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Zugleich stellte sich aber auch hierbei die Notwendigkeit der Entwerfung eines Neubauplanes und Bauregulativs heraus, wobei man namentlich die nach der Rosmarin- und großen Webergasse führenden Gässchen zu verbreitern, und diesen Stadtteil mit einem Ausgang nach der Dresdner Chaussee hin zu versehen, außerdem alle Kommun- und Kirchengebäude möglichst frei zu stellen beabsichtigt. Zur Durchführung dieses Bauplans, welcher insbesondere auch die Verlegung macher Gebäude in seinem Gefolge haben wird, sowie zur Überwachung der Bestimmungen des damit in Verbindung zu bringenden Bauregulativs wurde nun am 17. September von den hierzu verordneten Königl. Kommissarien Herrn Amtshauptmann von Welck und Herrn Kanzleidirektor Schmidt eine Lokalbaukommission niedergesetzt und zu deren Mitgliedern

Herr Landgerichts-Direktor Wilde,
Herr Bürgermeister Hoffmann,
Herr Landgreichts-Assessor Auster,
Herr Stadtverordneten-Vorsteher Müller,
Herr Stadtverordneter Advokat Dürisch,
Herr Rittergutsbesitzer Gadegast,
der Verfasser
nebst Herrn Brandversicherungs-Inspektor Kayser als technischem Beistand,

ernannt, zugleich aber die Verordnung erlassen, dass ohne deren Genehmigung ein Neubau nicht unternommen werden dürfe.
Diese Kommission hielt am 7. Oktober ihre erste Sitzung, worin durch Akklamation Herr Direktor Wilde zum Vorstand, der Verfasser aber zum Protokollanten gewählt wurde. Die Verhandlungen über den Neubauplan sollen in den nächsten Tagen beginnen.
An dem selben Tage (dem 17.) erfolgte auch die besonders wichtige Besichtigung der Ruinen des Rathauses und der Stadtkirche, zu welchem Behufe denn auch den schon genannten Herren Sachverständigen  noch der Brandversicherungsinspektor Herr Herrmann Treutler aus Dresden beigestellt worden war. Obwohl man nun hierbei in Bezug auf das Rathaus die beruhigende Überzeugung erlangte, dass ein großer Teil zum Neubau brauchbar sei *, so stellte sich doch hierbei in Bezug auf die Kirche die traurige Gewissheit heraus, dass zwar die Umfassungsmauern derselben unverletzt seinen, eine Abtragung des herrlichen Gewölbes aber unvermeidlich bleiben werde, da die dasselbe stützenden Pfeiler zum Teil wenigstens einen dauernden Stützpunkt nicht mehr gewähren könnten, weshalb denn auch

durch die noch anwesenden Sapeur als das am mindesten kostspielige und gefährliche Mittel empfohlen wurde.

