Oschatz-damals.de > Geschichte(n) > Chronik (Inhalt) | Erste Abtheilung




 

Die mit Oschatz in ältern und neuern Zeiten verbundene Gegend, deren Zustand, wie er vor der Erbauung der Stadt war, in dieser Abtheilung beschrieben werden soll, war ihrer natürlichen Beschaffenheit nach bis ins sechste christliche Jahrhundert, wie das übrige innere Deutschland, zu dem sie gehörte, noch unangebaut, mit Wäldern und Sümpfen fast ganz bedeckt und hatte ein rauhes norwegisches Klima. Der Boden gab fast nichts weiter als Holz zum Feuer, Weide für das Vieh und wildes Obst. Auerochsen, Rennthiere, Elenthiere, wilde Pferde und Katzen, Füchse, Wölfe, Bären und Raubvögel hausten in den Waldungen. Der Name des Wolfsteiches bei Lampertswalda, des Katzen- und Fuchsberges zwischen Oschatz und Zschöllau erinnert noch immer an jene graue Vorzeit, da sich diese Thiere hier am häufigsten aufhielten.
Die ältesten bekannten Bewohner der Gegend waren die Hermundurer
1) , der ansehnlichste Stamm der Hermionen, eines deutschen Volks. Der griechische Geschichtsschreiber Strabo, der zu des römischen Kaisers Tiberius Zeiten im ersten Jahrhundert lebte, gedenkt ihrer zuerst und weist ihnen ihren ältesten Wohnsitz jenseits der Elbe 2) an, wo sie die Langobarden zu Nachbarn hatten. Als sie sich mit denselben, vermuthlich von einem mächigern Volke, vielleicht den Semnonen 3) verdrängt, über die Elbe zurückziehen mußten, ließen sie sich zwischen diesem Strome und der Saale im heutigen Anhältischen nieder 4) , wanderten jedoch bald an der Elbe hinauf, und waren in der Mitte des ersten Jahrhunderts Nachbarn der Lygier an der schlesischen Grenze 5) Ein Theil von ihnen blieb aber in unserer Gegend zurück.
Ihrem Charakter nach waren sie den übrigen deutschen Völkern ähnlich. Sie hatten drohende blaue Augen, goldgelbes Haar, einen langen und starken Körperbau und eine unbegrenzte Liebe zum Kriege, zur Freiheit und Unabhängigkeit. Sie waren, wie Tacitus berichtet, den Römern vorzüglich treu und wurden daher von ihnen eines vertrauten Umgangs und einer besondern Begünstigung gewürdigt. Es war ihnen erlaubt, mit ihren Waaren in das römische Gebiet zu kommen, da hingegen die übrigen deutschen keinen Handel außer am Ufer des Rheins, treiben durften
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Der deutsche Nationalgeist der Hermundurer zeigte sich auch in ihren politischen Grundsätzen und Einrichtungen. Sie duldeten keine Städte unter sich und betrachteten sie als Netze und Gruben oder als große Gefängnisse, die ihrer Freiheit gefährlich wären. Sie hatten zwar Fürsten, dern Gewalt aber, so wie ihre Einkünfte, die in freiwilligen Abgaben der Untergebenen bestanden, sehr eingeschränkt waren. Sachen von Wichtigkeit wurden stets in den Versammlungen des Volkes ausgemacht, das selbst Befehle gab und entschied. Jeder war befugt, sich unter Aufsicht der Obern selbst Recht zu verschaffen. Eigentliche Todes- und Leibesstrafen kannten sie nicht. Jeder frei Mann war ein geborner Soldat. Zu ihren Waffen für die Reiterei gehörte ein langer Spieß oder eine Pike (framea) genannt, dem das deutsche Wort Frim oder Pfrim, ein scharfes und spitziges Werkzeug, womit man sticht, völlig ähnlich ist,) und ein Schild; die Fußgänger führten kleine Wurfspieße, Keulen und andere kurze Waffen. Sie scheinen auch, wie andere Deutsche, den Landstrich, den sie bewohnten, in Gaue eingetheilt und unsere Gegend den Torgau genannt zu haben, welchen Namen in der Folgezeit die Wenden beibehielten und ihn den von ihnen erbauten Dorfe, der nachherigen Stadt Torgau beilegten.
Die Religion der Hermundurer war die Religion der alten Deutschen. In frühern Zeiten verehrten sie die Sonne, den Mond und das Feuer wegen ihres wohlthätigen Einflusses als Gottheiten. Späterhin versetzten sie ihre verstorbenen Helden unter die Götter. Der vornehmste unter ihren Göttern war der Thor, oder, wie er auch genannt wird, Thuran, Thoran, der Donnergott, ein Beschützer auf Reisen, ein Helfer in Gefahren und ein Abwender alles besorglichen Uebels. Von ihm haben der Dürrnberg zwischen Oschatz und Zschöllau und der Dürnberg
7) oder der Bergrücken von Klötitz bis Strehla, wo seine Bildsäule zur Verehrung aufgestellt war, so wie der Donnerstag, in der englischen Sprache Thursday, als der Tag seiner Anbetung, den Namen erhalten. Eine gleich groß geachtete Gottheit war der Othien, Odin oder Wodan, ebenfalls ein Kriegsgott, dem die Mittwoch heilig war, welche daher auch in der holländischen Sprache noch jetzt der Wodenstag genannt wird. Der Otternberg, worauf ein zum Rittergute Borna gehöriges Weinhaus steht, hat unfehlbar seinen Namen daher erhalten, weil daselbst seine Bildsäule aufgestellt war. Die dritte ihrer vornehmsten Gottheiten war die Astaroth, Astarte, Ostar oder Ostra, die auch den Namen Freya, Frea,Frigga oder Friggo führte, und am Freitage (eigentlich Freyatage) verehrt ward. Sie steht, wenn sie abgebildet wird, dem Abgott Thor zur linken Hand und wird für die Frau Othins gehalten. Man hielt sie für die Göttin der Liebe. Auf dem Orte, wo jetzt das Dorf Ostrau oder Aster steht, stand ehemals ihre Bildsäule. Diese Gottheiten wurden in heiligen, mit einem Hagen oder Zaun umgebenen Hainen oder dichten Wäldern, besonders Eichwäldern, die schon durch ihren dunklen Schatten einen ehrfurchtsvollen Schauer erregten, verehrt. Vielleicht rührt noch der Name gewisser Hölzer in unserer Gegend davon her, z.B. die Haga, ein Stück Holz, zwischen Ganzig und Reppen, dem Rittergut Hof zuständig; das Eichholz bei dem Rittergute Zschochau und der Eichwald bei Oschatz, davon dem Rittergute Casabra und Saalhausen und dem größern geistlichen Aerarium zu Oschatz ein Drittheil gehört.
Aus Liebe zur Freheit kannten die Hermundurer kein bestimmtes Landeigenthum. Sie verweilten nur so lange an einem Orte als sie Weide für ihre zahlreichen Heerden, ihren vornehmsten Reichthum, fanden. Ihre Wirthschaftsgeräthe führten sie auf überdeckten Wagen mit zwei Rädern mit sich fort. Im Sommer umzäumten sie ihre Lagerstätte, um vor reißenden Thieren sicher zu sein, und im Winer wohnten sie in Höhlen oder Gruben, die sie mit Stroh bedeckten, wohin sie auch ihre Habseligkeiten bei feindlichen Einfällen in Sicherheit brachten. Eine solche Höhle scheint der in der Dahlen'schen Haide liegende und zum Rittergute Großböhla gehörige Höllenkessel gewesen zu sein. Der Kriegsgeist der Hermundurer war Ursache, daß sie den Ackerbau nicht liebten; sie hielten es für rühmlicher, wieder den Feind im Felde zu fechten, als das Land zu pflügen und die Erndte zu erwarten. Niemand hatte eigenthümliche Äcker, sonder die Obern und Richter theilten einigen zusammengetretenen Familien ein gewisses Maß von Feldern auf ein Jahr zu. Nach Verlauf dieser Zeit ward ihnen ein anderes Stück Land angewiesen. Starke und freie Männer bauten jedoch das Feld nicht, sondern Weiber, Alte, Schwache und Knechte übernahmen dieses Geschäft und die Besorgung der übrigen Wirthschaft; jene übten sich unterdessen in den Waffen und gingen auf die Jagd. Ihre Speise war wildes Obst, frisches Wildpret und ein Brei, aus Hafer bereitet; Wasser, Milch und Bier ihr gewöhnliches Getränke. Ob sie das Brot kannten, ist noch zweifelhaft. Ihre Kleidung von Thierhäuten bedeckte sie, selbst im Winter, nicht ganz. Die Kinder wurden ohne Verzärtelung erzogen und frühzeitig durch Arbeit, Jagd und Waffenübung abgehärtet. Der Handel mit Ausländern war unbeträchtlich, nur Pelzwerk, Thierhäute und Vieh ward gegen Waffen und andere Sachen vertauscht.
Nach den Hermundurern bewohnten die Daleminzier die Oschatzer Gegend
8) Ob die Hermundurer, wie Heinrich 9) vermuthet, von ihren Nachbarn, den Thüringern, die sich im fünften Jahrhunderte so mächtig ausbreiteten, daß sie unter andern auch den größten Theil des Meißner Landes besaßen. verdrängt oder überwunden worden sind; oder ob die Sachsen, nachdem sie die Franken in der Zerstörung des mächtigen Königreichs der Thüringer beigestanden, und von ihnen den mitternächtlichen Theil der thüringischen Länder zur Belohnung ihres Beistandes erhalten hatten, diese weiten und noch wenig angebauten Gegenden, die si selbst hinlänglich zu besetzen zu schwach waren, den Daleminziern überlassen haben; oder ob, wie Ritter 10) wahrscheinlich zu machen sucht, die junge Mannschaft der Hermundurer, um ihr Glück in bessern Gegenden zu finden, zur Zeit der großen Völkerwanderung im fünften Jahrhunderte sich an andere Völker angeschlossen hat und mit denselben über den Rhein nach Gallien gezogen, die Wohlhabenden, Alten und Unvermögenden aber zurückgeblieben sind, mit denen sich nachher die Daleminzier vereinigten, und ob durch diese Vereinigung ihr Name erloschen ist – darüber läßt sich nicht mit Gewissheit entscheiden. So viel hat seine Richtigkeit, daß der Hermundurer seit dem fünften Jahrhundert in den Geschichtsbüchern nicht mehr gedacht, sondern vielmehr gemeldet wird, daß die Daleminzier um das Jahr 534 die Oschatzer Gegend in Besitz genommen haben. Diese Daleminzier machten einen Theil der Sorben oder Serven und diese wieder einen Stamm der großen Nation der Slaven aus. Die Serven hatten ihren Wohnsitz in Servien, erhielten von dem Kaiser Heraclius Dalmatien, als ihr Land von den Avaren gänzlich verwüstet worden war, besaßen auch nachher die Königreiche Slavonien und Bosnien und eine Zeit lang Croatien, wanderten aber aus und hatten zu Anfang des sechsten Jahrhunderts ihren Sitz in Dacien, waren seit dem Jahr 527 über die Donau gegangen und hatten sich den westlichen Gegenden immer mehr genähert 11) In dem oben gedachten Jahre 534 rückten sie als Colonisten in den östlichen Theil des Meißner Landes ein und vertheilten sich in demselben. Sie nahmen denjenigen Strich ein, der sich unterhalb Scharfenberg an der Elbe anfing, bis an den Fluß Chemnitz, der bei Zwönitz entspringt und nach einem Laufe von acht Meilen bei Wechselburg in die Mulde fällt, hinaufging, und sich an der Mulde herunter, bis nach Leisnig, Grimma, Kühren, dann herüber bis nach Belgern, von da aber herauf bis Strehla und dann weiter bis in die Gegend unter Scharfenberg fort zog, doch so, daß jenseits der Elbe noch die Burgwart Zadel mit ihrem Gebiete dazu gehörte 12)
Dieser Bezirk hieß Daleminzien und auch Glomuczi oder Glomazien. Der ersten Benennung bedienten sich die Deutschen in ihren Urkunden und schrieben ihn verschieden. am öftersten aber Talemence, Dalemince, Delemince, Deleminci, zuweilen auch Dalminza, Talmenche, Dalmantia. Die zweite Benennung Glomuczi hingegen brauchten die Daleminzier mehr als jene. Dithmar
13) giebt den Ursprung dieser Benennung also an: Glomuczi ist eine Quelle, welche von dem Elbstrome nicht weiter als zwei Meilen abliegt, daraus entsteht ein stehender See, dessen Wirkungen ganz wunderbar sind. Die dortigen Einwohner versichern solche als wahr, und Viele, die es mit Augen gesehen haben, bestätigen es. Wenn man sich nämlich für die Zukunft hier zu Lande guten Frieden und fruchtbare Zeiten versprechen kann, ist dieser See mit Weizen, Hafer und Eicheln angefüllt, und hierüber erfreuen sich Alle, die aus der Nachbarschaft sich häufig bei demselben versammeln. Steht aber ein Kriegswetter bevor, so ist Blut und Asche auf demselben das gewisse Merkmal einer solchen künftigen Begebenheit. Ob nun schon der Erfolg von dem Allen etwas Ungewisses ist; so ist gleichwohl die Hochachtung und die Ehrfurcht der dasigen Einwohner gegen diese Pfütze größer, als gegen die Kirchen. 14) Um dieser wunderbaren Erscheinung willen stellten, wie Peccenstein 15) meldet, die Daleminzier bei diesem See jährlich Veranstaltungen an und faßten nach den gemachten Beobachtungen ihre politischen Entschlüsse ab, auch wurden, weil alle Daleminzischen Gottheiten um denselben aufgestellt waren, zu ihrer Verehrung jährlich große Wallfahrten zu diesem See unternommen. In dieser allgemeinen Hochachtung der Daleminzier gegen jenen See lag also die Ursache, warum sie ihrer Zupanie 16) den Namen Glomuczi gaben.
Die Daleminzier fingen bald nach ihrer Ankunft an, der Oschatzer Gegend eine andere Gestalt zu geben, indem sie Wälder ausrotteten, Sümpfe austrockneten, Dörfer erbauten und den Ackerbau einführten, wodurch zugleich das Klima milder ward. Die von ihnen erbauten Dörfer erkennt man an der dem Hauptnamen derselben angehängten Silbe ec, ic, owe, davon die ersten beiden einen Wohnsitz, die dritte aber eine Dorfstätte anzeigt, die auf einem morastigen mit Bergen und Anhöhen umgebenen Ort erbaut ist. Jene Endsilben verwandelten nachher die Deutschen in ez, iz, au, und schrieben sie mithin so, wie sie von den Sorben ausgesprochen wurden. Wie die Endsilbe ihre bestimmte Beziehung hatte, so auch der Hauptname, dem sie angehängt ward. Einige Ortnamen entlehnten die Daleminzier von Orten in Dalmatien, Bosnien und Croatien, wo sie ehemals gewohnt hatten. Nach Banduri Karte von den slavischen Ländern in Illyrien ist z.B. in Dalmatien ein Berg, sonst Chlum, jetzt Hlumo oder Chulm genannt. Nicht weit von Oschatz haben wir den Collmberg und am Fuße desselben liegende Dorf Collmen. In Dalmatien liegt ferner Dalen, Belina, Mocriscic, Zerniza, Liuba, Trebischitza, Ottoziz, jetzt Ottoschatz genannt, und in unserer Gegend finden wir die gleichlautenden Orte Dahlen und Böhla bei Oschatz, Mockritz bei Döbeln, Dobernitz bei Staucha, Sörnewitz bei Oschatz und Sornzig bei Mügeln, Sörmitz oder Sörnitz bei Döbeln, Leuben bei Oschatz, Trebnitz bei Strehla und Döbeln, Treben bei Staucha und selbst Oschatz, nur daß man beim letztern nicht die Stadt, die zu den Zeiten der Daleminziern noch nicht erbaut war, sondern das Dorf Altoschatz denken muß. Aus der Ähnlichkeit dieser Ortsnamen mit jenen in Dalmatien läßt sich schließen, daß die Daleminzier ehemals daselbst ihren Wohnsitz hatten und aus Vorliebe gegen ihn ihren hier zu Lande angebauten Dörfern diese Namen beilegten. Auch läßt sich vermuthen, daß sie aus gleicher Vaterlandsliebe den Namen Daleminzien, den sie dem in Meißner Lande von ihnen bewohnten Bezirke gaben, nach dem Namen ihres alten Vaterlandes, Dalmatien, bildeten. In Bosnien, wo die Daleminzier vor Zeiten auch wohnten, heißt ein Ort Greben, bei uns Gröba, Lausa, dort ein Fluß, bei uns ein Dorf. Das Königreich Bosnien wird in ältern Schriften auch Woßen genannt,und empfing diese slavonische Benennung wegen seiner hohen Lage
17) Die Daleminzier gaben diesen Namen den von ihnen bei uns erbauten hochliegenden Dorfe Woßen, jetzt Hohenwußen genannt 18) In Croatien liegt Rackowitza, bei uns Ragewitz. Sodann gaben die Daleminzier ihren neuen Wohnorten in unserer Gegend solche Namen die in der Sorbensprache entweder einen Wald überhaupt, oder diejenige Art von Waldbäumen, die daselbst standen, insonderheit anzeigen. So heißt Laas, Lößnitz ein Wald, Leuben Buschwerk, Luppa eine Linde, Borna ein Fichtenwald, Occek, das jetzige Dorf Altoschatz, eine Aspe. Von der sumpfigen und wasserreichen Lage des Ortes benannten sie die Dörfer Plotitz, Mockritz, Kalbitz, Börlen, Lausa, wohin auch die Namen der Orte mehrentheils zu rechnen sind, die sich vormals auf owe, jetzt auf au endigen, z. B. Schmorkau, Zöschau, Zschochau. Hielten sich gewisse Raubthiere an dem Orte, den die Daleminzier anbauten, in Menge auf, so nahmen sie daher ebenfalls die Veranlassung zu seiner Benennung. So heißt Kanitz in ihrer Sprache ein Geyer. Von der guten Weide für das Vieh, von Wiesen und anderen grasreichen Orten empfingen z.B. Paußnitz bei Strehla, Wunitz, ein zu den Stauchaer Dreidörfern gehöriges Dorf, ihre Namen. Viele Dörfer, die ich hernach anführen werde,,erhielten ihre Namen endlich auch von den Gottheiten, welche die Daleminzier daselbst verehrten.
Die Dörfer der Daleminzier waren klein und bestanden oft nur aus drei bis vier Gütern, wodurch sie sich noch jetzt von den durch die Deutschen erbauten viel längern und größern Dörfer unterscheiden. Die Häuser, die sie weit aus einander bauten, bestanden aus einer niedrigen Lehmwand, die sie mit einer glänzenden Thonerde bestrichen und mit einem Strohdache bedeckten. Sie scheinen unsere Gegend nicht auf einmal angebaut zu haben, sondern mit ihrem ersten Anbaue von Scharfenberg nur bis an die Gegend Stauchitz , Staucha, Dösitz oder Tösitz, Marschitz und Zschochau gekommen zu sein. Denn die Namen dieser Orte zeigen in der sorbischen Sprache Grenzorte an
19) Nachdem sie sich aber vermehrten, bauten sie wahrscheinlich die niedere Gegend von Staucha bis Kühren an und gaben auch hier dem Grenzorte den Namen Stauchau, der jetzt eine wüste Mark 20) ist. Beide Gegenden werden noch jetzt als zwei besondere Theile unterschieden; denn jene höher liegende heißt bekanntlich das Oberland, die niedere hingegen das Unterland. Die Namen, welche noch bis diesen Tag bei der Bearbeitung des Ackers, bei dem Einsammeln und dem Ausdreschen der Feldfrüchte und bei dem dabei gebräuchlichen Ackergeschirre gewöhnlich sind, stammen alle aus der sorbischen Sprache her und sind folglich ein Beweis, daß der Feldbau in hiesiger Gegend von den Daleminziern eingeführt worden ist. Die Dorfnamen Schorren oder Schmorden, im Amte Oschatz, Schmorkau bei Oschatz und Schöna bei Cavertitz kommen von dem sorbischen Worte Smurden her, mit welchen man einen Drescher oder einen Leibeigenen, der tägliche Dienste thun mußte, benannte und der Name des letzten Dorfs heißt eben in dieser Sprache eine Sense.

