Um gewisse Ruhepunkte zu erlangen und die Uebersicht zu erleichtern, werde ich die Darstellung
davon nach den merkwürdigsten Zeitabschnitten ordnen und unter jedem die erfreulichen und traurigen Schicksale unerer Stadt verzeichnen. Also
1. vom Ursprunge der Stadt bis auf die Zeit in welcher die Leibeigenen in der Stadt völlige Freiheit und gleiche Rechte mit den
freigebornen Bürgern erhielten.
Kaiser Otto, der Große, ließ es bei Erbauung unserer Stadt an nichts fehlen, was die Wohlfahrt ihrer Einwohner gründen und vermehren konnte.
Außer dem, was davon schon erzählt worden ist, befahl er, nach dem Beispiele, welches sein Vater bei der Erbauung anderer Städte gegeben hatte,
daß alle Zusammenkünfte und Gastereien der umliegenden Gegend in unserer Stadt gehalten werden sollten. Dadurch hob er nicht nur die bürgerliche
Nahrung, sondern gewiß auch die Bevölkerung. Da er in der Stadt Kornboden anlegen und Getreide aufschütten ließ, so wurden viele erhalten, die
sonst bei Mißwachs oder feindlichen Einbrüchen und Verheerungen umgekommen sein würden. Dazu kam noch, daß seit seinen Zeiten die Ungarn, die
zeither bei ihren öftern Einfällen in Deutschland auch unsere Gegend beunruhiget, viel Blut vergossen und viele Weiber und Kinder gefangen
weggeführet hatten, es nicht mehr wagen durften, unser Land zu beunruhigen. Auch wurden die Daleminzier durch das Christenthum, das sich unter
ihnen immer mehr ausbreitete und durch den Umgang mit den Deutschen weniger schädlich, – doch ward die Ruhe der ersten Bewohner unserer Stadt im
Jahre 984 einigermaßen dadurch unterbrochen, daß der Herzog von Böhmen, Boleslav, den seit 978 abgesetzten und vertriebenen Herzog von Baiern,
Heinrich II., der sich durch seine Hülfe nach des Kaisers Otto II. Tode auf den Deutschen Kaiserthron zu schwingen suchte, mit einem zahlreichen
Kriegsheere durch die Kreise Niseni und Daleminzien bis in die Gegend von Mügeln
1)
und von der 2 Stunden davon entfernten Stadt Oschatz begleiten ließ und dadurch den Schauplatz des Krieges in der letzten eröffnete. Heinrich fand
aber Widerstand und erlangte weiter nichts, als daß er in einen Theil der
Bairischen Lande wider eingesetzt ward. Der von dem Rektor Böhme in einer geschriebenen Torgauer Chronik, (die in
Abschrift in dem Raths-Archiv zu Torgau aufbewahrt wird) von unsrer Gegend angemerkte Mangel an Getreide, das in den
Jahren 985, 986, 989, 992, 994, 995 und 999 bei lang anhaltender Hitze auf dem Felde verdorrte und die daraus
entstandene Hungersnoth, mit pestilenzialischen Krankheiten begleitet, werden gewiß nicht ohne nachtheilige Folgen
für unsre Stadt eingetreten und vorübergegangen sein. Denn ob sie gleich in ihren Magazinen mit Vorrath versehen war,
so ward dieser doch aufgezehrt und konnte bei den schnell aufeinander folgenden Mißwachsjahren nicht wieder ersetzt
werden. – Kaum hatte die Stadt dieses an der Lebenskraft der Menschen nagende Uebel überwunden, so brach im Jahre 1002
ein neuer Krieg aus. Gunzelin, der Bruder des in diesem Jahre verstorbenen Markgrafen zu Meißen, Ekkard, suchte die
erledigte markgräfliche Würde mit Gewalt an sich zu bringen. Zur Erreichung seiner Absichten verband er sich mit dem
Herzoge von Polen, Boleslav I., seinem Stiefbruder. Dieser zog mit einem zahlreichen Heere aus Schlesien, das damals
zu Polen gehörte, durch die Lausitz in das Meißner Land, eroberte die Stadt Strehla und ließ im folgenden Jahre den
ganzen Landstrich Daleminzien, der damals schon sehr angebaut war, in einem Tage aufs schrecklichste verwüsten und
die Bewohner desselben gefangen wegführen
2)
. Die einzige Stadt Mügeln wußte noch, durch eine besondere List, der Wuth der Polen zu entgehen. Boleslav ging den Tag darauf mit seiner Beute
und mehr als 3000 Gefangenen über die Elbe zurück, bei welchem Uebergange viele von seinen Truppen verunglückten. Im Jahre 1004 kam Theurung
und Pest über das ganze Land, welche bis 1008 fortdauerte. Nach den Berichten der Geschichtsschreiber
3)
soll die Pest damals den halben
Theil der Menschheit weggerafft und ganze Flecken und Dörfer von Einwohnern entblößt haben. Nachdem Boleslav einige
Jahre ruhig gewesen war, fiel er im August 1012 wieder in Daleminzien ein, nahm Meißen, Lommatzsch, Mügeln und alle
Oerter von der Saale bis an die Elbe ein, und richtete darin schreckliche Verwüstungen an. Den 13. October 1017 fingen
sich die Feindseligkeiten abermals an. Die Polen verbrannten viele Städte und Dörfer bis an den Fluß Jahna. Endlich
ward den 30. Januar 1018 Friede. Konnte Oschatz, das mitten in dem Schauplatze eines so verderblichen Krieges lag,
wohl verschont bleiben? Das Jahr 1074 wird in der oben angeführten handschriftlichen Beschreibung der Stadt Torgau
als ein sehr wohlfeiles Jahr gerühmt und berichtet, daß ein Handarbeiter nicht mehr, als einen Pfennig zum Tagelohne
erhalten habe. Um diese Nachricht gehörig beurtheilen zu können, muß man nicht vergessen, daß damals ein Pfennig eine
Münze war, die nach unserem Gelde 10, 11 bis 12 Pfennige betrug. Kaiser Heinrich IV. ertheilte nach dem Absterben
des Markgrafen Dedo im Jahre 1075 die Markgrafschaft Meißen dem Herzoge von Böhmen Vratislav, der die festen Plätze
des Landes besetzte. Dieses unrechtmäßige Verfahren des Kaisers brachte den Markgrafen Eckbert II-. dem die
Markgrafschaft Meißen eigentlich gehörte, dergestalt auf, daß er sich, sobald sich's thun ließ, mit seinem
Sächsischen Heere der ganzen Mark und Stadt Meißen bemächtigte, die böhmischen Besatzungen vertrieb und alles mit
seinen Truppen anfüllte. (Vergl. Hingst: „Markgraf Conrads Regierungsantritt“ in Webers Archiv Bd. III, S.
73). Zwar hat Vratislav im Jahr 1080 seinen nebst seinen nachherigen Schwiegersohne, dem Grafen Wiprecht von
Groitzsch, einen Einfall in Meißen und verheerte alles von Wurzen bis Leipzig und in der Gegend von Belgern.
Vratislav ward aber von einigen tausend Sachsen angegriffen und würde vielleicht sein ganzes Heer verloren haben,
wenn ihm nicht Graf Wiprecht den Rückzug erleichtert hätte 4). Daß bei diesen Unruhen auch die hiesigen Einwohner
gelitten haben werden, ist nicht zu bezweifeln, da sie ihnen so nahe waren. Nur fehlen die detaillirten Nachrichten
davon. – Nachtheilig für Oschatz waren höchstwahrscheinlich auch die Vorfälle, die nach den handschriftlichen
Nachrichten des schon angeführten Torgauer Annalisten, im Jahre 1097 und 1104 geschehen sein sollen. Graf Wiprecht
soll in diesen Jahren den Markgrafen zu Meißen, Heinrich den Aeltern, bekriegt und in der Gegend von Belgern, wo er
auf ihn stieß, große Verwüstungen angerichtet haben. – Ich verlasse diese unruhigen Zeiten und gehe
2. zu einem Zeitraume fort, der den hiesigen Einwohnern günstiger war, ob er gleich auch manche
Widerwärtigkeiten mit sich führte. Er beginnt mit der Zeit, seit welcher den in unsrer Stadt wohnenden Leibeigenen
aus den Daleminziern völlige Freiheit und gleiche Rechte mit den freigebornen Bürgern ertheilt wurden und er endigt
sich mit dem Ausbruche des Hussitenkrieges im Jahre 1419. – Die ersten Bewohner der Städte wurden in Freie und
Nichtfreie oder Leibeigene eingetheilet. Jene waren von Geburt Deutsche und des Bürgerrechts und der Waffen allein
fähig; diese hingegen, von Geburt Wenden, konnten ihrer slavischen Herkunft wegen damals das Bürgerrecht nicht
erlangen. Auf diesen Unterschied unter den Stadtbewohnern ward sehr viel gehalten, daher auch in der Folge, wenn
die Stadträthe ihren Bürgern Geburtsbriefe ausstellten, zum beweise ihrer freien Geburt die Worte beigefügt wurden:
sie wären nicht von Wendischen, sondern von Deutschen Aeltern geboren. In den ersten Zeiten verheirathete sich auch
Niemand leicht anders, als mit einer Person von seiner Abkunft. Zu Kaisers Heinrich V. Zeiten ward dieser
naturwidrige und menschenfeindliche Unterschied aufgehoben. Der Kaiser selbst machte mit der Stadt Speyer den
Anfang, der er deshalb im Jahre 1111 einen Freiheitsbrief ertheilte. Nachher wußten sich auch die Leibeigenen
anderer Städte die Freiheit und das Bürgerrecht vom Kaiser zu erwerben. Für manche Städte ertheilten die Bischöfe
und Grafen, den sie gehörten, dergleichen Privilegien freiwillig. Die Leibeigenen unsrer Stadt haben
wahrscheinlich diese für sie so wohlthätige Freiheit unter der Regierung des Markgrafen zu Meißen, Konrad des
Großen, welche in diese Zeit fällt, erlangt. Dadurch wurden ihnen die bürgerlichen Vorrechte zu Theil, die sie
zeither entbehren mußten; Die harten Bedrückungen, die sie besonders in Ansehung ihrer Verlassenschaft erfahren
mußten, hörten auf und die Voigte durften sich nicht mehr des vorher gebräuchlichen Rechts bedienen, sich den
