Die Genfer Konvention von 1929 Die Genfer Konvention von 1929, dia als Folge der nicht mehr ausreichenden Bestimmungen der „Haager Landfriedensordnung“ zum Schutz von Kriegsgefangenen im Ersten Weltkrieg erarbeitet wurde, stellt die rechtliche Grundlage zum Schutz von Kriegsgefangenen des humanitären Völkerrechts dar. Auf einige Artikel soll hier Bezug genommen werden, welche im Stalag IV G in unterschiedlichster Weise eingehalten wurden – oder auch nicht. Normalerweise soll die Behandlung der Kriegsgefangenen in den Lagern für alle Nationen gleich sein. Doch die Bedingungen, unter denen die Gefangenen leben, sind für die verschiedenen Nationalitäten sehr unterschiedlich. Das schwerste Los haben dabei die sowjetischen Gefangenen. Sie haben das schlechteste Essen, die schäbigste Bekleidung und die unmenschlichste Unterbringung. Offiziell unterliegen die Kriegsgefangenen dem Schutz dieser Konvention. Darin wird ganz klar geregelt, wie ein Kriegsgefangener zu behandeln ist. Im Falle der Angehörigen der Roten Armee ist das anders. Ihnen wir jeglicher Kontakt mit ihren Familien in der Heimat untersagt. So ist im Genfer Abkommen geregelt, dass jeder Gefangene zweimal monatlich einen Brief schreiben kann und ebenso zwei Briefe empfangen darf. Auch das wird ihnen verwehrt. Es gibt auch keine Unterstützung über das Internationale Rote Kreuz. Die sowjetischen Gefangenen haben keine Verbindung in ihre Heimat. Das deutsche Vorgehen wird mit der Nichtratifizierung des Genfer Kriegsgefangenenabkommens von 1929 durch die Sowjetunion begründet. Damit ist Deutschland nach Auffassung des Oberkommandos der Wehrmacht nicht an die Einhaltung der völkerrechtlichen Schutzbestimmungen gebunden. Die juristische Begründung für die Behandlung von sowjetischen Kriegsgefangenen entsprach jedoch schon damal nicht den international geltenden völkerrechtlichen Bestimmungen. Außerdem hat die Sowjetunion das „Abkommen zum Schutz verwundeter Kriegsgefangener“, welches ebenfalls ein Teil der Genfer Konvention ist, ratifiziert. Durch die am 16. Juni 1941 vom OKW erlassenen Bestimmungen über das Kriegsgefangenenwesen werden zentrale Bestimmungen der Genfer Konvention zum Schutz der Kriegsgefangenen weitgehend für Angehörige der Roten Armee außer Kraft gesetzt. Es heißt dort:
Der Kontaktzu einer Schutzmacht sowie zu humanitären Hilfsgesellschaften wie dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes wird vollständig unterbunden.
Geleistete Arbeit in der Gefangenschaft wird nicht entlohnt.
Strafverfahren gegen Kriegsgefangene beinhalten ohne Hinzuziehung neutraler Vertreter die Möglichkeit der Verhänngung des Vollzugs der Todesstrafe
Wachsoldaten werden zu rücksichtslosen und energischem Durchgreifen bei geringsten Anzeichen von Widersetzlichkeit sowie zum Schusswaffengebrauch ohne vorherige Warnung aufgefordert.