Der sittliche Charakter der Daleminzier war, wie der National-Charakter aller Sorben, sehr rühmlich. Boshaft und tückisch waren sie gar nicht, 21) gegen einander bezeigten sie sich höflich; umarmten und küßten sich bei ihren Zusammenkünften; Unversöhnlichkeit störte ihre Verbindungen nicht; die Gastfreiheit übten sie in einem hohe Grade aus 22) für die Armen sorgten sie so gut, daß man keinen Bettler unter ihnen sah. Der Diebstahl war ihnen ein unbekanntes Laster, doch hielten sie es für kein Verbrechen, dem Andern Speise und Trank zu entwenden, um Gäste bewirthen zu können. Mit der Tapferkeit, wodurch sie sich auszeichneten, war eine große Liebe zur Freiheit verbunden. Ihr Gemüth war zu einer Fröhlichkeit geschaffen, die oft in Leichtsinn ausartete. Die Ehe hielten sie heilig. Grausamkeit, eine natürliche Folge ihrer uncultivirten Tapferkeit, und starke Neigung zum Trunke waren National-Gebrechen. Abendländische Geschichtsschreiber schildern sie zwar von der häßlichsten Seite; allein man wird bei unparteiischer Prüfung bald gewahr, daß der Religionshaß aus ihnen redet.

