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Aus „Heimatbuch für Schule und Haus“ herausgegeben und verlegt vom Bezirkslehrerverein Oschatz, gedruckt bei Fedor Göthel im Jahr 1924

Nach den Berichten der Geschichtsschreiber soll die Pest schon im Jahre 1008 die Hälfte der Menschen hingerafft haben. Als 1647 wieder ein Weltsterben kam, blieb kaum der Zehnte von 1000 Menschen übrig, denn die Pest griff wie eine verheerende Feuersbrunst um sich. Furcht und Angst herrschte bei jung und alt, arm und reich, hoch und niedrig. Fürsten und Obrigkeit, Bürger und Bauer zitterten. Und wer sollte Schuld sein an dem Unglück? Die Juden! Es hieß, sie hätten die Brunnen vergiftet, um die Christen zu vernichten. Unter Jammer und Tränen beteuerten sie ihre Unschuld, aber selbst die Tatsache, dass die Pest die Juden ebenso ergriff wie die Christen und sie hinwegraffte, brachte die törichte Mende nicht zur Einsicht. Selbst Obrigkeit, Fürsten und Geistliche waren wie verblendet in Ihrer Angst. In Dresden wurde die Hinrichtung der Juden angeordnet, und überall im Meißner- und Thüringerlande fiel das Volk wutentbrannt, ohne Mitleid und Erbarmen, über die Unglücklichen her. Das verheerende Auftreten der Pest war allerdings so furchtbarer Art, dass der bloße Gedanke die Menschen erzittern ließ. Nach drei Tagen erlag der Kranke. Wer in seiner Nähe weilte, wurde angesteckt und hatte das gleiche Schicksal.

Der Chronist erzählt, dass 1379 auc die Geißler oder Flagellanten nach Oschatz kamen. Das waren Männer und Weiber, die ganz Deutschland durchzogen und aus Misstrauen gegen die kirchlichen Gnadenmittel, durch Selbstgeißelung und Bußübungen Sündenvergebung zu erlangen suchten, um dadurch der Pest zu wehren. Den schwarzen Tod, wie man die Pest damals nannte, hielten sie für Ihre strafe Gottes, so habe es in Briefen gestanden, die vom Himmel gefallen seien. Ihrem Zug wehte eine Fahne voran, dann folgten die Pilgrime mit nacktem Oberkörper, in der Hand eine Geißel, die mit eisernen Stacheln versehen war. In den Kirchen fielen sie dreimal zur Erde aufs Angesicht, und der Führer der Gesellschaft schritt über die Leiber dahin und geißelte die Betenden. Auf das Volk machten diese Büßübungen und die Lieder der Geißler den tiefsten Eindruck. Die Flagellanten wurden als Heilige verehrt und aufs beste bewirtet. Es bildeten sich noch Tausenden zählende Geißlergesellschaften. Die Fürsten verjagten sie wegen der Unordnungen und Missbräuche mit Gewalt. Weil sie das Ansehen der Kirche untergruben verordnete die Kirchenversammlung strenge Maßregeln. Mit furchtbarer Strenge wurde von der Obrigkeit vorgegangen, weil alle Mittel erfolglos waren. In Thüringen wurden an einem Tage 91 Brüder verbrannt.

Die Pest hat 1552 – 1681 neunzehnmal die Stadt Oschatz heimgesucht. Aus dem Pestjahr 1552 weiß der Chronist zu melden, dass die Ratspersonen beim Nahen der Pest sich voller Furcht nach Roßwein und Döbeln flüchteten und erst nach dem Verlöschen der Krankheit zurückkamen. Die Jahrmärkte wurden verlegt, ebenso im Jahr 1555. Im nächsten Jahre starben 900 hiesige Erwachsene. Wie schon 1552 die Pest einen großen Teil der Schüler hinwegraffte und alle Lehrer krank oder abgesperrt waren bis auf den untersten, der die Schüler allein versorgen musste, so starb jetzt wiederum fast die Hälfte der Schüler. Der Rat sorgte, dass ein Wärter den Kranken die Speisen bis vor die Tür trug, dort durfte der Kranke melden, wenn ihm etwas mangelte. Aus Hamburg wurde ein besonderer Pestdoktor angestellt, wegen seiner Unfähigkeit erhielt er aber bald wieder seinen Abschied. Es mussten zwei Totengräber mehr gehalten werden. 1563 wurde hans Stollbergs Garten gekauft, der an die Gottesackerkirche grenzte und als Begräbnisplatz für die an der Pest Gestorbenen bestimmt war. Sie wurden durch ein besonderes Tor gefahren, das Pesttor oder schwarzes Tor hieß,

1581 starben im Juli 56 und im August 125 Menschen in Oschatz. Die Häuser, in denen Pestkranke weilten, wurden mit Vorlegeschlössern gesperrt, und der Armenvogt brachte ihnen ihre Bedürfnisse bis an die Haustüre. Den Geistlichen wurde auf Rechnung der Stadt Arznei als Vorbeugungsmittel aus der „Ratsapotheke“ gereicht. Für die Kranken wurde ein Pestdiakonus angestellt. Die Verstobenen wurden nicht auf der Bahre, sondern auf Tragen nach dem Gottesacker gebracht. 1583 staben bis 1. November 194 Personen. An jedes Tor wurde neben den übrigen Vorsichtsmaßregeln ein Wächter

gestellt, der die Fremden warnen musste. 1589 herrschte im Oktober wieder sie Pest und Ruhr so sehr, dass die Kirchenlisten 353 Verstorbene verzeichnen, obwohl wieder ein Pestarzt angestellt war. Totengräber und Armenvogt erhielten wegen der vielen Sterbefälle vom Rate besonderen Lohn. Auch im Jahr 1613 raffte die Pest in 12 Wochen 292 Personen hin. Das sind hohe Sterbeziffern, wenn man bedenkt, dass 1593 Oschatz gegen 3000 Einwohner zählte.