Die Verpflegung sowjetischer Kriegsgefangener regeln Sonderbefehle, die unterscheiden sich quantitativ und qualitativ fundamental von anderen Kriegsgefangenen. [6]
Der Artikel 4 im ersten Teil der „Allgemeinen Bestimmungen“ der Genfer Konvention: „Unterschiede in der Behandlung der Kriegsgefangenen sind nur insoweit zulässig, als es sich um Vergünstigungen handelt, die auf den militärischen Dienstgrad, den körperlichen oder seelischen Gesundheitszustand, der beruflichen Eignung oder dem Geschlecht beruhen.“[7] wurde in den Kriegsgefangenenlagern nicht eingehalten. Die Unterschiede der Behandlung alliierter Kriegsgefangener und Angehörige der Roten Armee sind enorm. Aber auch italienische und polnische Kriegsgefangene werden keineswegs nach den Grundsätzen dieses internationalen Abkommens behandelt. Der aus Weißrussland stammende Angehörige der Roten Armee Andrej Wassiljewitsch Naidowisch beschreibt einen Teil seiner Kriegsgefangenenschaft im Folgenden: „In Biala-Podliaska lebten wir bis zum Temperaturrückgang, danach trieb man uns nach Demblin, wo ungefähr 120 Tausend Kriegsgefangene zusammengezogen wurden [...] Im Lager brach Fleckentyphus aus. Zum Ende des Winters waren von 120.000 Kriegsgefangenen ungefähr 8.000 übrig geblieben [...]. Im Sommer brachte man uns überlebende des schrecklichen Albtraumes nach Deutschland ins Stalag IV G. Vor unserem Abtransport wurden uns die Haare geschnitten, wir wurden gewaschen, die Kleidung, die es gab, wurde weggenommen, wir bekamen Lagerkleidung und für die Füße gab man uns Holzpantinen. Nachdem wir in Deutschland ankamen, wurden wir untersucht und in Arbeitskommandos eingeteilt. Ich kam in ein Kommando, das Rohstoffe für die Herstellung von Torfbriketts in Großessen sammelte. Das Leben hier unterschied sich erheblich von dem vorherigen. Wir waschen uns regelmäßig, starben nicht vor Erschöpfung und lebten in beheizten Baracken. Wir arbeiteten bei jedem Wetter, wir hatten sogar unser Lazarett. Man gab sogar Lagermarken aus“ [8]
Amerikanische , englische, niederländische und französische Kriegsgefangene haben auch unter ihrer Kriegsgefangenschaft zu leiden, doch wirken hier Kontrollmechanismen des Internationalen Roten Kreuzes, die manche Lebenssituation leichter macht. Die Abschrift eines vertraulich behandelten Protokolls des Roten Kreuzes über einige Besuch von Arbeitskommandos im Oschatzer Stalag IV G gibt Auskunft zur Lage britischer und amerikanischer Kriegsgefangener vom 11. bis 16. März 1945 [9]
VERTRAULICH No. 730 Britisch / Amerikanisch Datum des Besuchs 11.-16.März 1945
Stalag IV G Oschatz
Kommandant: Oberst Neureiter Arbeitseinsatz: Hptm. Heger Begleitender Offizier des deutschen Oberkomandos: Rittmeister v. Frankenberg British Chief Man of Confidence (Vertrauensmann): Sgt; James Wakelin, POW No. 229186
Am Tag des Besuchs wurde die Stärke dieses Stammlagers wie folgt angegeben:
Britisch |
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Engländer Iren Kanadier Australier Neuseeländer Südafrikaner de Gaullisten Andere Briten |
3837 7 86 23 70 304 7 123
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insgesamt britische POW Amerikaner britische und amerikanische POW |
4457 776 5233
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Es waren nur 20 britische und amerikaische Kriegsgefangene im Lager, die das Personal bildeten. Der Vertrauensmann hatte keine Beschwerden, soweit es das Personal betraf. Nach Abschluss des Inspektion diskutierten die Delegierten der Schutzmacht alle Punkte mit den Vertrauensleuten in den Arbeitskommandos Die britischen Kriegsgefangenen aus diesem Stalag werden wie folgt beschrieben:
Bezirk: Borna Döbeln Oschatz Nossen Leipzig Ost Leipzig West Leipzig Nord Wurzen Grimma Meißen Espenhain Mitarbeiter, Revier & Lazarett Total |
Anzahl der Kdos.[10] 7 7 3 2 9 7 6 9 5 6 3
64 Kdos.
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Anzahl der POW [11] 360 230 100 40 960 570 370 550 350 190 580 157 4.457 Britsche POW
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Die Amerikanischen Kriegsgefangenen sind so aufgeteilt |
Bezirk Borna Döbeln Leipzig Nord Leipzig West Oschatz Lazarett Leipzig-Wahren Lazarett Wurzen Total |
Kdos 1 3 3 4 1
13 Kdos.
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Anzahl der POW 100 116 139340 25 36 10 10 776 amerikanische POW
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Bericht der Todesfälle: Der Delegierte der Schutzmacht bedauert den Tod von 24 britischen Kriegsgefangenen, die während des Luftangriffs auf Leipzig am 27. Februar 1945 getötet wurden. Diese Kriegsgefangenen waren in gut geschützten Luftschutzkellern mit ihren deutschen Wachen untergebracht, erhielten aber einen Volltreffer und wurden sofort getötet.
