Zucker braucht Kalk
Zu den äußeren Auffälligkeiten einer Zuckerfabrik gehört – und das nicht ohne
Stolz – sein bis zu 30 Meter hoher Kalkschachtofen, in welchem Kalk gebrannt
wird, der zur Herstellung von Zucker unentbehrlich ist. Anfangs wurde der Kalk
aus regionalen Brüchen, vorrangig aus Schrebitz mit der Schmalspurbahn
angefahren. Später gelangte er mit der Hauptbahn aus Ludwigs- und Rüdersdorf,
mitunter aber auch motorbetrieben von der Straße in den Betrieb, wo er in der
Nähe seines Brennofens haldenartig deponiert wurde.
Der
Umgang mit dem Kalk musste stets manuell gemeistert werden und gehörte somit zu
den körperlich schwersten Tätigkeiten des Betriebes. Da die Anlieferung in
groben Stücken erfolgte, musste er, um im Ofen Verwendung zu finden, stets auf
„Kindskopfgröße“ geschlagen werden. Pro Kampagne wurden bis zu 14.000 Tonnen dieser
Steine benötigt.
Der
Kalkschachtofen bestand aus drei Röhrenteilen. Den größten Durchmesser besaß
der mit Schamotte ausgekleidete Brennofen. Parallel dazu die Aufzugsröhre, in
welcher das Kalk/Koksgemisch nach oben befördert wurde, um in den Brennraum zu
gelangen. Eine kleinere Röhrenschlange beförderte die Kalkbrennen entstandenen
CO2 Gase (Kohlendioxid) vom Ofen zur Saturation in der Fabrik.
Der
Brennraum des Ofens wurde mit einem Gemisch aus Koks und Kalk gefüllt, in
dessen Brennfolge der Kalk glühend erhitzt und danach in einer Kalklöschtrommel
durch Wasser gelöscht wurde, wodurch eine Art Kalkmilch entstand. Diese wurde
zur Scheidungsstation gepumpt, um hier dem Zuckerrohrsaft beigefügt zu werden.
Die Arbeit am Ofen verrichteten in der Regel zwei männliche Personen, während
die Behandlung der Kalkmilch meist mit einer weiblichen Arbeitskraft besetzt
wurde.
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Ab und an wurden Kalksteine auch auf dem Straßenwege in die Fabrik gebracht.
Foto: Riedler
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Der Kalkofen, ein von außen nach oben hin begehbarer Turm, gehörte zum inneren
Wahrzeichen der Fabrik. Foto:
G. Hunger (LVZ) |
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Über
das am 30. Juni abgelaufene Geschäftsjahr ist folgendes zu berichten: Die
Rübenverarbeitung wurde am 10. Oktober aufgenommen und am 18. Dezember beendet.
In
132 zwölfstündigen Schichten wurden verarbeitet: 710 000 Ztr. Rüben gegen 482 750
Ztr. im Vorjahre. oder 10
758 Ztr. Rüben in 24 Stunden gegen 10 848 Ztr. Im Vorjahre
Das
Wachstum der Rüben hatte unter der außergewöhnlichen Trockenheit des Sommers
1929 sehr gelitten; erst kurz vor der
Ernte trat ein Umschwung ein, sodass eine noch verhältnismäßig erträgliche
Ernte, besonders in qualitativer Hinsicht herauskam. Nur einige wenige Anbauer
hatten wieder eine Missernte zu beklagen. Der Betrieb wurde, abgesehen von
unerheblichen Störungen, ohne jede größere Unterbrechung durchgeführt.
Die
Anbaufläche betrug 2680 Acker gegen 2233 Acker im Vorjahre. Der
Ernteertrag stellte sich auf 264,9 Ztr. je Acker gegen 216,1 Ztr. im Vorjahre.
Es
wurden gewonnen: 88 227 Ztr. Erstprodukt = 12,426 %
gegen 58 876 Ztr. = 12,19 % im Vorjahre.