In den ersten 12 Jahren des unheilvollen dreißigjährigen Krieges wurde die Stadt von Einfällen der Feinde verschont. Die Pest kehrte jedoch 1630 wieder, und 147 Einwohner starben. In einer Kammer des alten Klostergebäudes an der Brüderstraße zeigte man noch den aus dieser Zeit aufbewahrten Wagen, worauf der Totengräber in der Nachtzeit die Leichen auf den Gottesacker fuhr, er musste deshalb ein Pferd halten. Die Pest vergrößerte auch 1633 und 1634 die Kriegsnot. 481 Personen, darunter zwei Bürgermeister, erlagen in diesem Jahre der Seuche. 1637 am 24. August, während der großen Drangsale des Krieges, brach wiederum die Pest aus, über 2000 Menschen sind in Oschatz gestorben, denn es hatten sich viele Fremde in die Stadt geflüchtet. Der Bürgermeister Erler und seine ganze Familie, der Stadtschreiber und die meisten Ratspersonen, der Diakonus und viele Lehrer starben. Der Rektor Panse, der Konrektor Schramm, der Quartus Heinze und der Quintus Kürbner erlagen der Krankheit. Kaum hundert Eheleute blieben in diesen verhängnisvollen Tagen übrig. Machte ein Pestkranker sein Testament, so kamen die städtischen Gerichte nur bis vor sein Haus. Unter freiem Himmel blieben sie stehen, um von dem Kranken, der bis an die Tür treten durfte, nicht angesteckt zu werden.

Angeblich durch ein Paar Strümpfe eingeschleppt, die der Stadtschreiber aus Leipzig erhalten hatte, kehrte die Pest im August 1670 wieder, und 74 Personen starben. Vom Rat wurde der Student der Theologie Starke aus Torgau als Pestilenzpfarrer eingestellt. Er sollte die Kranken trösten und den wegen der Pest angestellten Personen, darunter einem Pestbarbier, wöchentlich eine Predigt halten und ihnen das Abendmahl reichen.

Beim Verschwinden der Pest feierte man ein Dankfest, allein in derselben Woche fing die Seuche so an zu wüten, dass 531 Einwohner ins Grab sanken. Um die Stadt wurde ein Kordon (Postenkette) von Reitern und Fußknechten gelegt, die im Vorwerk Pappenheim ihr Lager aufschlugen. Warnungssäulen wurden an die Grenzen des Stadtgebietes aufgerichtet und der Wochenmarkt an die drei Kreuze vor dem Brüdertor gelegt, Die traurige Lage der Bürger von Oschatz fand allgemeines Mitleid. Der Kurfürst sandte eine Geldsumme zur Verteilung an die Notleidenden; überallher kam Geld und Zufuhr von Lebensmitteln. Die Not nahm jedoch so überhand, dass sich die Einwohner genötigt sahen, eine schwarze Totenfahne herauszustecken, um damit den benachbarten Orten anzuzeigen, dass sie vor Hunger dem Tode nahe seien. Die Nachbarn eilten auch teilnehmend herbei und linderten die Not durch allerhand Lebensmittel. Auf dem Kuhberge bei Striesa hielten die Einwohner aus den umliegenden Orten eine gemeinsame Betstunde ab, um Gott zu bitten, die Pest in Gnaden von der Stadt zu nehmen. Die verheerende Gewalt der Seuche ließ auch nach, und die Soldaten zogen 1682 ab. Doch machte sich die Blockade nochmals nötig, weil von dem Pesttotengräber durch Betten und Kleider aus Ganzig die Krankheit wieder nach Oschatz verschleppt worden war. Es fielen uhr nur 33 Personen zum Opfer. Am 28. Dezember konnte man endlich durch ein feierliches Dankfest aus vollem Herzen Gott danken für das endliche Erlöschen der Seuche. Der Kurfürst erließ den Einwohnern die Abgaben für die drei letzten Pestjahre.

Die aller Beschreibung spottende Unreinlichkeit in den Straßen einer Stadt der damaligen Zeit, die Ausdünstung der sumpfigen Umgebung der Stadt Oschatz, Misswuchs, Teuerung, Hunger, Unkenntnis der Ursachen der Pest und das Elend der Kriege waren schuld, dass die verderbenbringende Krankheit in unserer Vaterstadt stets Boden fand und so oft Einzug hielt.

Quellen: Hoffmanns Chronik von Oschatz,

 


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