besten Theil der Verlassenschaft unter dem Namen des Budtheils zuzueignen und den rechtmäßigen Erben entziehen;
sie konnten nun an der ehrenvollen Vertheidigung ihres Vaterlandes theilnehmen; die Achtung, in der sie als freie
Bürger standen, weckte und nährte bei denen, die ein Handwerk gelernt hatten, den Trieb der Ehre, de allein ihren
Arbeiten mehr Vollkommenheit geben konnte; die freien Deutschen fanden es nicht mehr anstößig, sich mit ihren
Kindern zu verehelichen. Die Aufhebung der Leibeigenschaft hatte aber auch auf die Bevölkerung unserer Stadt
einen starken Einfluß. Viele begaben sich dahin, um dem Drucke des Grafen und Erbherrn auf dem Lande, wo die
Leibeigenschaft noch nicht abgeschafft war, zu entgehen und vor den feindlichen Ueberfällen und Plünderungen
sicher zu sein. Selbst viele Herrn von Adel ließen sich hier nieder, weil sie nicht nur einen sichern, sondern
auch in Rücksicht auf Umgang und Unterhaltung einen angenehmern Aufenthalt fanden. Die Familien von Heinitz,
von Zegraf (Ziegra), von Trandorf, von Canitz, von Truchfaß, von Reidburg, vom Schleinitz, von Rothschütz und
andere rechnet unsere Stadt zu ihren ehemaligen Bewohnern. Juden machten sich ebenfalls darin ansäßig und
verweilten bis 1348 wo sie vertrieben wurden. Das Jahr 1272 zeichnete sich vor den vorhergehenden Jahren der
Theuerung und ansteckenden Krankheiten vorzüglich aus. Ohne zu bestimmen, wieviel die hiesigen Einwohner dadurch
gelitten haben, will ich nur das anführen, was Böhme in seiner Torgauer Jahrgeschichte aufgeführt hat. „In
Deutschland“ schreibt er, „war die Theuerung so groß, daß viele Tausend Menschen vor Hunger starben und
sonderlich in Thüringen, und weil man viel Getreide dahin fahren mußte, ward der Hunger im Markgrafenthum Meißen
auch groß. Man hat die Tannenzapfen und Eicheln gemahlen, und Brod daraus gebacken, die Leute haben das Mehl in
den Mühlen mit den Zungen aufgeleckt. Endlich starben auch die Kühe, davon sich zuvor viele Leute erhalten hatten,
ja diese todten Kühe wurden auch gekocht oder gebraten und statt des Brodes gegessen. Anfangs galt der Malter Korn
10 Fl., hernach 2 löthige Mark Silber und zuletzt 8 Mark Silber.“ Im Jahre 1294 wurden die Markgrafen
Friedrich mit der gebißnen Wange und sein Bruder Dietrich mit dem römischen König Adolph von Nassau in einen
schweren Krieg verwickelt. Veranlassung dazu gab der Landgraf in Thüringen, Albrecht der Unartige, Friedrichs
und Dietrichs Vater, Dieser machte seinen Söhnen die Markgrafschaft streitig, die ihnen durch die Erbfolge
zugefallen war. Weil er aber zur Ausführung seiner Ansprüche zu ohnmächtig war, so verkaufte er sie an den
König Adolph. Hierauf brach Adolph mit einem starken Heere in Meißen ein, nahm, von verschiedenen Städten
Besitz und erlaubte seinen Völkern so abscheuliche Grausamkeiten und Schandthaten, daß die alten und neuern
Geschichtsschreiber nicht genug darüber klagen können. Adolph zog einigemal ab, kehrte aber immer wieder
zurück und im Jahre 1296 war er so glücklich, daß sich Friedrich und Dietrich genöthigt sahen, die Meißner
Lande zu verlassen. Oschatz mußte sich dabei an den königlichen Feldherrn, den Grafen Heinrich von Nassau,
einen Anverwandten des Römischen Königs, ergeben. Friedrich mit der gebissenen Wange erhielt unterdessen
heimliche Unterstützungen an Geld von einigen Bürgern in Freiberg, welche ihn 1298 in den Stand setzten,
neue Kriegsvölker anzuwerben und seinen Feinden entgegen zu gehen. Nun wandte sich das Glück zu Friedrichs
Vortheile. Er eroberte zuerst das Schloß Rochlitz und schickte von da den Ritter Ullrich von Maltitz nebst
andern Rittern in die Gegend von Oschatz ab, um den Grafen Heinrich von Nassau gefangen zu nehmen. Diesen
Auftrag führte der von Maltitz auch glücklich aus. Er nahm den Grafen Heinrich von Nassau bei einer Besichtigung
der Gegend zwischen Oschatz und Döbeln an dem großen Forste gefangen. Hiermit ward unsre Stadt von den feindlichen
Truppen befreit und ihrem rechtmäßigen Herrn wieder zu Theil. – Wie sich Friedrich von dieser Zeit an bemühete, den
Wohlstand der hiesigen Einwohner zu befördern, davon sind ebenfalls Beispiele bereits angegeben worden. Auf den
geendigten Krieg kamen im Jahre 1308, 1310, 1312, 1315, 1316 5), 1317, 1335 Mißwachs, Hungersnoth und ansteckemde
Krankheiten über das Land. In dem Jahre 1344 ward das Land von Räubern sehr beunruhiget. Sie hatten, wie Böhme in
seinen Torgauer Jahrgeschichten meldet, vornähmlich ihren Aufenthalt zu Triestewitz über der Elbe zwischen Torgau
und Belgern. Aus der Schenke dieses Dorfes konnten sie in unterirdischen Gängen, die zu Böhme's Zeiten noch zu sehen
waren, ungesehen gelangen. Um diesen Räubereien ein Ende zu machen, verbanden sich der Rath und die Bürger zu
Torgau, Oschatz und Grimma, und versprach, daß jeder Ort auf seine Kosten dem andern mit zehn Schützen und zwanzig
anderen Personen, die durch Panzer geschützt und auf Wagen oder Rossen geführt würden, einen Tag und eine Nacht
beistehen wollte, um die Diebe und Räuber zum Besten des Landes zu stören. Oschatz stellte deshalb an Torgau einen
Versicherungsschein am Sonntage Quasimodogeniti (den 11. April) 1344 aus. Dieses Aufgebot gegen die Räuber, das
wahrscheinlich auch an andern Orten geschah, hatte einen glücklichen Erfolg. Die Räuber wurden zum Theil verjaget,
gefangen genommen und hingerichtet und die öffentliche Sicherheit wieder hergestellt. – Am Montag vor Palmarum 1365
vereinigte sich Oschatz und Torgau wieder mit dem ganzen Lande, den Dieben und Räubern zu steuern 6). Auch trat
unsre Stadt mit den Städten Dresden, Meißen und Hain in das Bündniß, das die Oberlausitzer Sechsstädte 1398 und
1407 aufrichteten, den Landfrieden zu erhalten, der durch verwegene Leute auf den Straßen sehr gestört ward.
Im Jahr 1347 ereignete sich nicht nur in unserm Lande, sondern auch in vielen nahmen und entfernten Ländern ein
so beispielloses Sterben, daß kaum der Zehnte von Tausenden übrig geblieben sein soll, daher es auch von den
Geschichtsschreibern das große Weltsterben genannt wird. Das Sterben soll im Morgenlande durch Heuschrecken
angefangen haben, die in so großer Menge gekommen wären, daß sie in ihrem Fluge die Sonne verfinstert hätten.
Der Wind habe sie ins Meer und das Meer dieselben wieder auf das Land geworfen, wo sie gestorben wären.
Durch die faulenden Dünste sei die Luft verpestet und so die große ansteckende Krankheit verursacht worden.
Eine gewisse Secte, die Geißler (flagellatores) kamen bei dieser Gelegenheit zu erst in unsre Gegend, und
wollten durch ihre Geißelungen, die sie an sich ausübten, der Pest wehren. – Außer diesem Jahre meldet Böhme
noch andere Zeiten der Theuerung und der Pest, die in den Jahren 1353, 1362, 1368, 1380, 1382, 1395. 1401 und
1404 gewiß auch die Bevölkerung und dem Gewerbe der hiesigen Einwohner vielen Nachtheil gebracht haben.
3. Den dritten Zeitpunkt in der chronologischen Uebersicht der Schicksale unserer Stadt fange
ich mit dem Ausbruche des Hussiten-Krieges 1419 an und endige ihm mit dem Jahre vor dem großen Brande 1616. Johann
Huß, Lehrer der Gottesgelahrheit auf der Universität Prag, deckte mit bisher mit ungewöhnlicher Freimüthigkeit in
seinen mündlichen Vorträgen und in seinen Schriften den Verfall der Kirchenzucht und des geistlichen Standes
auf, und eine Veränderung, die auf seine Veranlassung in der innerlichen Einrichtung der Universität vorging, hatte
ihm ein gewisses Uebergewicht auf derselben verschafft. Diese neue Einrichtung zog ihm die Verfolgung des Erzbischofs
zu Prag und aller derer zu, die damit unzufrieden waren. Huß ward darauf mit seinen mündllichen Vorträgen und
Schriften einer der ersten Gegenstände der Berathschlagungen des Kostnitzer Consilium, welches ihm zum Scheiterhaufen
verurtheilte. Dieses Urtheil ward an ihm bekanntlich den 6. Juli 1415 vollzogen. Darüber entstand unter seinen
Anhängern ein allgemeines Mißvergnügen, das endlich 1419 in einen öffentlichen Krieg ausbrach, der anfangs mit
dem Könige von Böhmen, Siegmund, im Lande selbst geführt ward, sich aber im Jahre 1429 auch über Sachsen und andere
Länder verbreitete. In dem gedachten Jahre kamen die Hussiten, unter der Anführung des Prokopius, auch in unsere
Gegend, und zerstörten um das Weihnachtsfest Oschatz gänzlich durch Feuer, wie die ehemalige Inschrift in der
hiesigen Klosterkirche bezeuget 7). Daß sich ihnen der Churfürst von Brandenburg, Friedrich, bei Oschatz
entgegenstellte, aber von ihnen geschlagen ward, dies ist mit mehrern erzählt worden. Außer Oschatz wurden
auch die zunächst liegenden Dörfer Gorau, Blumberg, Kunersdorf, Neuslitz, Zschöllau durch die Hussiten verwüstet.