7 158 Ztr. Nachprodukt = 1,008 %
gegen 4 852 Ztr. = 1,00 % im Vorjahre. sowie 9 934 Ztr. Melasse =
1,399 % gegen 7 808 Ztr. = 1,61 % im Vorjahre.
Der
Gewinn an Zuckerschnitzeln stellte sich auf: 83 926 Ztr. = 11,82 % gegen 52 695
Ztr. = 10,91 % im Vorjahre.
Zur
Herstellung von 1 Ztr. Zucker waren erforderlich: 7,44 Ztr. Rüben gegen 7,57 im
Vorjahre.
Der
Zuckergehalt der Rüben von der Schnitzelmaschine stellte sich auf 17,8 % gegen
16,72 % im Vorjahre.
Die schweren 40er vor und nach dem großen Umbruch
Mit
Fug und Recht kann gesagt werden, dass die 40er Jahre durch Kriegs- und
Nachkriegsereignisse für die Zuckerfabriken die wohl schwierigsten
Betriebsjahre in ihrer Bestehenszeit waren, wenngleich der Betrieb selbst an
baulichen und innerbetrieblichen Gegebenheiten keine Kriegsschäden genommen
hatte. Die Schwierigkeiten lagen in der arbeitsintensiven Organisation, am
Personal-, Rohstoff- und Ersatzteilmangel und in der ungenügenden
Schnitzelbereitstellung begründet. Trotz dieser Mangelerscheinungen gab es
keine Arbeitsausfälle und die Fabrik erfüllte zu jeder Zeit aufopferungsvoll
ihre Produktionsziele.
Einige wichtige Informationen aus den Geschäftsberichten der folgenden Jahre:
1940/41 Diese
Kampagne konnte recht gut abgeschlossen werden. Im Geschäftbericht ist von
einer noch gesunden Finanzlage die Rede. Den im Fronteinsatz stehenden
Gefolgschaftsmitgliedern wünschte man nach dem „siegreich beendeten Kriege“
eine Wiederkehr zur alten Arbeitsstätte. Eine angestrebte Erweiterung der
Erzeugungsanlagen konnte wegen der eingetretenen Kriegshandlungen nicht
vorgenommen werden.
1942/43 Mit
Rücksicht auf kriegspolitische Ereignisse, kann ein ausführlicher
Geschäftsbericht, so eine Anmerkung, nicht in allen Details gegeben werden. Die
Ernte war erfolgreich. Es standen von etwa 2 200 ha Anbaufläche außergewöhnlich
hohe Rübenmengen zur Verarbeitung an. Doch ohne die Anstellung von 94 russischen Kriegsgefangenen, die in dieser Arbeit nutzbringendes sahen, als
hinter Mauer und Stacheldraht zu kampieren, wäre der Kampagneerfolg nicht
erreicht worden. Erstmals wurde von Seiten des Betriebsvorstandes den
Beschäftigten für ihren selbstlosen Einsatz im Sinne der Volksernährung
gedacht. Leider, so der folgende Wortlaut “konnten wir unseren Anbauern nicht
so viele Schnitzelprodukte zurückgeben, wie sie es wünschten“. Bei der Anlieferung
von Rüben sah man als Geschirrführer immer mehr Frauen.
1944 Die
Zuckerfabrik blickt auf 5 Jahrzehnte ihres Bestehens zurück. Von einer großen
Feierlichkeit musste infolge der Zeitverhältnisse abgesehen werden. Auch auf
eine geplante Festschrift musste man verzichten. Lediglich eine schlichte
Feierstunde vereinte Vorstand und Gefolgschaft im kleinen Saal des
Kreisbauernschaftshauses (Goldener Löwe), um den wichtigen Zeitabschnitt nicht
sang- und klanglos vorübergehen zu lassen. Erstmals ist auch die Rede von einer
Vielzahl privater Zuckerrübenverwendung zu Brennereizwecken, zur Mast und zur
eigenen Sirupherstellung. Das gute Wachstum nebst Angebot an Rübenmasse
verhinderte einen Gewinnentzug. Erstaunlich auch, dass Heeresdienstleiter in
beschränktem Umfang Arbeiturlaub bekamen und somit der Zuckerfabrik kurzzeitig
zur Verfügung standen. Erneut wird vom Ausbau und Neueinsatz einiger
Betriebsanlagen gesprochen, damit die Kampagne künftig auf acht bis neun Wochen
verkürzt und der Aufwand an Mensch und Betriebsmittel verringert werden kann.