Wie man aber, wenn es das Leben eines geliebten Freundes gilt, nur ungern an die Anwendung verzweifelter Mittel willigt und lieber noch einen dritten oder vierten Arzt fragt: so sollte man auch hier eines blinden Vandalismus (denn manche glaubten noch an eine mögliche Erhaltung!) sich nicht beschuldigen lassen und es wurde daher in der Ratssitzung am 21. September (der ersten nach dem Brande) im Einverständnis mit Herrn Ephorus die vorgeschlagene Sprengung nur dann beschlossen, wenn auch noch ein anderer Sachverständiger das bereits vernommene Gutachten bestätigen werde. Für diesen Fall gab auch die K.H. Kreiskommission, bei welcher deshalb gehorsamst angefragt wurde, ihre Zustimmung.
Dies geschah aber, in der der zu diesem Behufe requirierte Herr Rats-Baukondukteur Friese aus Leipzig, bereits am folgenden Tage sich über den Zustand der Pfeiler und des Gewölbes folgendermaßen aussprach:
   „Was die Gewölbschäfte anbelangt, so bestehen dieselben zum größten Teil aus Rochlitzer Stein, der wie jede Porphyrart die Eigenschaft besitzt, dass er im Feuer sich blättert. Er wirft aber seine Schalen nicht in der Art des Schiefergeschlechts nach den Lagen ab, die er im Bruch hatte, sondern es sondern sich bei demselben stets die der Glut ausgesetzten Flächen, es mögen nun dieselben lagerecht sein oder nicht. So ist es gekommen, dass bei dem Brande 1616 im Schiffe dieser Kirche die Gewölbeschäfte in ihrem Durchmesser schon bedeutend verringert worden sind und man hat damals den notwendigen daraus hervorgehenden Verlust der Tragbarkeit dadurch zu ersetzen versucht, dass man gebrannte Tonplatten mittels eiserner Flügelklammern an der Außenseite befestigt und somit die frühere Stärke der Gewölbeschäfte wiederhergestellt hat. Die Tragbarkeit beruht aber nicht auf dem Vorhandensein der bloßen Masse, sondern auf der mehr oder minder engen Verbindung (spezifische Festigkeit) derselben. – So ist natürlich durch die Anwendung der Tonplatten die frühere Tragbarkeit der Schäfte nicht wiedererlangt, bei dem jetzigen furchtbaren Brande aber vollends bis auf das Minimum der erforderlichen Stärke gebracht worden. Ich halte die vorhandenen Schäfte deshalb nicht für fähig, das jetzige oder ein neues Gewölbe zu tragen, sondern es ist deren Abtragung erforderlich. – Abgesehen davon, dass aus der Erneuerung der Gewölbschäfte auch eine vorgängige Abtragung der darauf ruhenden Gewölbe von selbst hervorgeht, eine partielle Einziehung neuer Steine in die Gewölbschäfte aber in das Bereich technischer Unausführbarkeiten gehört: so ist zu bemerken, dass die Gewölbe an und für sich durch die Glut förmlich aus ihren Verbindungen gebracht sind. – Durch die selbe Gewalt sind aber auch die ebenfalls aus Rochlitzer Stein bestehenden Gewölberippen und sogar einzelne Teile der Gurtbögen abgelöst worden, selbst die Grade nach dem Altarplatze zu gelegenen Gewölbe sind gesprungen und, da somit diese Gewölbe gerade in den Bestandteilen verletzt sind, von deren besonders guten Beschaffenheit ihre Existenz einzig und allein abhängt: so kann meine Ansicht nur dahin lauten, dass ihre Abtragung ebenfalls nicht zu umgehen sei. – Nur die völlige und zuversichtliche Überzeugung, dass die Aufführung gegenteiliger Vorschläge dem Interesse der Stadt in jeder Hinsicht zuwider ist, indem sie notwendigerweise teils die Sicherheit der Kirchenbesuchenden gefährden, teils die städtischen Kassen auf unverantwortliche Weise ausbeuten würden, bewegt mich zu einem Ausspruch, welcher in den Augen mancher vielleicht den Schein auf mich wirft, als gehöre ich zu der Zahl jener, vor deren Vandalismus kein auch noch so ehrwürdiger Gegenstand des Altertums gesichert ist. – Möchte ein solcher Vorwurf mich nicht treffen, der ich in der Schule der Antike meine technische Bildung erlangt habe und mit wehmütigem Blick auf die Ruinen einen altehrwürdigen Kirche sehe, welche noch in Ihren Trümmern reiche Forschungen mancher Art bietet.“
Als das sicherste, schnellste und wohlfeilste Mittel zur Hinwegräumung der defekten Teile empfahl auch dieser Herr Sachverständige die Sprengung der Gewölbeschäfte durch Minen, „indem hierbei Zeit und Kosten nur sehr geringe Erfordernisse und Menschenleben nicht gefährdet sein, für kunstgerechte Ausführung aber die Leitung eines Offiziers (des genannten Sapeurleutnant Weinlig) bürge, welcher einem Corps angehöre, dessen Ruf ein europäischer sei.“
Zugleich sprach er die sichere Überzeugung aus, dass nicht nur die Umfassungsmauern und die äußeren Strebepfeiler, sondern auch der Altarteil mit seinem Gewölbe, die Sakristei und die dieser gegenüber gelegene Kapelle, welche auch er allenthalben als unbeschädigt und resp. einer dauerhaften Ausbesserung fähig anerkannte, unverletzt bleiben und nur 6 Gewölbeschäfte (die zwei nach dem Altarplatze zu gelegenen erschienen ebenfalls noch als brauchbar) und die von den selben entweder ganz oder teilweise getragenen Gewölbeflächen auf den Fußboden der Kirche herabfallen würden, wie denn auch durch die Explosion, da sie nicht nach oben erfolgte, ein Nachteil für die Umgebung überhaupt nicht zu erwarten sei und schloss mit den Worten: „Dies meine Ansichten! möchten sich dieselben Vertrauen schaffen, denn ohne dieses war ich der Prediger in der Wüste!“
