Oschatz-damals.de > Geschichte(n) > Kirchengalerie




Es folgen Ausschnitte - begrenzt auf die Stadt Oschatz in ihren heutigen Grenzen.

Altoschatz, Leuben, Limbach, Lonnewitz, Merkwitz, Schmorkau, Zöschau, Oschatz

Um eine bessere Lesbarkeit zu erreichen, habe ich den Text orthographisch den neuen
Regeln angepasst, ansonsten ist der Originalwortlaut erhalten geblieben.

Nachdem die Hermundurer, ein kriegerisches und den Römern wohlbekannter deutscher Volksstamm, aus den um den Collmberg gelegenen Gegenden verdrängt worden waren, wurden diese um das Jahr 534 von den Daleminziern in Besitz genommen. Sie gehörten zu den Sorben, einem slawischen Stamm, welche ihre Heimat Serbien unter dem Kaiser Heraklius mit Dalmatien vertauscht hatten, im Jahre 527 über die Donau gegangen und von da aus weiter nordwestlich gezogen waren, bis sie im genannten 534. Jahr im Meißnerland feste Sitze aufschlugen. Sie brachten einen friedliebenden Sinn und mildere Sitten in die neue Heimat, welche dadurch eine wesentliche Umgestaltung erhielt; mit dem von ihnen eingeführten Ackerbau, der bis dahin in diesen Gegenden unbekannt war, verband sich die Erbauung von Dörfern und beides machte die Austrocknung von Sümpfen und die Ausrottung von Wäldern notwendig. Doch kaum vier Jahrhunderte dauerte ihre Selbständigkeit. Erneute Einfälle, wie sie schon unter den fränkischen Kaisern in Thüringen und Sachsen gemacht hatten, führten zu einem Krieg mit dem ersten deutschen König aus dem sächsischen Hause, Heinrich I., von welchem sie im Jahre 922 bezwungen wurden. Vier Jahre darauf versuchten sie in dem letzten Kampf um ihre Freiheit, welcher mit ihrer völligen Unterwerfung endigte. Von dieser Zeit an wurden die Daleminzier gleich anderen überwundenen Sorben Leibeigene der Deutschen. Heinrich zog Kolonisten in das eroberte Land und besetzte die entblößten Dörfer mit seinen Kriegern, oder belohnte seine Ritter mit den bewohnten Ortschaften und gab ihnen deren Einwohner zu Leibeigenen (Rittergüter), während jene Krieger als Freie einzelne Grundtücke erhielten (Freigüter). Von nun an wurden die Sitten, Religion und Sprache der Deutschen herrschend und die Daleminzier mit ihnen ein Volk.


