Meinen Mitbürgern und den Freunden der Sächsischen Special-Geschichte gebe ich hiermit den Anfang
eines Werkes in die Hände, das seit vielen Jahren ein Gegenstand ihrer Wünsche ist. Sie haben diese Wünsche nicht nur mündlich und schriftlich
geäußert, sondern sie auch durch ihren unerwartet zahlreichen Beitritt unverkennbar an den Tag gelegt. Daß diese achtungswerthen Wünsche nicht
schneller befriedigt worden sind, davon lag der Grund nicht in meinem Willen, sondern in vielfachen Schwierigkeiten, die jener Befriedigung in den
Weg traten und nicht eher entfernt werden konnten. Indessen glaube ich versichern zu dürfen, daß das unternommene Werk durch seinen etwas langsamen
Fortgang eher gewonnen als verloren habe. Bewährt sich diese Versicherung, finden sich die resp. Interessenten in ihren gemäßigten Erwartungen nicht
ganz getäuscht; so wird mir dies der vollkommenste und erfreulichste Ersatz für den nicht unbedeutenden Aufwand an Zeit, Mühe und Kosten sein, den die
Ausführung des Unternehmens forderte. Dieser offenen Erklärung füge ich den kurzen Bericht bei, den ich theils über die Materialien, woraus das
vorliegende Werk zusammengesetzt ist, theils über die Art, wie sie bearbeitet worden sind, dem Publikum schuldig zu sein glaube. Daß die
Materialien aus reinen und zuverlässigen Quellen geflossen sind, lehrt nicht nur ein flüchtiger Blick auf die Bearbeitung selbst, wobei jene Quellen
immer sorgfältig genannt sind, sondern dies geht auch aus der Geschichte hervor, welche die allmählige Sammlung jener Materialien berichtet. Der Erste
der sich dem mühevollen Geschäft, Nachrichten von der Stadt Oschatz und ihrer Umgebung zu sammeln, unterzog, war Gabriel Hanitsch von 1707 bis 1736
Pfarrer in dem benachbarten Naundorf und Hohenwussen. Zur Erreichung seines Zwecks, der allein auf die Geschichte der Diöces beschränkt war, benutzte
er das hiesige Ephoralarchiv, wozu ihm der Zutritt offen stand. Mit den Nachrichten von den Parochien Limbach, Schweta und Schrebitz, die er in den
Jahren 1720 und 1721 drucken ließ, begann er die beabsichtigte historische Beschreibung der Ephorie, deren Fortsetzung und Vollendung sein Tod
hinderte. Hanitschens handschriftliche Materialien-Sammlung fand jedoch an den damaligen Pastor in Bloßwitz M. Johann Gottlob Frenkel, nicht nur einen
rechtmäßigen Eigentümer, sondern auch einen sorgfältigen Pfleger. Denn beseelt von dem Sinne für die Geschichte des Landes, worin er lebte und
angefeuert von der Liebe für Oschatz, wo er geboren war, wendete er auf die Berichtigung und Erweiterung jener Sammlung jede Stunde, die ihm von
seinen Amtsgeschäften übrig blieb. Er benutzte dazu nicht nur das hiesige Epharalarchiv, sondern auch das Archiv der Kirche und des Raths und
durchlief mit kritischem Auge selbst die handschriftlichen Tagebücher einiger hiesiger Bürger. Er war zwar zur Herausgabe einer vollständigen
Beschreibung von Oschatz entschlossen, vermochte aber nur durch seine Diptycha Ossitiensia oder Historie der Superintendenten und Diakonen in Oschatz,
die er im Jahre 1722 erschienen ließ, einen kleinen Anfang mit der Ausführung seines Entschlusses zu machen. Nach seinem Tode, der 1775 erfolgte,
erwarb sich auf seine historischen Handschriften mein ältester Bruder, der ehemalige hiesige Bürgermeister Johann Gottlob Hoffmann durch Kauf das
Eigenthumsrecht. Da auch er den Entschluß, eine Beschreibung von Oschatz drucken zu lassen, gefaßt hatte, so berichtigte er mit Hülfe des Raths-Archivs
nicht nur da, wo es nöthig war, die Frenkel'schen Nachrichten, sondern führte sie auch, besonders in so fern sie die politische Geschichte der Stadt
betrafen, bis zu seinen Zeiten fort. Allein auch er theilte mit seinen Vorgängern ein gleiches Schicksal; nur folgende einzelne Beiträge zur
Beschreibung seiner Vaterstadt und ihrer Gegend vermochte er zu liefern. Historische Nachrichten von der öffentlichen Stadtschule in Oschatz,
Friedrichstadt, 1784,8. Des Amts Oschatz wüste Marken, Dresden 1785,8. Nachträge und Berichtigungen der Beschreibung des Amtes Oschatz 1788, welche
der ehemalige hiesige Commissionsrath und Amtmann, Cajetan August Jahn 1787 herausgegeben hatte.