Wie bereits gemeldet worden ist. Dieses traurige Schicksal beraubte unsere Stadt auf eine lange Zeit ihres
Wohlstandes und eines Theils ihrer Einwohner, die theils durch Ermordung der Feinde, theils durch ansteckende
Krankheiten ihr Leben verloren. – In dem sogenannten Bruderkriege, den die beiden Brüder, Churfürst Friedrich der
Sanftmüthige und Herzog Wilhelm III. deswegen miteinander führten, weil der letztere mit der zu Altenburg errichteten
Erbtheilung nicht zufrieden war, erfuhr unsere Stadt, wie Peccenstein 8) berichtet, ein trauriges Schicksal. Herzog
Wilhelm hatte die Böhmen auf seiner Seite. Diese unternahmen im Jahre 1446 einen Streifzug über Borna, Pegau,
Rochlitz, Colditz, Grimma, Mügeln, Leisnig, Döbeln, Oschatz und Strehla, wo sie mit Feuer und Schwert viele
Verwüstungen anrichteten. In Oschatz allein gingen gegen 100 Häuser in Feuer auf, das die Böhmen angezündet
hatten. Im Jahre 1491 gegen Pfingsten stieg der Scheffel Korn, der vorher 9 Gr. gegolten hatte, auf 60 Gr. die
Gerste galt 40 Gr., der Hafer 19 Gr. und die Erbsen 65 Gr. Darauf ward es im Jahre 1494 wieder sehr wohlfeil und
1499 galt das Korn 4 bis 5 Gr., der Hafer 1 Gr. 6 Pf., die Kanne Wein 3 bis 4 Pfennige. Der Scheffel hatte aber
nach damaligem Maaße nur 13 Metzen. – Daß im Jahre 1494 in Oschatz auch Kornmangel gewesen sein müsse, sehe ich aus
der Kämmerei-Rechnung dieses Jahres, wo Ausgaben vorkommen, um in Jüterbogk 300 Scheffel Korn, den Jüterbogker
Scheffel für 6 Gr., und wieder 260 Scheffel. jeden, für 6 Gr. 3 Pf, zu kaufen. Auch ward der Rathsknecht nach
Dahme und in die Lausitz nach Korn geschickt. Nicht nur aus dem Preise des Kornes, der damals der gewöhnliche
war, sondern auch daher, daß in dem gedachten Jahre, wie vorhin gemeldet worden ist, eine sehr wohlfeile Zeit
war, kann man annehmen, daß in Oschatz der Kornmangel nicht aus einem allgemeinen Mangel, sondern aus besondern
Ursachen entstanden sein müsse. Vielleicht hatte ein gänzlicher Hagelschlag die Kornsaat auf dem Felde vernichtet. –
Das Jahr 1499 war wieder eine kummervolle Zeit; denn in diesem Jahre brannte nach Peccensteins Nachricht 9), fast der
halbe Theil unserer Stadt ab. Im Jahre 1504 erfolgte nach einem sehr dürren Sommer eine drückende Theuerung, die
aber durch fremde Zufuhr bald gesteuert ward. Besonders ward es 1507 so wohlfeil, daß 1 Scheffel Korn, großes Maaß,
oder 16 Metzen 4 Gr. die Gerste auch soviel, der Hafer 3 Gr. und die Kanne Wein 3 bis 4 Pf. galt. Im Jahre 1512 that
es zu Pfingsten und Trinitatis so harte Fröste, daß man über das Eis weggehen konnte, darauf eine große Theuerung
erfolgte, in der 1 Scheffel Korn 35 Gr. und 1 Scheffel Weitzen 40 Gr. galt. Diese Theuerung dauerte lange, bis endlich
1531 der Scheffel Korn gar bis auf 40 Gr. stieg, Die gute Ernste dieses Jahres machte aber derselben ein Ende und der
Scheffel Korn fiel im December bis auf 12 Gr. Zur Ausbringung einer Steuer bei den zu besorgenden Kriegen mit den
Türken ward auch in Oschatz 1529 eine Schatzung des Gemeingutes vorgenommen und die Abgabe in 3 Terminen darnach
eingerichtet.1) die liegenden Rathsgüter wurden folgendermaßen geschätzt: Das Vorwerk Altoschatz ward als
ein Rittergut angesehen und mußte den 6. Theil von seinen Erbzinsen, die 4 Schock 39 Gr. betrugen, abgeben. Das
Vorwerk Striesa ward als ein Bürgergut gleich den andern nachfolgenden Vorwerken und Mühlen angeschlagen und mit 8
Pf. vom Schock besteuert. Striesa ward 300 Schock, die Schäferei vor dem Altoschatzer Thore 275 Schock, das
Vorwerk vor dem Brüderthore, das rothe Vorwerk genannt, 253 Schock 30 Gr., das wüste Schloß mit den dazu gehörigen
Hölzern, Teichen und wüsten Aeckern 210 Schock, die Niedermühle 70 Schock, die Mittelmühle 105 Schock, die Obermühle
sammt den Ober-Erbzinsen 262 Schock 30 Gr. gewürdert. 2) Die Geistlichen mußten ein Viertel ihrer
Zinsen von den beim Rathe stehenden Kapitalien abgeben, doch ward den hiesigen Klosterbrüdern ihr Antheil auf
Herzog Georgs Befehl zurückgegeben. 3) Die Ritterschaft gab auch den Vierten Theil ihrer Zinsen für die bei
dem Rathe stehenden Kapitalien. 4) Bürger. die beim Rathe Zinsen stehen hatten, trugen vom Schock 8 neue
Pfennige bei. Zur Zeit des Schmalkaldischen oder Deutschen Krieges hatte Oschatz 1547 hatte Oschatz einen sehr
harten Stand. Churfürst Johann Friedrich ließ Sonnabends nach Fabian Sebastian die Stadt durch den Marschall Heinrich
von Schönberg auf Rechenau auffordern, und nach ihrer Uebergabe wurden ihr 3000 Fl. Brandschatzung aufgelegt. Das,
was der Marschall mit seinen Leuten verzehrte, kam auf 17 Schock 48 Gr. 7 Pf. Donnerstag vor Fastnachten nahm Herzog
Moritz, früh zwischen 5 und 6 Uhr, die Stadt wieder ein, ließ sich von den Bürgern aufs neue huldigen, verbot auch
die Brandschatzung, um derentwillen 3 Geiseln weggeführt worden waren, an den Churfürsten zu bezahlen und nahm sie,
da sie schon zusammengebracht war, mit sich fort, versprach aber die Geiseln zu befreien. Montags nach Palmarum
erschien der Churprinz, Johann Wilhelm, aufs neue vor der Stadt mit 5 Kanonen, 3 Wagen, Sturmleitern nebst andern
Kriegswerkzeugen, 3 Eskadrons Reitern, deren jede ihre Fahne hatte, und fing an, sie zu beschießen. Die Stadt
konnte sich aus Mangel an Besatzung nicht vertheidigen, sondern mußte sich ergeben. Hierauf wurden ihr 6000 Fl.
Brandschatzung aufgelegt, welche aber auf Fürbitte des Superintendenten M. Buchner, den der Churprinz noch von
Torgau her, wo er zuvor Diakonus gewesen war, in gnädigem Andenken hatte, bis auf 3000 Fl. vermindert ward. Um
diese Summe aufzubringen, ward auch von der Kirche ein Darlehn gesucht. M. Buchner ließ sich dazu bereitwillig
finden, und gab von Kirchengefäßen, die übrig waren, 42 Pfd. 13 Lth. Silber her. Dies betrug 83 Mark 13 Loth,
und machte, die Mark zu 8 Fl. gerechnet, an Gelde 670 Fl. 10 Gr. 6 Pf. Dieses Darlehn ward 1555 vom Rathe wieder
bezahlt. Von denb drei Geiseln, namentlich Nicol Moller, Gotthard Sprossing und Hieronymus Schumann, die bei der
ersten Belagerung nach Wittenberg mit fortgenommen wurden, war der letztere gestorben, die beiden anderen aber
wurden Mittwochs nach Quasimodogeniti wieder frei gegeben, darauf sie sich zu dem Herzoge Moritz ins Lager begaben
und ihm von neuem huldigten. Nicht lange darauf, nämlich im Monat Mai, ward der Churfürst von dem Kaiser Carl
V. bei Mühlberg gefangen. Den Tag vorher hatte der Kaiser mit seinen Völkern bei Hof sein Nachtlager aufgeschlagen,
von da er hernach bei Oschatz durch die Blumengerger und Gorauer Flur auf dem Wege nach Borna gegen Mühlberg zog,
der noch bis diesen Tag deswegen der Kaiserweg genannt wird. – Im Jahre 1552 herrschte allhier die Pest, bei der sich
die Rathspersonen nach Roßwein und Freiberg wandten und von da, nach geendigter Pest, Freitags nach Martini wieder
zurückkamen, worauf sie die Pfarrer der Nachbarschaft ersuchen ließen, Gott mit ihren Gemeinden zu loben, daß er die
Sterbensgefahr wieder von der Stadt entfernt habe. Der Jahrmarkt zu Simon Judä ward durch Briefe nach Meißen, Döbeln
und andere Orte abgeschrieben. – 1555 fing sich die Pest von neuem an, und der Rath sah sich genöthiget, den Jahrmarkt
zu Simon Judä wieder abzusagen. Im Jahre 1556 starben von Mariä Heimsuchung bis den 29. November gegen 900 hiesige
Einwohner an der Pest, daher auch der Jahrmarkt nach Simon Judä nicht gehalten werden konnte. Der Rath sorgte dafür,
daß ein Wärter den Kranken Speisen und Trank zutrug, vor ihren Thüren hütete und es meldete, wenn ihnen etwas mangelte.
Um die kranken Wöchnerinnen zu versorgen, ward eine gesonderte Frau gehalten. Kaspar Zscherner von Hamburg ward
angenommen, die Kranken zu kuriren, bekam aber, seiner Ungeschicklichkeit wegen, bald wieder seinen Abschied. Zu dieser
Sterbenszeit wurden auch 2 Todtengräber gehalten, und vom Rathe 21 Schock 9 Gr. 3 Pf.aufgewandt. – Im Jahre 1575 ließ
sich die Pest wieder spüren. daher der Jahrmarkt nach Simon Judä einging. Im Jahre 1581 starben im Juli 56 und im
August 125 Personen an der Pest, welche bis Invocavit 1582 anhielt. Die angesteckten Häuser wurden mit einem
Vorlegeschlosse gesperrt. Der Armenvoigt trug den Kranken ihre Bedürfnisse vor die Häuser, den Geistlichen ward aus der
Apotheke auf des Raths Rechnung Medicin als Präservativ gereicht, für die Kranken aber ein besonderer Pest-Diakonus
angestellt. Die Verstorbenen wurden von den Todtenträgern nicht auf Bahren, sondern auf Tragen zur Ruhe gebracht. Die
Ausgaben bei dieser Pestkrankheit kamen dem Rathe auf 21 Schock 30 Gr. Im Jahre 1583 fing sich die Pest wieder im
September an und dauerte bis zum 1. November, in welcher Zeit 194 Personen starben. Es wurden, wie vorher, ein
Pest-Diakonus, Krankenwärter und Träger angenommen: unter die Kranken ward Holz vertheilet und in jedes Thor ein
Wächter gestellt, um die Fremden vor der Gefahr zu warnen. Alle Ausgaben beliefen sich auf 59 Schock 12 Gr., davon
erhielt der Apotheker Schumann 18 Schock 46 Gr. 6 Pf. oder 46 Fl. 22 Gr. 6 Pf. für Medicamente, die er den Geistlichen
als Präservative gereicht hatte. Im Jahre 1590 war eine ziemliche Hungersnoth, aber nicht aus Mangel an Korn, sondern
an Mehl, weil wegen der 3 Monate anhaltenden großen Hitze alle Wasser austrockneten und die Mühlen stehen blieben.