Zu besserer Sicherstellung seiner Eroberungen in diesen Gegenden legte Heinrich unfern der jetzigen Stadt Oschatz südwestlich am rechten Ufer des Döllnitzbaches eine Burg an. In der Nähe dieser Burg bauten sich teils die zu derselben gehörigen Krieger, teils Handwerker an und zogen sich allmählich aus der sumpfigen Niederung nach der höher gelegenen Ebene an der gegenüberliegenden Seite des Baches. Dies ist der Ursprung der Stadt Oschatz. Sie erhielt ihren anfänglichen Namen Ozzec (Espe) von dem nahen daleminzischen Dorf Ozzec, welches seitdem nach ihren leibeigenen Bewohnern (Aldionen) Alt-Oschatz, früher Aldinozzec, genannt wurde. Den Namen einer Stadt führt Oschatz zuerst in einer Urkunde vom Jahr 1065, nachdem ihr schon von Otto d. Gr. das Stadtrecht erteilt worden war. Von Heinrich IV. wurde sie in dem nämlichen Jahr nebst anderen Orten an das Stift zu Naumburg geschenkt. [Daher befinden sich in dem Stadtwappen außer dem Löwen drei Sterne, welche die geistliche Lehnherrlichkeit bezeichnen] von welchem sie ihre nachmaligen Oberherren, die Markgrafen von Meißen, zur Lehn erhielten: nach mehreren Verträgen der Fürsten aus dem sächsischen Hause blieb es unter der Hoheit der Herzöge von Sachsen, von denen mehrere, z.B. Georg der Bärtige 1500 und Moritz mit seinem Bruder August 1541, in eigener Person den Huldigungseid empfingen, nachdem sie der Stadt ihre Rechte und Freiheiten zu schützen versprochen hatten. Seit dieser Zeit schließt sich die Geschichte der Stadt an die des Herzogtums Sachsen und bedarf daher keiner besonderen Erzählung für den Zweck dieser Galerie.
Von den besonderen Schicksalen der Stadt, von welchen auch teilweise die Kirchen mitbetroffen wurden, sind folgende zu bemerken. Unter der Hungersnot, welche im Jahr 1272 in Deutschland herrschte, litt auch die Oschatzer Gegend so, dass aus gemahlenen Tannenzapfen und Eichel Brot gebacken wurde, und im Jahr 1347 raffte das sogenannte große Weltsterben, dem die Geißler (Flagellatores) auch in diesen Gegenden durch ausschweifende Bußübungen wehren zu können meinten, Tausende hinweg. Am verderblichsten für Stadt und Umgegend war der Hussitenkrieg. 8000 Taboriten verwandelten Oschatz in einen Aschenhaufen 1429, und lieferten in der Nähe derselben dem Kurfürsten von Brandenburg, Friedrich, welcher Friedrich dem Sanftmütigen zu Hilfe gezogen war, eine Schlacht, worin die Brandenburger eine solche Niederlage erlitten, dass ein Teil der zwischen der Stadt und dem Collmberg gelegenen Äcker noch jetzt die Namen der „Schlachtbank“ führt. Viele Dörfer in der Nähe der Stadt wurden so verwüstet, dass zwar ihr Name den Fluren geblieben, ihre Spur aber völlig getilgt ist. – Im Bruderkrieg 1449 zündeten die Böhmen, welche den Herzog Wilhelm III. gegen den Kurfürst Friedrich den Sanftmütigen unterstützten, die Stadt an und 100 Häuser gingen in Feuer auf. – Zur Verehelichung damaliger Zeiten mit den gegenwärtigen sei bemerkt, dass im Jahr 1491 in der Teuerung der Scheffel Korn (13 Metzen) von 9 Gr. auf 60 Gr. stieg, im Jahr 1499 dagegen auf 4 bis 5 Gr. und die Kanne Wein auf 3 bis 4 Pfennige fiel, und ebenso kostete 1507 der Scheffel Korn großen Maß (16 Metzen) 4 Gr. – Im Jahr 1524 hatte es zu