im Jahre 1795 vollendete mein ältester Bruder wider alles Vermuthen seine irdische Laufbahn und sind historischer Nachlaß fiel nun an mich und an
meinen jüngern Bruder, den jetzigen Stadtrichter Christian Wilhelm Hoffmann, der mir denselben mit dem Wunsche, das angefangene Werk unseres verewigten
Bruders zu vollenden, ganz überließ. Da sein Wunsch auch der meinige war, so beschäftigte ich mich seit jener Zeit in den Stunden freier Muße mit
jener historischen Materialien-Sammlung, als mit einem besondern Lieblingsgegenstande und suchte sie ihrem Zwecke näher zu rücken. Ich ließ es mir
angelegen sein, die vielen, noch unter einander liegenden Nachrichten zu ordnen, die unrichtigen zu berichtigen, die fehlenden zu ergänzen und die ganz
unwichtigen wegzustreichen. Bei dieser mühsam und zeitsplitternden Arbeit leisteten mit theils die sämmtlichen Archive, die sich in hiesiger Stadt
befinden, theils die eigene Ansicht, die ich von vielen Gegenständen habe, die Untersuchungen, die ich an Ort und Stelle vornehmen und die
Erkundigungen, die ich von sachverständigen Personen mündlich einziehen konnte, die erwünscht Dienste. Auf diese Weise wurden denn innerhalb eines
Zeitraumes von beinahe 100 Jahren die Materialien zusammengebracht, welche die Grundlage der vorliegenden Beschreibung ausmachen.
Aus dem Inhaltsverzeichnisse, daß dem Werk vorgesetzt ist, wird sich dem Auge eines jeden Lesers der Plan von selbst darstellen, den ich bei der
Bearbeitung der vorhandenen Materialien befolgte. Ich machte es mir zum Hauptgeschäfte, die zahlreichen Nachrichten natürlich und lichtvoll zu
ordnen nichts zu übergehen, was in irgend einer Beziehung einiges Interesse haben konnte, aber auch nichts aufzunehmen, was sich auf keinen gültigen
Beweis gründen lies. Deutlichkeit, Vollständigkeit und Gründlichkeit waren das Ziel, das ich zu erreichen strebte. Wie weit ich mich nun diesem Ziele
genähert oder von ihm entfernt habe, darüber mögen sachverständige und unparteiische Richter entscheiden, deren Urtheile wir jederzeit höchst
willkommen sein werden. Je umfassender und schwieriger aber diese Ziel war, desto mehr fühle ich mich verbunden, die Hülfe hier dankbar anzuerkennenm,
womit mein Bruder, der hiesige Stadtrichter Hoffmann, und mein Schwiegersohn, der Diaconus M. Schanze in Staucha, meine Bemühungen es zu erstreben,
bereitwilligst unterstützten. Da ich zunächst nicht sowohl für gelehrte, als vielmehr für unstudierte Leser schrieb, bei denen ich viele
Vorkenntnisse nicht füglich voraussetzen durfte; so wird man es nicht mißbilligen, wenn sich mitunter Nachrichten finden, welche, genau genommen, in
ein anderes Gebiet gehören. Ich nahm sie an solchen Orten auf, an denen sie, meiner Meinung nach, ein Licht verbreiteten, das ´wenigstens der Laie
ungern vermißt haben würde. Möge diese Bemerkung dem Vorwurfe begegnen, als ob ich die Grenzen einer speciellen Geschichte hier und da nicht scharf
genug abgesteckt hätte! Auch den Vorwurf besorge ich nicht, daß ich hier und da manche uninteressanten Nachrichten mitgetheilt hätte, die, ohne
Verlust für das Ganze, füglich hätten zurückgehalten werden können, denn wie relativ ist nicht der Begriff von uninteressant? Gewährt eine Nachricht,
die der Eine uninteressant findet, nicht oft dem Andern ein sehr angenehmes Interesse? Und wer bescheidet sich sodann nicht gern, daß in einem Werke,
das für ein sehr gemischtes Publikum bestimmt ist, natürlich manche Dinge vorkommen müssen, die nicht jeden Leser gleich stark anziehen? Daß dieser
erste Band stärker geworden ist, als er werden sollte, war bei den zahlreichen Materialien, die verarbeitet werden mußten, ohne Nachtheil für das Ganze nicht zu vermeiden. Die resp. Interessenten werden damit desto weniger unzufrieden sein, da der einmal bestimmte Preis für diesen Theil an 20 Gl. nicht zugleich verändert und erhöht worden ist. Bei den beiden folgenden Theilen soll jedoch die äußere Oekonomie genauer betrachtet und darauf gesehen
werden, daß das Ganze die Bogenzahl von 3 Alphabeten nicht übersteigt. Wenn aber wider alles Vermuthen noch einige Bogen über 3 Alphabeten abgedruckt
werden müssen, so bürgt mir die Billigkeit der resp. Interessenten für einen verhältnismäßig geringen Nachschuß hinlänglich. Der zweite Theil, der
die Beschreibung des Amtes Oschatz enthalten soll, wir sobald, wie möglich, vielleicht noch im Laufe dieses Jahres, erscheinen und mit dem dritten
Theile, der die Beschreibung der Diöces und die versprochene Urkundensammlung umfaßt, wird das Ganze geschlossen werden. Findet dieses Werk, das
allen reiner Patriotismus unternommen und bisher unterstützt hat, noch mehrere patriotische Beförderer, welche darauf unterzeichnen, so werden ihre
Namen dem zweiten Theile vorgesetzt werden.
Oschatz, am 8. März 1813
M. Carl Samuel Hoffmann |