Nachher waren bis 1609 wohlfeile Jahre, wobei unter andern vom Jahr 1605 gedacht wird, daß ein Scheffel Borsdorfer
Aepfel für 5 bis 6 Gr. und ein Schock Krauthäupter für 3 Gr. gekauft wurden. Mit dem Jahr 1609 ward es wieder theuer
und die Theuerung hielt etliche Jahre an, indem 1612 das Korn bis aus 3 Thlr. 6 Gr. stieg, weil starke Fröste das Korn
fast alle Jahre in seinem Wachsthum hinderten. Während der angezeigten theuern und wohlfeilen Jahre drückten 6
Pestjahre die Einwohner unserer Stadt. Im Jahre 1598 herrschte den Monat Juli und August die rothe Ruhr und von
Aegidius bis Sonnabends nach Dionisius die Pest. Der Jahrmarkt nach Simon Judä konnte daher auch diesmal nicht gehalten
werden. Wie groß die Sterblichkeit bei diesen Krankheiten gewesen sei, läßt sich aus den oben beigebrachten
Kirchenlisten beurtheilen, worin bei diesem Jahre 353 Verstorbene angegeben werden. da sonst gewöhnlich nur gegen
100 Personen starben. Also hatten Krankheiten gegen 250 weggerafft. Im folgenden Jahre erschien die Pest wieder und
der Jahrmarkt Sim. Jud. unterblieb. Im Jahre 1605 vom 26. November bis zum 21. Januar 1606 wurden 6 Schock 18 Gr.
auf 2 Todtenträger den Armenvoigt und Todtengräber, als Wochenlohn verwendet, weil sich in zwei Häusern abermals die
Pest merken ließ. Den Bewohnern dieser Häuser wurden die Bedürfnisse durch den Armenvoigt zugetragen. Vom Jahre 1607
wird zwar angemerkt, daß hier tödtliche Krankheiten geherrscht haben, aber sie werden nicht näher beschrieben. Nach den
Sterbelisten zu urtheilen, müssen gegen 100 an jenen Krankheiten gestorben sein. Im Jahre 1611 wüthete die Pest vom
11. Juni bis zum 22. October wobei für die sonst gewöhnlichen Wochenlöhne 20 Schock 56 Gr. ausgegeben wurden. Dem
Todtengräber und Armenvoigt ward ein besonderes Lohn ausgesetzt, damit sie sich inne halten und nicht unter die Leute
gehen möchten. Im Jahre 1613 hielt die Pest vom 31. August bis zum 21. September an und raffte 292 Personen dahin,
obgleich ein Pestarzt Salomon Rottewald aus Meißen, angestellt war, welcher in den zwölf Wochen seines Hierseins 20
Schock an Besoldung erhielt. Der Jahrmarkt nach Simon Judä ward abgesagt.
4. Der vierte
Zeitpunkt in den Schicksalen unser Stadtbewohner fängt mit dem großen Verhängnißjahre 1616 an und geht bis auf unsre
Zeiten. Im Jahre 1616 am 4. Juli ereignete sich der große Brand, davon in dieser Schrift schon oft gesprochen ist.
Da er für unsere Stadt so verderblich war, daß noch jetzt 57 (III.Bd.) Hausstellen wüste liegen, so verdient er billig
eine nähere Beschreibung. Johann Walther, ein hiesiger Bürger und Augenzeuge dieses Brandes, hat denselben in Reimen
beschrieben 10), wovon ich hier einen Auszug liefere. Das Feuer brach an dm Donnerstage nach dem Ablaß-Jahrmarkte nach
2 Uhr Nachmittags, als sich ein großer Theil der Einwohner auf dem Felde mit der Ernte beschäftigte, bei einem
Schlosser, Andreas Umhof, auf der Döllnitzgasse, und zwar in dem Hause aus, das jetzt die Nummer 334 führt. Der
Schlosser entwich unter dem Sturmlauten vor Furcht aus der Stadt nund kam nicht wieder zum Vorschein. Die
Löschenden suchten zwar mit aller Anstrengung den Flammen Einhalt zu thun. Allein es konnte bei der großen Hitze
nicht verhindert werden, daß das Feuer die gegenüber stehenden Häuser, die alle mit Schindeln bedeckt und überdies
sehr ausgetrocknet waren, ergriff und die ganze Gasse einäscherte, in die man sich, da sie sehr enge war, nicht mehr
wagen, auch zu dem Wasser in dem durchfließendn Bach nicht mehr gelanden konnte. Während die Döllnitzgasse brannte,
zündete das Flugfeuer an zwei verschiedenen Orten vor dem Strehlaischen und Hospital-Thore, so, daß es nun an drei,
einen Büchsenschuß weit von einander entfernten Orten brannte. Vor den angezeigten Thoren verzehrte die Flamme
sogleich an dem Steinwege 15 Häuser und 18 Scheunen, nebst dem Hospital zu St. Georg, das Posthaus, das Lazareth
und 3 steinerne Vorwerke. In der Begräbnißkirche brannte schon die Kirchthüre und die Fenster zersprangen an
der Abendseite; die Flamme ward aber hier bald gelöscht. In der Stadt kam das Feuer von der Döllnitzgasse in die
Hospitalgasse, von da auf den Hauptmarkt und sodann in die Webergasse, wo sich viele Einwohner, um dem Feuer zu
entgehen, an die Stadtmauer geflüchtet hatten, welche aber, da alle umherstehenden Häuser von den Flammen ergriffen
wurden, die Gluth so umschloß, daß ihnen die Kleider versengten. Auch das Gras auf den Mauern verbrannte, jedoch kam
dabei Niemand, weil der Wind dem Feuer entgegen stieß, um sein Leben. Als die Altoschatzer Gasse und der Markt
eingeäschert worden waren, ergriff das Feuer die Spohrergasse auf beiden Seiten und in derselben 2 Commun-Gebäude,
nämlich die Fleischbänke und Garküche, so daß Niemand, wegen der großen Hitze und einstürzenden Häuser, durchkommen
konnte. Ebenso verhinderten die zwei abgebrannten Thore die Communication mit der Vorstadt.Nun lag schon in einer
Zeit von 3 bis 4 Stunden der halbe Theil der Stadt innerhalb der Ringmauer, nebst 3 Wassermühlen mit allen
Wasserrädern, 11 Brauhäusern und 5 Malzhäusern, darin die tief in der Erde stehenden steinernen Trögen in kleinen
Stücken zersprungen waren, in die Asche. Das Elend hatte aber noch kein Ende. Das Feuer sprang von der Spohrergasse
auf den Kirchhof und zündete die Rektorat-Wohnung und die Schule an, von da flog es gegenüber auf die Thurmhaube, wo
das Kindertaufglöckchen hängt, von da es das Kirchendach einnahm und dann die beiden Thürme ergriff. auf welche 4
große und 2 kleine Glocken und eine Schlaguhrschelle hingen. Die Glocken stürzten herunter, durchschlugen einen
Theil des Kirchengewölbes hinter der Rathsemporkirche und das zugleich nachfallende Feuer verzehrte den Schüler-Chor
mit 200 Stück auf Pergament und Papier kostbar geschriebenen Büchern zum Singen, die Orgel, die Kirchenstühle,
den Taufstein, den Altar, die kunstvolle Kanzel, die schönen Epitaphien und die Emporkirche. Die Pfeiler und die
Kirchenfenster zersprangen vor großer Hitze. Von den Flammen der Kirche ward die Thurmhaube des Rathhauses angezündet
und die darauf befindlichen 2 Seigerschellen zerschmolzen, das künstliche Uhrwerk zerbrach, die an dem Vordergiebel
befindlichen ausgehauenen Quater-Steine, so fest sie auch waren, stürzten herab, und das Rathhaus brannte bis auf
die Gewölbe ganz aus. Von der Schule ging das Feuer weiter fort und verheerte auch die Kirchnerwohnung, die
Physikats-ohnung, das Siegelhaus der Tuchmacher, die Archidiakonat-Wohnung und die Superintendur, hernach die
nicht lange vorher neuerbaute Stadtschreiberei, die Wohnung der Baccalaureen, die Nonnengasse. Das Feuer hörte
bei dem Gasthofe zum weißen Roß auf, wie schon bemerkt worden ist. Nur 25 Häuser blieben stehen, dazu die Häuser
auf der Mitternachtsseite des alten Marktes, die Diakonatwohnung, die Brüdergasse, zwei Scheunen, die Wohnungen des
Stadt- und Amtsfrohns, die Klosterkirche, das Kloster, der Marstall und das Brüderthorhaus gehören. Bei diesem
großen Feuer verunglückte kein Mensch, aber nachher wurden 3 Personen durch den Einsturz der Brandmauern erschlagen.
In allem brannten 444 Häuser und Scheunen ab. Die unglücklichen Einwohner brachten die erste Nacht auf freiem Felde
zu, kehrten dann zu den Schutthaufen zurück, und sahen, wo sie ihr einstweiliges Unterkommen fanden. Die Umhofin
ward gefänglich eingezogen, saß 7 Wochen, und ward, da sie eingestand, daß das Feuer durch ihre und ihres Mannes
Unachtsamkeit verwahrloset worden sei, den 24. August nach geschworenem Urfrieden von den Gerichten der Stadt auf
ewig verwiesen. Am 10. December 1616 kam nach Oschatz die Nachricht, daß 3 Missethäter, die zu Altenburg verbrannt
worden wären, bekannt hätten, daß das Feuer in Oschatz von ihnen angelegt worden sei. Hierrauf schrieb der Rath an den
Amtsschösser daselbst, um zu erfahren, was es mit jener Sage für eine Bewandniß habe. Die Antwort ist mir nicht
bekannt. Jenes Vorgeben kann aber schon durch die Aussage der Umhofin widerlegt werden. – Wie die öffentlichen
Gebäude wieder aufgebaut worden sind, habe ich oben bei jedem Hause in der zweiten Abtheilung
erzählt 11). Der
Gottesdienst ward in der Klosterkirche und die Schule im Kloster bis zum Wiederaufbau der Stadtkirche und des
Schulgebäudes gehalten. Nach dem Brande kamen churfürstliche Commissarien den 16. September hier an, besahen den
Brandschaden, machten, ihrem Auftrage gemäß einen Anschlag des zum Aufbau benöthigten Holzes, und kehren 3 Tage
darauf wieder zurück. – Daß die Abgebrannten in ihrem Wohlstande sehr gestört wurden, wird Jedem von sebst
einleuchten, wenn er bedenkt, daß jene Verunglückten eine Zeitlang ohne Obdach und ohne Werkstätte, worin sie
ihren Unterhalt hätten erwerben können, bleiben mußten, auch bei dem Wiederaufbau ihrer Häuser und bei Anschaffung
ihres Handwerksgeräthes ansehnliche Ausgaben, die der größte Theil von andern zu borgen genöthigt war, zu
bestreiten hatten. Wie unmöglich es vielen ward, ihre Wohnungen wieder aufzurichten, giebt die große Anzahl der
Stellen zu erkennen, die nicht wieder aufgebaut wurden, und zum Theil noch wüste liegen. Dieses Elend unsrer
unglücklichen Mitbürger vergrößerte noch die in demselben Jahre eintretende sehr drückende Theuerung. Es hatte
von April bis August, mithin 18 Wochen nicht geregnet. Um Ostern galt der Weitzen um 3 Fl., das Korn 2 Fl., die
Gerste 2. FL., der Hafer 1 Fl. 3 Gr. Dieses währte bis Johanni. Zu Michaelis war aber noch alles um 12 Gr. theurer,
und im Januar 1617 galt der Weitzen 3 fL: 9 Gr., das Korn 3 Fl., die Gerste 2 Fl. 18 Gr., der Hafer 2 Fl. Um Ostern
galt der Weitzen 4 Fl. 6 Gr., das Korn 4 Fl., die Gerste 3 Fl. 9 Gr., der Hafer 2 Fl. 12 Gr. Um Johannis war das Korn
noch 8 Gr. theurer und der Hafer galt 3 Fl. Auf dem Lande galt das Korn 7 bis 8 Fl. Zu Anfange des Augusts kam das
Korn 2 Rthlr. Dieser Noth wegen wurden besondere Betstunden ausgeschrieben. Im Sommer 1618 fiel das Korn bis auf
2 Fl. und endlich auf 36 Gr. Daß der gehäufte Kummer so Manchen von unsern bedauernswürdigen Vorfahren vor der
Zeit in die Arme des Todes gestürzt habe, geben die Sterbelisten des Jahres 1616 und 1617 zu erkennen, denn in
jedem dieser Jahre sind auf 50 Personen mehr gestorben, als zeither geschehen war. Wie viele Hindernisse verursachte
dem Wiederaufblühen des Wohlstandes nicht der bald nach dem Brande beginnende dreißigjährige Krieg, und der mit
demselben eintretende geringere Gehalt der Münzsorten vom Jahre 1620 bis in einen Theil des Jahres 1623 welcher
Zeitraum unter dem Ausdrucke der Kipper- und Wipperzeit 12) begriffen wird. Um an einem Beispiele zu zeigen, was
für Beschwerlichkeiten bei der Wiederherstellung unsrer Stadt überwunden werden mußten, will ich ein summarisches
Verzeichniß der Baukosten anführen, die die Herstellung der Commun-Gebäude, als z.B. des Rathhauses, der
Stadtschreiberei, der Fleischbänke, der Garküche, der Ober-, Mittel- und halben Untermühle, des Brauhauses und der
beiden Malzhäuser u.s.w. erfordert hat. 6101 Schock 54 Gr 7½ Pf. bekamen die Gewerken; 3303 Schock 42. Gr. 6 Pf.