Die politische Verfassung der Daleminzier gründete sich auf Freiheit. Sie hatten, wie die übrigen Sorben, einen Fürsten, der aber in Friedenszeiten sehr eingeschränkt war, oder vielmehr gar keine Gewalt hatte. Nur im Kriege war dieser Fürst ihr Anführer, und seine Macht hörte mit dem Ende des Krieges wieder auf. Die Fränkischen Jahrbücher nennen einige mit Namen, z.B. Miliduch, der im Jahre 807 erschlagen ward; Tungo, der im Jahre 825 seinen Sohn dem Kaiser zur Geisel geben mußte; Boleslaus aus Delmans, der achte und letzte im Jahre 933, der der Schlacht des großen Königs Heinrich I. wider die Ungarn beiwohnte. Die politische Einrichtung der Daleminzier war demokratisch: eigentlich Stände und Rangordnungen hatten sie nicht, einer galt so viel, als der andere, blos Tapferkeit ehrte und gab größeres Ansehen bei dem Volke. Bei ihren Versammlungen berathschlagten sie sich gemeinschaftlich. Ihre Haupt-Zupanie theilten sie, so wie es in ihrem ersten Vaterlande üblich gewesen war, in gewisse kleinere Zupanien 23) oder Gerichtsherrschaften, die mehrere Orte umfaßten und über welche ein Zumpan oder Gerichtsherr gesetzt war. Das Amt Meißen war noch im Jahre 1553 in 16 Zupanien aufgetheilt und die Amtsrechnung darnach eingerichtet. Schöttgen hat ihre Namen angegeben 24) Zu unserer Gegend gehören davon die Zupanie Hohenwussen, Pulsitz, Schlagwitz, Schweta bei Döbeln, wo der Sitz des Zumpans gewesen war. Außerdem kann man annehmen, daß auch Lonnewitz 25) Belgern, und Mügeln (jetzt Altmügeln) 26) ähnliche Gerichtsorte gewesen sind. Wenn der Zupan über die ihm angewiesenen Dörfer Gericht hielt, so richtete er sich dabei nach alten Gesetzen und festgesetzten Gewohnheiten; der Eid ward selten gebraucht, weil man von einem öftern Gebrauche die Rache der Götter fürchtete; die Gerichtsstätte ward Kosel 27) und das Gefängniß für die Verbrecher Diemitz genannt. Die älteste Waffe der kriegslustigen Daleminzier war ein Messer, das am Gürtel herabhing und auch zum Essen gebraucht ward. Nebst diesem hatten sie Wurfspieße, kleine Schilde, Pfeile 28) Schwerter und Lanzen. Ihr Heer bestand mehrentheils aus Fußvolk; ihre Kriege fingen sie nie ohne gottesdienstliche Handlungen an; sie glaubten, der höchste Gott bekümmere sich vorzüglich um ihre Kriege, die sie für heilig hielten und streite für sie; auch fragten sie dabei ihre Orakel um Rath. Wer sich im Kriege tapfer hielt, ward als männlich betrachtet und geehrt.

Von dem Gottesdienste der Daleminzier, der dem Götterdienste der übrigen Sorben ähnlich war, kann hier nicht ausführlich gehandelt werden 29) Von ihren Gottheiten scheinen hier nur diejenigen aufgeführt werden zu müssen, die für die hiesige Gegend ein besonderes Interesse insofern haben, als nach ihnen mehrere Dörfer genannt worden sind. Sie verehrten überhaupt zwei höhere Wesen, ein gutes und böses. Von dem guten Gott, den sie Bog nannten, wähnten sie, daß er sich stets in einer ungestörten Ruhe befinde und die Sorge für die Welt andern Göttern aufgetragen habe, die sie ihm unterordneten. Von diesen Untergottheiten waren die vornehmsten Swantewith und Radegast. Unter dm ersten verehrten sie überhaupt das Feuer und insbesondere die Sonne, und daher stand der Feuerdienst bei ihnen im großen Ansehen; unter dem zweiten einen listigen, aber uns nicht bekannten Helden, der in Kriegszeiten um Rath gefragt ward. Denn das Wort Radegast bezeichnet einen verschlagenen und tapfern Mann. Von einer niedrigern Gattung waren folgende: Porenutus oder Poronicny galt als Gott der Schwangern; Slota Baga als Göttin der Gebährerinnen; Cisa als Göttin der mütterlichen Nahrung. Curcho oder Gorcho verlieh jedem sein bescheidenes Theil in der Nahrung, so wie überhaupt Potrimbus, von Potreba oder Potrebny, bedürftig, abgeleitet, für die Nahrung und andere Bedürfnisse der Menschen sorgte. Porewith gab seinen Verehrern gute Beute in feindlichen Ländern und verhütete Beraubungen vom Feinde. Die Göttin Siwa schenkte das Leben und Auschwitus (von dem sorbischen Worte Wußwieczicz, erleuchten,) erhielt es, indem er den Kranken, die seine Priester in der Nacht befragten, heilsamen Rath ertheilte. Pergrubius besorgte durch das gedeihliche Wachsthum des Getreides und aller andern Feldfrüchte eine gute Ernte; Puscetus aber, dessen Name, wenn er von dem sorbischen Worte Bosowske abgeleitet wird, eigentlich einen Gott, der unter einem Hollunderstrauche wohnt (deum sambuceum), anzeigt, schützte die geheiligten Haine, Wälder und Bäume. Dziewanna war die Göttin der Wälder und der wilden Thiere; Provo, Prawo oder Prono der Gott der Gerechtigkeit; Vitus oder Wet der Gott der Rache. Von dem bösen Gott, den die Daleminzier Czernebog, das ist, den schwarzen Gott nannten, bildeten sie sich ein, daß er den Menschen allerlei Schaden und Nachtheil zufüge. Uebrigens machten sich die Sorben ihre Gottheiten durch geschnitzte, gemalte oder gegossene Bilder sinnlich, welche gemeiniglich vielköpfig und von fürchterlicher Gestalt waren. Jedes Dorf und jede Familie hatte einen eigenen Schutzgott, welcher Jedem der erste und heiligste war, und von ihm da verehrt ward, wo er sich der allgemeinen Meinung nach gern aufhielt, in dicken Wäldern, Hainen, unter alten Eichen, an Sen und Brunnen. Daher legten die Daleminzier auch oft den Dörfern, wo die Bildsäulen ihrer Götter standen, den Namen derselben bei. Dieses läßt sich mit den Namen verschiedener Dörfer in der Oschatzer Gegend beweisen. So hat z.B. Bornitz bei Oschatz seinen Namen von dem Porenutus oder Poronicny; Bortewitz bei Börln von dem Porewith; Bucha bei Dahlen von dem Bog; Churschitz bei Lommatzsch von dem Churo; Grubnitz bei Oschatz von dem Pergrubius; Ibanitz bei Staucha von der Siwa; Prawsitz jetzt Prausitz bei Jahnishausen und Prositz bei Staucha von dem Provo oder Prawo; Ragegast bei Börln von dem Radegast; Schinnewitz bei Oschatz von der Dziewanna; Schlatitz bei Mügeln von der Slota; Schmannewitz von dem Swanewith; Sörnewitz bei Lampertswalda, Sornzig bei Mügeln, Sörmitz oder Sörnitz bei Döbeln von dem Czernebog; Treben bei Staucha, Trebnitz bei Strehla, Trebitz bei Döbeln von dem Potrimbus; Wetitz bei Mügeln von dem Wet; Wutschwitz bei Döbeln von dem Auschwitus; Zißen bei Dahlen, Zöschau bei Oschatz von der Ciza. Zu ihren heiligen Hainen gehörte das Pösig-Holz, dem Rittergute Staucha zuständig, in alten Urkunden Biscowe genannt, wo der Puscetus verehrt ward und das Ziezschhölzchen an der Poststraße, zum Rittergute Hof gehörig, der Ciza geweiht. Es gab derer noch mehrere und sie wurden gemeinigleich in alten Schriften Heidehölzer genannt. Der Rath zu Oschatz entrichtete aus der Kämmerei 1511 einen Groschen Zins zur Kapelle St. Elisabeth daselbst von dem Heidenholze. – Die Verehrung der Götter bestand vorzüglich in Beten, Opern, Weissagen und vielleicht auch Fasten. Die Götter ertheilten auf Befragen auch Antworten und die Orte, wo dies geschah, wurden in der sorbischen Sprache Praschwitz oder Pratschitz genannt. Da das jetzige geistliche Aerarien-Gut in Oschatz und die Flur, darin die dazu gehörigen Felder liegen, diesen Namen führt, so läßt sich nicht ohne Grund annehmen, daß auf dem Standorte des Gutes oder in den Feldern desselben ein Ort gewesen sei, wo die Götter von den Daleminziern, sobald sie Sachen von Wichtigkeit unternehmen wollten, um Rath gefragt wurden 30) Die Diener der Götter hießen Popen. Vielleicht hat das Dorf Poppitz beo Mügeln davon seinen Namen. Das Neujahrfest im März und das Erntefest im Herbste waren die einzigen Feste, die von ihnen gefeiert wurden.

