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Teil I, II, III, IV, V, VI, VII, VIII, IX, X, XI, XII, XIII, XIV, XV, XVI, XVII, XVIII

© Mit freundlicher Genehmigung von Dr. Martin Kupke dürfen Teile aus der im Jahre 2000 erschienenen Dokumentation „Die Wende in Oschatz“ hier wiedergegeben werden. Das Bildmaterial stammt aus dem Archiv von Eckhard Thiem, Großböhla.

Versammlung am 8. Januar 1990, 18 Uhr in der Klosterkirche
Es kamen so viele, dass sie nicht in den Gemeindesaal der Klosterkirche hineinpassten. Sie standen dann im Vorraum der Kirche bis auf die Straße hinaus und saßen auf den Treppenstufen zum Kirchsaal.
Zur Begrüßung sagte ich u.a.: „Die Zeit des Zusehens ist vorbei, von nun an lohnen sich politische Aktivitäten. Hinter uns liegt der Zusammenbruch des Sozialismus in ganz Osteuropa. Die politische und wirtschaftliche Hinterlassenschaft der bisher regierenden kommunistischen Parteien ist ein Schrotthaufen. Die SED hat sich zur Verantwortung bekannt, geht aber trotzdem bereits wieder in die Offensive und spricht von einem demokratischen Sozialismus, der ein menschliches Antlitz haben soll, nachdem er bisher also ein unmenschliches hatte. Ich frage mich, wieso fordert die SED überhaupt etwas, nachdem sie als führende Partei abgedankt hat? Ich denke, das Volk macht da nicht noch einmal mit. Es sollte damit aufgehört werden, Misslungenes noch einmal retten zu wollen. Der Sozialismus ist auf der Basis des Marxismus-Leninismus nicht praktizierbar. Das sollten wir aus den Misserfolgen der vergangenen Jahrzehnte gelernt haben. Einige Altgenossen sitzen in den Ecken und grübeln darüber nach, wie sie sich wieder ins Spiel bringen können. Dabei benutzen sie als Mittel den Rechtsradikalismus, den es ja gibt, aber sie blasen diese Gefahr zusätzlich auf, um für sich selber politisches Kapital daraus zu schlagen. Ich frage mich, wie wachsam jetzt das Volk ist und wie es ganz schnell zu einer politischen Kraft werden kann. Dies wird ein schwieriger Prozess werden; denn seit 1933 herrschten Diktaturen über uns, die sich bemühten, geistige Zwerge aus uns zu machen. In den Schulen einer Margot Honecker wurden Untertanen produziert, die deutsche Sprache haben wir verlernt; denn aus den Zeitungen starrt uns ein grässliches Parteichinesisch an.
Unser Wissen, unser Urteilsvermögen wurden eingeengt und nun sollen wir eine bessere Gesellschaft aufbauen. Die Chance dafür tut sich jedenfalls auf. Die Ereignisse der letzten Monate zeigen, dass mehr an demokratischem Willen da ist, als zu befürchten war. Diesen Willen müssen wir nun einbringen, um nicht anderen das Feld zu überlassen. Heute abend werden wir folgende Fragenkomplexe angehen:

  1. Was geschieht z.Zt. in unseren Betrieben an demokratischer Aufbauarbeit?
  2. Was sollte in den nächsten Wochen geschehen? Hier geht es um Vorschläge, Ideen und um Menschen, die bereit sind, etwas zu übernehmen.
  3. Und was sonst noch gesagt werden muss.“

Im Laufe des Gespräches kam es zu folgenden Beschlüssen:

  • Eine Gruppe für Öffentlichkeitsarbeit ist zu gründen,
  • ebenso ein Bürgerkomitee.
  • in den Schulen sind Schülerräte zu bilden
  • Von den Montagsrunden sind Videoaufnahmen zu machen.

Folgende Anfragen und Informationen gab es:

  • Ein SPD-Kreisverband wurde gegründet.
  • In den Betrieben läuft nichts, wer etwas sagt, wird schikaniert (z.B. LPG Luppa).
  • Warum ist niemand vom Rat des Kreises hier?
  • Warum brennt noch Licht im Stasi-Gebäude und die Autos fahren rein und raus?
  • Die SED sollte enteignet werden. Woher hat die SED überhaupt ihr Kapital und ihre Betriebe?
  • Eine Litfaßsäule ist für unsere Informationen in der Stadt aufzustellen.
  • In den Betrieben sind für unsere Informationen die Schwarzen Bretter zu nutzen. - Eine freie Zeitung sollte gegründet werden.
  • Zur zukünftigen Partnerstadt Blomberg nimmt Dr. Schollmeyer Verbindung auf und spricht eine Einladung nach Oschatz aus.

Mittlerweile hatte auch der Wahlkampf in Oschatz begonnen, wie die Fotos und Flugblätter zeigen.

Typodruck in der Leninstraße 21 (Altoschatzer Straße) schien fest in SPD-Hand zu liegen (Foto 2. KW 1990)...

Wahlversprechen






Gebäude der SED-PDS Kreisleitung in Oschatz (Foto 1. KW 1990)

Fortsetzung


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