kosteten die Kalksteine, die in des Raths Kalkofen gebrannt wurden; 1340 Schock 54 Gr. betrug der Aufwand bei dem
Ziegelbrennen; 399 Schock 10 Gr. 3 Pf. kostete das Steinbrechen und 257 Schock 59 Gr. 6 Pf. Die ganze Summe machte
11,403 Schock 40 Gr. 10½ Pf., das ist 28,508 Rthlr. 16 Gr. 10½ Pf. Diese großen Ausgaben konnte
der Rath aus seinen eigenen Einkünften nicht bestreiten, daher sah er sich genöthigt, 5078 Schock Kapital aufzunehmen.
– Zuletzt will ich noch die milden Beiträge aufführen, die den Abgrbrannten unsrer Stadt von mitleidigen
Menschenfreunden im In- und Auslande zugesendet wurden, um ihnen die Beschwerlichkeiten bei dem Wiederaufbau ihrer
Wohnungen zu erleichtern 13). Billig ist zuerst die Mildthätigkeit des Churfürsten Johann Georg I. zu rühmen. Aus
freier Gnade erließ er den Abgebrannten, vermöge eines Befehls vom 27. October 1616 auf 3 Jahre die Land- und
Tranksteuer, schenkte ihnen 1000 Fl und 4592 Stämme Holz in den Amtsbezirken Mühlberg, Hohenstein, Augustusburg und
Lichtenwalda. Die Anspänner im Amte Mühlberg fuhren die in ihrer Gegend geschlagenen Baumstämme unentgeldlich nach
Oschatz und die Anspänner im Amte Hohenstein brachten die Stämme aus ihrem Bezirk an die Elbe, ebenfalls ohne
Bezahlung. – Der Rittergutsbesitzer auf Cavertitz, von Starschdel, sandte 2 Hosen Butter; der Rittergutsbesitzer
auf Schleinitz, von Loß, Brot und Mehl; ein Hauptmann von Liebenwerda 5 Schaafe; die Stadt Leipzig, Großenhain und
andere benachbarte Städte Mehl, an 44 Schfl. 3 Vtl. Brot, Semmel, Bier und dergl. Um diese Geschenke desto gleicher
zu vertheilen, wurden sie ´verkauft und das Geld unter die Abgebrannten vertheilt. Die Summe des daraus gelöseten
Geldes betrug 326 Fl. 14 Gr. 8 Pf. An baarem Gelde gingen ein: 189 Fl. 6 Gr. 1 Pf.
aus dem Consistorium zu Altenburg; 100 Fl. von den Fürsten von Anhalt, August; 178 Fl. 15 Gr. 9 Pf. aus der Diöces
Annaberg; 150 Fl. von der Stadt Augsburg; 49 Fl. 5 Gr. 6 Pf. von der Stadt Bautzen; 34 Fl. 6 Gr. von dem Herzoge und
200 Fl. von der Commun zu Braunschweig; 21 Fl. von der Stadt Calbe; 90 Fl. von der Stadt Cassel; 307 Fl. 14 Gr. 5 Pf.
von der Stadt und Diöces Chemnitz; 400 Fl. aus dem Fürstenthume Coburg; 100 Fl. von der Stadt Colditz; 112 Fl. 14 Gr.
von der Regierung zu Köthen; 478 Fl. 19 Gr. 2 Pf. von der Stadt und 155 Fl. 19 Gr. 2 Pf. von der Diöces Dresden;
30 Fl. von der Stadt Eger; 50 Fl. 10 Gr. 4½ Pf. von der Stadt Eisleben; 108 Fl. 16 Gr. von der Stadt Eilenburg; 600 Fl.
von der Stadt Erfurt; 160 Fl. 10 Gr. 4 Pf. von der Stadt und 234 Fl. 10 Gr. 9 Pf. von der Diöces Freiberg; 91 Fl. 4 Gr.
von der Stadt Görlitz; 100 Fl. von der Stadt Grimma; 114 Fl. 6 Gr. 6 Pf. von allen 3 Kirchen; 150 Fl. von den Herren
von der Pfannerschaft und 35 Fl. 15 Gr. 6 Pf. aus der Kämmerei der Stadt Halle; 155 Fl. von der Stadt Hamburg; 352 Fl.
20 Gr. 3 Pf aus der Grafschaft Henneberg; 324 Fl. 22 Gr. 1 Pf. von dem Landgrafen in Hessen, Ludwig; 100 Fl. aus dem
Holsteinischen; 1250 Fl. 18 Gr. 6 Pf. von der Stadt und 1088 Fl. 9 Gr. 1 Hl. von der Diöces Leipzig; 30 Fl. von
der Stadt und 15 Fl. von Franz Bärenstein in Lübeck; 30 Fl. von der Stadt Lüneburg; 37 Fl. 10 Gr. von dem Grafen zu
Mannsfeld, David; 956 Fl. 10 Gr. 9½ Pf. aus dem Erzstifte; 300 Fl. von dem Domcapitel und 117 Fl. von der Stadt
Magdeburg; 122 Fl. 9 Gr. von der Stadt und 93 Fl. 10 Gr. 9 Pf. aus der Diöces Meißen; 404 Fl. 8 Gr. 1 Hl. von
dem Consistorium zu Merseburg; 80 Fl. von dem Rathe, der Bürgerschaft und dem Gotteskasten in der Stadt Mittweida;
200 Fl. von der Stadt Mühlhausen; 286 Fl. 12 Gr. 6 Pf. von dem Stifts-Consistorium zu Naumburg und Zeitz; 164 Fl. von
der Stadt Nürnberg; 18 Fl. aus der Stadt Oelsnitz; 36 Fl. von der Stadt Olbersleben; 1077 Fl. 10 Gr. 6 Pf. 1 Hl. von
der Bürgerschaft Oschatz und 381 Fl. 1 Gr. 4 Pf. von der Diöces Oschatz; 90 Fl. 4 Gr. aus der Diöces Pirna; 102 Fl.
aus dem Stifte Quedlinburg; 50 Fl. von der Stadt Regensburg; 148 Fl. 5 Gr. 8 Pf. 1 Hl. von den Grafen Karl Ludwig und
Albrecht Günther zu Schwarzburg und Hohenstein und 200 Fl. 12 Gr. 10 Pf. von den Gräftlich Schwarzburgischen Räthen zu
Arnstadt, von den Unterthanen Arnstädtscher Linie gesammelt, 200 Fl. von der Stadt Torgau; 3000 Fl. von der Stadt Ulm;
128 Fl. von der Stadt Weißenfels; 403 Fl. 15 Gr. 4 Pf. 1 Hl. von dem Consistorium zu Wittenberg; 189 Fl. 3 Gr. 5 Pf.
aus dem Consistorium zu Wurzen; 258 Fl. aus der Diöces Zwickau. Diese einzeln verzeichneten milden Geldbeiträge füllen
mit Einschluß der von dem Churfürsten geschenkten 1000 Fl. die Total-Summe von 14,935 Fl. - Gr. 8½ Pf. oder von 13,068
Rthlr. 3 Gr. 8½ Pf. Unsre Stadt hatte sich von ihrem erlittenen Brandschaden noch nicht ganz erholet, als sich mit
dem Jahre 1618 der unselige dreißigjährige oder zweite Deutsche Krieg 14) anfing, an welchem unser Churfürst, Johann
Georg I. sehr viel Antheil nahm. Kaiser Rudolph hatte, vermöge des sogenannten Majestäts-Briefes, den Evangelischen
in Böhmen verschiedene Freiheiten eingeräumt, die aber 1618 sehr beschränkt wurden. Darüber entstanden in Böhmen große
Unruhen, die zuletzt in Thätlichkeiten ausbrachen und für unser benachbartes Sachsen traurige Folgen befürchten
ließ. Zur Abwendung dieser Gefahren wurden daher Betstunden angeordnet und das noch jetzt gebräuchliche, aber hier
und da abgeänderte Religions-Gebet ward eingeführt. Im Jahre 1630 ward vom October an bis in den Monat December
unsre Stadt mit einer pestartigen Krankheit stark heimgesucht. Es starben in diesem Zeitraume auf 147 Personen
daran. Um die Leichname zur Nachtzeit zu ihrer Ruhestätte zu bringen, ward ein besonderer Wagen verfertigt, der mit
einem Pferde bespannt war, das der Todtengräber unter sich hatte. Als diese Drangsal vorüber war, traten die
Schrecken des Krieges, die man schon seit 12 Jahre befürchtet hatte, mit dem im Jahre 1631 angefangenen großen
Deutschen Kriege wirklich ein, der auch über unsre Gegend und Stadt, die zeither noch verschont geblieben waren,
alles Elend, das ihn begleitete, brachte. Da Kaiser Ferdinand die Vollziehung seines Restitutionsedikts mit
gewaffneter Hand durchzusetzen anfing und seinen Truppen ganz unerhörte Ausschweifungen in den Deutschen Provinzen
erlaubte, so sah sich unser Churfürst endlich genöthigt, die gerechte Sache seiner bedrängten Religions-Verwandten
mit Ernst und Nachdruck zu vertheidigen und zur Einschränkung der gemißbrauchten Kaiserlichen Gewalt die nöthigen
Maaßregeln zu ergreifen. Er berief daher als Director der Evangelischen Städte, die protestantischen Fürsten,
am 19. December 1630 zu einer gemeinschaftlichen Berathschlagung nach Leipzig. Während dieses Convents ward zu
Leipzig zugleich auch zwischen den anwesenden Lutherischen und reformirten Theologen eine Unterredung gehalten,
wobei die Vereinigung dieser beiden Religions-Parteien zwar beabsichtigt, aber nicht bewirkt wurde. Unterdessen
war der König von Schweden, Gustav Adolph, zur Rettung der Protestanten in Deutschland mit 14000 Mann angekommen.