Und der Erfolg bewies die Richtigkeit dieser übereinstimmenden Ansichten! Ja sie wurde sogar durch den am Sonnabend darauf (den 24. September) mit einer schwachen Pulverladung gemachten Sprengungsversuch noch deutlicher dargetan. Denn eben der Umstand, dass die Pfeiler auch im Inneren zu locker und ohne feste Verbindung (nicht luftdicht) waren, hatte das Fehlschlagen desselben bewirkt, indem die lockeren Steine nur noch mehr aus ihrer Verbindung gebracht worden waren. Trotz der dadurch vermehrten Gefahr arbeitete das Sapeurdetachement (jetzt nur noch aus den Korporalen Lorenz und Zeibig, dem Obersapeur Schubert II und den Sapeurs Wilcke, Peters und Raum bestehend) unter Leitung des Herrn Leutnant Weinlig fortwährend bis zum 28. September mit großem Mute und rühmlicher Unerschrockenheit in der (übrigens für das Publikum gesperrten) Kirche, indem man in die defekten Säulen tiefere Mienen grub und nunmehr statt der früheren 3 Pfund zwanzig Pfund Pulver anwendete. In den 6 angebohrten Säulen (die 2 mittelsten enthielten 5, die übrigen 2½ Pfund Pulver) führten zweckmäßige Leitröhren, welche wieder in einer Hauptröhre, vermittelst welcher die Anzündung von außen (auf der Seite nach der Schule zu) geschehen sollte, einmündeten.
So erwartete am 28. September, Mittwochs ½12 Uhr alles mit ängstlicher Spannung den gefürchteten Augenblick der Explosion. Schon brannte der Zündstoff und ging in die Hauptröhre über. Da verlöschte er plötzlich, indem das Pulver auf der letzteren von dem hineinschlagenden Regen durchnässt worden war. Da sprang der Korporal Lorenz mit einem Begleiter wieder in die Kirche und legte dort neuen Zündstoff an. Schon gewahrte man den Pulverdampf als man mit bangklopfenden Herzen die Genannten endlich der Kirche wieder enteilen sah. – Neue Spannung, der Rauch verzog sich wieder, das Pulver war nochmals verloschen! Zum drittenmal zündeten sie nun von innen die Pulver-Leitröhren an, – Rauch und Feuer verbreiteten sich. Alles zitterte, und noch immer beobachteten die mutigen Männer des Pulvers Fortschritte und ob es nicht wieder erlöschen werde. Schon verbreitete es sich nach den Säulen – da eilten sie endlich – und ein Stein fiel vom Herzen der in den benachbarten Gebäuden versammelten Zuschauer schnell heraus, jedoch selbst die Tür noch verschließend. Und kaum hatten sie die Kirche verlassen: da erschütterte ein Knall und dann noch einer und noch einer die Luft, der Erdboden zitterte und die Fenster klirrten und das Gewölbe brach und die vor die Tür genagelten Bretter prasselten auseinander und flogen weit hinweg, und Dampf und Staub umhüllte die Kirche! Doch der Qualm verzog sich und ein lautes Bravo erscholl der Sapeurmannschaft für das glücklich gelungene Werk. Nur ein Pfeiler war stehengeblieben – auch sein Pulver unversehrt. Aber gleich, als ob er der Menschenmacht spotte und doch dem Willen eines Höheren sich füge, stürzte auch er endlich ganz langsam und majestätisch mit seinem Teil Gewölbe hernieder. Und die Berechnung hatte nicht getäuscht, denn von dem Gewölbe fiel nicht eine Elle mehr als bestimmt war und ebenso bewies sich die Befürchtung, dass die Umfassungsmauern leiden würden als durchaus grundlos. Waren doch selbst die Gesimse größtenteils unverletzt und selbst die zur Erhaltung bestimmten 2 Pfeiler stehengeblieben! Doppelt bewundernswert, da die Explosion so stark war, dass unter anderen ein großer Stein über den Kirchhof mitten in den Schul-Betsaal, wo er einige Fensterrahmen beschädigte, hinein, dann durch ein Fenster der anderen Seite (nach dem Hofe zu) wieder heraus und noch auf ein hinter der Schule befindliches Dach flog, welches er ebenfalls teilweise verletzte.
Noch an demselben Tage verließ uns nun auch die wackere Sapeurmannschaft und der Dank der Stadt folgt ihr in die Ferne, wenngleich ihr Werk ein Werk der Zerstörung war. Auch von dem übrigen Militär sind jetzt nur noch 50 Mann unter dem Kommando des Herrn Oberleutnant Siegmann hier anwesend.
So sollte durch ein merkwürdiges Zusammentreffen wieder eine Mittwoch (d. 28. September) den 7 Tage vorher auch an einer Mittwoch (d. 21. Sept.) gefassten Beschluss ausführen sehen, welchen ebenfalls eine Mittwoch (d. 7. September) notwendig gemacht hatte.

Wir schließen nun unsere Schilderung des erwähnten traurig-merkwürdigen Zeitabschnittes in der Hoffnung, dass der Leser mit Hilfe des beigefügten Plans und der nachfolgenden Beilagen sich ein treues Bild von den Verwüstungen des uns betroffenen Brandunglücks werde machen können, und mit dem innigen Wunsche, dass unsere Annalen nie wieder Kunde von ähnlichen Ereignissen geben mögen.

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