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Eine Geschichte aus dem Heft "Unsere Heimatstadt Oschatz - Ein Anhang zum Lesebuch fürs 3. Schuljahr
Unter Mitwirkung einer sechsgliedrigen Kommission verfaßt und herausgegeben von Arthur Näter, Oberlehrer, 1898

 

Wenn ihr durch die Straßen der Stadt geht, seht ihr öfters an den Zugängen Tafeln stehen mit der Aufschrift: Für Fuhrwerk gesperrt! Tretet ihr näher, so ist das Pflaster aufgerissen, Sand und Erde mannshoch aufgeworfen. Arbeiter sind beschäftigt, Röhren aus Thon und Eisen in tiefe Gräben zu legen. Wie die Blutadern durch unseren Körper gehen, so verzweigen sich viele hundert Röhren unter den Straßen durch alle Teile der Stadt. Durch das unterirdische Röhrennetz wird Wasser und Gas in die Häuser geleitet, Abfall- und Regenwasser dagegen wird abgeleitet.

Vor vielen Jahren hatte unsere Stadt noch keine Wasserleitung, sondern nur Brunnen oder große steinerne Kästen. Letztere wurden Röhrkästen genannt, weil das Wasser von weit her durch Holzröhren hineingeleitet wurde. Das Röhrwasser war aber ungesund, deshalb legte man die Wasserleitung an. An den Torfgruben wurden tiefe Brunnen gebaut, aus welchen gutes Trinkwasser durch das Wasserwerk in einen großen Behälter getrieben wird. Dieser liegt in der Nähe der großen Reitbahn. Von dort aus führen Röhren in alle Straßen und Häuser. Oft seht ihr, wie im Sommer der Sprengwagen mit dem Schlauch an den Wasserständen gefüllt wird. Bei Feuersgefahr schraubt die Feuerwehr die Spritzenschläuche daran. Von den Wasserleitungsröhren unter dem Straßenpflaster gehen Bleiröhren in die Häuser bis hinauf in das 2. Stockwerk. Sie endigen in Hähnen, die man aufdreht, wenn man Wasser zum Trinken, Kochen, Waschen und Scheuern braucht. Die Wasseruhr zeigt an, wieviel Liter Wasser in einem Hause oder in einer Fabrik gebraucht werden.

Auch die Beleuchtung der Straßen war in den früheren Jahren mangelhaft. Ursprünglich hatte man nur Fakeln aus Kien, später verwendete man Laternen mit Öllampen. Jetzt seht ihr in

den meisten Straßen Laternen, in welchen Gas brennt (eine brennbare Luft). An der Körnerstraße steht die Gasanstalt, die ihr an der hohen Esse und an dem runden, eisernen Gasbehälter erkennt.Hier wird es aus Steinkohlen bereitet und in dem Behälter angesammelt.

Abends steht derselbe hoch, weil viel Gas vorhanden ist, früh steht er niedrig, weil es verbraucht worden ist. Durch armstarke, gußeiserne Röhren leitet man es in die Straßen, von dort aus durch schwache Röhren in die Laternen und Häuser. An jeder Stelle, wo es leuchten soll, wird ein Hahn angebracht, der nur aufgedreht werden darf, wenn die Flamme brennen soll. Ist in einem Zimmer durch Unvorsichtigkeit ein Hahn offen geblieben und eine Menge Gas ausströmt, so entzündet es sich schnell und mit einem großen Knall, wenn man mit Licht in den Raum kommt. Oft sind dadurch Häuser zerstört oder Menschen getötet worden. Das Gas ist auch giftig, und Menschen und Tiere, die es längere Zeit einatmen, müssen sterben. Der Verbrauch desselben wird mit einer Gasuhr gemessen.

Das schmutzige Wasser, das von den Straßen, aus den Dachrinnen und Ausgüssen abfließt, führen weite Röhren, die auch unter den Straßen liegen, in die Döllnitz. Das sind Schleusen. An den Schnittgerinnen de Straßen seht ihr die Öffnungen derselben. Damit niemand hineinfällt und sie nicht verstopft werden, liegt ein Eisengitter darüber. Früher lief es in die Gräben ab, und auf den ungepflasterten Straßen bildete es übelriechende Pfützen. Durch die ungesunde Luft und den feuchten Boden entstanden oft verderbliche Krankheiten, an welchen viele Bewohner starben. Jetzt freuen wir uns über unsere schönen und reinlichen Straßen.




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