Mit ihm verband sich unser Churfürst 15) und erklärte sich, was er vorher noch nicht gethan hatte, öffentlich gegen
den Kaiser. Als der Kaiserliche General Tilly bereits im Mai 1631 die Stadt Magdeburg zerstört hatte, und nun mit
ganzer Macht gegen die Chursächsischen Lande aufbrach, um den Leipziger Bund zu trennen und den Churfürsten zu
demüthigen, so zog sich dieser mit seinen Truppen von Leipzig nach Torgau und besetzte den dortigen Elbpaß, um
seine Verbindung mit dem Könige von Schweden zu erleichtern. Das Schwedisch-Sächsische Heer schlug das Kaiserliche
unter den Befehlen des General Tilly stehende Heer den 7. September 1631 bei Breitenfeld in der Nähe von Leipzig
gänzlich. Dies gab den Deutschen Angelegenheiten auf einmal eine ganz andere Wendung. Der König von Schweden ging
durch Thüringen nach Franken, und die Sachsen wurden von dem General von Arnheim durch die Lausitz nach Böhmen
geführt. In dieser Zeit fing es nun an, auch in Oschatz unruhig zu werden. Schon den Tag vor der gedachten Schlacht
ließ der Rath durch einen Boten, der nach Eilenburg und Leipzig geschickt ward, die nöthige Erkundigung von der Lage
der Dinge einzuziehen. Die Nachricht, die man erhielt, war so beschaffen, daß man, die Thore mit Wachen zu besetzen,
für rathsam fand. Couriere und Truppenmärsche, welche häufig hier durch gingen, machten die Stadt nicht nur lebhaft,
sondern letztere waren auch für sie bald mehr, bald weniger lästig. Das Jahr 1632 vermehrte jedoch die Kriegsdrangsale
für unsere Stadt und die umliegende Gegend. Nach dem Abmarsch des Schwedischen Regiments Steinau, das vom 1. bis 12.
August hier verweilt hatte, ward eine Bürger-Miliz errichtet und ihr ein Wachtmeister vorgesetzt; auch wurden auf
dem Thurme noch besondere Wächter angestellt, welche auf die Annäherung feindlicher Truppen Acht haben sollten. Was
man besorgte, geschah. Kaiserliche Croaten, die mit mehrern andern Corps bereits im August über Annaberg nach Sachsen
gedrungen waren, fielen den 12. October die Stadt an, zerhieben die Schläge an dem Strehlaischen und
Hospital-Thore, jagten die Bürgerwachen in den Zwinger und tödteten von ihr in der ersten Hitze alles, was sich nicht
durch die Flucht zu retten vermochte. Der Stadtrath Vogel und mit ihm 12 Bürger verloren an diesem angstvollen Tage
ihr Leben, eine weitaus größere Anzahl ward verwundet, und Mancher sank durch den Schreck in die Arme des Todes. Bei
und nach dieser blutigen Scene nahm eine allgemeinde Plünderung überhand, wobei weder Kirchen, noch Schulen, noch
Rathhaus verschont blieben. Die Stadtkirche allein verlor dabei alle Ornate, Meßgewande, 10 Kelche und eine große
silberne Kanne, auch wurden andere Sachen, die von manchen Einwohnern dahin in Sicherheit gebracht worden waren,
entwendet. Nach eingetretener Ruhe legte der Kaiserliche Oberst-Lieutenant, Albrecht Freiberger, von Mahlis aus,
wo er sein Quartier hatte, eine sogenannte Salve-Garde in die Stadt, und eine besondere noch in die Apotheke. Jene,
die etliche Wochen hier lag, verursachte der Stadt viele Kosten. Dabei mußte sie noch Bier und Brot nach Mahlis,
Grimma und Altenburg liefern. Nach dem merkwürdigen Haupttreffen bei Lützen am 6. November, worin die Schweden
zwar einen vollkommenen Sieg erkämpften, aber auch ihren vortrefflichen König verloren, mußte sich der Kaiserliche
General von Wallenstein nach Böhmen zurückziehen und ganz Sachsen, so wie unsere Gegend, ward noch vor dem Ende des
Jahres von den Feinden geräumt. Als jedoch die Feindseligkeiten zwischen den Sachsen und Kaiserlichen mit dem Jahre
1633 in Schlesien von neuem begannen, so rückte am 3. August dieses Jahres ein Kaiserliches Cavallerie-Regiment unter
den Befehlen des General Schwarzenholz auch in hiesige Stadt wieder ein, welches bis April 1634 stehen
blieb. Wegen dieser Einquartierung konnte zu Michaelis kein neuer Rath gewählt, bestätiget und eingesetzt werden,
daher die zu Ursula 1632 bestätigten Rathspersonen in ihren Aemtern bleiben mußten; auch ward der Jahrmarkt nach Simon
Judä nicht gehalten. Aller Vorrath an Wein auf dem Rathskeller ging auf, weil dem Oberst-Lieutenant und allen andern
Officieren des genannten Regiments über 1200 Thaler Wein gereicht werden mußte, welche Summe nachher von der
Contribution abgerechnet ward, wozu der Rath der Bürgerschaft das nöthige Geld vorschoß. Da das Commun-Brauhaus zum
Magazin gebraucht ward, so konnte darin wenig gebraut, auch dasselbe erst nach dem Abzuge der Soldaten den 27. April
1634 seiner eigentlichen Bestimmung ganz wiedergegeben werden. Pestartige Krankheiten vergrößerten die Noth der Jahre
1633 und 34 bedeutend. Im Jahre 1633 dauerten sie vom 15. Juni bis 1. Oktober und rafften vom 4. August bis 13.
September 1634 gegen 481 Einwohner dahin, worunter auch die beiden Bürgermeister Daniel Richter und Abraham Seifert
waren. Am 27. August 1634 erlitten die Schweden in dem Nördlinger Treffen eine
so empfindliche Niederlage, daß es der Churfürst von Sachsen nicht wagen wollte, länger auf ihrer Seite zu bleiben.
Er schloß daher den 30. Mai 1635 mit dem Kaiser zu Prag nicht nur Friede, sondern verband sich mit ihm sogar wider die
Schweden. Noch am Ausgange dieses Jahres kam es zwischen den Sachsen und Schweden zu verschiedenen hitzigen Gefechten,
worin das Glück der erstern zu wanken anfing. In dem Jahre 1635 war Oschatz ebenfalls mit schwerer Einquartierung stets
belästiget, zu deren Unterhalt von jedem Hausschocke 16 Gr. abgegeben werden mußten. Da die öffentliche Sicherheit
gestört, Ein- und Ausfuhr beschränkt und Handel und Wandel gehemmt waren, so ist stets begreiflich, daß die
Geleitseinkünfte täglich geringer wurden; auch verhinderten die drückenden Contributionen die pünktliche Abentrichtung
der gewöhnlichen Rathsgefälle. Auf die zwei Termine den 25. Juli und den 15. November 1635 wurde nur allein von
Commun-Gütern 65 Schock 55. Gr. 3 Pf. Artillerie-Contribution bezahlt.
Im folgenden Jahre 1636 eroberten die Sachsen, jedoch nach einer Belagerung von
2 Wochen, die Stadt Magdeburg. Zur Verpflegung der Ungarischen Dragoner in Torgau mußte der hiesige Rath den 11. April
dieses Jahres nicht nur 20 Schock oder 50 Thlr. dahin senden, sondern auch den folgenden 14. Juni 8 Schock oder 20
Thlr. ins Amt Oschatz von den unter des Amtes Gerichtsbarkeit liegenden Commun-Gütern entrichten. Die übrigen Einwohner
unserer Stadt mußten von ihren Grundstücken wahrscheinlich auch einen gleichmäßigen Beitrag liefern. Auf Befehl des
Churfürsten wurden 4 Pferde für 22 Schock 50 Gr. gekauft und nebst 2 Knechten nach Leipzig geschickt, um
Monitions-, Zelt- und andere Wagen zu bespannen. Noch in dem diesjährigen Feldzuge ward das vereinigte Königliche und
Sächsische Heer von dem Schwedischen Feldmarschall Banner, nach dem er den General Wrangel an sich gezogen hatte, den
24. September bei Wittstock in Brandenburg mit großem Verlust in die Flucht getrieben. Banner befreite im December
ganz Hessen von den Kaiserlichen Völkern, eroberte Erfurt, schlug darauf die Sachsen bei Eilenburg, bemächtigte sich
der Stadt Torgau und rückte unsrer Gegend immer näher. Ein Theil seiner Truppen kam noch vor Ablauf des Jahres nach
Oschatz und machte den Eintritt in das neue Jahr 1637 sehr drangsalsvoll, Einquartierung und Brandschatzung waren kaum
zu ertragen. Den 5. Februar plünderten jene feindlichen Gäste die Stadt und behandelten viele Personen auf das
grausamste. Doch zündeten sie die Stadt nicht an, wie viele Geschichtsschreiber berichten. Den 28. Februar Abends um
6 Uhr zogen noch 2 Schwedische Regimenter, das Churländische und Pfuhlische, hier ein. Zu Anfange der Regierung des
Kaisers Ferdinand III., der seinem Vater den 15. Februar in der Kaiserwürde folgte, fing jedoch das Glück wieder an,
den Kaiserlich-Sächsischen Waffen hold zu werden. Banner mußte die Gegend von Leipzig verlassen und bei Torgau gerieth
er in Gefahr, ganz eingeschlossen zu werden, der er nur mit vieler Mühe entging. Sein Wegzug bewirkte, daß die
Oestreicher Oschatz wieder besetzten und mit 5 General-Stäben belegten. Das Hauptcorps lag um die Stadt herum und in
derselben befand sich nur eine zahlreiche Besatzung. Den 5. Mai starb der Kaiserliche Commandant, Oberst Hans Wilhelm
Freiherr von Kufenstein allhier und ward den 8. Mai in der Stadtkirche bis zu seiner Abholung beigesetzt. Welche
Drangsale die Stadt in diesem Jahre fühlte, läßt sich leicht nach dem Schaden berechnen, den der Rath, laut der
Kämmerei-Rechnung, allein auf den Commun-Gütern hatte. An Rathsgefällen kam nichts ein. Die Soldaten hatten das
Rathhaus, die Laden, die sonst vermiethet waren, und die Garküche im Gebrauch. Die Jahrmärkte nach Septuagesimä und
nach Peter Paul konnten nicht gehalten werden. Vom 3. Januar an konnte, weil alle Pässe von den Schweden besetzt
waren, kein Salz eingebracht werden, wodurch es so theuer ward, daß die Metze sehr gern mit 24 und 30 Gr. bezahlt