Bei ihren häuslichen Verrichtungen beschäftigten sich die Daleminzier mit der Viehzucht, dem Ackerbau, der Jagd, Bienenzucht und Fischerei. Ihre Speisen waren von schwer verdaulicher Art und schlecht zugerichtet. Sie aßen des Tages nur zweimal, Mittags und Abends. Ihr Getränke war Bier und Math, aus Honig bereitet. Zur Erleuchtung ihrer Stuben bedienten sie sich des Kiens, den sie, wie noch jetzt in Holzgegenden geschieht, in einem kleinen bei dem Ofen an der Wand angebrachten Kamin anzündeten und dessen Flamme mit kleingespaltenem Holze unterhielten.
Nach ihrem Tode wurden sie unter vielem Wehklagen, dazu besondere Klageweiber bestellt waren, von ihren Anverwandten, deren Trauerkleidung in einem weißen Tuche, das sie gleich einem Mantel ganz um sich schlugen, bestand, zu der Stätte gebracht, wo ihr Leichnam verbrannt, die Asche in Urnen
31) gesammelt und nicht weit davon in die Erde beigesetzt werden sollte. Jeder Ort hatte in seiner Nähe eine solche Brandstätte. In Bucha bei Dahlen ward ungefähr vor 60 Jahren am Kirchhof eine sehr alte Eiche ausgerodet und dabei eine Urne gefunden, die noch mit Asche angefüllt war, aber von den Scheitschlägern, die sie für einen gewöhnlichen Aschentopf hielten, leider zerschlagen ward. Daher vermuthe ich, daß der Berg hinter dem dasigen Pfarrgarten, der jetzt mit Kirschbäumen besetzt ist, zu den Zeiten der Daleminzier eine Brandstätte und ein Begräbnisort für die Verstorbenen gewesen sei. Eine solche Stätte ward auch im Jahre 1737 an der Zschochauer Straße, zwischen Ottewich, Zuntzschwitz und Lüttewitz auf einem daselbst befindlichen Hügel entdeckt, als bei dem Ausroden eines Waldbaumes acht mit Beinen und Asche angefüllte Todtentöpfe von verschiedener Größe gefunden wurden. 32) Die Todtentöpfe wurden dem damaligen Rittergutsbesitzer in Zschuntzschwitz, Wolfg. Rud. von Holleufer überbracht, der sie aber aus Achtung gegen Verstorbene den Tag darauf wieder an ihre vorige Stelle setzen ließ.
Seit die Daleminzier in das Meißnische eingerückt waren, blieben sie, wie die übrigen Sorben, fast ein ganzes Jahrhundert hindurch größtentheils ruhig und beschäftigten sich in diesem Zeitraume vielleicht blos mit der Viehzucht und Cultur des Landes. Allein der Ruhe endlich müde und der Beschränkung ihrer Gebieter überdrüssig, entzogen Sie sich, von kraftvollem Selbstgefühl erhoben, der fränkischen Herrschaft, der sie zeither unterworfen waren. Bereits seit Kaiser Karls des Großen Zeiten fielen sie öfters in Thüringen und Sachsen, jetzt Niedersachsen genannt, ein und führten verheerende Kriege mit den Thüringern und Sachsen, in welchen sie theils siegten, theils, und zwar öfters, besiegt wurden. Als ein freiheitliebendes Volk, das seine Unterdrücker, die Deutschen, verabscheute, erneuerten sie ihre Einfälle von Zeit zu Zeit bis zu den Zeiten Heinrich I., des ersten deutschen Königs aus dem sächsischen Hause, der sie im Jahre 922 glücklich bezwang. Um sie im Gehorsam zu halten, legte er die Stadt und Festung Meißen an, die er im Jahre 930 vollendete.
Als sie aber nach Heinrichs Rückkehr nach Sachsen es noch einmal wagten, sich die Freiheit zu erkämpfen, unterwarf er sich im Jahre 926 dieselben völlig, nachdem er ihre Hauptfestung Gana
33) nach einer Belagerung von zwanzig Tagen erobert und dabei die Beute seinen Soldaten Preis gegeben, alle wehrhafte Mannschaft niedergehauen und die Unerwachsenen gefangen genommen hatte. Von dieser Zeit an wurden die Daleminzier, gleich andern Sorben, von den Deutschen als Leibeigene und dabei mit der größten Verachtung behandelt, welches ihnen um so empfindlicher sein mußte, da sie zu den muthigsten und tapfersten Nationen der damaligen Zeit gehörten. 34) Da ihr Land in den letzten Kriegen theils durch die vielen Niederlagen, theils durch die starke Auswanderung seiner Einwohner nach der noch unangebauten böhmischen Grenze seht entvölkert war; so führte Heinrich, um diesen Verlust zu ersetzen, viele Colonien, besonders aus dem jetzigen Niedersachsen, in das von ihm eroberten Daleminzien ein.
Diese deutschen Ankömmlinge bauten sich an, und gaben den Dörfern, die sie anlegten, deutsche Namen, woran sie noch jetzt von den Dörfern, die wendischen Ursprungs sind, unterscheiden können. Bald nannten sie das neue Dorf schlechthin Naundorf, bald setzten die Erbauer zu ihren Familien-Namen das Wort Wald, Dorf, Hain, Berg, Feld, und so entstand bei uns Lampertswalda, Wellerswalda, Lampertsdorf, Beyersdorf, Kuners- oder Konradsdorf, Blumberg, Thalheim, Hanefeld. Bald gabe sie dem neu erbauten Dorfe den Namen des naheliegenden wendischen Dorfs und unterschieden beide durch das Beiwort Deutsch und Wendisch. Daher sind die Benennungen Deutschluppa und Wendischluppa, Deutschenbora und Wendischbora entstanden. Legten sie Städte an, so nannten sie dieselben oft nach dem zunächst liegenden wendischen Dorfe und unterschieden daselbe nun durch das Vorwort Alt, oder richtiger, nach der ursprünglich in den Urkunden des Mittelalters noch beibehaltenen Schreibart Aldin, das einen leibeigenen Ort anzeigt, weil die auf den Dörfern wohnenden Daleminzier Leibeigene der Deutschen waren. Daher kommen nach der ältern Schreibart die Dorfnamen Aldinoschatz, Aldinmügeln, Aldinbelgern, Aldinlommatzsch, Aldinleisnig u.s.w., welche vorher, ehe die in der Nähe erbauten Städte von ihnen den Namen erhielten, den einfachen Namen Oschatz, Mügeln, Belgern. Lommatzsch Leisnig führten.
35)
König Heinrich ließ es beim Anbau neuer Dörfer nicht bewenden, sondern richtete sein Augenmerk auch auf die von den Daleminziern bereits erbauten und von den Einwohnern jetzt entblößten Dörfer. Er besetzte sie mit Kriegern, die sich um ihn verdient gemacht hatten. Die Ritter (milites), welche die Reiterei im Kriege bildeten, belehnte er mit ganzen Dörfern und mit ihren leibeigenen Bewohnern; diese mußten den Acker ihrer Herren bestellen, ihnen Zinsen an Gelde, Früchten und andern Nothwendigkeiten entrichten, Dienste mit Dreschen und dergleichen Arbeiten leisten und als Knechte und Mägde im Hause dienen. Auf diese Weise entstanden die Rittergüter und ihre Besitzer wurden durch diesen Besitz geadelt. Die Freien (igenui) hingegen, welche im Kriege unter der Anführung der Ritter (equites) als Fußvolk dienten, belehnte er nur mit den Äckern, die 2 - 3 Hufen betrugen. Sie wurden Freie genannt, weil sie von Geburt Niemandem mit Leibeigenschaft unterworfen waren; jedoch wurden sie nicht unter die Adligen gerechnet. Als Krieger, die zugleich Feld besaßen, wurden sie militis agrarii, freie Ackersassen, und ihre schwachen Erbgüter Freigüter, freie Sattelhöfe, eigentlich Sasselhöfe, d. i. solche Güter, die freie Landsassen inne hatten, genannt. Sie beschäftigten sich mit Bestellung ihrer Äcker. Als Städte errichtet wurden, mußte der neunte Mann von ihnen in dieselben ziehen, daselbst für sich und die auf dem Lande Zurückbleibenden Wohnungen erbauen, damit auch diese in kriegerischen Zeiten einen sichern Zufluchtsort hätten und mit ihnen zugleich die Stadt vertheidigen könnten. Auch mußten diese Freien den dritten Theil von Feldfrüchten, welche die Zurückgebliebenen an sie ablieferten, in der Stadt aufbewahren, um jeden besorglichen Mangel an Lebensmittel möglichst vorzubeugen. Ueber sie waren Ritter als militärische Befehlshaber gesetzt, die in vielen Städten, z.B. in Leipzig, Oschatz, Belgern, ihre Wohnungen in die nach ihnen benannten Rittergassen erbauten. Jene Freien, die in die Stadt gezogen waren, wurden nun militis urbani
36) (in der Stadt wohnenden Krieger) genannt. Nach und nach folgten ihnen die übrigen, die auf dem Lande zurückgeblieben waren, auch in die Stadt (Burgum) und veränderten ihre Namen, inden sie sich lieber Bürger als Freie nennen ließen. Sind ja einige auf dem Lande geblieben, so sind sie vielleicht auf irgend eine Art unter die Herrschaft angrenzender Rittergutsbesitzer gekommen 37) Es giebt in unserer Gegend noch verschiedene Freigüter, die von jenen Zeiten ihren Ursprung zu haben scheinen. Dahin rechne ich besonders die, welche noch jetzt diesen Namen führen, als z.B. das Freigut in Gaunitz bei Oschatz, Milschwitz bei Staucha; Altsattel bei Lommatzsch scheint mir auch seines Namens wegen dazu zu gehören. Außerdem glaube ich auch solche Güter unter die ehemaligen Freigüter rechnen zu können, die Vorwerke in ältern Zeiten genannte werden, davon ein großer Theil nachher zu Rittergütern erhoben worden ist. So werden Ober- und Nieder-Staucha, Schlatitz bei Mügeln, Leuben, Altoschatz, Mannschatz, Merzdorf, Goselitz, Oetzsch, Großrügeln bei Strehla, Rechau bei Zöschau, Ockeritz bei Schweta, und Striesa bei Oschatz und andere Orte mehr in Schriften der ältern Zeit Vorwerke genannt.
Durch die Vermischung der Deutschen und Daleminzier legte König Heinrich, wie es auch seine Absicht war, den Grund das die Daleminzier nach und nach die Sitten, die Religion und Sprache der Deutschen annahmen und mit ihnen ein Volk wurden,
Bei der neuen Verfassung, die der sächsische König Heinrich seinem eroberten Lande gab, kam die mit Oschatz verbundene Gegend unter den Markgrafen zu Meißen, doch nicht als Oberherr und Eigenthümer, sondern nur als Befehlshaber in Justiz- und Kriegssachen. Die zeither gewöhnliche Eintheilung in Zupanien blieb, nur daß die von den Sachsen neu erbauten Dörfer zu den nächsten schon vorhandenen Zupanien mit geschlagen wurden. Selbst das Land, zu welchem unsere Gegend gehörte, behielt noch lange den Namen Daleminzien, denn erst im 11. Jahrhundert bekam es den Namen Sachsen. Cosmas von Prag legt ihm im Jahre 1040 diesen Namen bei und Adelboldus, ein Geschichtsschreiber im elften Jahrhundert, nennt die Oberlausitz eine Markgrafschaft zwischen Sachsen und Polen
38) Um die besiegten, aber noch zum Aufruhr geneigten Daleminzier im Gehorsam zu erhalten, ließ Heinrich Burgwarten oder kleine Festungen anlegen. Jede Burgwart war anfangs eine auf einer Anhöhe bei einem vorbeifließendem Wasser erbautes und mit einer Mauer, einem Graben und Wachthürmen befestigtes Schloß, welches eine königliche Besatzung hatte, die einem militärischen Befehlshaber anvertraut war, und durch besondere auf den Thürmen ausgestellten Wachen Acht haben mußte, ob sich in der umliegenden Gegend aufrührerische Bewegungen zeigten, auch verbunden war, jede Bewegung dieser Art, die sie gewahr ward, sogleich mit gewaffneter Hand zu dämpfen. Nachher bekam den Namen einer Burgwart zugleich das Dorf oder die Stadt, bei welcher sie angelegt war, und endlich erweiterte sich die Bedeutung Burgwart noch dahin, daß man die ganze Gegend, die dazugehörte, ein Burgwart nannte. Außer der Besatzung war in jeder Burgwart auch ein Justizbeamter, der über die zur Burg geschlagenen Dorfbewohner auf einen im Umkreise der Burg liegenden freien Platz (area) Gericht hielt und das Burgwartsrecht ausübte; ferner ein Rentbeamter, welcher von den Unterthanen in dem Burgwartsbezirke die gewöhnlichen königlichen Abgaben eintreiben mußte und endlich ein Meßpriester, der in der eingebauten Burgkapelle für die Burgbewohner und für die aus dem Burgwartsbezirke zum Christenthume bekehrten Daleminzier den Gottesdienst zu besorgen hatte. Schöttken 39) hat aus den noch vorhandenen Urkunden des Mittelalters ein Verzeichniß der sächs. Burgwarten geliefert, daraus ich hier nur diejenigen anführen will, die entweder ihrem ganzen Bezirke nach oder nur in Ansehung einiger Dörfer zu der mit Oschatz verbundenen Gegend gehören. Dahin ist zuerst die Burgwart Eilenburg zu rechnen, in welcher das zu Lausa eingepfarrte Dorf Buckwitz lag; ferner die Burgwart Dröschkau bei Belgern, in welche das Kirchdorf Schirmenitz einbezirkt war. Weiter hinauf an der Elbe stand die Burgwart Boritz, zu welcher nebst dem nahe dabei liegenden Kirchdorfe Leutewitz gewiß noch mehrere Dörfer hiesiger Gegend geschlagen waren. Boritz gegen Abend lag die Burgwart Nimucowa, welches ich für Mehltheuer halte, weil nicht nur dieses deutsche Wort eben das ausdrückt, was jene wendische Bezeichnung anzeigt, sondern auch, weil noch jetzt ein hinter dem Kirchhofe gelegener Raum den Namen Kühlgarten führt, der auf eine ehemals daselbst gestandene Burg hindeutet 40) Wenn in der Urkunde, welche Schöttgen beigebracht hat, um das ehemalige Dasein der Burg Nimucowa zu beweisen, die Güter namentlich angegeben wären, die Kaiser Heinrich III. im Jahre 1090 der Stiftskirche zu Meißen schenkte, so würde aus der Lage dieser Güter mit mehr Zuverlässigkeit bestimmt werden können, daß Mehltheuer darunter zu verstehen sei. Allein es wird nur im Allgemeinen gesagt, daß es die Güter wären, die ein gewisser Ritter des Markgrafen Heinrichs, namens Cos, im Burgwart Nimucowa in Lehn gehabt habe. Doch ist daraus so viel zu abzunehmen, daß dieses Nimucowa in dem Markgrafenthum Meißen gelegen haben müsse, weil sonst die geschenkten Güter beim Markgrafen nicht hätten zur Lehn gehen können. Schöttgen führt auch eine Burgwart Trebiste an, in welcher das Dorf Rocine lag, welches ein wendischer Herr, namens Bor, nach einer beigebrachten Urkunde im Jahre 1071 dem Stifte Meißen schenkte, weiß aber nichts Gewisses, von der Lage desselben anzugeben 41) Canzler 42) sagt, daß zu Treben bei Staucha, zum Rittergute Seerhausen gehörig, eine Burgwart gewesen sei. Darin hat er, wie ich glaube, Recht, nur hätte er die gedachte Urkunde zum Beweise anführen sollen, dafür beruft er sich aber auf eine andere von Schöttgen angeführte Urkunde, nach welcher im Jahre 1041 Kaiser Heinrich III. einem Lehnmanne des Markgrafen Eccert zehn königliche Hufen im Burgwart Trebeni abgetreten hat. Allein dieses Trebeni lag, wie die Urkunde deutlich sagt, im Gau Zcudici, und nicht im Gau Daleminzien, wie es doch sein müsste, wenn Treben bei Staucha damit gemeint wäre. Ob aber jenes Trebiste das Treben bei Staucha ist, das sonst auch Trebanitz und Trebnitz geschrieben wird, 43) kommt auf die Bestimmung des geschenkten Dorfes Rocine an. Wahrscheinlich ist es Raitzen, das zum Rittergute Hof gehört und nur eine Stunde von Treben liegt 44) Noch jetzt führt ein zu Treben gehöriges und erhaben liegendes Feldstück den Namen Kuttenberg. Erklärt man das Wort Kutten nach der altsächsischen Sprache mit Wachtern 45) von einem Orte, durch den etwas bewahrt oder beschützt wird, so wird es glaublich, daß auf dem genannten Kuttenberge die Burgwart Treben gestanden habe. Etwa zwei Stunden von Treben lag unweit Döbeln die Burgwart Mochowe oder Mochau, deren in einer Urkunde vom Jahre 1162 gedacht wird, darin Kaiser Friedrich I. das vom Markgrafen Otto gestiftete und mit 800 Hufen Land gegründete Cistercienser-Kloster Alten-Zella bei Nossen bestätigt hat. Sie soll nahe bei Mochau, auf der Höhe gegen Steinbach gestanden haben, wovon man noch einen erhöhten Eingang auf der mit Buschwerk bewachsenen öden Burgstätte und auf beiden Seiten derselben einige Spuren des Burggrabens sieht 46) Eine Meile von Mochau gegen Mitternacht war die Burgwart an der Cana, jetzt Jahna geschrieben 47) In dem Bezirk derselben lag Zelewitz, jetzt Salbitz, ein Dorf der Jahnischen Dreidörfer, welches nach der darüber ausgefertigten Urkunde Markgraf Conrad zu einer vom Burggrafen Heinrich zu Meißen gestifteten Kapelle im Jahre 1150 verehrte. Nicht weit über Mügeln linker Hand lag die Burgwart Serebez, jetzt Schrebitz, davon jetzt keine Spur mehr zu sehen ist. Aber ihr Dasein bekräftigt eine Urkunde des Königs Heinrich IV. vom Jahre 1064, darin er bezeugt, daß seine Mutter Agnes dem Stifte Meißen 50 Hufen im Burgwart Serebez, in Daleminzien gelegen, geschenkt habe. So viel Burgwarten in der mit Oschatz verbundenen Gegend hat Schöttgen in Urkunden gefunden. Allein es sind noch mehrere vorhanden gewesen, ob sie sich gleich nicht alle urkundlich beweisen lassen. Viele Geschichtsschreiber sind der Meinung, daß die Stadt Strehla in ihrem ersten Anfange eine Burg gewesen sei, welche König Heinrich I. im Jahre 936 wider sie herumstreifenden Ungarn habe anlegen und von einer Besatzung unter einem Statthalter vertheidigen lassen 48) So ist auch hinter der Kirche in Cavertitz ein Berg, der in der Pfarr-Matrikel vom Jahre 1575 und noch jetzt der Burgberg 49) genannt wird, wo sich auch noch Ueberreste von einer daselbst gestandenen Burg finden. Der Burgberg bei Dahlen, seitwärts des Weges nach Bucha ist den dasigen Einwohnern genau bekannt. Bei Mügeln, auf dem Hügel nach Sornzig zu sind noch Ueberreste von einem alten verfallenem Schlosse zu sehen, davon der Ort, wo es gestanden hat, noch jetzt der feste Berg genannt wird 50) Den Namen eines Burgstadel oder einer wüsten Burgstätte führt noch jetzt ein Berg über der Mulda bei Döbeln, der an der Morgenseite nach der Stadt zu einen Felsen, das sogenannte Schwalbenufer, hat, woran die Mulda mit voller Fluth anschlägt, mittagswärts aber in der Figur eines Winkelmaaßes ausgegraben ist, welches man die Schanze nennt 51) Ließe es sich durch Urkunden außer Zweifel setzen, daß auf gedachten Bergen solche Burgen gestanden hätten, die zu einer Burgwart bestimmt gewesen wären (denn nicht alle Burgen waren Burgwarten); so wäre es, wenn man die Landkarte zur Hand nimmt, leicht zu sehen, daß die Oschatzer Gegend, soweit ihr Umkreis in diesem Abschnitte beschrieben wird, mit Burgwarten gleichwie mit einem Kranze ehemals eingeschlossen gewesen sei, von denen eine auf die andere hinsehen und eine der anderen durch Feuer oder andere telegraphische Zeichen schnell zu erkennen geben konnte, was sich etwa in der Gegend ereignete.