Medizinische Einschätzung: I. Zustand der Amerikaner A Beschwerde Die Zahl der Amerikaner in der Region Leipzig beträgt ca. 700. Vom medizinischen Standpunkt betrachtet ist der Zustand dieser Truppe schockierend. Die Visite im Krankenhaus zeigt einen sehr schrecklichen Zustand. Der allgemeine Gesundheitszustand der Amerikaner ist schlecht. Sie sind schmutzig, sie sind in vielen Fällen seit Tagen nicht gewaschen worden, sie sind verwahrlost und sie zeigen alle Beweise für völliges Fehlen der Pflege. Die große Mehrheit hat an Gewicht verloren und sie leiden an akuter Unterernährung, die sich in den üblichen Begleiterscheinungen des Hungers zeigt: ödeme, Schwindelanfälle, Ohnmacht, Avitaminose, Durchfaaa usw. B Aktion a) Erhöhung der Essenration Wir haben bereits einige Anstrengungen unternommen, um die Nahrung der Amerikaner zu verbessern. In einer Antwort auf einen Brief von Captain Kapitän F. Webster über die Erhöhung der Essenrationen gaben die deutschen Behörden die Zusage, dass im nächsten Zeitraum bestimmte amerikanische Kommandos eine höhere Essenration bekommen würden. b) Aus medizinischer Sicht schlage ich vor, dass alle amerikanischen Truppen nur dort eingesetzt werden, wo sie nur leichte Arbeit oder keine Arbeit verrichten.
II. Medizinische Versorgung und überlagerte Lebensmittel Die Versorgung mit medizinischen Artikeln wie Arzneimitteln etc ist von den deutschen Behörden völlig unzureichend für unsere Zwecke. Wir haben eine begrenzte Anzahl von britischen medizinischen Artikeln, aber diese gehen schnell zur Neige. Gibt es irgendeine Möglichkeit für Nachschub? Wir haben etwa 20 überlagerte Lebensmittelpakete, die für bis zu 2.500 Anglo-Amerikaner bestimmt sind. Es ist eine schwierige Arbeit in den Tagen dieser Nahrungsmittelknappheit allen gerecht zu werden. III. Revier, Gneisenaustraße, Leipzig a) Das Revier ist innerhalb einer Zone von militärischer Bedeutung. Es ist ca. 600-700 Meter vom Leipziger Hauptbahnhof entfernt. b) Die allgemeinen Bedingungen in diesem Revier für die Behandlung von Kranken sind unbefriedigend. c) Die Essenrationen für die 73. Periode
Brot Mehl Fleisch Käse oder QuarkMakkaroni, Gerste, usw. Zucker
Marmelade Kaffee Kartoffeln
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Wöchentliche Einteilung 1.400 g 240 g 315 g 28 g 62 g 54 g 205 g 155 g 32 g 2625 g
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Allgemein: Für ca. 2.500 anglo-Amerikanische Kriegsgefangene im Revier Leipzig Gneisenaustraße sind jeweils nur zwei britische Ärzte und zwei Sanitäter zuständig
Britisches Kriegsgefangenen Revier Gneisenaustraße Leipzig 14. März 1945
Pakete: Das Stalag IVG bekam ca. 6 Wochen keine Rot-Kreuz-Pakete, so dass das Stalag zahlreiche Beschwerden von allen Vertrauensleuten über den Mangel an deutschen Rationen für Kriegsgefangene erhielt. Fünf Wagen kamen am Tag des Besuchs von Sagan mit dem Roten Kreuz. Es warren Pakete, die das deutsche Oberkommando speziell an die Kriegsgefangenen des Stalag IV G verteilen ließ. Der Vertrauensmann ermöglichte, dass jeder Kriegsgefangene zwei Pakete bekam. Das war eine sehr große Hilfe
Auf der letzten Sitzung mit den Stalag-Behörden wurden die folgenden Punkte zur Diskussion gestellt:
1. Der generelle Gesundheitszustand: Der Gesundheitszustand aller neuen Kriegsgefangenen, vor allem der Amerikaner, ist extrem schlecht, vor allem wegen der langen Märsche aus der Westfront zu den Lagern und wegen des Mangels an ausreichender Nahrung. Der Deligierte traf Kriegsgefangene mit Beinen wie bei Kindern von 10 Jahren, die nur noch aus Haut und Knochen und absolut arbeitsunfähig waren [...], Im Arbeitskommando No. 204, zum Beispiel am Tag des Besuchs waren nur 18 Männer von insgesamt 45 amerikanischen Kriegsgefangenen bei der Arbeit. Die anderen lagen krank in den Baracken oder im Krankenhaus. Die meisten der amerikanischen Gefangenen leiden an Unterernährung, erfrorenen Füßen, Ruhr und allgemeiner Schwäche. Der Delegierte der Schutzmacht lenkte die Aufmerksamkeit der Stalag-Behörden auf den schlechten Gesundheitszustand und bat um besondere medizinische Untersuchung aller dieser neuen Gefangenen. Die Stalag-Ärzte hatten bereits über diese Mängel informiert und mit Zustimmung des Stalag-Kommandanten versprach man den sofortigen Rückzug aller amerikanischen Kriegsgefangenen, die arbeitsunfähig sind. Er erklärte, dass diese Kriegsgefangenen zu speziellen Kommandos für leichte Arbeiten eingesetzt werden, oder falls erforderlich, in ein Lazarett oder Krankenrevier eingewiesen werden würden. 2. Bereich des Vertrauensmannes Bisher ist es den britischen Vertrauensmännern nicht erlaubt, die neuen amerikanischen Arbeitskommandos in ihren jeweiligen Bereichen zu besuchen. Dem Wunsch des Vertrauensmannes wurde jedoch entsprochen und er kann in Zukunft alle Arbeitskommandos in diesem Bereich besuchen. 3. Arbeitsgruppen Nr. 39 und 41 Leipzig-Ost. Vertrauensmänner berichten, dass die Lebensmittel, die von den deutschen geliefert werden, sehr schlecht sind und oft nicht dem notwendigen Standard entsprechen. Der Stalag-Kommandant versprach, diese Angelegenheit gründlich zu untersuchen. 4. Kaplan Es wurde vereinbart einen Antrag zu stellen, dass die amerikanischen Arbeitskommandos von einem britischen Kaplan besucht werden dürfen. 5. Bezirk Borna Im russischen Lager Großzossen und im Arbeitskommando No. 106 Kalkschacht gibt es etwa 50 britische Kriegsgefangene, die aus dem östlichen Lager evakuiert wurden. Sie sind alle krank und liegen auf Stroh auf dem Boden. Die meisten von ihnen haben Lungenentzündung, Diphtherie oder leiden an erfrorenen Füßen. Der deutsche Stabsrarzt hat versprochen, sich dieser Sachen persönlich amzunehmen 6. Arbeitsgruppe No. 20 Böhringen Dieses Lager wurde von den Delegierten der Schutzmacht in der Gegenwart des stellvertretenden Kommandanten besucht Da die Bedingungen und der allgemeine Gesundheitszustand aller amerikanischen POW schlecht sind, wurde ein Versprechen des Stalag-Kommandanten gegeben, diese Arbeitsgruppe innerhalb der nächsten paar Tage aufzulösen. &. Bezirk Grimma Der Bezirks-Vertrauensmann beschwert sich, dass die beiden deutschen Kommandoführer der Arbeitskommandos No. 434 Großsteinberg und No. 353 Hohnstädt für den Umgang mit Kriegsgefangenen ungeeignet sind. Der Stalag-Kommandant hat versprochen, diese Beschwerden zu prüfen und die Männer zu entfernen, wenn sie für schuldig befunden werden. 8. Einige kleinere Punkte wurden diskutiert und sofort erledigt.