Pfingsten und Trinitatis so gefroren, dass man über das Eis gehen konnte. – Die Pest herrschte mehrere Male, z.B. 1552, 1555, 1566, wo 900 Personen daran starben, 1575, 1581, 1583 und öfter, am heftigsten aber zum letzten Mal von 1680-82. Daher wurde für die Dauer dieser Pest ein besonderer Pestprediger berufen, sowohl für die Kranken, als für die der Pest wegen angestellten Personen. Die Stadt wurde mit einem Kordon umgeben und die schwarze Totenfahne am Turm aufgesteckt, um die Nachbarn zur Beihilfe gegen die aus Mangel entstandene Hungersnot aufzufordern. Die Leiden des 30jährigen und des 7jährigen Krieges erduldete die Stadt mit dem gesamten Vaterland; die Schrecken dieser Jahre bedürfen keiner gesonderten Schilderung, da sie sich in dem gegenwärtigen Jahrhundert vor 1806 erneuert haben, und diese dem größten Teil der Zeitgenossen noch in frischem Gedächtnis sind. Als denkwürdig vor allem aber ist ein Ereignis nachzuholen, dessen zerstörende Wirkung so manche wüste Stätte noch in unseren Tagen bezeugt, es ist der große Brand des verhängnisvollen Jahres 1616. Am 4. Juli des Jahres brach in den Nachmittagsstunden das Feuer in der Döllnitzgasse aus. Der größte Teil der Einwohner befand sich auf dem Felde zur Ernte, die Hitze begünstigte die Flamme und das Flugfeuer zündete bald an verschiedenen Orten. Der Zugang zu dem Wasser des Mühlgrabens wurde gleich im Anfang gesperrt, da von beiden Seiten die Feuer brannten. einstürzende Dächer und Mauern verhinderten die Kommunikation innerhalb der Stadt und mit den Vorstädten. Schon in einigen Stunden lag innerhalb der Mauern die Hälfte der Stadt in Asche. Nun drang das Feuer auch auf den Kirchhof, zündete die Wohnung des Rektors und die Schule an, von da flog es gegenüber auf das kleine Türmchen an dem östlichen Ende des Kirchdaches, verbreitet sich über dasselbe nach seiner ganzen Länge und ergriff die beiden Türme. Die sechs Glocken stürzten herunter, durchschlugen einen Teil des Kirchengewölbes und das nachfolgende Feuer verzehrte in der Kirche mit Ausnahme des Gewölbes alles, was Flamme und Hitze zu zerstören vermag, das Chor mit kostbar geschriebenen Büchern und Pergamenten, die Orgel, die Kirchenstühle, den Taufstein, den Altar, die Kanzel, Emporkirche und die Grabdenkmale; Fenster und selbst Pfeiler zersprangen von der Hitze. Von den Flammen der Kirche wurde auch das Rathaus angezündet und brannte ebenfalls bis auf die Gewölbe aus. Auch andere geistliche und Ratsgebäude wurde eingeäschert; nur 25 Häuser blieben von den Flammen innerhalb der Ringmauern verschont. 444 Häuser und Scheunen waren abgebrannt, 3 Personen wurden durch den Einsturz der Mauern erschlagen. Vom Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts bis zum Jahr 1833 ist die Stadt mit ihren Vorstädten durch öfter und zum Teil große Feuersbrünste heimgesucht worden. Noch jetzt liegen mehr als 50 Hausstätten wüst. Das Elend wurde durch eine Teuerung noch vermehrt, und was die Zeit und Menschenliebe an Hilfe brachte, verzehrte wieder der kurz darauf eintretende 30jährige Krieg. Nur langsam erholte sich die Stadt von diesen Bedrängnissen, die sich zwar wiederholten, aber niemals wieder in gleich großem Maß sie trafen. 