1945 Siehe
Original-Geschäftsbericht:
1946/47 Das
zweite Kampagnejahr nach dem Krieg erwies sich als äußerst kompliziert, da
viele Mechanismen abgewirtschaftet und in die neuen Zonengrenzen sich bei dem
Erwerb von Eisen, Metallen, Werkzeugen usw. als ein nahezu unüberwindliches
Hindernis darstellten. Dadurch kam es auch zur 14-tägigen Kampagneverzögerung.
Strenger Frost tat sein übriges, so dass erst am 21. Januar die letzten Rüben
verarbeitet werden konnten. Neben dem technischen, gab es auch im
kaufmännischen Bereich Schwierigkeiten, die man bisher nicht kannte. So verlor
man Rüben aus entfernteren Bereichen, geriet die gesamte Umstrukturierung
durcheinander. Trotz kärglicher Verpflegung und schlechtem Gesundheitszustand
leisteten die Betriebsangehörigen zu jener Zeit Bewundernswertes. Erstmals
mussten Rohstoffe zur Kaffee-Ersatzherstellung bereitgestellt werden.
1948 Diese
Kampagnejahr wird als das bisher ungünstigste Geschäftsjahr bezeichnet. Schon
der ganze Ablauf des Rübenwachstums durch ununterbrochenen Regenmangel ließ
wenig Hoffnung zu einer befriedigenden Ernte aufkommen. Im Ergebnis konnten nur
48% der Rübensollmenge abgeliefert werden. Das waren 36% einer Normalernte.
Lediglich mit 22 % war der Zuckergehalt ungewöhnlich hoch. Sehr reich waren die
Rüben mit schädlichen Stickstoffsubstanzen behaftet, was die Verarbeitung
erschwerte und die Melassebildung erhöhte. Ob es gelingen wird, die kommende
Kampagne rechtzeitig in Gang setzen zu können, bleibt ungewiss, da die
Beschaffungsschwierigkeiten an Hilfsmitteln und die Versorgung mit Reparaturgut
völlig ungenügend sind. Man hoffe, dass sich im Zuge des verkündeten
Zweijahresplanes auf diesem Gebiet eine Besserung ergibt.
Nachzutragen
sei auch, dass es seit 1946 einen Betriebsrat gab.
Richtlinien...
Die
Zuckerfabrik hielt es von Anfang an für notwendig, ihre Rübenanbauer mit
erforderlichen Richtlinien vertraut zu machen. Diese betrafen u. a. die Bodenbeschaffenheit,
Saatgut, Aussaat, Düngung, Pflege, Schädlingsbekämpfung, Ernte und Anlieferung.
Je nach Zeitepoche und Erfahrungsergebnissen waren stets erneut Hinweis und
Aufklärung angebracht. Das geschah schriftlich und auf Versammlungsebene, doch zunehmend
durch Ortvertrauenspersonen, die nicht nur Anregung gaben, sondern auch
Überprüfungen an Ort und Stelle vornahmen, denn nur teil- oder zeitweise wurden
die vorgegebenen Hinweise angenommen und befolgt. In späteren Zeiten gab es
Zuckerrübenbevollmächtigte, befasste sich die der Zuckerfabrik angehörende
Abteilung Agronomie mit diesen Belangen. Auch in den späteren Anbaustrukturen
(siehe Folgebeilage) war das Werben und versuchte informieren zum
Zuckerrübenanbau an die VdgB und LPG-Betriebe aus Sicht der Zuckerfabrik nötig.
Die
Rübenpflege mit der Hacke war eine mühsame Tätigkeit. In der Landwirtschaft
wurde dazu jede freie Hand gebraucht. Fotoquelle:
L. Schlegel (Strehla)
Die
Zuckerfabrik führte von Anbeginn im August oder September eines jeden Jahres
vor Beginn der neuen Kampagne ein.