In dem Mittelpunkte der angezeigten Burgwarten lag die Burg in den Keilgärten vor Oschatz, welche umsomehr unsere Aufmerksamkeit verdient, da sie der Grund für die Stadt, dem Amte und der Diöces Oschatz ist. Die Gewißheit ihres ehemaligen Daseins gründet sich auf einen gerichtlichen Aufsatz in dem ältesten Stadtbuche, darin im Jahre 1354 am sechsten Tage nach Pfingsten von den Scabinen bezeugt wird, daß Conradus Karpentarius mit seiner Ehefrau dem Hospital zum heil. Geiste vor der Stadt und der Pfarrkirche zu St. Aegidius in der Stadt einen Hopfengarten, auf der Stelle des Burgstadils 52) gelegen (humuletum in loco burgstadil situm), jedem zur Hälfte vermacht habe. (Band III.) Die Bestimmung der Lage des vermachten Hopfengartens war zwar für die damaligen Zeiten, wo jedem noch die Stätte der eingegeangenen Burg bekannt war, deutlich, aber nicht für uns, da sich durch die Länge der Zeit die Bekanntschaft mit der Burgstätte verloren hat. Ich würde sie auch nicht gefunden haben, wenn mich nicht ein von meinem Vater verfertigter Auszug aus des Amtes Oschatz Handelsbüchern darauf geleitet hätte. Darin fand ich einen Vergleich angemerkt, der wegen der Stückchen Feld bei den Keilgärten, die Bratheringe genannt, den 29. Juli 1661 in dem Amte abgeschlossen worden war. Dieser Name war schon meinem Vater aufgefallen, weil er dazu ein Zeichen gemacht hatte, noch viel mehr fiel er mir auf, da ich schon längst über den wahren Standort der Burg nachgedacht hatte und sogleich vermuthete, daß ich dadurch einen nähern Aufschluß darüber erhalten würde. Ich ward auch in meiner Erwartung nicht getäuscht. Schon die Bedeutung des Namens Bratheringe, die ich zuerst zu erforschen suchte, gab mir einige Befriedigung, weil er nach der Sprache des Mittelalters eine Wohnung streitbarer Männer aus dem Heere anzeigt 53) Den gänzlichen Aufschluß aber erhielt ich durch die eigne Ansicht des Feldstücks. Es gehört jetzt als eine halbe Hufe zu dem Krapfischen (jetzt Mehnert'schen) Vorwerke vor dem Hospital-Thore, hat die Gestalt eines Winkelmaaßes und nimmt zwei Seiten von den Keilgärten ein. Die eine Seite liegt gegen Abend an dem Fußsteige, der nach Naundorf führt, die andere gegen Mittag; eine jede ist gegen 600 Schritte lang und 200 Schritte breit, daher es, als es noch ein Hopfengarten war, nach den Worten des Vermächtnisses leicht in zwei gleiche Hälften abgetheilt werden konnte. Auf diesem Feldstücke stand also das Burgschloß, das der militärische Befehlshaber mit seiner Besatzung, der Justiz- und Rentbeamte, der Meßpriester nebst andern Personen, die in der Burg nöthig waren, gewohnten, auch die gottesdienstliche Kapelle und die Schuttböden für das aus den zur Burg geschlagenen Dorfschaften eingebrachte königliche Zinsgetreide mit in sich faßte. An den Ecken der Mittags- und Abendseite sind noch deutlich halbrunde Ausbeugungen von 60 Schritten wahrzunehmen, daraus sich schließen läßt, daß das Schloß mit 2 oder 3 Wachthürmen, davon jeder 120 Schritte im Umfange hatte und von der Art waren, wie sie noch jetzt in der Stadtmauer zu sehen sind, verwahrt gewesen sei. Die hohe Lage des Feldes und die Höhe der Thürme setzte sie Besatzung der Burg in den Stand, sich weit umzusehen und der nächsten Burgwart Treben durch ein verabredetes Zeichen kund zu thun, wenn ihre Hülfe etwa nöthig war, um einen feindlichen Haufen zu zerstreuen. Außer diesen Thürmen ging auch noch ein Erdwall um die Außenseite des Schlosses herum, der nach dem Verfalle desselben eingeebnet ward, daher es auch kommen mag, daß das Feld, worauf das Schloß lag, um einen großen Theil höher ist, als die übrigen Keilgärten. Die an der Mittagsseite unter dem Felddamme hervorgehenden Steine sind allem Ansehen nach noch Ueberreste von dem Grunde der um das Schloß herumgegangenen Mauer. Der Burggraben scheint die ganzen Keilgärten, die ein Viereck bilden, umgeben zu haben. Am deutlichsten ist er an der Morgenseite zu sehen, wo er noch auf 3½ Elle tief und auf 230 Schritte Länge hat. Auf der Abendseite ist ein Abhang, der, ehe man bei Erbauung der Stadt Steine daselbst brach, eben so steil gewesen sein mag, als nicht weit davon der Abhang hinter dem Lazarethe noch ist. Am Fuße des Abhangs fließt die Döllnitzbach, die aber in jenen ältern Zeiten, als der Stadtmühlgraben noch nicht davon abgeleitet war, viel breiter und wasserreicher war, als jetzt. In einer Burgwart war auch ein freier Platz erforderlich, auf welchem über die Einwohner des Burgbezirks öffentlich das Gericht im Namen des Königs durch den Justizbeamten gehalten ward. Zu dieser Gerichtsstätte war der übrige Raum in den Keilgärten bestimmt. Dieses giebt schon der Name Keilgarten oder nach der altsächsischen Sprache Keulgharden zu erkennen, weil er, wie ich oben gezeigt habe, eine Gerichtsstätte bedeutet, wo über die mit dem Burgwart verbundenen Personen das Burgwartsrecht ausgeübt ward. Noch deutlicher erhallt es aus dem Namen Rohlandsgarten, der in des Amtes Oschatz Kauf- und Handelsbuche 54) dem ersten Keilgarten von der Morgenseite her, beigelegt wird. Dieser Name sollte eigentlich Rugelandsgarten geschrieben sein, weil er von dem altdeutschen Worte Ruge oder Rüge, d.h. Gericht herkommt. Auf diesem Rugelande stand nach altdeutscher Sitte ein sogenanntes Rohlandsbild, das nichts anders war, als eine hölzerne Bildsäule, die den König Heinrich I., den Bezwinger der Daleminzier, in der Gestalt eines bewaffneten Kriegshelden, mit einem Schwerte in der rechten Hand, mit einer Krone uf dem Haupte und mit der Weltkugel nebst dem Kreuze in der linken Hand, vorstellte, und die das Zeichen war, daß an dem Orte, wo sie stand, freies königliches Gericht gehalten werde. 55) Nimmt man alle hier angeführten Umstände zusammen, so wird wohl kein Zweifel mehr sein, daß die Burg in den Keilgärten mit unter die Anzahl der in hiesiger Gegend gewesenen Burgwarten aufgenommen werden könne und ich trage kein Bedenken, ihr den Namen Brathering beizulegen. Schöttgen konnte ihrer in seiner Abhandlung von den in hiesigen Landen gewesenen Burgwarten nicht gedenken, weil ihm die Quellen unbekannt waren, aus welchen ich meine Beweise über ihr Dasein und ihre Beschaffenheit geschöpft habe. Ihm ist keine ältere Urkunde, darin einer Burgwart gedacht wird, als vom Jahre 961 vorgekommen. Zu dieser Zeit nahte sich die von mir entdeckte Burgwart schon ihrer Endschaft und das Burgwartsrecht ging in das Amt über, das in die um jene Zeit erbaute Stadt Oschatz verlegt ward. Ehe ich die Beschreibung der Burg endige, kann ich nicht unerwähnt lassen, daß ihr mein verewigter Bruder 56) einen andern Standort angewiesen hat, nämlich in dem Augarten bei dem über die Döllnitz führenden hohen Stege. Allein die Lage für eine Burg wäre hier viel zu tief und mit zu vielen Anhöhen, welche die freie Aussicht hindern, umgeben. Das Merkmal, das er von der Burgstätte angiebt, ist nur eine alte eingegangene Schanze, wie man noch mehrere um die Stadt findet. Was ihn auf seine Vermuthung gebracht hat, sind die Worte eines alten Zinsregisters des Hospitals zu St. Georgen in Osachatz aus dem vierzehnten Jahrhunderte, das dem ältesten Stadtbuche angehängt ist. Darin wird nämlich ein Haus in der Stadt, das 2 Groschen zu zinsen hat, das Haus nahe bei dem dort befestigten Orte, wo das Wasser in die Stadt fließt (prope castrum, ubi aqua intrat), genannt. Weil nun die gedachte Schanze nicht weit von dem Einflusse des Wassers in die Stadt liegt, so hat ihn dieser Ausdruck verleitet, die Schanze für den Ort des Burgstadils anzunehmen. Allein bei einer genauen Untersuchung der Lage des Zinshauses, welches die jetzige der Tuchmacher-Innung zugehörige Schönfarbe ist (jetzt Nr. 381), wird offenbar, daß unter dem Worte castrum nicht das Burgschloß, sondern die kleine Citadelle hinter der Schönfarbe, unter welcher das Wasser in die Stadt fließt, zu verstehen ist. 57)