Oschatz besitzt drei Kirchen, die Stadtkirche, Klosterkirche und Gottesackerkirche, von denen die mittlere, nachdem dieselbe im Jahr 1813 im Getümmel des Krieges in ihrem Innern verheert wurde, jetzt leer und ungebraucht steht.
Die Stadt- oder Hauptkirche, früher Pfarrkirche zu St. Aegidien (selten: St. Ilgen, den anderen Namen des heiligen Aegidius - St. Gilles). Das erste und älteste Gebäude wurde bei der Entstehung der Stadt aus Holz gebaut und mit Schindeln gedeckt.  Das Jahr, wo man die Bebauung des gegenwärtigen Gebäudes anfing, lässt sich nicht bestimmen; aber Umfang und Bauart der Kirche weisen sie in die Jahrhunderte zurück, wo teils die Menge der eingepfarrten Ortschaften, die noch ohne eigene Kirche waren, teils der religiöse Geist der Zeit die Mittel zu Bauwerken gewährte, denen die Gegenwart keine ähnlichen an die Seite zu stellen weiß. Sprechen daher Größe und Stil des Gebäudes für das 12. - 14. Jahrhundert, so könnte zur näheren Bestimmung folgende geschichtliche Notiz dienen: Friedrich mit der gebissenen Wange, ein besonderer Gönner der Stadt, verehrte der Kirche unter anderen Heiligtümern auch einen blutigen Dorn aus der Dornenkrone Christi, den er von Rom zum Geschenk erhalten hatte. Dies habe viele Wallfahrten veranlasst und der Stadt zu großer Aufnahme gedient. Daraus scheint sich mit Wahrscheinlichkeit schließen zu lassen, dass entweder die Menge der Wallfahrten, welche nicht mit leeren Händen zu kommen pflegten, und die Heiligkeit der Reliquie die Erbauung einer mehr als gewöhnlich großen Kirche veranlassten, oder dass durch beides der bereits begonnene Bau gefördert wurde. In beiden Fällen könnte man den Bau spätestens in den Anfang des 14. Jahrhunderts setzen.
Die Kirche besteht aus dem Schiff und dem Altarchor und ihr Flächenraum beträgt 110 Ellen in der Länge, 52 Ellen in der Breite und 27 Ellen in der Höhe. Das Schiff war früher ein längliches Viereck, in welchem eine um drei Stufen erhöhte Abteilung am östlichen Ende durch Schranken abgesondert war und den Hochaltar enthielt. Jetzt bildet die mit dem später angebauten , um weitere vier Stufen erhöhten Altarraum einen geräumigen Platz vor dem Altar, welcher sowohl durch die Erhöhung als auch durch die besondere Bauart von der übrigen Kirche sich unterscheidet und seine besondere Bestimmung schon dadurch würdig ankündigt. Das Gewölbe ruht auf 12 starken in zwei Reihen sich gegenüberstehenden Pfeilern und auf ebenso vielen äußerlich an der Mauer angebrachten Gegenpfeilern, zwischen welchen hohe Fenster die Kirche hinlänglich erleuchten. Die zwei östlichen Pfeiler sind jedoch mit der Hauptmauer durch Querwände verbunden und stehen daher nicht frei, dafür bilden sie aber durch ihren schönen Bogen für das Auge einen angemessenen Ausgangspunkt sowohl des Altarchors von der Kirche aus, als den Eingang zu dieser von jenem her.
Innerhalb des Schiffes standen vor der Reformation 16 Nebenaltäre; seit der Reformation aber hat das Innere eine andere Gestalt gewonnen. Das linke Nebenschiff an der Mittagsseite wird fast ganz ausgefüllt von einem langen steinernen, gut gebauten Chor, das 5 Ellen breit ist, auf 11 steinernen durch 9 Schwibbogen verbundenen Säulen ruht und einen gewölbten Fußboden und eine steinerne Brustlehne hat. Nach Angabe einiger Sachverständigen sollen sich außer diesem nur noch in zwei Kirchen Sachsens Chöre von dieser herrlichen Bauart befinden. Es wurde nach dem Brand von 1621 an aufgeführt. Auf demselben befindet sich der Amtsstuhl für die landesherrlichen Beamten. An der Abendseite wurde die gegenwärtige Rats-Emporkirche 1653 erbaut, 23 Ellen lang mit 19 Fenstern. Über derselben befindet sich das Singe-Chor mit der Orgel. Das umfangreiche mit Holzbildnerei verzierte Gehäuse enthält ein zu seiner Zeit ausgezeichnetes, noch jetzt treffliches Werk, welches vom Hof- und Land-Orgelbaumeister Joh. Ernst Hänel für mehr als 3000 Thlr. erbaut und im Kammerton gesetzt ist. Es besteht aus zwei Manualen mit langer Oktave, davon jedes 12 Register und vier volle Oktaven hat, vom tiefen C, mit Ausschluss des großen Cis bis ins dreigestrichene d, ebenso das Pedal bis ins eingestrichene d. Manuale und Abstraktur sind leicht zu spielen, die Klaviere können gedoppelt werden. Auf jeder Vorderseite des Gehäuses ist in ansehnlicher Höhe eine Pauke angebracht, vor welcher ein Engel mit Paukenschläger steht, dessen Arme aber durch vier besondere Pedal-Claves von dem Platz des Organisten aus in Bewegung gesetzt werden. Das Werk wurde 1746 eingeweiht und eine bereits eingeleitete Reparatur wird ihn bald seinen vollen Wert wiedergeben. An der Mitternachtsseite ist für die Handwerksgesellen eine Emporkirche angebracht und vor dieser am vierten Pfeiler die mit mancherlei Kunstwerk verzierte Kanzel. Die Wand hinter dieser ist durch einige Kirchenstühle, Inschriften und Denkmäler eingenommen. Die letzten sind ohne besondere Wichtigkeit; von den Inschriften zeichnen sich aber besonders zwei durch ihre Latinität aus, von denen die eine ihrer sinnreichen Antithesen wegen hier einen Platz finden mag:

Quos in vita mors disjunxit,
Vita in morte conjunxit,
Marito reddidit conjugem mortuam

in omnes nunc aevorum annos
vivam jugi forendam
decumbit hic accumbitque
Domina Sophia Gertraud Dedekind
plus Hannca fide vidua * [ihr Gatte war vor ihr gestorben, und sie war an seiner Seite begraben]
Custos Templi
Tenax voti
Compos spei.
Vitam cum conjuge vixit
in morte suavem
sibi contiguis ossibus animisque
amorem in morte continuantibus.
Lege Lector, nec rumpe
longius non interruptum tori silentium.

Der Taufstein der vor Zeiten an dem entgegengesetzten der nämlichen Seite stand, wurde nach dem Brand im Jahr 1625 errichtet. Er ist unten von weißem, in der Mitte von buntem und üben, wo das Taufbecken eingelassen ist, von schwarzem Marmor, und hat eine glockenförmige Decke von Bildhauerarbeit, die einen auf Säulen ruhenden Tempel, in welchem Johannes Jesum tauft, vorstellt, und kann an einer eisernen von dem hohen Gewölbe herabhängenden Stange auf- und niedergelassen werden. – in den Schranken des Taufsteins ist eine Tafel an der Wand befestigt, worauf das Brandunglück des Jahres 1616 in lateinischen und deutschen Versen also beschrieben ist:

Mille et sexcentos ubi post quinosque bis annos

Ortus jam Juli tempore Sextus erat * [scil annus. Das Feuer war am 4. Juli 1616 ausgebrochen]
Sacra quater cum centenis haec aedibus aedes
Cum tota in fumus isset etin cineres,
AVsplCIIS tanDeM reno Vata potentIs Io Vae ** [1620]
AtqVe Deo rVrs VM rlte saCrata fVlt. *** [1622]
Tunc ubi Pastor erat Cademannos etc., etc., etc.
Hanc verbi sincera sacri vox personet urbem
Praesidioque Dei tuta sit illa diu! <

>Die Übersetzung ist gereimt und drückt selbst das Chronostichon aus:

Im Tausent Sechshundert und Sechszehnten Jahr
Als der vierdt July da war
Brandt diese Kirch und Gotteshaus
Sambt vierhundert Wohnhäusern auß
WarDt V ernewrt DVrCh Des Herrn Segen (1620)
VnD nVn IhM CzV elzn Vbergeben. (1622)
Als Pastor etc.
In diesem Hauß Gottes Wort erschall
und Gott behüts für allm Unfall.