„Ordentliche Generalversammlung“
durch,
welche zunächst im „Amtshof“ und ab 1904 dann im „Goldenen Löwen“ (ab 1925 als
„Landbundhaus“ ben.) durchgeführt wurde. Bei dieser Generalversammlung wurde
Rechenschaft über das vergangene Geschäftjahr gegeben, eventuelle
Satzungsänderungen vorgetragen und die Belegschaft vom Vorstand auf die
kommende Kampagne eingeschworen. Mit dem 54. Geschäftsbericht im Jahre 1948
endete dieses System der bisherigen Betriebsstruktur.
Letzte Einladung nach der bisherigen Betriebsstruktur 1948
Die Betriebsstruktur 1946 – 1991
Wenn die erste Strukturform als GmbH zwischen
1894 und 1946 als einfach und übersichtlich eingeschätzt wurde, so traf das auf
die Zeit unter sozialistischen Bedingungen keinesfalls zu, wenngleich einige
der strukturellen Maßnahmen sich durchaus, vor allem die Beschäftigten des
Betriebs, vorteilhaft auswirkten. Doch die Vielzahl der von parteiinternen
Interessen geprägten Anordnungen, Pläne und Experimente, Wettbewerbs- und
Kombinatsinitiativen als auch die in Abhängigkeit mit anderen Ostblockländern
inszenierten Direktiven verlangte von den unter solchen Vorgaben verantwortlich
handelnden Personen in der Zuckerfabrik eine gehörige Portion Mut und
Angleichung. Selten wurde soviel angeordnet, geplant, geändert und wieder
verworfen wie in dieser zweiten Strukturperiode. Mehrmals wurde von chaotischen
Leistungsstrukturen gesprochen. Trotz allem wurde, egal wie vieles sich als neu
zu erweisen hatte, oder als solches bezeichnet wurde, bis in die 1960er Jahre
nach dem bisherigen System und mit den gleichen alten Maschinen Zucker
hergestellt. Erst danach sorgte eine modernere Maschinerie sowohl bei Anbau und
Ernte auf dem Lande, als auch in der Fabrik für einen Aufschwung, der sich an
der guten Tonnage und ebensolchen Herstellungsergebnissen der 1980er Jahre
ablesen ließ. Im folgenden Strukturwandel konnte nicht auf jede Änderung
eingegangen werden. Auch erwiesen sich mehrere Initiativen als Widersprüchlich,
so dass ungeklärte Aspekte nicht in Erwähnung gebracht wurden. Erstaunlich
auch, dass bei allen Recherchen in Archiven oder Druckerzeugnissen der
Zuckerindustrie die Zuckerfabrik Oschatz wohl in den statistischen Auswertungen
vorkam (vorkommen musste), ansonsten aber konkret kaum in Erscheinung trat.
rwähnenswert
ist dagegen die Belegschaftsstärke des Betriebes. Während das Stammpersonal in
den ersten Jahrzehnten kaum mehr als 35 Personen betrug und zur Kampagne mehr
als 100 Saisonkräfte eingestellt werden mussten, nahm die Zahl der
Stammarbeiter ab der 1930er Jahre und selbst in den personell knappen 1940er
Jahren durch den Einsatz von weiblichen Arbeitskräften immens zu, die Anzahl
der Leihkräfte während der Kampagne dagegen ab. 1945 gab es in der Zuckerfabrik
bereits 139 Stamm- und nur ganze 31 Leiharbeiter. Diese Variation blieb grob
gerechnet (1970 = 121 Stamm-, 68 Leiharbeiter) erhalten, wobei die Anzahl der direkten
Kampagnekräfte schwankte und diese ab 1970 nur noch aus
Landwirtschaftsbetrieben zugeführte wurden.
Die erste grundlegende Strukturveränderung war den neuen politischen Gegebenheiten geschuldet.