zur 2. Abtheilung


1) Der verstorbene Hofrath Adelung behauptet, was unter den ältesten Geschichtsschreibern schon Christ. Heinr. Weise in seinen Sigularibus Antiquitatum Saxonicarum S. 35, und unter den neuern M. Heynig unter dem 1. Stück der Thüringischen Monatsschrift gethan haben, daß die Thüringer, die gewöhnlich für einen westgothischen Völkerstamm gehalten werden, das nämliche Volk wären, welches in den frühern Zeiten unter dem Namen Hermundurer vorkomme; giebt aber dieser Behauptung durch den neuen Grund, daß das Wort Hermundurer soviel als Hermunische Durer, das ist, germanische Bergbewohner bedeute, ein noch größeres Gewicht. Man sehe sein Dictorium, d.i. chronologisches Verzeichniß der Quellen der süd-sächsischen Geschichte, sofern selbige aus Geschichtsschreibern aller Welt und Denkmälern bestehen, (Meißen 1802) unter der ersten Rubrik der Einleitung, welche die Aufschrift: Hermundurer und Thüringer führt. und vergleiche damit Schöttgen's Nachricht von den Hermundurern in seiner diplomatischen Nachlese, Th. 1, S. 1-15. Vergl. Plinius hist. nat. IV. 14. Diese Ansicht ist durch die neueste Geschichtsforschung bestätigt. Vergl. von Wietersheim: „Über die Urbewohner des heutigen Sachsen“ in Werber's Archiv für Sächsische Geschichte Bd. III S. 66  zurück

2) Im Anfange des 7. Buches seiner Geographie   zurück

3) Schöttgen's diplomat. Nachlese Th. 1 S. 2   zurück

4) Vellejus patere L. 2 c. 106   zurück

5) Tacit. Annal. L. VII c. 30   zurück

6) Tacit. de mor. Germ. c. 41  zurück

7) In dem 1590 aufgesetzen Verzeichnisse von den dem Amte Oschatz eigenthümlichen und angrenzenden Hölzern wird der Name des Dürrnbergs bei Strehla Thurnbergk geschrieben und eben so in der Wellerswaldaer Pfarr-Matrikel v.J. 1617 ein Viertel Pfarrfeld auf dem Filiale Liebschütz das Viertel Land am Thurenberge genannt, daraus sich noch eine größere Ähnlichkeit mit dem Götternamen Thuran ergiebt. Ein über dem Wasser gelegene Stück Pfarrfeld in Gröba kommt in der Matrikel v.J. 1575 unter dem Namen: auf der Thorwigk vor.  zurück

8) Albinus in seiner Meißnischen Landchronik und Reinerus Reineccius in seinem Buche vom Ursprunge der Meißner haben zwar behaupten wollen, als wären die Hermundurer von einem Volke, die Myser genannt, vertrieben worden, die hernach dem Lande Meißen den Namen gegeben hätten. Diese Meinung haben auch viele Chronikenschreiber, namentlich Johann Fiedler in seiner Mügeln'schen Ehren- und Gedächtniß-Säule, angenommen. Allein jenes Vorgehen hat D. Friedr. Wiedeburg in seinen orig. et antiquit. Marggraviatus Misnici P. II, p. 123 (d) gründlich widerlegt. Vergl. von Wietersheim „Ueber die Urbewohner des heutigen Sachsen“ in Werber's Archiv Bd. III, S. 67  zurück

9) in seiner Sächsischen Geschichte Th. 1, S. 53, 54  zurück

10) in seiner ältesten Meißnischen Geschichte, S. 12,13 14.  zurück

11) Obgleich diese Meinung , welche Schöttgen in der Historie der Sorben-Wenden in seiner diplomat. Nachlese, Th. 2, S 177-226 weitläufig auseinandergesetzt hat in den Analect Saxonie P. I, S. 247 ff, nicht ohne Sachkenntniß und Scharfsinn bestritten worden ist, so hat sie doch D. Christ. Ernst Weiße, Oberhofgerichtsrath und Professor zu Leipzig im ersten Theile seiner Geschichte der Chursächsischen Staaten (Leipzig 1802) S. 4 noch immer gelten lassen. Jedoch hat sie an Adelung einen neuen Gegner erhalten, welcher in seinem Directorium, und zwar in der zweiten Rubrik der Einleitung zu erweisen gesucht hat,daß die Sorben nicht aus Servien, Slavonien u.s.w. in unser Vaterland gekommen, sondern von uns nach Illyrien u.s.w. gewandert seien. Dieser Meinung Adelungs ist auch noch ein anderer Gelehrter in der Leipz. Literat. Zeit- 1804, 6.St., S. 81 beigetreten. Da aber für mich Schöttgen's Meinung überzeugender gewesen ist, so wird man es mir nicht verdenken, wenn ich ihr auch hier gefolgt bin.  zurück

12) Man muß sich freilich wundern, wie die Dalminzier nach Zadel, das über der Elbe liegt, wo das Gebiet der Milziener war, gekommen sind. Allein die Elbe hatte in ältern Zeiten, wie Pötzsch in seiner mineralogischen Beschreibung der Gegend um Meißen S. 126 und in seiner chronologischen Geschichte der großen Wasserfluthen des Elbstroms S. 17 zu erweisen sucht, einen andern Lauf, als jetzt. Nach seiner Meinung ging die Elbe ehemals oben unter Scharfenberg jenseits bei der nassen Aue hinein, hinter Zadel weg, bis unterhalb dem Gerisch, der noch jetzt zu Zadel gehört, wo sie wieder herausfloß. Nimmt man dieses an, so konnte Zadel mit Recht zu der Zupanie Daleminzien gerechnet werden.  zurück

13) In seiner Chronik, nach Ursinius Uebersetzung, S. 8,9  zurück

14) Dieser kleine stehende See ist noch jetzt vorhanden, liegt nicht viel über eine Meile von der Elbe zwischen den drei Dörfern Paltschen, Dörschnitz und Striegnitz, von allen diesen Orten gleich weit entfernt, eine halbe Stunde weit von der Stadt Lommatzsch, und ist jetzt unter dem Namen des Paltschener Sees bekannt, jedoch, da die Erde umher sich gesenket hat, nicht mehr so kenntlich, wie zu Dithmars Zeiten. Die vermeintlichen Wunder dieses Sees mögen Betrügereien der Daleminzischen Popen oder Priester gewesen sein. Jetzt würde er, wenn er ganz mit Wasser angefüllt werden könnte etliche hundert Quadrat-Ellen im Umfange betragen. Er hat weder Zu- noch Abfluß, außer vom Regen, und gleichwohl hat man bemerkt, daß er bei lange anhaltendem Regen nicht größer, sondern vielmehr kleiner wird. In der größten Trockenheit wird er dagegen desto wasserreicher und überschwemmt weit herum die angrenzenden Felder. Doch hat es sich damit seit einiger Zeit geändert. Nach Albini Bericht sollen die Brunnen in Altlommatzsch ihren Ursprung aus diesem See haben, welches, da derselbe höher als das Dorf liegt, nicht unwahrscheinlich ist. In diesem See hat jeder von den Feldnachbarn aus Paltschen, Dörschnitz und Striegnitz, so weit er ihre Felder berührt, Antheil. Er wird in den großen und kleinen See abgetheilt. Der große See ist nie von Wasser, eine Mannslänge tief, leer, hatte sonst mehr Fische als jetzt, der Boden umher ist Sumpf und mit vielem Schilf, Binsen und andern Wasserpflanzen bewachsen. Der kleine See liegt weiter unten in den Feldern und ist größtentheils ein trockner Wiesenfleck; mit Weiden und Büschen umgeben. Daß, wie Éinige meinen, der Zulauf des Volks zu diesem See zur Entstehung der Stadt Lommatzsch Gelegenheit gegeben habe, ist darum nicht wahrscheinlich, weil noch gar keine Städte zur Zeit der Daleminzier im Lande waren. Glaublicher ist es, daß Altlommatzsch, welches vor Erbauung jener Stadt Lommatzsch hieß, seinen Namen von dem See Glomuczi erhalten habe. „Der ehemalige (Paltschener) Pöltzscher See bei dem Dorfe Dörschnitz wurde von den Sorben als heilig verehrt und weissagte ihnen, nach ihrem Glauben, Frieden, wenn seine Oberfläche mit Weizen, Hafer und Eicheln, aber Krieg, wenn sie mit Blut und Asche bedeckt war.“ (Vaterlandskunde von Dr. Theodor Flathe, Leipzig 1866. S. 108)  zurück