Der durch Schranken von dem Schiff getrennte Altarchor bestand früher nur aus der 10 Ellen langen östlichen Querseite des Schiffes, welche den  Hochaltar enthielt und daher um drei Stufen erhöht war. Aber 1464 wurde die Giebelmauer durchbrochen und ein um noch vier Stufen erhöhter neuer Altarchor darangebaut, welcher jetzt mit dem früheren ein nur durch jene vier Stufen geschiedenes Ganzes ausmacht. Der neu angebaute Teil schließt sich zwar nach der Deckenhöhe an die Höhe des Hauptschiffes an und hat mit diesem ein fortlaufendes Gewölbe; er hat aber nur die Breite des Schiffs und wird daher nicht durch Säulen getragen, sondern die Enden der Wölbung neigen sich nach der Seitenwand herab und werden durch die äußeren Gegenpfeiler gehalten. Das Dach dieses Teils ist bedeutend niedriger und schmaler als das Hauptdach und schließt mit einem Türmchen, in welchem das Kindtaufglöckchen hängt. Die fünf äußeren Pfeiler sind von Sandstein, mit Steinhauerarbeit geschmückt und tragen eine steinerne Spitze, welche einem verjüngten gotischen Turm gleicht.  Zwischen ihnen sind in dem Halbzirkel in welchem sich die östliche Seite der Kirche schließt, fünf hohe Bogenfenster angebracht, welche den Altarplatz vortrefflich erleuchten. – Unter dem Fußboden wurde zugleich eine gewölbte Kapelle mit fünf Bogentüren, den Eingang vom Kirchhof herein, für den Fall angelegt, dass noch mehrere Altäre, für welche in der Kirche selbst kein Raum mehr war, gestiftet würden. Es findet sich jedoch keine Nachricht, dass gottesdientliche Handlungen darin wären vorgenommen worden. Schon vor der Reformation diente dieselbe vielmehr zur Aufbewahrung von Baumaterialien, und diese Bestimmung ist ihr auch später geblieben. Im Innern dieses Platzes sind an der Miternachtswand die Bildnisse von zehn Superintendenten aufgehängt, von denen das letzte das des 1822 verstorbenen Dr. Steinert ist. – Der jetzige Altar, der 24 Ellen hoch und 14 Ellen breit ist, wurde 1684 von dem Bildhauer Joh. Friedrich Richter zu Meißen für 750 Thlr. ausgearbeitet und in demselben Jahr eingeweiht. Er reicht in drei von Säulen getragenen nach oben sich zuspitzenden Etagen bis zur Decke und ist mit mancherlei Holzschmuck und Vergoldungen bedeckt. Das Hauptgemälde stellt die Verfinsterung der Sonne bei dem Tode Jesu vor. Die Kommunionsgefäße, Bekleidungen und ein silbernes Kruzifix sind Denkmäler von der Wohltätigkeit unserer Vorfahren. Als die Kroaten im 30jährigen Krieg am 13. Oktober 1632 die Kirche geplündert und alle Ornate, Kelche und dergl. geraubt hatten, wetteiferten wohlhabende Bewohner unserer Stadt, den Verlust zu ersetzen. Darauf bezieht sich das Chronodistichon auf dem einen Kelch: October qVater et noVles Vt LVCe refVLget, terna qVater teMpLo poCLa Croata raplt.
Die Inschrift eines anderen ist: Hoc ore sumitur, quod fide creditur. Accipe ex calice, quod effluxit e latere.
Außer dem genannten silbernen Kruzifix besitzt die Kirche an heiligen Gefäßen: eine silberne Hostienschachtel mit Deckel von getriebenem Blumenwerk, 7 silberne Hostienteller, 7 silberne und vergoldete Kelche, eine silberne inwendig ganz und auswendig zum Tel vergoldete Kommunionkanne. – Diese sämtlichen heiligen Gefäße nebst dem silbernen Kruzifix wurden am 7. März 1831 in den Nachmittagsstunden von einem hier eingewanderten, aus Zeulenroda gebürtigen Bäckergesellen namens Johann Gottfried Berthel geraubt. Dieser übelberüchtigte, höchst verschmitzte Räuber, der mit einer damals im In- und Ausland weit verzweigten Diebesgesellschaft in Verbindung zu stehen schien, mochte auch hier mit einem seines Gleichen schon bekannt gewesen sein, der ihn mit den Lokalitäten der hiesigen Kirche bekannt gemacht hatte. An einem von der großen Glocke losgemachten Strang hatte sich der Räuber durch eine beim Eingang des Turms befindlichen Öffnung in das Innere der Kirche hinabgelassen und mit einer dem Türmer gestohlenen Holzaxt die Sakristeitür und den mit einer eisernen Tür wohl verwahrten Wandschrank, worin sich die Vasa sacra befanden, gewaltsam erbrochen. Ein großer verschlossener Kasten , worin sich die gute Kanzel- und Altarbekleidung befand, hatte ebenfalls der Gewalt des Räubers weichen müssen, und von diesen Bekleidungen waren die wertvollen goldenen Tressen größtenteils abgerissen und umhergeworfen, aber nicht mitgenommen worden. Die geraubten Gegenstände hatte der Räuber in ein altes Hemd eingenäht und so mit zwei starken Knütteln versehen war er aus einer an der Mittagsseite befindlichen, ebenfalls mit der Axt erbrochenen Kirchtür am hellen Tage herausgegangen. Ein am Rathaus stehender Ratsdiener, der dies gesehen, hatte sogleich dem Kirchner davon Nachricht gegeben, welcher, eben im Begriff, Geschäfte halber in die Sakristei zu gehen, sich bald mit Entsetzen von dem Geschehenen überzeugte. Der von ihm dem Räuber nachgeschickte Ratsdiener brachte bald diesen samt dem geraubten Gut zurück, obgleich derselbe schon durch einige Seitengassen der Stadt gegangen, um wahrscheinlich das Geraubte in Sicherheit zu bringen.
Mit der unverschämten Frechheit leugnete beharrlich der Räuber die begangene Tat und stets blieb er bei seiner Aussage: „ein fremder Mann habe ihm an der Kirchtür diese Hocke gegeben, um sie ihm nach Mügeln zu tragen,“ obgleich man in seiner Tasche das Geld fand, welches er aus einer ebenfalls aus einer bei den genannten Gegenständen verwahrt gewesenen und erbrochenen Kommunionbüchse genommen hatte. Der Räuber, welcher seiner vielfach verübten Verbrechen wegen schon in einigen Strafanstalten des In- und Auslandes die verdienten Strafen abgebüßt hatte, endigte sein Leben als Selbstmörder in der Strafanstalt zu Waldheim.