In diesem 20 Seiten umfassenden Dokument werden Außenlager von Arbeitskommandos aufgeführt, die vom Oschatzer Kontrollbezirk überwacht wurden: Borna, Oschatz, Nossen, Döbeln, Leipzig-Ost, Wurzen, Grimma und Espenhain sind ohne Angaben von Anzahl und Nation der Kriegsgefangenen. Weitere Arbeitskommandos werden genauer aufgeführt:
Leipzig West Leipzig Nord Meißen Kriebethal Großweitzschen Grauschwitz Markranstädt Altenhain Trebsen Rittwitz/Großweitzschen Hartha Zuckerfabrik Döbeln Carsdorf Böhringen/b. Döbeln Coswig |
89 84 33 64 24 23 183 81 10 20 25 51 100 45 27
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Briten (einschließlich 9 Zyprioten) Amerikaner Briten Briten Briten Amerikaner Südafrikaner Briten Briten Briten Briten Amerikaner Amerikaner Amerikaner Briten
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Kontakte der Kriegsgefangenen zu ihren Angehörigen Ein großer Trost für die meisten Kriegsgefangenen ist die Verbindung zu ihren Familien nach Hause. Dieser Trost wird den sowjetischen Kriegsgefangenen verwehrt. Sie erhalten weder Post noch dürfen sie nach Hause schreiben. Im Artikel 40 der Genfer Konvention vom 27. Juli 1929 wird festgelegt, dass die „[...] Prüfung der Briefschaften in möglichst kurzer Zeit zu bewirken ist. Die Durchsicht der Postsendungen hat außerdem auf die Erhaltungder etwa darin befindlichen Lebensmittel Bedacht zu nehmen und möglichst in Gegenwart des Empfängers oder eines von ihm dazu ermächtigten Vertrauensmannes zu erfolgen. Eine durch die Kriegführenden aus militärischen oder politischen Gründen erlassese Sperre des Briefverkehrs ist nur vorübergehend zulässig und hat von möglichst kurzer Dauer zu sein.“ Die gesamte Post wird von einem riesigen, in Oschatz arbeitenden Stab übersetzt, kontrolliert und ausgewertet. Eingangspost und Ausgangspost erhalten einen Stempel „Geprüft, Stalag IV G“. Jeder Kontrolleur hat eine eigene Nummer. [12] Bei der Durchsicht der Briefe des holländischen Kriegsgefangenen Hocksema werden die Kontrolleure aufmerksam, als sie eine Nachricht entdecken, die von einem verbotenen Besuch bei dem Oschatzer Superintendenten Johannes Ludwig berichtet. Die Folgen für den holländischen Kriegsgefangenen sind nicht bekannt, doch der Superintendent Johannes Ludwig wird daraufhin aus der NSDAP ausgeschlossen.
Rassenschande Auf der Grundlage der Nürnberger Rassengesetze vom 15. September 1935 ist es Deutschen bei Strafe verboten, Ehen mit Menschen jüdischer Konfession zu schließen. Diese Gesetze werden später auch auf Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter ausgeweitet. Deutschen Frauen ist es bei hohen Strafen verboten, intime Beziehungen mit Kriegsgefangenen einzugehen. Auf das vollstreckte Todesurteil an dem polnischen Zwangsarbeiter Alexander Kamelu am 20, Februar 1942 in Oschatz wurde bereits an anderer Stelle hingewiesen. Laut „Oschatzer Kreiszeitung“ vom 8./9.02.1941 gibt es im Kreis Oschatz rund 2.000 landwirtschaftliche Betriebe. Auf fast allen Höfen arbeiten Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter unterschiedlicher Nationalitäten, So haben sich auch der französische Kriegsgefangene Emile Rebillon (*25.02.1920, † 30.05..2009) und die polnische Zwangsarbeiterin Kazimiera Wyban (*23.03.1923, † 15.06.1982) in diesen Tagen in Oschatz kennen und lieben gelernt. Am Ende des Krieges planen die Behörden, dass alle Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene in Gruppen nach Hause fahren. Doch das bedeutet die Trennung der Liebenden. So nimmt sich Emile Rebillon kurzerhand ein Fahrrad, welches da „am Straßenrand steht“ und folgt seiner Kaziemiera, die sich bereits auf dem Weg nach Polen in ihre Heimat befindet. Glücklicherweise finden sich beide und Emile nimmt Kazimiera mit nach Frankreich, wo sie 1946 heiraten. Doch nicht nur ausländische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter verliebten sich ineinander, sondern auch deutsche Frauen und ausländische Kriegsgefangene. Das „Oschatzer Tageblatt“ veröffentlicht