Im
Auftrage der sowjetischen Kommandantur wir die Zuckerfabrik ab dem 18.10.1945
unter Zwangsverwaltung der SMAD gestellt. Auf Anordnung wurde ein bisher
beschäftigter Arbeiter als Direktor eingesetzt, dem Prokura (Vollmacht) erteilt
wird. In Oschatz waren das zunächst Georg Stich und nach ihm Kurt Jacob, die
sich als geschäftsführender Vorstand etablierten. Zur neuen Verwaltungsriege
zählte ab dem 10.04.1946 auch ein Betriebsrat, welcher namentlich als „Wessels“
unterzeichnete. Als Gewerkschaftsvorsitzender wurde ein Herr Heller benannt. In
einer 52. Generalversammlung im Volkshaus (Löwe) wurde die Belegschaft von den
neuen Richtlinien als auch vom gegenwärtigen Produktionsstand des Betriebes in
Kenntnis gesetzt. Laut eines Volksentscheides werden alle Zuckerfabriken der
SBZ bis August 1947 in Volkseigentum überführt. Nach einer inoffiziellen Notiz
erfolgte die Verstaatlichung erst 1952. Ende 1949 löste die SMAD ihre
Dienststellen auf und übertrug die Verwaltung an die „Provisorische Regierung der
DDR“. Direktor wird vorübergehend ein
Herr Lestmann, der auf Anordnung der neuen VVB (Vereinigung Volkseigener
Betriebe) Zuckerindustrie Halle dort in der Geschäftsleitung unter Direktor
Scherf tätig ist. Die Zeit bis 1955 wird selbst unter den Administrationen als
„Periode des Übergangschaos“ der Leitungsstrukturen eingeordnet. Erst 1955
werden alle Zuckerfabriken der neuen „Hauptverwaltung Zuckererzeugung“ mit Sitz
in Halle unterstellt.
Als
auf dem Zuckerboden noch Rohzucker gesackt verpackt wurde. Foto:
LVZ/Hunger
Diese
verwalteten nun 27 Weiß- und 38 Rohzuckerfabriken. Nach den
Kampagnewettbewerben wird die Rentabilität in den Vordergrund gestellt. 1957
gibt es eine erste zentrale Zuckerkonferenz, bei welcher u. a. die zu zögerliche
Rationalisierung bemängelt wird. Künftig werden 750 kt Zucker aus 6.000 kt Rüben
gefordert. Immer wieder kommt es zu Produktionshindernissen, vor allem, weil
die LPG als Zulieferer ihren vertraglichen Abgabepflichten nicht nachkamen. So
rügt Produktionsleiter Leonhardt 1960, dass aus Mangel an Rüben die Kampagne
später konnte und das jeder Ausfalltag 10.000 DM kostete.
Zu
einem großen Einschnitt unseres bis dahin eher unauffälligen
Rohzuckerherstellers kommt es am 01.Januar 1965 . Aus 36 Einzelbetrieben werden
13 Großbetriebe gebildet. Das Werk Oschatz wird wegen seiner zentralen Lage ein
solcher Großbetrieb und bekommt den Namen des einstigen KPD Vorsitzenden „Ernst
Thälmann“ verordnet. Dem Großbetrieb angeschlossen werden die Zuckerfabriken
Brottewitz, Döbeln und ab 1967 auch Löbau. Werkdirektor Ochsenfarth und
Werkleiter Leonhardt sind die Chefs dieser Betriebsstruktur, dem Vorläufer
eines späteren Kombinates. Von nun an gibt es auch einen agronomischen Leiter,
als auch einen solchen für die Abteilungen Absatz und Beschaffung. Für die
Leitung dieser Institution begann ein System, in welchem Koordinierung,
Bilanzierung, Investition und ein Wulst an kreis- und bezirksgebundene
Aufgaben, in dem mehr als bisher Schrittmacherdienste verlangt und Verantwortung
gefordert wurde. Auch auf die Einführung eines einheitlichen Systems der
Rechnungsführung (R 300) wurde gedrungen. Für den Arbeits-Normalo setzte im
Betrieb eine Modernisierungsepoche ein, die aber auch nötig war, um nicht mit
zu den 14 Zuckerfabriken zu gehören, deren Schließung bereits 1964 beschlossen
wurde. So wurde zunächst eine maschinelle Kohleentladungseinrichtung
geschaffen, die körperlich schwere Kalkofenarbeit einer Mechanisierung
unterzogen, eine neue Rübenwaschmaschine mit einem Hubrad von 9,80m
Ø eingebaut. Des weiteren kamen neue Schnitzelpressen nebst Trockentrommel von 13
m Länge dazu und 1974 bekam das Werk eine neue Brückner- als auch
Borsingdampfturbine. Damit verbunden war der Einbau einer hochmodernen
Schaltzentrale. Für Transporterleichterungen sorgten u. a. erste Mobilkrane,
eigene Traktoren und LKW und für das Stammpersonal wurde das
Jahresendprämiensystem eingeführt. Doch personell musste aufgestockt werden.