 

In dem niederen Teil des Altarraums befindet sich an der Mittagsseite eine eiserne Emporkirche, früher der hier wohnenden Familie von Schleinitz angehörig, später dem Militär, das in der Stadt stand, eingeräumt. Gegenüber an der Mitternachtsseite ist die Sakristei. Sie war ehemals eine Kapelle, die die Jakobsbrüderschaft (Jakobiten, zur Verehrung des heiligen Jakob) hatten erbauen lassen nach 1464. Zur Erhaltung und Vermehrung ihres gestifteten Lehens erteilten auf Ersuchen der Jakobsbrüder 1475 sechs Kardinäle einen Ablassbrief, in welchem sie allen Christgläubigen, die ihre Sünden bereuten und bekennen und dabei die Jakobskapelle an bestimmten Tagen besuchen, und ihre milde Hand auftun würden, jedesmal 100 Tage Erlassung von den Beichtvater auf bestimmte Jahre auferlegten Kirchenstrafen oder Bußübungen verhießen. Zu diesem Ablass fügten die Bischöfe von Meißen Dietrich 1475,  und Johannes 1477 jeder noch 40 Tage Ablass. In diese Kapelle wurde 1622 nach der Wiederherstellung der Kirche vom großen Brand die Sakristei verlegt, welche früher am anderen Ende der Kirche in dem Erdgeschoss des nach dem Brand nicht wieder aufgeführten Turmes sich befand. In der jetzigen Sakristei wird das alte Kirchenarchiv aufbewahrt, worin außer anderen Urkunden, Rechnungen und Verzeichnissen, die Geburts-, Aufgebots-, Trauungs- und Totenlisten vom Jahr 1600 an sich befinden. Die ältesten Kirchenbücher von 1548 - 1599 sind verloren gegangen, es hat aber der ehemalige Pastor in Naundorf Gabriel Hamitsch, der die ersten Nachrichten von der Stadt und Diözese Oschatz sammelte, brauchbare Auszüge davon hinterlassen. Auch die ehemalige Klosterbibliothek ist hier aufgestellt. Sie enthält nur gedruckte Bücher, aber einige davon gehören den frühen Zeiten der Buchdruckerkunst an, z.B. eine bis auf das 26. Kapitel des 2. Buch Moses defekte altdeutsche Übersetzung der Bibel in gr. Fol. nach der Bulgara, wahrscheinlich um 1462. Sie bestehen meistens aus Ausgaben mehrerer Kirchenväter, Scholastiker, aus Predigten und Traktaten, aus denen der Geschmack und die Sitten des 15. und  16. Jahrhunderts zu erkennen ist. 
Die Kirche hat 5 Eingänge, von welchen der an der Abendseite befindliche die Gestalt einer Bischofsmütze hat; an jeder Tür ist ein aus Messing gegossener Löwenkopf angeheftet, durch welchen ein messingener Ring gezogen ist. An dem einen Eingang von der Mittagsseite her ist die sogenannte Leichenhalle angebaut, die daher ihren Namen hat, weil die Leichen bei Beisetzungen in der Kirche durch dieselbe getragen und noch früher, ehe der Begräbnisplatz vor die Stadt angelegt wurde, bis nach beendigter Leichenpredigt in dieser Halle abgesetzt wurden. Das Portal derselben bringt äußerlich folgende ebenfalls auf den großen Brand und die Wiederherstellung der Kirche im Jahr 1620 sich beziehende Aufschrift:

In urbis hujus luctuoso incendio
Quo Julii mensis die bis altero

Prope tota fumos in leves cineresque iit
Postquam Dei nutu sacra haec aedes quoq.
Cum curia scholaq. conflagraverat
Reparata tanDeM JoVae ca aVsplCIIs
fVlt. (1620) etc. etc

