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Betrachtungen zu Straßennamen der Region – von Arndt Böttcher
 
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"Bereinigende Umbenennung von Straßennamen"

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts trennte man sich in vielen Städten von nicht mehr verstandenen, funktionslos gewordenen Straßennamen und war bestrebt, bestimmten Zeitströmungen Rechnung zu tragen (was im Zusammenhang mit der Industrialisierung oder Gemeinderatsprotokolle dokumentieren einige solcher Umbenennungen.
Immer wieder waren bestimmte Straßennamen als nicht mehr zeitgemäß oder gar anstößig im weiteesten Sinne empfunden.
Für die Oschatzer habe ich zwei typische Beispiele dieses Prozesses gefunden, die Rosmarin- und die Rittergasse.

In Oschatzer Kaufbüchern des 19. Jhs hieß die Rosmaringasse noch die "Mistgasse". Dieser anrüchige Name war - so teilt G. Heinz mit - offenbar von den Wirtschaftsgebäuden und Stallungen, welche zu vielen Grundstücken der Altoschater Straße und Hospitalstraße sowie der südlichen Seite des Neumarktes gehörten, abzuleiten. Den Anwohnern war natürlich dieser Gassenname auf Dauer peinlich.
Die Duftpflanze Rosmarin ist übrigens eine in vielen deutschen Städten zu findende alte Anspielung für stinkende und verrufene Orte, für die Ansammlung und Schmutz im realen und übertragenen Sinn (Sänger, 62)
In Jena findet man im Stadtplan von 1758 ein "Roßmarin Gäßlein", das man im 19. Jh. in Rathausgasse/straße "bereinigte"

Ein ähnlicher Euphemismus (beschönigende Umschreibung für ein anstößiges Wort) liegt auch bei der Oschatzer Ritterstraße vor, die einst Eselsgasse hieß (G. Heinz). Die reich mit Land begüterten Bewohner des Altmarktes hätten früher durch diese Gasse auf Esel ihr Getreide nach der für sie zuständigen Niedermühle transportiert.

Johanna Sänger nennt noch eine Reihe von derartigen Euphemismen. In Frankfurt/Main wurde die Galgenstraße im 18 Jh. in Gallusstraße umbenannt, in Zeitz das Galgentor in Kalktor, in Quedlinburg eine Sustraße in Schaustraße, in Aachen eine Eselsgasse in eine Edelstraße verwandelt. (Sänger, 63)


Straßennamen – aus Ortsnamen abgeleitet

Schon seit eh und je werden Straßennamen nach Ortsnamen benannt, in der Regel nach Städten und Gemeinden in der Region. So auch in Oschatz. Im Unterschied zu Straßennamen anderer Herkunft kann sich auch der normale Bürger die allermeisten Namen dieser Kategorie ohne Zusatzinformation erklären. Daher will ich mich hier nur bei einigen wenigen Straßennamen aufhalten. Außerdem sind in den vorliegenden Kapiteln bereits einige Namen abgehandelt worden.'
Im Neubaugebiet Oschatz-West konzentrieren sich Straßen, deren Namesgeber die Partnerstädte von Oschatz sind – Blomberg, Trebic, Venissieux und Filderstadt. Ein Verbindungsweg zwischen Friedensstraße und Praschwitzer Weg trägt den Namen Windhuk. Woher stammt dieser Name?
Auf alten Karten findet man die Bezeichnung Kolonie an der Kaiserstraße (jetzige Friedensstraße). Sie weist auf den geplanten Neubau hin. Als erster Weg mit Häuserbau entstand der Windhuk.
Offenbar erhielt dieser Weg seinen Namen nach der Stadt Windhoek, dem Zentrum der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia. Ein damals dort wohnender Bürger von Oschatz soll Pate für den Straßennamen gestanden haben. Zwischendurch trug dieser Weg den Namen von Otto Buchwitz (1879-1964, SPD-Reichtagsabgeordneter).

Im ersten Teil dieser Abhandlung wurde auf die Austauschkampagne nach der Wende 1989/90 besonders in der Innenstadt von Oschatz eingegangen. Damit ging nicht nur eine Veränderung der sozialistischen Inhalte, sondern auch in ihrer spezifischen Grammatik einher. Gemeint sind vor allem die Genitivkonstruktionen vom Muster "Straße der Einheit oder Straße der Arbeit, Straße der Freundschaft, Straße des Friedens.
Bis auf die Straße der Einheit stammen diese Beispiele aus Oschatzer Ortsteilen. Aus welchem Grund auch immer (letztlich finanzieller Art) – sie sind uns (im Unterrschied zu vielen anderen Städten) erhalten geblieben.

Bilanz

Die Straßennamen der alten Kreisstadt Oschatz sind über die Generationen verteilt relativ stabil geblieben. Die auffällige Kontinuität wird allenfalls durch die "Austauschkampagnen" nach 1933 und 1945/49 unterbrochen. Die städtischen Vergabegremien haben im letzten Jahrhundert im allgemeinen darauf geachtet, dass bei Neu-/Umbenennung von Straßen, Plätzen usw. weitgehend lokale Belange zur Geltung kamen. Ohne direkten Regionalbezug konnte ich nur ca. 10% der untersuchten Straßennamen registrieren. Über die Akzeptanz des einen und anderen Straßennamen lässt sich streiten. Im Großen und Ganzen wird man aber mit der Wahl der Namen für die Straßen und Plätze von Oschatz auch bei den Heimatfreunden einverstanden sein.
Eine Feinanalyse des gesamten Straßennamen-Korpus nach bestimmten Kategorien ergibt folgendes Bild (wobei eine genaue Zuordnung verschiedener Straßennamen problematisch ist):
Eindeutig die meisten Straßennamen sind von Ortsnamen, Flurbezeichnungen und andern topografischen Gegebenheiten abgeleitet (ca. 33%).
Die zweitgrößte Gruppe bilden die personenbezogenen Namen (22%, davon aus dem politischen Raum ca 15%)
In dieser Gruppe befinden sich übrigens die meisten Straßennamen ohne direkten Lokalbezug (von 33 immerhin 23).
So genannter neutraler Herkunft (zumeist mit Naturbezug) sind etwa 18% der Straßennamen von Oschatz und den Ortsteilen Im weiteren Sinne dem Berufsleben (Handwerk, Gewerbe u.ä.) ist ungefähr jeder zehnte Straßennamen entlehnt.

Aufgrund der z.T. recht problematischen Zuordnung der Namen lassen sich aus dieser Analyse höchstens Trends ablesen. Eines lässt sich am Ende aber sagen. Oschatz dürfte sich in Bezug auf seinen Straßennamen-Bestand kaum von einer ähnlich strukturierten Kleinstadt in Deutschland unterscheiden. 

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