worden wäre, wenn man sie nur hätte bekommen können. Die Rathsgüter Altoschatz, Striesa, das Vorwerk vor dem
Altoschatzer Thore und das rothe Vorwerk waren verwüstet, das Wintergetreide war durchritten und dadurch so verderbt,
daß man das Einsammeln desselben kaum der Mühe werth achtete, zumal da keine Arbeiter zu bekommen oder theuer zu
bezahlen waren. Weil die Felder verwüstet lagen, so konnte kein Sommergetreide gesäet, auch im Herbste das Feld nicht
gehörig bestellt werden. Die Ernte lieferte dem Rathe von allen vier Vorwerken nicht mehr, als 175 Schock Korn. Was
von der vorjährigen Ernte noch vorräthig war, ward weggenommen. So wurden 130 Scheffel Korn, 30 Scheffel Gerste, 182
Scheffel Hafer, 24 Scheffel Erbsen und Wicken von den Böden geraubt und 200 Schock Korn, 50 Schock Gerste, 24 Schock
Hafer ungedroschen im Strohe verwüstet. 80 Klaftern Holz, die für den Kalkofen und das Einheitzen der Stuben bestimmt
waren, nebst allem Vorrathe an Bauholz, Pfosten, Brettern, Schindeln, Latten wurden anderweit verbraucht. 535 Stück
Schafe, die bei der Schwedischen Einquartierung mit vielem Aufwande erhalten wurden, trieben die Oestreicher auf
einmal weg. Von 5 Pferden, 1 Zugochsen, von Schiff und Geschirr blieb nicht das Geringste übrig. Im Vorwerke
Altoschatz wurden 21, im Vorwerke Striesa 17 und im rothen 25 Stück Rindvieh weggenommen. Die Soldaten, die die
Mühlen in Beschlag nahmen und den Nutzen davon zogen, brachten den Rath mit Gewalt unch um den dort aufbewahrten
Getreidevorrath, der sich auf 156 Scheffel Korn in der Obermühle, auf 45 Scheffel Korn in der Niedermühle, auf 70
Scheffel Korn in der Windmühle und auf 27 Scheffel Weitzen in beiden Wassermühlen belief. Die Kalk- und Ziegelscheune
ward abgerissen und verbrannt. Der Amtsboden und die darunter befindlichen Schuppen dienten zur Aufbewahrung der
Gefangenen. In der Brüdervorstadt wurden 11 Häuser eingerissen und zu Schanzen verbraucht. 21 weggebrannt, 7
eingerissen und auf der Wache, auch sonst, verbrannt, 4 wurden sonst wüste und nur 25 blieben noch stehen. Nach dem
Abzuge der Kaiserlichen Bestzung konnte wegen Mangel an Gerste, Hopfen und Holz von der Bürgerschaft nicht gebrauet
werden, daher ward vom 4. August bis September Bier von Lommatzsch, Wurzen, Torgau und Döbeln eingeschroten. Durch
eine am 24. August eingerissene und bis zu Weihnachten dauernde Pest, die eine Folge der Einquartierung und des
Mangels und nicht nur hier, sondern auch im ganzen Lande so verheerend war, daß das ganze Jahr derselben das große
Sterbejahr in Sachsen genannt wird erreichte das Elend der hiesigen Einwohner den höchsten Gipfel. Ueber 2000
Menschen, einheimische sowohl, als fremde, die sich in die Stadt geflüchtet hatten, wurden hingerafft, und wer sich
im Hunger, in Fieberkrankheiten und bei feindlichen Gewaltsamkeiten noch erhalten hatte, der ward ein Opfer jener
Seuche, die keinen Stand und kein Alter verschonte. Ihre tödtende Gewalt fühlten unter anderen der Bürgermeister
David Erler mit seiner ganzen Familie, der Stadtschreiber und die mehrsten Rathspersonen, der Diakonus M. Christoph
Günther, der Rector David Pause, der Conrector Matthäus Schramm, der Quartus Joachim Heintze und der Quintus Johann
Kürbner. Kaum 100 Eheleute sollen diesen verhängnisvollen Tagen glücklich entgangen sein. 16) Seit dem Abzuge des
Schwedischen Feldmarschalls Banner, der im April 1637 erfolgte, blieb Oschatz, sowie ganz Sachsen, von feindlichen
Bedrückungen verschont. Im Jahre 1639 den 28 Juni erging an die Städte Oschatz, Döbeln und das Amt Nossen der Befehl,
zur Verpfegung der Garnison in Freiberg, welche zeither die dasigen Bürger allein bestritten hatten, wöchentlich 300
Rthlr. beizutragen. Wie schwer es unsrer Stadt ward, diesen Beitrag aufzubringen, erhellet aus dem
Landesberichte 17),
der dem Churfürsten auf dem am 10. September 1640 in Dresden gehaltenen Landtage erstattet ward. Darin heißt es, daß
Oschatz der Freiberger Besatzung habe verpflegen helfen, habe daher vom Schocke 5 Gr. erlegen müssen, und ob es wohl
auf 28000 in Steuerschocken liege, wären doch derselben nicht wohl 8000 mehr gangbar (von 544 Häusern waren 294 gänzlich
niedergerissen, 22 unbewohnbar und 56 hatten keine Wirthe), und sei auch zur Auslösung 4000 Fl. schuldig. Die Stadt bat
daher um Erlassung der Beimetze, Malz-Accise, des Dienstgeschirrgeldes, der Lehnklepper und Vorspannung, wie auch um
Abschaffung des Wildschadens. Diese Bitte fruchtete so viel, daß ihr auf Churfürstlichen Befehl vom 21. August 1639,
die Hälfte von dem Beitrage erlassen ward, so daß sie statt 100 Thalern wöchentlich nur 50 geben durfte. Auch durfte
Freiberg von unsrer Stadt den Rückstand nicht fordern und noch weniger sie zur Execution
übergeben 18). Auf obigen
Landtage ward auch eine neue Garnison-Steuer angelegt und die vorhin geordnete Malz- und Mühlmetze nebst dem Hufenscheffel
abgeschafft 19). Als Banner aus den Kaiserlichen Erblanden, wohin er sich 1637 begeben hatte, und nametlich aus Böhmen im
Jahre 1640 wieder in das Meißnerland eindrang, so begannen empfindliche Brangschatzungen und schreckliche Verwüstungen
von neuem. Er setzte sich den 8. März dieses Jahres zwischen Chemnitz und Zwickau. Als aber daselbst sein linker
Flügel, den der General Wittenberg commandirte, von dem Kaiserlichen General-Wachtmeister, Joh. Rud. Freiherrn von Breda,
geschlagen ward, so zog er sich nach Erfurt, um seine noch übrigen Truppen zu sammeln. Am 15. November kam der
Schwedische Generalmajor von Pfuhl mit einem zahlreichen Heere in der Gegend von Zwickau wieder an, worauf sich die
Sachsen unter dem Obersten Unger wieder zurückzogen. Phul marschirte mit einem Theil seiner Soldaten über Rochlitz
und Döbeln nach Oschatz, kehrte aber den 20. November schon wieder zurück. Den 22. November zogen Churfürstliche Truppen,
die von Freiberg kamen, hier ein und nachdem sich auch diese wieder entfernt hatten, erschien ein gewisser Major von Pfuhl
mit 130 Reitern in unsrer Stadt 20). Von dem, was unsere Einwohner bei diesem Wechsel der Dinge gelitten haben, finde
ich zwar nichts aufgezeichnet. Da aber die Schwedischen Truppen überall, wo sie hinkamen, Geld erpreßten, so läßt sich
leicht denken, daß sie auch Oschatz mit solchen Epressungen nicht verschont haben werden. Als Banner bei eröffnetem
Feldzuge am 29 März 1641 bei Neuburg in der Oberpfalz durch die Kaiserliche Armee einen großen Verlust erlitten hatte,
so drang er durch Böhmen über Joachimsthal in das Meißnerland in größter Eile wieder ein, starb aber den 10. Mai, zu
Halberstadt 21). Leonhard Torstenson übernahm nunmehr den Oberbefehl über die Schwedischen Truppen, aber das Schicksal
der Chursächsischen Lande änderte sich unter ihm nicht. Am 2. August 1642 fiel der Schwedische General-Major von
Königsmark wieder in das Meißnerland ein, bemächtigte sich einiger Oerter und beunruhigte durch sein Hin- und Herziehen
das Land über alle Maße. Torstensen belagerte den 17.October die Stadt Leipzig, erhielt sie aber erst den 26. November
durch Accord, nachdem er den 23. October die Oestreicher bei Breitenfeld geschlagen hatte. Matthes Hottensteben,
Oberstlieutenant in Torstensons Leibregiment zu Roß hatte im Novenber 1642 in Oschatz sein Quartier. Torstenson unternahm
den 27. Dezember die Belagerung der Stadt Freiberg, hab sie aber den 17. Februar 1643 als die Kaiserliche Armee zum
Entsatz der Stadt ankam 22), auf und zog durch die hiesige Gegend über Ganzig, Strehla über die Elbe. Nach Strehla zu
gingen auch am 22. Februar des gedachten Jahres die in Leipzig gestandenen Schweden, die Wurzen plünderten, und so
verheerten, daß die Einwohner genöthigt wurden, sich nach Oschatz zu begeben, auf welchem Wege sie wieder von einem
herumstreifenden Corps ausgeplündert wurden 23). Oschatz nahm sie mit aller nachbarlichen Gastfreundschaft auf. Den
28. Januar 1644 kanen 1200 Mann Cavallerie von den Schwedischen Truppen nach Colditz, zogen darauf nach Oschatz, um die
dasige Besatzung zu verstärken, die schon 1 Jahr und 3 Monate daselbst gestanden hatte. Den 30. Januar plünderten sie die
Einwohner, zogen darauf fort und nahmen den Bürgermeister Vieweg, den Stadtrichter Dav. Schittun und den Sen. Hier. Böhle
als Geiseln mit sich. Den 3. Februar besetzten die Sachsen die Stadt wieder. Der Schwedische General-Lieutenant Königsmark
kam von Leipzig nach Torgau und nahm es den 9. und 10. August ein. Der Churfürst begab sich, als er dieses erfuhr, den
12. August nach Oschatz. Den 10. April 1645 ward der Frieden-Congreß zu Münster und Osnabrück eröffnet. Im Jahre
1646 mußte unsre Stadt außer einer Contribution, die allein von den Commun-Gütern 43 Schock 12 Gr. betrug, auch 50 Schock
für das zurückgelassenen Magazin-Getreide an die Schweden bezahlen. Den 24. Oktober 1648 kam endlich der so lange
erwartete Friedensschluß zu Stande und die allgemeine Noth hatte ein Ende.