An der Abendseite der Kirche standen vor dem Brand zwei Türme, welche durch einen Gang zwischen den beiden Glockenböden verbunden waren. Bei dem Brand schlugen die herabstürzenden Glocken einen Teil des Kirchengewölbes durch und die nachfallenden Feuerbrände zündeten das Innere der Kirche an. Bei dem Wiederaufbau wurde bloß der eine, welcher noch jetzt steht, völlig wieder aufgerichtet. Schon 1617 wurden zwei große Glocken wieder aufgehangen, von denen die größte 24 Zentner wiegt und die Aufschrift führt:
Laudo Deum verum, plebem voco, convoco clerum, Defunctos ploro,  Cor suscito, festa decoro.
Die andere ist 15 Zentner schwer und stehen auf derselben die Worte:
Me resonante Deo resonat tuba sacra venite.
Eine dritte, viel kleinere Glocke ist später aufgehangen worden. Das Geläut ist stark und harmonisch.
Der Bau endigte sich 1621. Der untere Teil ist viereckig, über diesen erhebt sich das Achteck, in welchem die Wohnung des Türmers sich befindet, und auf diesem ruht die mit Schiefer gedeckte Haube. Über dieser ist auf einer 6 Ellen langen Spindel  der übergoldete kupferne Knopf aufgesetzt, welcher gegen 4 Stein wiegt und die 51 Pfund schwere Fahne trägt. – Der Blitz hat den Turm mehrere Male getroffen, aber die Flamme wurde entweder bald gelöscht, oder der Strahl fuhr an dem Draht der Turmklingel zur Erde. Den 23. November 1733 warf ein heftiger Sturmwind in der Nacht Knopf und Fahne herab und den Tag darauf fuhr ein Blitzstrahl unter starkem Schneegestöber und unerwartetem Donner in den Turm, zündete aber nicht; ebenso den 2. Mai 1783 nachmittags während der Betstunde. Am 11. Februar 1824, abends nach 7 Uhr fuhr ebenfalls bei heftigem Schneegestöber, Sturmwind und starkem Donner ein Blitzstrahl in den Turm und zündete; doch gerade zur rechten Zeit ehe die Flamme noch zum Ausbruch kam, wurde sie, zwar mit großer Anstrengung, aber glücklich gedämpft. Der Blitz war am Draht der Turmklingel herunter in die Erde gefahren, hatte aber am oberen Teil des Drahtes ein ziemliches Stück zerschmolzen. – Seit einigen Jahren ist Turm und Kirche mit einem Blitzableiter versehen.
Die an der Aegidienkirche jetzt amtierenden Prediger sind: der Pastor und Superintendent seit 1835 D. Victorin Gottfried Facilides, geboren 1777 in Mittweida, welcher unter Kollatur des Kultusministerium steht; so wie der Archidiakonus seit 1830, Johann August Lehmann, geboren 1777 in Gröba, und der Diakonus seit 1837, M. Carl Friedrich Zschucke, geboren 1805 in Oschatz, welche letztere beiden Predigerstellen der hiesige Stadtrat zu besetzen hat.
In der Porachie Oschatz wurden laut Kirchennachrichten

im Jahr 1638 46 Paare getraut,   87 Kinder geboren und   50 Personen beerdigt,
im Jahr 1738 18 Paare getraut,   79 Kinder geboren und 103 Personen beerdigt,
im Jahr 1838 35 Paare getraut, 218 Kinder geboren und 166 Personen beerdigt.

Kommunikanten waren im Jahr 1838 3127, worunter 136 Konfirmanden sich befanden.
Der Kirchhof um die Aegidienkirche, dessen Umfang sich jetzt durch darauf gesetzte Gebäude vermindert hat, war bis 1526 außer dem Klosterkirchhof der allgemeine Begräbnisort, auf welchem etwa gegen 30.000 Verstorbene ruhen mögen. In jenem Jahr aber wurde der Begräbnisplatz auf den Hospitalkirchhof zu St. Georgen verlegt, wo er sich noch jetzt befindet.

– Fortsetzung –


© 1998 - 2024 Inhalt | Neues | über mich | Ungeklärtes | Impressum | Datenschutzerklärung | Links