bereits am 16.04.1940 folgenden Artikel: „Verhalten gegenüber Kriegsgefangenen – Ein Merkblatt für alle Deutschen Die Arbeitseinsatzlage erfordert in nächster Zeit eine stärkere Heranziehung der Kriegsgefangenen. Vergeßt aber nicht, daß die Kriegsgefangenen als Soldaten ihres Landes die Waffen gegen euch erhoben hatten. Im Verhalten gegenüber den Kriegsgefangenen habt ihr dabi alles zu vermeiden, was die Spionage- und Sabotageabsichten des Feindes zu fördern geeignet wäre und sich gegen das Leben des deutschen Volkes richten könnte. Die Kriegsgefangenen sind streng, aber korrekt zu behandeln. Wenn ihr sie wie Deutsche behandelt oder gar noch besser, werdet ihr zu Verrätern an der Volksgemeinschaft. Besonders die deutsche Frau muß sich bewußt sein, daß sie in keinerlei Beziehung zu den Kriegsgefangenen treten darf. Sie verliert sonst ihr höchstes Gut, ihre Ehre. Deutsche Frau, vermeide daher auch jeden falschen Schein.! Laßt die Kriegsgefangenen nicht mit euch gemeinsam am Tische sitzen. Sie gehören nicht zur Haus- und Hofgemeinschaft, noch viel weniger zur Familie! Bei Feiern und Festen haben die Kriegsgefangenen nichts zu suchen, denn wir wollen in unseren Feiern und Familienfesten unter uns sein. Auch in eure Gasthäuser nehmt die Kriegsgefangenen nicht mit! Was die Kriegsgefangenen brauchen, erhalten sie. Deshalb sollen sie darüber hinaus von euch grundsätzlich nichts bekommen. Ihr könnt ihnen gebrauchte Kleidungsstücke und die für bestimmte Arbeiten vorgeschriebene Arbeitskleidung zur Verfügung stellen oder sonstige Zuwendungen machen , jedoch nur soweit dies alles für die Erhaltung oder Steigerung der Leistung unbedingt erforderlich ist; Geld, andere Wertgegenstände oder Alkohol – soweit er nicht zur ländlich üblichen Ernährung gehört – dürft ihr den Kriegsgefangenen nicht geben! Beachtet die Leitsätze genau! Wer anders handelt, den trifft schwere Strafe!" Trotzdem können die Liebesbeziehungen zwischen den deutschen Frauen und den ausländischen Kriegsgefangenen nicht unterbunden werden. In der „Oschatzer Kreiszeitung“ lesen wir über eine öffentliche Erniedrigung der betroffenen Frauen auf der Grundlage der Rassengesetze. – sie werden im wahrsten Sinne des Wortes an, besser gesagt in den Pranger am Rathaus in Oschatz gestellt. In Sackkleidern und kahl geschoren müssen sie sich von der Oschatzer Bevölkerung beschimpfen und bespucken lassen. Es handelt sich hierbei um Elsa Thamm aus Kreinitz und Dora von Nessen aus Calbitz, die sich dieser furchtbaren Tortur unterziehen müssen. Unter der Überschrift „Ehrvergessene Frauen“ veröffentlicht die „Oschatzer Kreiszeitung“ am 07.1.1944 folgenden Artikel: „Das Sondergericht Leipzig verurteilte in Oschatz mehrere Frauen und Mädchen zu Zuchthaus- und Gefängnisstrafen. Oschatz. Noch immer finden sich ehrvergessene Frauen, die Kriegsgefangenen gegenüber sich würdelos verhalten. So hatten sich am 6. und 7. Januar mehrere Oschatzer Frauen und Mädchen in einer Sitzung des Sondergerichts Leipzig in Oschatz zu verantworten, weil sie in einer Weise Umgang mit Kriegsgefangenen geflogen hatten, die dem gesunden Volksempfinden gröblich widerspricht. Je nach dem Grad ihres Verschuldens verurteilt wurden: Margot Gey zu zwei Jahren sechs Monaten Zuchthaus, Ursua Thiele und Hildegard Schrodt zu je zwei Jahren Zuchthaus. Irmgard Müller und Christa Heller zu einem Jahr sechs Monaten Zuchthaus, Marianne Schnied zu einem Jahr vier Monaten Zuchthaus. Einige weiter Angeklagte erhielten entsprechend ihrem würdelosen Verhalten Gefängnisstrafen. Das Urteil mag zeigen, daß ehrvergessene Frauen unerbittlich zur Rechenschaft gezogen werden.“ Unter diesen Text finden wir am gleichen Tage den Hinweis, dass Pg. Dr. Unger aus Leipzig einen Vortrag zum Thema „Verhalten Fremdstämmigen gegenüber“ im „Goldenen Löwen“ halten wird. Die im Zeitungsartikel genannte Hildegardt Schrodt verbrachte zwei Jahre im KZ Ravensbrück. Die Erlebnisse dieser Jahre und die Behandlung im Konzentrationslager hat sie nie überwinden können.
