hemde, Rock, Hosen, Krause u. dgl. genommen und an einem Orte verwahrlich aufgehalten, hernach aber die Hegung des hochnotpeilichen Halsgerichts vor dem peinlichen Fiscal mit vorgebracht worden, wodurch das corpus delicti und dass die Tat wahrhaftig geschehen, erwiesen werden sollen.


Foto: Horst Kohl


Heute geschieht die Ermittlung, die als Grundlage für die kommende Gerichtsverhandlung dienen soll, durch die protokollarische Niederschrift des Tatbestandes, soweit ihn die Mordkommision festgestellt hat, oft unter Zuhilfenahme von Fotos des Tatorts und des Gemordeten. Leider gibt die hier dem corpus delicti begefügte Niederschrift nicht an, wie es nach Oschatz gekommen ist, ob der Täter vielleicht hier festgenommen, verurteilt und gerichtet worden ist.
Es ist nur der Beweis eines peinlichen Gerichtsverfahrens vor mehr als 350 Jahren.

W. Käseberg




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