Fortsetzung
1) Dithmari Chron L. IV
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2) Dithmari Chron Lib. IV
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3) Spangenberg Mannfelder Chronik Bl. 162 und anderer mehr
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4) Schöttgens Historie Graf Wiprechts von Groitzsch S. 28
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5) Von der großen Theuerung im Jahre 1316, die 3 Jahr anhielt, berichtet Christophorus Manlius, Gorlicensis, patricius, commentariorum rerum
Lusaticarum Lib. VI, cap. 4 in Hoffmanni Scriptt. rer Lusaticarum, tom. 1, p. 296 und aus ihm Mylius Annal. pag. 7., daß die armen Leute zu
und um Görlitz aus Mispeln, Baumrinde und Lindenknospen Brod gebacken haben. Ein Scheffel Kleie galt 30 Böhmische Groschen, da man sonst 1 Scheffel
Korn mit 3 bis 4 Groschen bezahlet hatte. Man hat diese theure Zeit zu Bautzen an dem Kloster mit den Worten angemerkt: Ao MCCCXVI. incepit tempus
caristiae per mundum. Die Schlesischen Geschichtsschreiber erzählen, daß der Hunder allenthalben so groß gewesen, daß auch die Aeltern ihre Kinder,
andere die Gehangenen und noch andere todte Aeser verzehrt hätten, daraus dann endlich eine erschreckliche Pest erfolgt sei.
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6) Chronicon Torgav. in Menkenii Scriptt. tom II, 580
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7) Die mehresten Geschichtsschreiber setzen zwar die Zerstörung der Stadt durch die Hussiten in das Jahr 1430, als diese das zweitemal nach
Sachsen kamen; aber jene Inschrift wird uns, wie ich glaube, eines anderen belehren können.
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8) in theatro Saxonico, tom. II, pag. 112
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9) in theatro Saxon. tom. II, pag. 111. Wenn aber Knauth in seiner Beschreibung des Klosters Alten-Zella Th. VII 54 schreibt, daß Oschatz 1519
fast gänzlich abgebrannt sei, so ist das unrichtig, denn in den aus dieser Zeit noch häufig vorhandenen Archiv-Nachrichten findet man von einem so
großen Brande auch nicht die geringste Nachricht. Vielleicht hat er den Brand 1616 damit verwechselt.
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10) Seine Beschreibung ist eingerückt in D. Eilers Belziger Chronik S. 199 bis 210. Sie war vorher von dem Rector M. G. Wend allhier schon in
Druck gegeben worden, welcher von dem Oschatzer Brande dieses ungekünstelte Chronodistichon darauf gesetzt hat: in CenDIVM Vrbls ossitii
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11) In den Schranken des Taufsteins in der Stadtkirche ist eine Tafel an der Wand befestiget, (sh. oben) worauf das Brandunglück in lateinischen
und deutschen Versen also beschrieben wird:
Mille et sexcentos ubi post quinosque; bis annos
Ortus jam Juli tempore Sextus (annus) erat.
Sacra quater cum centenis haec aedibus aedes
Cum tota in fumos isset et in cineres,
A VspiCiis tanDeM renoVata potentis io Vae,
AtqVe Deo rVrsVM rite saCrata fVit.
Tunc ubi Pastor erat Cademannus Wendius et wolff,
coberusque Senex, civea jura dabant.
Symmistae Weidmannus erant Güntherque, Magistri.
Praefecti Winkelmann Foersteridesque simul.
Hanc verbi sincera sacri vox personet urbem,
Praesidioque Dei tuta sit illa diu!
Im Tausent Sechshundert und Sechzechten Jahr Als der vierdt July da war
Brandt diese Kirch und Gotteshaus
Sambt vierhundert Wohnhäußern auß.
WarDt Vernewrt DVrCh Des Herrn Seegen
Und nun IhM CzV elgn Ubergeben.
Als Pastor M. Georg Cademann
Kober, Wend, Wolff Bürgermeister warn
Diacon Günther und Weidman.
Vorsteher Förster und Winkelmann.
In diesem Hauß Gotts Wort erschall
und Gott behüts für allm Unfall.
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12) Kippen und Wippen sind eigentlich Niedersächsische Ausdrücke und bedeuten soviel, als, etwas ausklauben, heraussuchen, auswägen und
auswechseln. (Voigts Beschreibung der Böhmischen Münzen, Bd. III, S. 282) Darin bestand auch das ausgelernte Handwerk der hiervon sogenannten
Kipper und Wipper. Sie prüften auf einer Schnellwage die leichten gegen die schweren Münzsorten und legten zu ihrer Absich diejenigen bei Seite,
welche den Wage-Balken nieder kippten. (Vogels Leipziger Annalen S. 377) Zum größten Nachtheil des Publikum trieben sie mit den Münzen einen
wuchernden Handel, wobei sie nur ihren Nutzen berücksichtigten, und standen daher mit Recht in dem Rufe der Land- und Münzbetrüger (Hofmann, im
alten und neuen Münzschlüssel, S. 331). Eine Folges dieses Münzunwesens war unter andern die Theuerung in den Jahren 1621, 1622 und 1623. Man darf
sich über siese Folge nicht wundern, weil die Erfahrung lehrt, daß jeder Kaufmann und Händler nach dem Grade, in dem die Münze fällt, den Preis
seiner Waaren zu steigern pflegt. In der Handschrift eines damals lebenden hiesigen Bürgers Ge. Strenzels finde ich von der Theuerung im J, 1622
folgendes aufgezeichnet: Der Scheffel Weitzen kostete 18 bis 19 Fl., der Scheffel Korn 14 bis 15 Fl. Ein 4 Gr Brot wog 64 Loth; das Pfund gutes
Rindfleisch ward 7 Gr. 6 Pf., das Pfund Kalbfleisch 5 Gr. 6 Pf. geschätzt und eine Kuh für 68 Fl. verkauft, das Fuhrlohn von 1 Klafter Holz aus
der Reudnitzer Haide kam 9 Fl. aus dem Wermsdorfer Walde 4 Thlr., das Schock Reißholz ward auf dem Markte mit 5 bis 6 Fl. bezahlt. Eine solche
Theuerung mußte außer den auf ein Fixum gesetzten Dienern unserer Stadt, auch für die Kirchen- und Schuldiener, sehr drückend sein. Ihr bestimmtes
und zufälliges Einkommen war ehemals nach dem Maaßstabe des guten Geldes und in wohlfeilen Zeiten genau nach dem Zahlungswerthe angesetzt und kein
Groschen zum Vortheile nachgelassen worden. Jetzt ward beides in solchem Gelde zugezählet, welches in dem gedachten Jahre der Münzzerrüttung
besonders, nach 8 Tage Verlauf, als es den Stempel passiret hatte aus Weiß in Hochroth sich verfärbte. (Müller in der Sangerhausener Chronik, S.
10) Hierdurch sahen sich jene besoldeten Personen bei einem auch in guten Zeiten oft nur durch kluge Haushaltung zureichenden Einkommen in einen
unübersehlichen Mangel gestürzet und die Rettungsmittel noch in tiefer Verwickelung. Diese Lage mußte natürlich ihr moralisches Gefühl empören.
Durch die leichten Münzsorten litt auch die Kämmerei großen Schaden. Im leichten Gelde erhielt sie ihre Einkünfte und im schweren mußte sie
ihre Zinsen und andere Ausgaben entrichten. Diesem Nachtheile der Münzverfälschung ward durch das von dem Churfürsten Johann Georg I. unterm
31. Juni 1623 ergangene Münz-Edict gesteuert, wodurch die Geldsorten am äußeren Werthe heran und in vorigen Stand wieder gesetzet wurden.
Nicht lange nach diesem ins Land ergangenen Münz-Edict nämlich den 25. November 1623 kamen churfürstliche Commissarien nach Oschatz und
verlangten vom Rathe, daß er bei Eid und Pflicht anzeigen sollte, was für Personen sich in der Stadt und derselben Gegend befänden, die der
Kipperei und Wipperei beschuldigt würden; wer in der Wahrheit oder doch vermuthlich schweres Geld, Bruchsilber oder Kupfer außer Land in fremde
Münzen geführt und geringe Münzen hereingebracht habe; wer als ein verdächtiger Kipper und Wipper gestorben sei. Der Rath zeigte an, was er davon
wußte. Die Viertelsmeister hingegen hatten ihre Erklärung schriftlich aufgesetzt und versiegelt übergeben. Die überführten Kipper und Wipper
wurden mit einer, ihren Vermögensumständen angemessenen, Geldstrafe belegt.
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13) Da in den damaligen Zeiten noch keine Brand-Assecuration, wie jetzt, errichtet war, so kam es auf freiwillige Beisteuern hauptsächlich an,
wenn den Brandbeschädigten geholfen werden sollte. Die Erlaubniß, darum anzusprechen, ward von der höchsten Landesobrigkeit durch ein
Beglaubigungsschreiben an die Chur- und andre Fürsten, an die Reichsstädte und an die Consistorien im Lande, ertheilet. Die Ortsobrigkeiten der
Abgebrannten sandten mit diesen Schreiben sichere Collectanten aus, denen die milden Gaben entweder selbst übergeben oder an ihre Obrigkeiten
geschickt wurden. Solche Schreiben erhielten auch die Abgebrannten in Oschatz von dem Churfürsten. Joh. Georg I. dafür 52 Fl. 3 Gr. an den
Ober-Consistorial-Kanzlei-Verwandten Peter Werner in Dresden an Ausfertigungskosten aus der Collectencasse bezahlt wurden. Aus dieser Casse
erhielt auch 4 Fl. 18 Gr. Zachar. Engelhardt für 51 Schreiben, die nebst den Intercessions-Schriften an die Fürsten und Reichsstädte abgeschickt
wurden.
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14) Der dreißigjährige Krieg wird er nicht darum genannt, weil er 30 Jahre in einem einzigen Theile Deutschlands anhielt, sondern weil er
überhaupt so lange dauerte und im Laufe dieser Jahre eine Deutsche Provinz nach der anderen zu einem Schauplatze machte. In Hinsicht auf diese
verschiedenen Schauplätze wird er gewöhnlich in 5 Kriege eingetheilet: in den Böhmischen im Jahre 1618 und 1619; in den Pfälzischen von 1620
bis 1624; in den Niedersächsischen von 1625 bis 1630; in den großen Deutschen von 1631 bis 1634 und in den Deutschen, Schwedischen und
Französischen von 1635 bis 1650. Den Namen des zweiten Deutschen Krieges gab man ihm, um ihn von dem ersten Deutschen Kriege des vorhergehenden
Jahrhunderts oder dem sogenannten Schmalkaldischen zu unterscheiden.
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15) Auf dem am 12. Juni 1631 in Dresden gehaltenen Landtage wurden 2 Gr. auf das Schock zur Defensions-Steuer bewilliget.
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16) Machte ein Pestkranker sein Testament, so kamen die Stadtgerichten nur bis vor sein Haus, wo sie unter freiem Himmel stehen blieben und von
dem Kranken, der an die Hausthüre trat, nicht unmittelbar, sondern durch eine Mittelsperson seinen letzten Willen vernahmen
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17) Sächs. Magazin, B. VI, S. 348
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18) Mollers Beschreibung der Stadt Freiberg, in den Annalen, S. 575, 576
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19) Ebend, S. 581, 582
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20) Abrah. Thammii Chronicon Coldicense in Menkenii scriptt. rer. ger. tom. II, p. 735
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21) Mollers Beschreibung der Stadt Freiberg, in den Annalen S. 585
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22) Ebend. S. 652
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23) Schöttgens Historie der Stadt Wurzen, S. 629, 630
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