Die Angst vor dem Tode ist allgegenwärtig Die im Artikel 54 festgelegte Bestimmung, dass der Arrest die strengste Disziplinarstrafe ist, die über einen Kriegsgefangenen verhängt werden kann, wird in Mügeln an einem folgenschweren Mittwoch im November 1944 nachweislich nicht befolgt. Der amerikanische Kriegsgefangene Rudolpho S. Garcia (Kriegsgefangenennummer 207261/IVB, Army Serial Number 38025796) gerät mit einem deutschen Wachtposten in einen Streit, der am 15. November 1944 tödlich endete. In einer umfangreichen amerikanischen Personalakte, die bis in die 1950er Jahre reicht, wird dieser Vorgang umfassend beschrieben. [13] Garcia, der leicht angetrunken war, kam auf dem Weg zur Toilette in einen Streit mit einem der Wachmänner. Den Befehl, er solle ins Bett gehen, führt er nicht aus. Infolgedessen kommt es zu einem Handgemenge und es fällt der tödliche Schuss. Seine Beerdigung findet am 18. November 1944 auf dem Mügelner Friedhof statt. Am 03. September 1945 wird die Mutter informiert, dass ihr Sohn in Mügeln in der Kriegsgefangenschaft gestorben ist. Rudolpho Garcia wird nur 20 Jahre alt. Ein halbes Jahr früher, am 28. Mai 1944, kommen in einem Arbeitskommando des Stalag IV G in Espenhain durch zwei Bombenabwürfe der anglo-amerikanischen Flieger 128 französische Kriegsgefangene ums Leben. Darüber berichtet die französische Kriegsgefangenenzeitschrift „Servir“ des Stalag IV G Oschatz Nr. 17.August 1944. [14] Von den 128 Toten konnten 37 nicht identifiziert werden. Mehr als 2000 Menschen aus der Umgebung von Muckern nahmen an diesem Trauerzug teil und erwiesen den Toten letzte Ehre. Auch der französische Kriegsgefangene und Maler Camille Masse stirbt an diesem Pfingstmontag des Jahres 1944. Er wurde nur 34 Jahre alt. Seine Bilder sind bis heute verschollen. Die Angst durch solch einen Bombenabwurf am 28. Mai 1944 ums Leben zu kommen, hat auch der aus Südafrika stammende Kriegsgefangene William Andrew Owen. Kriegsgefangenennummer 23899, (*1915, †1986). Owen, genannt „Laddie“, war in einem Arbeitskommando des Stalag IVG in Coswig bei Dresden in einer Sauerkrautfabrik tätig. Er schreibt am 29. Mai 1944 nach Hause: „Ich bin noch am Leben – Ist es „Vorsehung“ oder ist es Zufall? Ich glaube wirklich das Letztere. Schicksal und Vorsehung ist eine Erfindung der Abstraktion“ Er beschreibt in seinem Brief, dass ca. 300 bis 400 Bomben abgeworfen wurden und dass 25 Todesopfer zu beklagen sind. „Der Alarm ertönte zwischen 2 und 2.30 Uhr. Wir sahen die Flugzeuge wunderschön klar. Ich zählte 48 Bomber. [...] Die Schmitts sind schrecklich besorgt. Die alte Dame hielt meine Hand und konnte kaum sagen wie froh sie war, dass ich unverletzt geblieben bin [...] Die Nazis sind Jagdhunde. Wir versuchen zu überleben, um ihren Untergang zu erleben. Wahrscheinlich werden wir heute abend wieder geweckt.