15) In theatro Saxonico, tow. III  zurück

16) Zudpanie = Sudpanie. Die „Pani“ waren Diejenigen, welche den hohen Adel ausmachten. Vergl. Meusel, hist. lit. s. 1781. 1. Jahrg. 2. Bd. S. 312.  zurück

17) Eberhardi Windeckii hist. vitae. imp. Sigismundi. c. XIII. in Menkenii scr. R. Germ. Tom. I. p. 1086. Martiniere geograph. Lexicon Th. II s. t. Bosnien, Wisocki = hoch  zurück

18) Hohenwussen wird in älteren Urkunden auch „Wossin“ genannt. Vergl. Weber's Archiv s. Sächs. Gesch. Bd. III S. 96  zurück

19) Stauchitz oder Staucha, davon in ältern Urkunden jenes Stuchewitz, dieses Stuchowe geschrieben wird, haben beide ihre Namen von dem sorbischen Worte Stuck, das Haltmachen bedeutet. Von Dösitz läßt sich eben das sagen, was Frenzel in nomenclator. utriusque Lusatiae, in Hoffmannii rerum Lusatiae. tom. II. p. 36 von Dehsa über Bautzen anführt. Dehsa, sagt er, nennen die Sorben Tazen, liegt am Ausgange der Berge und des Gehölzes und hat seinen Namen von Tazeni, id est exitus, abitus, discessio, Bohem. Dösitz bei Staucha hatte, ehe die untere Gegend angebaut ward, eine ähnliche Lage. Es lag am Ausgange des Holzes, mit welchem jene Gegend damals noch bedeckt war. Marschitz heißt von Marsch die Grenze. Zschochau, sonst Schachowe, läßt sich füglich von dem Worte Tzech, das als Name eines Volks und einer Familie oft vorkommt, herleiten und mit M. Johann Dobrowsky in seinem Traktate über den Ursprung des Namens Tzech, (Prag und Wien 1782) S. 10 und mit Carl Gottlob Anton in seinen ersten Linien eines Versuchs über der alten Slaven Ursprung v. S. 23,25 annehmen, daß Tzech so viel heiße, als vordere, vornwohnende, vorn an der Spitze wohnenden Grenzler. Mithin kann auch der Name Zschochau einen Ort anzeigen, der an der Grenze liegt. Dieses bestätigen noch andere Orte, die gleiche Namen führen und noch jetzt Grenzorte sind, z.B. Zschocken im Amte Zwickau. Zschocha, ein adliches Schloß in der Oberlausitz am Queißflusse, der die schlesische Grenze macht   zurück

20) Schöttgens Historie der Stadt Wurzen, S. 808. Staucha (K.-D. Leipzig, G.-A. Wurzen.) Eine aus dm Hussitenkriege herrührende, zwischen Kühren, Burkartshain und Trebelshain gelegene wüste Mark, von welcher ersteres Dorf 7 7/8 Hufen und Burkartshain den Rest besitzt. Schon als Wüstung verkaufte 1470 Hans von Canitz auf Sachsendorf „Stuchow“ an das Land Meißen. (Vergl. Dr. Herzog: Sachsens wüste Marken in Weber's Archiv, Bd. II S. 197)  zurück

21) Procopius de B. Goth. L. II  zurück

22) Heimoldus in chron. Slavorum, lib. I, c. 2, 48 Andreas Abb. Bamberg. ed. Jaschii p. 325  zurück

23) Darunter sind bewohnte Bezirke oder Distrikte zu verstehen, denn das slavische Wort Zupa bedeutet eine bewohnte Gegend. Über jeden s´dieser Bezirke war ein Aufseher und Richter gesetzt, welcher den Namen Zupan oder Supan führte. Die Deutschen nannten diese Zupanien in der Folge Gowe oder Gaue (pagos) und die darüber gesetzten Beamten hießen Gaugrafen. – Noch jetzt nennen die Winden in Oesterreich ihre Dorfrichter Suppen. Das Wort Panitz bei Staucha scheint, nach seinem Namen zu urtheilen, der Sitz eines Zupanen gewesen zu sein.  zurück

24) Diplomat. Nachlese, Th- II, S. 222  zurück

25) Das Landrichtergut zu Lonnewitz wird in der Oschatzer Amts-Matrikel vom Jahre 1552 ein Saupengut genannt, welche Benennung auf die Vermuthung führt, daß es ehedem das Gut eines Zupans gewesen ist, der außer Lonnewitz noch mehrere Dörfer unter seiner Gerichtsbarkeit hatte.  zurück

26) Viele Geschichtsschreiber machen Belgern und Mügeln zwar zu zwei Haupt-Zupanien, allein da beide zu der Haupt-Zumpanie Daleminzien gehörten, so kann man sie zu nichts weiter als für untergeordnete Zumpanien gelten lassen  zurück

27) Vielleicht waren Goselitz bei Döbeln und Goseln bei Mügeln solche Gerichtsstätten und haben von diesem Umstande ihren Namen  zurück

28) Von diesem Kriegswerkzeuge, das in ihrer Sprache Streyl heißt, gaben sie dem von ihnen erbauten Dorfe, der jetzigen Stadt Strehla den Namen. Daher führt sie noch jetzt einen Pfeil in dem Wappen und in der Rathhausfahne,  zurück

29) folgende Schriften geben darüber eine nähere Belehrung: Michael. Frenzelii dissert histor. de idolis Slavorum et de diis Soraborum aliorumque Slavorum in D. Christ. Godofr. Hoffmanni scriptt. rer. Lusat. Tom. II, pag. 63 - 236. M. Paul Jacob. Eckard duo perantiqua monumenta ex agro Jutrbocensi eruta atque reperta, cum idolis Slavorum Juterbocensium etc. Cap. IV p- 42-87. Christ. Knauths umständliche Kirchengeschichte der Oberlausitzer Sorbenwenden, Cap. II von der Sorbenwenden Götzen, S. 12-28.  zurück

30) Es giebt noch mehrere Orte, die den Namen Praschwitz führen, z. B. bei Pirna, so auch eine Meile von Bautzen einen Berg, der für den höchsten in der Oberlausitz gehalten wird, den die Sorben Praschiwa, die Deutschen den Frageberg nannten, davon Christ. Knauth in der Kirchengeschichte der Oberlausitzer Sorbenwenden S. 36 und Frenzel in Nomeaclat. utriusque Lusat. in Hoffmanni scriptt rer. Lusat. tem. II, p. 31 mehrere Nachricht geben.  zurück

31) Dergleichen Urnen, größere und kleinere, sind in neuerer Zeit viele gefunden und zum Theil dem Sächsischen Alterthums-Museum zu Dresden einverleibt worden.  zurück

32) M. Hilling in tumulo Slavico circa Lommatiam in Misnia aperto. S. Christ. Fried. Schulzens Nachricht von den an verschiedenen Orten in Sachsen gefundenen Todtentöpfen und andern heidnischen Alterthümern. Friedrichst. 1767 S. 32, 33.  zurück

33) Wittekindi Annales lib. I. p. 634 apud Meibom. Scriptt. rer. germ. tom. I. Wenn Gana eine Festung genannt wird, so darf man sich dieselbe nicht als Festung nach heutiger Zeit vorstellen. Sie war nichts anders, als ein hölzernes Blockhaus, das mit einem Erdwalle, mit Weiden und andern Bäumen durchflochten und durchwachsen, und mit Sümpfen umgeben war. Man hatte in Daleminzien zwei Orte, die den Namen Gana führten und jetzt Jahna geschrieben werden. Der eine ist das Rittergut Jahna am Jahnabach, ungefähr eine Stunde von Meißen, der andere ist das Kirchdorf Jahna im Amte Oschatz. Welcher von beiden die daleminzische Festung gewesen sei, läßt sich nicht mit Gewissheit bestimmen. Doch macht es eine Urkunde vom Jahre 1150, in Schöttgen's diplomat. Nachl. Th. 7, S. 392 f. darin Markgraf Conrad zu einer Kapelle, die der Burggraf Heinrich gestiftet hatte, das Dorf Zelewitz, im Burgwart an der Gana gelegen, verehrt, höchstwahrscheinlich, daß Jahna im Amte Oschatz die daleminzische Festung gewesen sei, denn das geschenkte Dorf Zelewitz ist unstreitig das Dorf Salbitz, (eines von den sogenannten Jahnischen Dreidörfern). Diese Wahrscheinlichkeit wird noch durch den Umstand gestärkt, daß an die Stelle der Festung in der Folge eine Burgwart angelegt ward. Ritter in seiner ältesten Meißnischen Geschichte, S. 62 hält Gana gleichfalls für das Dorf Jahna an dem Flusse gleichen Namens in der Lommatzscher Gegend. Leonhardi tritt im zweiten Theile seiner Erdbeschreibung von Sachsen S. 241, dieser Meinung auch bei und verwirft die im ersten Theile S. 182 und 466 angenommene Meinung, daß das Rittergut Jahna bei Meißen die Festung der Daleminzier gewesen sei.  zurück

34) Die Deutschen nannten sie gewöhnlich nur Hunde. S. M. Götzinger's Beschreibung der sachs. Schweiz S. 109. Diese Verachtung erstreckte sich sogar bis auf gewisse Wörter ihrer Sprache. Wörter, die bei den Sorben keine geringschätzigen Sachen bezeichneten, wurden von den Deutschen nur alsdann gebraucht, wenn sie das Schlechteste in einer Gattung von Dingen ausdrücken wollten. Bei den Sorben heißt Chalupa eine Hütte, Kritschel eine Birne, Rusche ein Messer, Scherpen das Bier, Piczen, trinken. Die deutschen nannten aber ein schlechtes, baufälliges Haus eine Chalupa, die schlechtesten wildwachsenden Kirschen Kritschel, ein altes abgewetztes Messer eine Rusche, das geringe Nachbier Scherpen, das Uriniren Piczen. Einen Menschen, der sich nicht zu helfen, nichts recht anzugreifen wußte, nannten sie einen Winschen (Wendischen) Kerl. Aus dem Worte Holunke, das bei den Sorben einen Menschen anzeigt, der Nachtwachendienste thut, machten die Deutschen ein Schimpfwort. S. Provinzial-Blätter oder Samml. zur Gesch. Naturk. Moral und andern Wissensch. von der Oberlaus. Gesellsch. der Wissensch. 1782, 4. St., S. 482-484; 5. St., S. 127  zurück

35) Das Wort Aldin ist von dem Wortes Aldius, welches schon in den Langobardischen Gesetzen vorkommt und einen leibeigenen Knecht bedeutet, abzuleiten, und scheint durch Abkürzung aus Allodium entstanden und mit ihm ein und dasselbe Wort zu sein. Allodium aber hieß jedes Gut, dessen Unterthanen Aldii, leibeigene Leute (humines proprii) waren, die willkürlich vererbt werden konnten. M. Frenkel, der zweite Sammler der Oschatzer Stadtnachrichten, hat die Hypothese, daß die Benennung Alt, die sich mehreren Dorfnamen vorgesetzt findet, von den Aldinen oder Aldionen entlehnt sei, in einem schriftlichen Aufsatze, zuerst vorgetragen und sie seinem Freunde M. Kreyßig, dem die sächsische Geschichte so viele wichtige Aufklärungen verdankt, zur Prüfung vorgelegt. Dieser antwortete ihm darauf: die Meinung von den Aldis sei Werth, besonders ausgearbeitet zu werden, um zu vernehmen, was Andere dazu sagen würden. Hierauf fügt er ein Verzeichniß solcher Orte bei, welchen von den Alden ihre Benennung erhalten zu haben scheinen und setzt hinzu: ich glaube, es wird auf eine Distinction ankommen a) inter urbes et vilias et b) inter nomina originis sorabicae et germanicae.  zurück