Nahezu täglich kamen zu Konferenzen, betriebsinternen Zusammenkünften und bei
speziellen Aufgabenführungen aus Döbeln, Brottewitz und Löbau bis zu 25
auswärtige Beschäftigte, die in Bussen, Wolga-Taxen oder PKW befördert werden
musste. Auch mussten innerhalb des Betriebes Übernachtungsmöglichkeiten
geschaffen werden. Damit wurde eine Problematik geschaffen, denen der
Großbetrieb, inzwischen als Kombinat betitelt, nur bedingt gewachsen war. Trotz
der vorzeitigen Kombinatsbezeichnung werden Bezirkskombinate erst ab dem
01.01.1980 laut einer statistischen Leitungsaufgliederung wirksam. Oschatz
verliert ab diesem Zeitpunkt eine Großbetriebs- bzw. Kombinatsvormacht. Das VEB
Zuckerkombinat Leipzig besteht nun aus dem Stammbetrieb Delitzsch mit den
Fabriken Döbeln, Makranstädt und Oschatz, sowie dem Abpackbetrieb Rositz. Fritz
Franke ist der Betriebsleiter. Die Fabrik erhöht ihre
Trockenfuttermittelproduktion und hat mit Negativeinflüssen zu kämpfen, da sie
nur noch zu den ganz wenigen Betrieben gehört, die nach dem inzwischen
unproduktiven Steffenschen Verfahren arbeitet. Außerdem wird von höchster
Parteiebene, dem Politbüro, eine Senkung des Arbeitsstundenaufwandes und
Arbeitskräftebedarfes während der Kampagne gefordert. Ab dem 01.Juli 1984 gibt
es durch die Gründung eines VE-Kombinat „Zucker“ erneut strukturelle
Änderungen. Die Zuckerfabrik Delitzsch bleibt Stammbetrieb, doch die
dazugehörigen Fabriken Döbeln, Makranstädt und Oschatz sind nur noch
Betriebsteile. Lothar Petsch übernimmt
für den Betriebsteil die Leitung. Gegenüber der auf modern getrimmten
Dehlitzscher Fabrik müssen die Betriebsteile „Federn“ lassen. Ende 1985 wird
Makranstädt herausgelöst und 1986 die Zuckerproduktion in Oschatz eingestellt.
Döbeln wird unter „vorgehaltener Hand“ als Auslaufbetrieb gehandelt. All das in
einem Jahr, welches für die Zuckerindustrie der DDR mit 104,7% Planerfüllung
zum erfolgreichsten seiner Art wurde.
Die
Zuckerfabrik Oschatz lebte von nun an von ihrem zweiten Standbein, der
Futtermitteltrocknung, der teilweisen Schnitzelherstellung und als Sammelstelle
von Zuckerrüben, die von der Reichsbahn zur Verarbeitung nach Brottewitz und
Dehlitzsch abgefahren wurden. Abschließend sei gesagt, dass sich die
Zentralisierung der Betriebe wie sie 1965 und 1980 angedacht und mit hohem
Organisations- und Investitionsaufwand auch durchgeführt wurde, nicht bewährte.
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