“ Am 29. April 195 wird er von amerikanischen Truppen in der Nähe von Rochlitz befreit und kann lebend seine Heimat in Südafrika erreichen. Nicht nur Willkür der Deutschen Bewacher und Bombenangriffe nehmen den Kriegsgefangenen das Leben: viele Kriegsgefangene werden, weil sie nicht mehr arbeitsfähig sind, in Konzentrationslagern umgebracht. Mitte Oktober 1941 überstellt die Wehrmacht 2000 Angehörige aus dem Kriegsgefangenenlager Mühlberg nach Flossenbürg ins Konzentrationslager. Dort werden sie meist gleich nach ihrer Ankunft ermordet. [15] In einem Spiegel-Artikel [16] wurde aufgedeckt, dass beispielsweise bis 1942 bei der Pittler AG in Leipzig 93 Franzosen, 145 Russen und weitere 1086 Ausländer beschäftigt waren; das entspricht einem Drittel der gesamten Belegschaft. Die Stundenlöhne für Kriegsgefangene lagen für französische Gefangene bei 52 Pfennigen, für italienische Gefangene bei 27 Pfennigen und für sowjetische Gefangene bei 22 Pfennigen. Der damalige Aufsichtsratsvorsitzende der Pittler AG Hermann Joseph Abs machte seinen Direktoren im Jahr 1942 klar, dass mehr unternommen werden müsse da die Gewinne der Pittler AG trotz großer Rüstungsaufträge sanken. Infolgedessen schrieben die Direktoren an ihren Aufsichtsratschef: „Wir haben begonnen minderleistungsfähige Arbeitskräfte abzustoßen, z.B. russische Offiziere, die in der Dreherei beschäftigt wurden und arbeitsunwillig waren, und werden versuchen, auch noch andere Ausländer loszuwerden, die nicht arbeiten wollen [...] Der Vorstand „entließ“ am 10. Juni 1944 110 Kriegsgefangene, darunter 25 sowjetische Offiziere aus dem Arbeitskommando des Stalag IVG in Leipzig-Stahmeln. Kurze Zeit später verzeichnet das KZ Buchenwald den „Eingang der Häftlinge“, so schreibt der Spiegel. Fluchtversuche endeten am Galgen. Tausende Kriegsgefangene starben vor Erschöpfung, an Krankheiten und durch Unterernährung. Leider ist es nicht möglich, jedes einzelne Schicksal klar aufzuführen. Es ist aber möglich all jenen ein ehrendes Gedenken zu bewahren.
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Achim Kilian: Mühlberg 1939-1948; Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2001 Mannschaftsstammlager Bundesarchiv-Militärarchiv RW6 Übersetzung aus dem Französischen: Wolfgang Müller, Oschatz Der Landrat Haupt bestätigt die Unterbringung französische Kriegsgefangener in der Fa. Nuster in einem Brief an die Kreisausschussmitglieder vom 3. Juli 1940 mit dem Aktenzeichen Bl 57n I/40 Jens Nagel: Völkerrecht und Kriegsgefangenenwesen der Wehrmacht Genfer Konvention vom 27. Juli 1929 Freitagsbrief Nr. 29 vom 12.01.2007 www.kontakte-kontakty.de/deutsch/ns-opfer/freitagsbriefe/freitagsbriefe_archiv.php Diese Protokolle übergab Paul Forden der Autorin bei einem Besuch in Oschatz im September 2004 Kommandos Prisoner of war, englisch für Kriegsgefangene Bei der Auswertung der Kontrollstempel wurden Stempel bis zur Nr. 86 gesichtet Die Autorin konnte eine 107 Seiten umfassende Personalakte von Rudolpho Garcia aus einem Washingtoner Archiv einsehen. Druckerei C. Morgan Oschatz Ausstellung in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg (2013) Der Spiegel Nr. 19/2006, S. 70/71
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