36) Grupen origines Germaniae, Th. 2,S.388  zurück

37) Nähere Belehrung hierüber giebt D. Carl Ferd. Hommel in seiner Abhandlung vom Ursprunge des niedern Adels in Deutschland, welche in der Sammlung einiger ausgesuchter Stücke der Gesellschaft der freien Künste zu Leipzig, Th. 2, S. 1 bis 61 eingerückt ist.  zurück

38) Endgültig und dauernd wurde freilich der Name Sachsen auf diese Bezirke erst übertragen, nach Erwerbung der sächs. Kurwürde und Kurlande durch Friedrich den Streitbaren 1423.   zurück

39) Diplomat. Nachlese, Th. 7, S. 384 - 412  zurück

40) Diese Benennung wird gebraucht in der im Jahre 1575 aufgesetzten Pfarr-Matrikel von Striegnitz, der Mutterkirche von der Filialkirche Mehttheuer. Es hat aber mit dem Worte Kühlgraten eben die Bewandtniß, wie mir mehrern Altsächsischen, jetzt in der Umgangssprache nicht mehr gewöhnlichen Wörtern, daß es nämlich jetzt anders, als ursprünglich geschrieben und ausgesprochen wird. Die ursprüngliche Schreibart war ohne Zweifel Kolgharden. So kommt das Wort vor im Briefe des Raths zu Harburg vom Jahre 1406 in Grupen orig. germ., Th. 2, S. 160. Das O in Kol ward späterhin nach der in allen Sprachen gewöhnlichen Verwechslung der Selbstlauter, bald in ü, bald in eu, bald in ei verwandelt, und es entstanden daraus die Schreib-Formen Kühl, Keul, Keil. Das Wort Keil kommt von dem Celtischen Worte cal und coil, das Holz her, hieß bei den Franken cile, bei den Allemanniern kule und war der Name eines hölzernen Kriegswerkzeuges der alten Sachsen, von welchem die Knechte, die es trugen, Calones (Keulen- oder Streitkolbenträger) genannt wurden. Diesem nach würde durch Kühl eine Gattung Krieger, die zu gewissen diensten verbunden waren, angezeigt. Von dem Worte Gharden schreibt Micrälius in seinem Buche von dem alten Pommernlande 1 S. 86, daß es nicht nur einen Blumengarten, sondern auch die Wohnung und einen Ort, wo Gericht gehalten werde, bedeute. Die letzte Bedeutung könnte hier als passend angenommen werden. Kühlgharden würde dann den freien Platz in der Burg bedeuten, wo die in ihr befindlichen Soldaten nebst andern leibeigenen Knechten aus den Daleminziern, die an die Burg gewiesen waren, vor Gericht stehen mußten. Indessen scheint es mir richtiger, das Wort Garden oder Guarden von dem alten Wort Guarde moder Garde, die Wache, abzuleiten und Kühlgarten für den Ort in einer Burgwart zu erklären, wo sich das zum Wachen bestimmte Militär aufhielt. Im handschriftlichen Nachlasse des Verfassers dieser Chronik findet sich die Notiz: Ich habe zwar im I. Theile, S. 31 aufgeführt, daß ich Mehltheuer für das Dorf halte, welches im Mittelalter Nimucowa hieß, wovon eine Burgwart den Namen führte. Nachdem ich aber, wie ich unter der Kirchfahrt Bloßwitz auch auf das Rittergut Seerhausen kam, so besann ich mich, daß auch von andern Schriftstellern, wie ich oben unter Bloßwitz angemerkt habe, Seerhausen für eine Burgwart gehalten wird. Ich finde diese Nachricht auch gegründet, nur muß es berichtigt werden, daß die Zeitrechnung geändert werden muß und statt Carls des Großen Zeiten die Zeit seines Sohnes Heinrich I. zu setzen ist. Da aber die meisten Burgwarten in einiger Entfernung eine Vorwache hatten, so halte ich dafür, Mehltheuer sei ein solcher Ort für die Burg von Seerhausen gewesen. Denn daß Militär an diesem Orte gestanden habe, giebt der Name Keilgarten zu verstehen, denn die Soldaten hatten zu Waffen Keulen, wie der Keilgarten bei Oschatz. – Keilgarten wird sonst auch Keil-Warte geschrieben, Also bleibt Mehltheuer noch immer eine Warte, die Keilenträger besetzt hatten. Aus Mangel an Wasser hat auch keine Burg angelegt werden können. – Die Stiftsschule in Mehltheuer brannte den 17. März 1832 in der 11. Vormittagsstunde nebst der Schmiede und dem Lindtner'schen Hause, wo das Feuer auskam, ab.  zurück

41) Vergl. hierzu Webers Archiv Bd. VI, S. 169. Ni heißt auf Deutsch nicht; muc eine Menge, ein Vorrath, copia (Frencel. orig. linguae sorab. p. 84) und owa ein wasserreicher Ort (Tom. II.) Nach dieser Erläuterung bedeutet Nimncowa also ein Dorf, das nicht auf nassem, sondern trockenem Boden liegt. M. Pastor Pabst nennt den Ort in der sächsischen Kirchengallerie (Inspection Oschatz, Bd. III, S. 85) Nimuncowa und deutet dieses Wort = nie Mehl.  zurück

42) Tableau historique de l'Electorat de Saxe p. 259  zurück

43) Knauths geograph. und historische Vorstellung des Klosters Alten-Zella, Th. VI, S. 176  zurück

44) Seyffart in Ossilegio Bennonis p.12, n. 48 hält es für Rüßeine oder Roßeine, das Kirchdorf bei Nossen; aber mit Unrecht, denn dort liegt kein Treben, und von den andern Orten, die diesen Namen führen, liegt es viel zu weit entfernt, als daß es in ihren Bezirk gerechnet werden könnte.  zurück

45) Im Glossario german. s.t. Kutten.  zurück

46) Knauth's Beschreibung des Klosters Alten-Zella, Th. VI, S. 127  zurück

47) Es kann nicht ohne Ursache geschehen sein, daß diese Burgwart, ihrer Lage nach, die Burgwart an der Gana genannt wird. Der Fluß Jahna, den Schöttgen annimmt, kann nicht gemeint sein, weil dadurch nichts bestimmt wird, indem meherere Dörfer an diesem Flusse liegen. Vielmehr halte ich es für das Kirchdorf Jahna. In Jahna selbst kann nun die Burgwart nicht gestanden haben, weil das Dorf viel zu tief liegt und mit Anhöhen zu sehr umgeben ist, als daß die Absicht der damaligen Burgwarten, den Feind von weitem auszuspähen, hätte erreicht werden können. Ich vermuthe daher, daß sie auf einer von jenen Anhöhen bei dem Dorfe Jahna gestanden hat, und zwar gleich hinter dem jetzigen Rittergute Goldhausen, das mit Jahna so nahe grenzt, daß beide gleichsam ein Dorf zu sein scheinen. Noch sind daselbst viele Vertiefungen (jetzt beinahe vollständig nivellirt) zu sehen, die auf einen daselbst gewesenen Burggraben schließen lassen, nur daß sie durch den dadurch angelegten Fahrweg erweitert worden sind. Hieraus ergiebt sich, warum sie die Burgwart nicht in, sondern an der Gana genannt wird.  zurück

48) Fabricii Orig. Sax. I. I. p. 124. Peccenstein Theatr. Sax. Th. I, S. 61. Kreyßigs Beiträge zur Saächs. Geschichte, Th. 5, S. 8  zurück

49) In neuerster Zeit nur noch Reste von Kellerräumen vorhanden.  zurück

50) Aus einem schriftlichen Aufsatze des ehemal. Past. M. Joh. Gottlob Sinz in Altmügeln, der eine Mügeln'sche Chrinik in Handschrift hinterlassen hat.  zurück

51) M. Mörbitzens Beschreibung der Stadt Döbeln, S. 9  zurück

52) Mit dem Worte Burgstadil, sowie mit dem Worte Burgstall, Burgholden und Burg oder Bürgle pflegten die Allemannier schlechthin, mit Hinweglassung des eigentlichen Namens, den Standort einer Burg oder den ganzen Raum (aream), den sie mit ihren Gebäuden und Mauern umschloß, zu bezeichnen. Diese Meinung bestätigt eine Urkunde vom Jahre 1355, die im Anhange zu Avemanns Beschreibung, der Reichs- und Burggrafen von Kirchberg in Thüringen befindlich ist mit den Worten: aream quandam Castri, qvot vulariter Burgstadil nuncupatur. So kommen auch in einer Urkunde vom Jahre 1318 die in Schöttgen et Kreys diplomat. et Script. hist. germ. med. aevi, tom I. p. 791 et 792 steht, die Worte vor: Renunciaverunt et renunciant nominatim super loco Castri, qvi dicitur Burgstadil.  zurück

53) Das Wort besteht aus drei Silben, die erste ist Brat, welches ich für das abgekürzte Wort Baratter halte und nach Grupen. in Origin. German., Th. 2, S. 210 bei den Anglonormännern einen streitbaren tapfern Mann (virum litigatorem) bedeutet. Die zweite Silbe ist her, die in den mittlern Zeiten das bedeutete, was wir jetzt Herr nennen; denn die Alten folgten der Natur einer Sprache und schrieben in einer Silbe nicht mehr Vokale, als in der Aussprache gehört wurden, wie Longolius in seiner Beschreibung von Brandenb.  Culmbach Th. VIII, S. 64 not. 104 anmerkt. Die letzte Silbe zeigt einen Aufenthaltsort, eine Wohnung an, darüber Wachter in prolegom. glossarii Germ. Sect. VI s.t. ing mehrere Belehrung ertheilt.  zurück

54) Vol. VII d.a. 1725 f 433 b  zurück

55) In Belgern ist ein solches Rohlandsbild noch zu sehen. Schlewitz beschreibt es ausführlich in Misc. Saxon. Th. V. AQls das Christenthum in hiesigem Lande mehr ausgebreitet ward, bediente man sich statt dieser Bilder erst hölzener, dann steinerner Kreuze. Auf dem Gemeinplatze des ehemaligen Burgwarts Döben bei Grimma steht noch jetzt ein hohes hölzernes Kreuz zum Zeichen des ehemaligen Burgfriedens. Drei steinerne Kreuze stehen in Oschatz noch auf dem Thale in der Strehlaischen Vorstadt vor dem Sonntag'schen (jetzt Schietzel'schen) Vorwerke, zum Merkmale, daß hier die peinliche Gerichtsbarkeit durch die Hinrichtung der Missethäter ehemals ausgeübt ward, davon auch die nicht weit davon entfernten Gärten am Wege nach Mannschatz die Rohlands- oder Rugelandsgärten genannt werden. Gleiche Bewandtniß hat es mit den drei steinerner Kreuzen, die aber fast ganz in die Erde gesunken sind, bei der Distanzsäule vor dem Hospitalthore. – Von den hier genannten Wahrzeichen sind nur die zuletzt angeführten drei steinerne Kreuze und die dabei erwähnte Distanzsäule nicht mehr vorhanden.  zurück

56) In der Beschreibung der wüsten Marken des Amtes Oschatz unter dem Titel Burgstadil, in dem Magazin der Sächs. Geschichte, Bd. II, S. 327  zurück

57) Fäsch Kriegs-Ingenieur-Artillerie-Lexicon s. t. Castell  zurück

 


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